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Stil Lucky (Gefühlvolle Schilderung)

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03.09.2004
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Lucky (Gefühlvolle Schilderung)

Der Regen peitschte vom Himmel herab und das braune Herbstlaub lag zertreten auf dem Gehsteig. Nick war glücklich, endlich im trockenen Bus nach Hause zu sitzen. Er freute sich auf das Wochenende – und auf Lucky. Lucky war drei Jahre alt, getigert und sein ganzer Stolz. Nur Luckys Tatzen waren weiß, und weich – wie alles an ihr. Nick hatte sie vor zwei Wochen zu seinem neunten Geburtstag bekommen. Es sei das allerschönste Geschenk, das er je bekommen habe, versicherte er tagelang seinen zufrieden lächelnden Eltern. Jeden Tag spielte Nick stundenlang mit ihr, ließ sie Bindfäden jagen oder kraulte sie am Kopf, bis sie selig schnurrend einschlief.

Nick konnte die Bushaltestelle vor dem Haus seiner Eltern bereits aus dem Fenster sehen, als der Busfahrer abrupt auf die Bremse trat und Nicks Kopf ruckartig gegen die Haltestange stieß.

„Verdammte Scheiße!“, fluchte der Busfahrer und stieg aus.

Nick rannte durch den Gang vor zur Tür und sprang auf den Gehsteig. Der Busfahrer kniete neben dem Vorderrad.
„Blödes Vieh“, schimpfte er weiter und stieg wieder in den Bus. Nick stand hinter ihm und als der Busfahrer einen Schritt zur Seite machte, erkannte er Luckys weiße Tatzen auf dem Asphalt. Der schwere Busreifen hatte ihren weichen Körper zerdrückt, der getigerte Schwanz färbte sich rot auf dem nassen Schwarz. Entsetzt starrte Nick auf das getigerte Fell, dann zum Busfahrer, der sich genervt auf sein Lenkrad stützte.
Nick schrie, er schrie einen langen, ohrenbetäubenden Schrei, bevor er sich auf die Straße fallen ließ- neben seine Lucky und über die weißen Tatzen strich. Der rote Turnbeutel glitt in eine Pfütze und sog sich voll.

„Geh da weg, Junge. Los, geh weg, ich muss weiter fahren.“ Der Motor des Busses gab ein seufzendes Brummen von sich.

Doch Nick hörte nicht. Er glaubte, ein Wimmern zu hören, ein leises Miauen, ein letzter Hilfeschrei seiner geliebten Lucky, doch es war nur der Wind, der in seinen Ohren pfiff.
Tränen rannen unaufhörlich über seine erhitzten Wangen, bis das Weiß der Tatzen vor seinen Augen verschwamm.
Lucky, die Glückliche.

 

Hi BlueSoul,

durch den Verlust des eigenen Tiers kommen natürlich andere Gefühle ins Spiel.
Auch du versuchst, die Schilderung durch ein Detail gefühlvoll zu gestalten. die weiße Pfote. Farben sind der nächste Stilfaktor, Kontrastierende Farben, rotes Blut auf schwarzer Fahrbahn.
Anders als die bisherigen Versuche blendest du nicht weg. Zwar wird auch bei dir der Vorgang des Überfahrens nicht angezeigt, aber der Leichnam wird beschrieben. Körper zerdrückt, Blut.
Das nächste Merkmal ist Hallozination. Nick glaubt ein Wimmern zu hören.
Die Gefühle sind bei dir direkt geäußert: Tränen und ein Schrei.
Den Schrei höre ich nicht.
Einen emotionalen Effekt beginnst du, baust ihn aber nicht aus. Der Zynismus des Effekts baut sich aber in mir nicht auf, weil Nick gar nicht darauf zu reagieren scheint, dass der Busfahrer seine Katze auch noch beschimpft nachdem er sie überfahren hat. Im Ansatz ein gutes Stilmittel,, bei dem man auch ruhig dem Leser etwas überlassen kann. Aber ein bisschen muss Nick in die Richtung mitgehen.
Der Namenskontrast ist ein für mein Gefühl hier als Mittel etwas zu plump, auch wenn darin generell natürlich auch eine gute Möglichkeit liegt.

Lieben Gruß, sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Sim,

vielen Dank für deine Kritik. Ja, du hast Recht. Ich baue nicht aus, was ich angefangen habe aber auch ich denke, dass eine Seite vielleicht ein bisschen wenig ist hierzu.

Ein bißchen habe ich schon hinzu gefügt, werde aber wohl noch mal eine Nacht darüber schlafen müssen. (Auch über die Sache mit dem Namen.) Hm.

Danke und lieben Gruß,
Blue

 

Hallo BlueSoul,

ich habe jetzt eine ganze Weile überlegt, warum Du mich kaum in Deine Geschichte mitnimmst. Wir sind hier ja auf der Suche nach Stilmitteln.

Du hältst als Erzähler viel Distanz. Dein Stil ist sehr deskriptiv, Du beschreibst nur Dinge, die Du siehst - wogegen ja nichts zu sagen ist - allerdings ohne bildhafte, emotionale Worte, die in mir ein inneres Bild erzeugen könnten.

Es sei das allerschönste Geschenk, das er je bekommen habe, versicherte er tagelang seinen zufrieden lächelnden Eltern.
Das ist so ein Beispiel. Ich habe beim Lesen kein Bild vor Augen. Es könnte wesentlich besser wirken, wenn Du es szenischer darstellst. Die Freude der Eltern beschreibst. Wie siehst Du das? Woran erkennst Du das?

Durch diese Distanz spüre ich auch kaum die Gefühle des Jungen, ich kann nur schwer eine Beziehung zu ihm aufbauen, mit ihm fühlen.

Ich warte denn aber mal gespannt auf die oben schon angekündigte Überarbeitung.

Liebe Grüße
melisane

 

Hallo ihr zwei,

vielen Dank für eure Kritik.

@Melisane: Ja, ich werde es wirklich noch mal überarbeiten. Anscheinend sollte man wirklich von Schnellschüssen die Finger lassen. ;-)

Vielleicht ist auch das Thema nur nicht das, wo mir emotionale, bildhafte Worte zufliegen. Es gibt (nicht hier im Forum, weil es ja keine KGs sind) andere Momentaufnahmen von mir, die teilweise die Leser schon zu Tränen gerührt haben. ;-)

@Der Illusionist: Vielleicht solltest du dich in Desillusionist umtaufen?! :D

Natürlich ist die Mieze nicht "innerlich" weich, aber ihr Fell eben. Aber ich schätze mal, du hast das eigentlich schon verstanden.

Und solch gemeine "Überfahrer" wie den Busfahrer gibts wirklich. Habe ich bei meiner eigenen Katze erlebt, als der Autofahrer ausstieg, lachte und meinte: "Hab ich das Vieh wenigstens erwischt?"

Wie dem auch sei, ich schau mir das Ganze noch mal an...

Lieben sonntäglichen Gruß,
Blue

 

BlueSoul schrieb:
@Melisane: Ja, ich werde es wirklich noch mal überarbeiten. Anscheinend sollte man wirklich von Schnellschüssen die Finger lassen. ;-)
Für die üblichen Rubriken würde ich dir da sofort zustimmen.
Bei diesem Thema allerdings finde ich solche Schnellschlüsse großartig, weil man an Texten, bei denen es nicht funktioniert sehr gut analysieren kann, warum es das nicht tut. Hier geht es ja nicht darum, perfekte Texte einzustellen, sondern sich mit Techniken vertraut zu machen.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Bluesoul,

Mir ging es auch so wie den meisten. Deine Geschichte wirkt auf mich überhaupt nicht. Irgendwie kommt fast alles zu kurz, vor allem die Gefühle Nicks. Du beschreibst mehr, als du erzählst. "Dann schrie er". Lass ihn doch was bestimmtes schreien. So was wirkt immer besser. Generell mehr "Show", weniger "Tell"

Der Schlusssatz verleiht der ganzen Geschichte dann noch etwas lächerliches. Unbedingt streichen.

lg neukerchemer

 

Hi BlueSoul,

deine Variante mit dem Bus gefällt mir gut, wobei du ja wie die meisten auch damit arbeitest, dass sich Junge und Katze kennen. Ich konnte gut mitfühlen.

Jedoch haben mich ein paar Einzelheiten stolpern lassen, leider an für mein Gefühl wichtigen Stellen:

Nick schrie, er schrie einen langen, ohrenbetäubenden Schrei, bevor er sich auf die Straße fallen ließ- neben seine Lucky und über die weißen Tatzen strich. Der rote Turnbeutel glitt in eine Pfütze und sog sich voll.
Einen Schrei schreien? Kannst du das nicht irgendwie anders formulieren?
Sich auf die Straße fallen lassen - upps, noch einen Verletzten dazu ;) - er ging auf die Knie oder beugte sich hinunter wäre realistischer

Das Ende ist stimmig, aber der letzte Satz ist für mich unpassend, und zwar nicht nur ein bißchen. Wieso sollte sie denn nun glücklich sein? Okay, das soll die Übersetzung des Namens andeuten, aber es ist für mich nur schmalzig :shy:

Lieber Gruß
bernadette

 

Hallo Blue Soul,

deine Geschichte, die im wohl die kürzeste von allen ist, habs aber nicht genau untersucht, hat mir sehr gut gefallen. Was man nämlich ja auch in Relation zueinander setzen muss, ist die Länge des Textes und die Fähigkeit dennoch in der Kürze Gefühle zu erzeugen.
Deine Busszene mit Lucky und dem Jungen geht zu Herzen und löst damit Gefühle aus. Und du piekst nochmals zu, als du beschreibst, dass die Katze noch einen Laut von sich gegeben hat, der sich dann als Trugschluss heraus stellt, aber es keimt in einem so ein winziger Hoffnungsschimmer auf, dass vielleicht doch...und dann wird man wieder von dieser Hoffnung getrennt.

Das tut weh, weil die Hoffnung stirbt und das weckt Gefühle. Verlustgefühle und ich bekam Mitleid mit dem Jungen, der etwas Geliebtes verloren hat.

Ich finde, du hast das gut gemacht. :)

Lieben Gruß
lakita

 

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