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Liebe, die weh tut

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21.08.2008
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Liebe, die weh tut

...oder: er wird vor mir sterben!

Bereits während er die Tür aufschließt, bemerkt sie, dass er wieder betrunken ist. Hektisch lässt sie noch einmal den Blick durch das Zimmer schweifen. Hoffentlich ist alles in Ordnung und sie hat nicht schon wieder irgendwas vergessen.

Sie hört seine Stimme durch den Korridor: „Bist du zuhause?“ „Ja“, antwortet sie leise. Da steht er in der Tür: groß, massig, mit blutunterlaufenen Augen und einem rotfleckigen Gesicht. Schwankend hält er sich am Türrahmen fest und lässt nun seinerseits den Blick durchs Zimmer schweifen.
Sein alkoholschwangerer Atem nimmt ihr die Luft, als er ganz nah an sie herantritt und in ihr Ohr schreit: „WIE SIEHT DAS HIER WIEDER AUS? WAS FÜR EIN SCHWEINESTALL IST DAS DENN?“

Wie das Kaninchen vor der Schlange steht sie vor ihm. Der erste Schlag in ihr Gesicht lässt ihren Körper versteifen. Ihr Rücken ist ganz gerade, die Arme bleiben rechts und links bewegungslos neben ihrem Körper. Keine Verteidigungshaltung dämpft die Wucht der Schläge, die immer wieder in ihr Gesicht und auf ihren Kopf treffen. Sie wehrt sich nicht, doch sie fällt auch nicht um. Und keine Träne rinnt über ihr Gesicht. Sie kennt das bereits. Es dauert nicht mehr lange, dann ist es vorbei. Sie weiß auch, was nachher kommt. Sie kennt das Versöhnungsprocedere schon. Ihr Empfinden hat sie beim ersten Schlag ausgeschalten. „Er wird vor mir sterben. Er wird vor mir sterben.“ Dieser Satz beherrscht ihr Denken und lässt sie die Schläge nicht mehr fühlen.

Sie werden schon schwächer. Und in seinem Gesicht tauchen die obligatorischen Tränen auf. Tränen, die eigentlich sie weinen müsste. „Ich hab dich doch so lieb!“, wimmert er „Warum musst du mich immer wieder in Wut bringen?“ „Es tut mir leid.“ Ja, er tut ihr wirklich leid. Und sie ist traurig darüber, dass sie ihm offensichtlich wieder einen Grund gegeben hat, sich aufzuregen. Dabei weiß sie doch ganz genau, wie schwer das alles für ihn ist und wie schnell er sich aufregt und wie sehr er selbst unter seinen Wutanfällen leidet. Warum kann sie es ihm nicht ein bissel leichter machen?
Ihr Körper hat sich wieder entspannt. Die Striemen im Gesicht und die blauen Flecken wird sie nachher mit Eis behandeln. Dann sieht es morgen schon nicht mehr so schlimm aus.

Anteilnehmend aber auch ängstlich schaut sie nach oben in sein tränennasses Gesicht. Sie nimmt seine Hand und führt ihn zu seinem Sessel. Am liebsten würde sie jetzt nicht mehr hier im Zimmer bleiben. Sie weiß ja, was folgt: sein Reueverhalten. „Komm her zu mir.“, sein liebevoller Ton, die ausgestreckte Hand... sie geht zu ihm und er deutet auf seinen Oberschenkel: „Setz dich. Ich brauch dich jetzt. Es tut mir leid, dass ich dir weh getan habe. Ich mach es wieder gut.“ Behutsam streicht er ihr übers Haar, lässt seine Finger sanft über die Schwellungen an ihrem Gesicht gleiten. „Komm, küss mich.“ Er hält ihr sein Gesicht entgegen. Sie gibt ihm einen leichten Schmatz auf die Lippen. „Aber doch nicht so!“ lacht er und drückt sie an sich, schiebt seine Zunge zwischen ihre Lippen und küsst sie heiß und innig und alkoholschwer. Sie hält die Augen fest geschlossen, während es in ihr denkt: „Er wird vor mir sterben! Er wird vor mir sterben!“ Seine Hand gleitet an ihrem Hals hinab zu ihren Brüsten und massiert erst zaghaft, dann stärker und schmerzhaft. Er stellt sie vor sich hin, öffnet ihr Kleid, setzt sie in den Sessel, kniet sich vor sie hin und während er mit seiner Zunge ihre Scham bearbeitet, öffnet er seine Hose. Dann stellt er sich auf: „Fass ihn an und küss ihn! Er hat solche Sehnsucht nach dir.“ Es kostet sie Überwindung, aber will sie es schnell hinter sich bringen, muss sie tun, was er sagt, sonst wird er wieder wütend und es setzt wieder Schläge. Dann lieber das. Das ist nur eklig, aber es tut nicht weh.
„Oh jaaa“, stöhnt er, „das tut soooo gut! Ich hab dich so lieb, mein Mädchen!“
„Ich dich auch.“

Später – längst liegt er entspannt und schnarchend auf der Couch - schreibt sie in ihr Tagebuch: „Er wird vor mir sterben. Irgendwann wird er vor mir sterben! Und dann ist es endlich vorbei.“

Da ist sie zwölf Jahre alt.

 

Hallo Stella,

und herzlich willkommen hier.

Es hat noch keiner auf Deinen Beitrag geantwortet und auch ich tue mich schwer, jetzt die richtigen Worte zu finden. Gesellschaft ist meiner bescheidenen Meinung nach sowieso eine verdammt schwierige Rubrik, weil man schnell von der Literatur zur Moralpredigt gleitet.

Das Thema ist allseits bekannt, liebe Stella. So wie Du es schilderst, oder besser wie Du über den Missbrauch berichtest, lesen wir tagtäglich darüber in der Zeitung. Bei einem konkreten Fall, wenn ich weiß, dass ein Mensch hinter der Geschichte steckt, kann ich Wut entwickeln oder Mitgefühl oder Trauer oder Hilflosigkeit. Aber Deine Geschichte berührt mich nicht, weil ich zu Deinen Protagonisten keine Beziehung aufbauen kann.

Die bloße Schilderung der Begebenheit reicht nicht, um Deine Leser für Deine Geschichten einzunehmen. Wir sind Voyeure, wir wollen mit den Menschen darin fühlen, leiden oder uns freuen.

Bereits während er die Tür aufschließt, bemerkt sie, dass er wieder betrunken ist.

Der Einstieg in den Text ist dramaturgisch äußerst ungeschickt - abgesehen davon, dass ich beim Lesen sofort hinterfrage, wieso sie bemerkt, dass er betrunken ist.

Du lässt ab diesem Moment keine Fragen mehr offen, der Leser ist bereits auf der richtigen Spur, macht die passenden Schubladen auf und es dreht sich nur noch um die Frage, wen er jetzt gleich missbrauchen wird: die Mutter oder die Tochter.

Mir erscheint auch ihr Rechtfertigungs-Repertoire nicht besonders plausibel. Umso mehr, da es sich um eine 12-Jährige handelt.

Ihr Empfinden hat sie beim ersten Schlag ausgeschalten. „Er wird vor mir sterben. Er wird vor mir sterben.“ Dieser Satz beherrscht ihr Denken und lässt sie die Schläge nicht mehr fühlen.

Meine Lebenserfahrung sagt mir, dass das so nicht funktioneren kann. Entweder blendet ein Missbrauchsopfer irgendwann völlig aus, dass der andere etwas Unrechtes tut, sucht ständig die Schuld bei sich, oder die Wut über die eigene Hilflosigkeit wird irgendwann erdrückend. Aber Deine Protagonistin schwankt für mein Gefühl zu sehr in ihren Empfindungen.

Da ich zu diesem Thema nie recherchiert habe, kann ich Dich da nicht konkret widerlegen. So eine Missbrauchsgeschichte erfordert ein minutiös ausgearbeitetes, glaubwürdiges Psychogramm von Täter und Opfer und das ist ein Vorhaben, das ich mir selbst nicht zutrauen würde.

Tut mir leid, dass ich Dir nicht allzu viel Positives schreiben kann. Und ich hoffe ebenfalls, dass ich Dich nicht gleich vertrieben habe. :D

Liebe Grüße
melisane

 

Hallo Stella,
es passiert immer wieder, dass Autoren glauben, duch das reine Betroffen-machen-wollen einen Treffer zu landen. Das funktioniert aus den oben genannten Gründen nicht, Melisane hat das erschöpfend herausgearbeitet. Ich ärgere mich immer darüber, weil ich denke, da ist jemand zu faul, um lebendige Charaktere zu entwerfen und hofft auf den billigen 'Ach, wie schrecklich' Effekt. Doch auch ich möchte Dich nicht vertreiben und hoffe, dass Du was mit den Kommentaren anfangen kannst.
LG,
Jutta

 

Hallo Melisane, hallo Jutta,
ich danke Euch für diese konstruktive Kritik, zeigt sie mir doch, dass ich mit meinen Erwartungen an dieses Forum hier richtig liege: Texte einstellen zu können, die dann hilfreich zerpflückt werden und ein Feedback beinhalten, welches man sich selbst zu geben nicht in der Lage sein kann. Außerdem ist es mir wichtig, Hinweise von Leuten zu bekommen, die mich nicht kennen, keinen Bezug zu mir haben und deren Kritik somit auch weder Sympathie- noch Antipathiebekundungen enthält, sondern sich tatsächlich auf das Handwerk des Schreibens bezieht.
Keine Angst also, Ihr könntet es mit einer Mimose zu tun haben, die sich, weil sie gleich bei ihren ersten Gehversuchen Kritik erhält, in die Schmollecke zurück zieht und sich woanders ein "wohlwollenderes" Publikum sucht.
Würde ja nix bringen.
Ich bleibe also hier, beschäftige mich mit dem von Euch und auch anderen Geschriebenen und hoffe (ganz sicher berechtigt), mich damit weiterentwickeln zu können.
In diesem Sinne beste Grüße
Stella

 

Hallo Stella!

Auch von mir ein Willkommen.

Dass Kindesmissbrauch, Misshandlungen u.s.w. natürlich schrecklich sind, lasse ich mal außen vor, denn das hat ja eigentlich nichts mit der Qualität deiner Geschichte zu tun.

Bei deiner Geschichte erzählt ja schon der Titel (fast) alles, nur die "Pointe" kommt noch. Die Pointe finde ich unangemessen, weil du sie nicht richtig aufgebaut hast.

Mal detaillierter:

"Liebe, die weh tut"
"dass er wieder betrunken ist." => Wie gesagt, das beides erzählt schon alles (bis auf die Pointe). Es kann also keine Spannung aufkommen.

"„Bist du zuhause?" „Ja", antwortet sie leise." => Allgemein, bei Dialogen: Immer einen Zeilenumbruch machen, wenn der Sprecher wechselt. Damit der Leser nicht den Überblick verliert.

„WIE SIEHT DAS HIER WIEDER AUS? WAS FÜR EIN SCHWEINESTALL IST DAS DENN?" => Niemals Großbuchstabenschreibweise in literarischen Texten nutzen. Da steht, dass er schreit, also ist den Leser das klar.
=> Übrigens, es wäre besser, wenn du am Anfang eine Beschreibung des Zimmers einfließen lässt, so wie die Protagonistin es sieht. Damit sich der Leser eben ein Bild machen und selbst beurteilen kann, ob es nun ordentlich oder ein Schweinestall ist.

"Der erste Schlag in ihr Gesicht lässt ihren Körper versteifen." => Das passt nicht recht zur Pointe. Sie ist zwölf Jahre, muss demnach zur Schule gehen. Wenn er ihr regelmäßig ins Gesicht schlägt, fällt das auf und zwar dermaßen, dass irgendwer etwas unternehmen würde. Da schauen nicht alle weg. (Bei Kindesmissbrauch sind oft keine äußerlichen Wunden zu erkennen und Eltern, die ihre Kinder misshandeln, achten schon meist instinktiv darauf, dass sie nicht ins Gesicht schlagen. Sie schlagen überall hin, was sich oberflächlich verdecken lässt, nicht ins Gesicht.)

"doch sie fällt auch nicht um. Und keine Träne rinnt über ihr Gesicht." => Wenn er massiv auf ihren Kopf einprügelt, wie kann sie sich dann aufrecht auf den Beinen halten?

"Ihr Empfinden hat sie beim ersten Schlag ausgeschalten." => ausgeschaltet.

„Er wird vor mir sterben. Er wird vor mir sterben." => Wenn sie das denkt, solltest du es in 'einfache' Anführungszeichen oder kursiv setzten, um es vom Gesprochenen zu unterscheiden.

"wimmert er „Warum musst" => Da fehlt ein Punkt.

"„Es tut mir leid." Ja, er tut ihr wirklich leid." => Es oder er? Das würde ich umformulieren.

"wie schwer das alles für ihn ist" => Was ist schwer für ihn? Erzähle das auch dem Leser.

"Die Striemen im Gesicht und die blauen Flecken wird sie nachher mit Eis behandeln. Dann sieht es morgen schon nicht mehr so schlimm aus." => Also, so, wie er auf sie eingedroschen hat, lässt sich da bis zum nächsten Tag gar nichts verbergen. Da müsste sie sich schon einen Sack über den Kopf ziehen.

"„Komm her zu mir.", sein liebevoller Ton, die ausgestreckte Hand... sie geht zu ihm" => Zeichensetzung, Groß- und Kleinschreibung.
Die korrigierte Version: „Komm her zu mir." Sein liebevoller Ton, die ausgestreckte Hand ... sie geht zu ihm
Oder: „Komm her zu mir." Sein liebevoller Ton, die ausgestreckte Hand - sie geht zu ihm

"„Aber doch nicht so!" lacht er" => Man lacht keine Sätze. Umdrehen: Er lacht.

"während es in ihr denkt:" => Warum nicht einfach: Während sie denkt:?

"hinab zu ihren Brüsten" => Sie ist schon voll entwickelt?

"öffnet ihr Kleid," => Dabei fällt mir auf, dass du sie bisher überhaupt nicht beschrieben hast. Ich hatte mir z.B. vorgestellt, dass sie Jeans trägt. Die Beschreibung von ihrem Aussehen sollte früher kommen (das würde natürlich die Pointe killen, aber von der halte ich ja eh nichts).

"Das ist nur eklig, aber es tut nicht weh." => Demnach ist er ein sanfter "Liebhaber". Ich kenne Tatsachenberichte, die nicht dermaßen soft daherkommen.

"Da ist sie zwölf Jahre alt." => Ja, das ist also die Pointe. Mir fehlt in deiner Geschichte der Hintergrund. Was ist mit der Mutter? Ist sie gestorben? Wünscht die Protagonistin, sie wäre noch da?
Wie geht sie mit ihren Verletzungen um, wenn sie zur Schule muss? Denkt sie nie darüber nach, irgendwem Andeutungen zu machen, was zu Hause abgeht u.s.w.?
Es bleiben mir zu viele Fragen offen.

Grüße
Chris

 

Hallo Chris,
erst einmal danke für die Mühe, die Du Dir mit Deiner konstruktiven Kritik gemacht hast. Allen Deinen Korrekturvorschlägen bezüglich Satzzeichen, Wortumstellungen und Synonymen kann ich vollumfänglich folgen.
Ich gehe auch mit Deiner und den vorangegangenen Kritiken mit, dass es mir offensichtlich nicht gelungen ist, das Thema in akzeptabler oder gar guter literarischer Form zu bearbeiten. Um mich an solcher Kritik entwickeln zu können, habe ich ja meinen ersten Versuch hier hinein gestellt.

Was jedoch bestimmte inhaltliche Dinge anbelangt, da muss ich Dir einfach widersprechen:

"Der erste Schlag in ihr Gesicht lässt ihren Körper versteifen." => Das passt nicht recht zur Pointe. Sie ist zwölf Jahre, muss demnach zur Schule gehen. Wenn er ihr regelmäßig ins Gesicht schlägt, fällt das auf und zwar dermaßen, dass irgendwer etwas unternehmen würde. Da schauen nicht alle weg. (Bei Kindesmissbrauch sind oft keine äußerlichen Wunden zu erkennen und Eltern, die ihre Kinder misshandeln, achten schon meist instinktiv darauf, dass sie nicht ins Gesicht schlagen. Sie schlagen überall hin, was sich oberflächlich verdecken lässt, nicht ins Gesicht.)

Hier zeigen sich eindeutig Vorurteile. Es mag nicht schlüssig dargestellt sein, da in der Kürze der Geschichte nichts davon steht, wie die Umwelt reagierte. Aber dass Eltern, die ihre Kinder misshandeln, instinktiv darauf achten, dass diese nur an nicht sofort sichtbaren Stellen geprügelt werden, gehört definitiv in den Märchen- oder Wunschbereich.

"doch sie fällt auch nicht um. Und keine Träne rinnt über ihr Gesicht." => Wenn er massiv auf ihren Kopf einprügelt, wie kann sie sich dann aufrecht auf den Beinen halten?

Gleiches gilt für diese Äußerung. Es würde Dich sicher verwundern, wenn Du sehen könntest, was bereits jüngere als 12jährige Kinder auszuhalten imstande sind.

"Die Striemen im Gesicht und die blauen Flecken wird sie nachher mit Eis behandeln. Dann sieht es morgen schon nicht mehr so schlimm aus." => Also, so, wie er auf sie eingedroschen hat, lässt sich da bis zum nächsten Tag gar nichts verbergen. Da müsste sie sich schon einen Sack über den Kopf ziehen.

Wahrscheinlich würde es Dich auch verwundern, wie oft (vielleicht aus Hilflosigkeit?) gerade die unmittelbare Umwelt über derartige Anzeichen hinwegschaut bzw. erleichtert ist, wenn ihr halbwegs glaubwürdige Erklärungen/Ausreden serviert werden, die ihr ein Reagieren und damit unangenehmes "Hineingezogen-werden" ersparen.
Es gehört leider immer noch zum Wunschdenken, dass jeder oder wenigstens die Mehrheit Zivilcourage zeigt und reagiert.
Auch wenn es jetzt nicht ganz hierher gehört: Ich habe diesen Fall gerade hier in dem Haus, in welches wir vor ein paar Monaten gezogen sind. Zwei unter ihren gewalttätigen, lieblosen, schreienden und prügelnden Eltern leidende kleine Kinder und ALLE Nachbarn, die sich hinter dem Rücken aufregen, mir aber antworten, dass sie sich lieber nicht einmischen, weil sie ja dann nicht wissen, ob sie nicht selbst unter Repressalien durch die Eltern leiden müssen. Wir waren die einzigen, die sich an den Kinderschutzbund gewandt haben.

"Das ist nur eklig, aber es tut nicht weh." => Demnach ist er ein sanfter "Liebhaber". Ich kenne Tatsachenberichte, die nicht dermaßen soft daherkommen.

Das ist kein "softer" Tatsachenbericht, sondern die Gedanken einer Zwölfjährigen, die ihr eigenes Verhalten in dieser Situation vor sich zu rechtfertigen sucht. Aus dem Text "Fass ihn an und küss ihn." geht meiner Meinung nach recht eindeutig hervor, dass es sich um erzwungenen Oralverkehr handelt, der im Verhältnis zu wütenden Schlägen für eine Zwölfjährige in der Tat körperlich "nur" eklig, nicht schmerzhaft ist. Aber ich gebe Dir, wie bereits erwähnt, uneingeschränkt darin recht, dass es mir nicht gelungen ist, die Dinge nachvollziehbar und schlüssig und so zu erzählen, dass eine tatsächliche Geschichte daraus entsteht.

"Da ist sie zwölf Jahre alt." => Ja, das ist also die Pointe. Mir fehlt in deiner Geschichte der Hintergrund. Was ist mit der Mutter? Ist sie gestorben? Wünscht die Protagonistin, sie wäre noch da?
Wie geht sie mit ihren Verletzungen um, wenn sie zur Schule muss? Denkt sie nie darüber nach, irgendwem Andeutungen zu machen, was zu Hause abgeht u.s.w.?

Das würde bedeuten, die Geschichte umfangreicher zu gestalten. Wäre eine neue Übung, der ich mich vielleicht irgendwann widmen werde.
Wie ich sehe, habe ich jetzt erst einmal mehr theoretisches Handwerkszeug zu erlernen.

Beste Grüße
Stella

 

Hallo Stella!

"Aber dass Eltern, die ihre Kinder misshandeln, instinktiv darauf achten, dass diese nur an nicht sofort sichtbaren Stellen geprügelt werden, gehört definitiv in den Märchen- oder Wunschbereich." => Gut, okay, es trifft sicher nicht auf alle zu, aber dass es auf keinen zutrifft, ist auch nicht richtig.
So wie ich deine Geschichte gelesen habe, prügelt der Vater regelmäßig auf die Zwölfjährige ein, regelmäßig sogar auf den Kopf. Dass das niemand bemerkt, bzw. niemand was unternimmt, behauptest du in deiner Geschichte, aber wenn das (in deiner Geschichte) wirklich so ist, solltest du auch dafür Begründungen liefern. (Was weiß ich: Sie lebten in einem anonymen Plattenbau, einsam auf dem Land, und zur Schule war sie eh noch nie gegangen oder so, was weiß ich. Das sind Fragen, die der Leser sich stellt, weil du ihm die nötigen Informationen vorenthältst.)
Ebenso, dass sie alles aushält. Schläge auf den Kopf - wenn das so massiv ist, wie du es beschreibst, muss sie da einfach irgendwann umfallen, rein vom medizinischen Standpunkt. (Selbst erfahrene Boxer fallen nach mehreren Kopftreffern um!)

"gerade die unmittelbare Umwelt über derartige Anzeichen hinwegschaut bzw. erleichtert ist, wenn ihr halbwegs glaubwürdige Erklärungen/Ausreden serviert werden, die ihr ein Reagieren und damit unangenehmes "Hineingezogen-werden" ersparen." => Wenn das dein Thema ist, dann solltest du darüber eine Geschichte schreiben. Mein Problem ist ja gerade, dass du in deinem Text nicht den geringsten Hinweis auf die Umwelt anbringst. Dann sollte es dich nicht wundern, dass Leser genau da nachhaken.
=> All deine Rechtfertigungs- bzw. Erklärungsversuche müssen in deinen Text!

"Das würde bedeuten, die Geschichte umfangreicher zu gestalten." => Vielleicht. Du solltest dir einfach überlegen, was du erzählen willst. Bisher hast du da bloß ein: Da wird jemand misshandelt/missbraucht. Ohne Drumherum. Das ist aber nur eine Tatsachenbeschreibung, das ist keine Geschichte!

Erzähle uns die Geschichte!

Grüße
Chris

 

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