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Lucky (Gefühlvolle Schilderung)
Der Regen peitschte vom Himmel herab und das braune Herbstlaub lag zertreten auf dem Gehsteig. Nick war glücklich, endlich im trockenen Bus nach Hause zu sitzen. Er freute sich auf das Wochenende – und auf Lucky. Lucky war drei Jahre alt, getigert und sein ganzer Stolz. Nur Luckys Tatzen waren weiß, und weich – wie alles an ihr. Nick hatte sie vor zwei Wochen zu seinem neunten Geburtstag bekommen. Es sei das allerschönste Geschenk, das er je bekommen habe, versicherte er tagelang seinen zufrieden lächelnden Eltern. Jeden Tag spielte Nick stundenlang mit ihr, ließ sie Bindfäden jagen oder kraulte sie am Kopf, bis sie selig schnurrend einschlief.
Nick konnte die Bushaltestelle vor dem Haus seiner Eltern bereits aus dem Fenster sehen, als der Busfahrer abrupt auf die Bremse trat und Nicks Kopf ruckartig gegen die Haltestange stieß.
„Verdammte Scheiße!“, fluchte der Busfahrer und stieg aus.
Nick rannte durch den Gang vor zur Tür und sprang auf den Gehsteig. Der Busfahrer kniete neben dem Vorderrad.
„Blödes Vieh“, schimpfte er weiter und stieg wieder in den Bus. Nick stand hinter ihm und als der Busfahrer einen Schritt zur Seite machte, erkannte er Luckys weiße Tatzen auf dem Asphalt. Der schwere Busreifen hatte ihren weichen Körper zerdrückt, der getigerte Schwanz färbte sich rot auf dem nassen Schwarz. Entsetzt starrte Nick auf das getigerte Fell, dann zum Busfahrer, der sich genervt auf sein Lenkrad stützte.
Nick schrie, er schrie einen langen, ohrenbetäubenden Schrei, bevor er sich auf die Straße fallen ließ- neben seine Lucky und über die weißen Tatzen strich. Der rote Turnbeutel glitt in eine Pfütze und sog sich voll.
„Geh da weg, Junge. Los, geh weg, ich muss weiter fahren.“ Der Motor des Busses gab ein seufzendes Brummen von sich.
Doch Nick hörte nicht. Er glaubte, ein Wimmern zu hören, ein leises Miauen, ein letzter Hilfeschrei seiner geliebten Lucky, doch es war nur der Wind, der in seinen Ohren pfiff.
Tränen rannen unaufhörlich über seine erhitzten Wangen, bis das Weiß der Tatzen vor seinen Augen verschwamm.
Lucky, die Glückliche.