London
Die Rolltreppe führte nach unten.
Tief, lang war der Weg in den Abgrund. Die Kacheln an den Wänden waren die gleichen wie die vor 30 Jahren. Sogar die Strassenmusikanten durften wieder in der "Underground" spielen. Die eigentlich tristen Gänge waren wieder erfüllt von Musik, von Gefühl. Eva fuhr mit der Piccadilly Line, der blauen Linie. Durch kleine, schmutzige Bahnhöfe, in die auch kurz mal Tageslicht schien. "Gloucester Road" war besonders schön; ein Künstler stellte dort seine Werke aus.
Peter war eine Station früher eingestiegen als Eva, und ihm war die Frau gleich aufgefallen, als sie sich ihm gegenüber setzte. Deshalb folgte er ihr auch, als sie am Earl's Court ausstieg und auf eine andere Linie umstieg. Treppauf, treppab. Wieder setzte Peter sich der interessanten Frau gegenüber, ohne ein Wort zu sagen, oder ihr direkt in die Augen zu schauen. Er lächelte sie nur leicht an. Eva wurde unruhig.
Einige Bahnhöfe weiter, die meisten Leute waren jetzt schon ausgestiegen, verliess sie schnell und kurz vor Türschliessen den Zug. Zufrieden bemerkte sie, dass es dem Mann nicht mehr gelungen war, ihr zu folgen. Sie überquerte den Bahnsteig und betrat den eben einfahrenden Zug. Als sie sich setzte, sah sie direkt in die Augen von Peter. Er sass ihr gegenüber, als wären sie im vorherigen Zug. Erschreckt schloss sie die Augen. Langsam und vorsichtig öffnete sie sie einen Spalt weit. Deutlich sah sie sein freundliches, etwas zutrauliches Lächeln.
Im nächsten Bahnhof drängte sie sich gleich durch die wartenden Leute und hetzte durch die Gänge. Hinter einem Automaten versteckt wartete sie dann, ob er ihr folge. Aber nein, sie hatte ihn abgeschüttelt. Erleichtert betrat sie die nächste Platform (Bahnsteig). Da, rechts neben ihr stand Peter. Sie schrie auf. Er schaute sie leise lächelnd an und sagte nichts. Der Zug wurde angekündigt. Kalte Luft wehte über den Bahnsteig, und schon erklang das tiefe Grollen aus dem Tunnel. Schnell näherte sich der Zug.
Im letzten Moment schoss ihre Hand vor, und gab Peter einen Stoss. Peter fiel direkt vor den Zug. Als sich die Türen öffneten, stieg sie ruhig und gefasst ein. Eva setzte sich - und sah direkt in Peters Augen. Er sass ihr gegenüber und lächelte. Quer über der Brust war sein T-Shirt etwas schmutzig. Bei der nächsten Station stand er auf und nahm Eva bei der Hand. Willenlos folgte sie ihm. In seinem Haus angekommen, führte er sie zum kleinen Turm an der Rückseite und kettete sie im Tumzimmer an. Dort lebte sie die nächsten 100 Jahre das Leben einer Sklavin.