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Mareen

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24.05.2005
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Mareen

Manchmal denke ich noch an sie. Was sie wohl jetzt macht. Die Zeitungen haben schon lange nichts mehr geschrieben über sie. Ich würde ihr gern erzählen, dass ich jetzt mit Lars zusammen bin. Vielleicht würde sie sich erinnern an damals, als wir gemeinsam über ihn gelacht haben. Über seine Unbeholfenheit, seine schüchterne Art.
Ich belasse es bei dem Gedanken.

Mareen war schon immer anders. Irgendwie besonders. Allein ihr Aussehen. Auch ungeschminkt und mit Jeans und T-Shirt war sie schön. Diese Schönheit ersparte ihr die Komplexe, die Mädchen in ihrem Alter sonst quälten. Auch mich. Vor allem mich, wenn ich mich neben ihr betrachtete. Aber ich war stolz, eine Freundin wie sie zu haben. Manchmal auch neidisch. Eine Zeit lang versuchte ich, so zu sein wie sie. Ich kaufte die gleichen Kleider und die gleichen Schuhe, nahm ihren Tonfall an und färbte meine Haare in dem gleichen Rot. Irgendwann hat mir dann mal jemand gesagt, ich wäre nur eine billige Kopie. Billig. Das tat weh. Ich hörte damit auf und erfand trotzig einen eigenen Stil, ohne Rücksicht darauf, ob er zu mir passte. Es war nicht wichtig, damals. Wichtig war nur, dass ich jetzt anders war. Anders als sie. Mareen hat mir nie gesagt, was sie davon hielt. Und ich habe sie nie danach gefragt.

Wir hatten keine gemeinsamen Freunde. Die Leute, mit denen sie sich umgab, wenn wir uns nicht sahen, mochten meine Art nicht. Mareen konnte mir nie genau erklären, was das eigentlich heißen sollte. Vielleicht wollte sie auch nicht. Ich hatte keine Freunde außer ihr, brauchte keine. Als wir fünfzehn waren, träumten wir, oder vielleicht auch nur ich, von einer gemeinsamen Wohnung. Sie wollte Design studieren, ich Musik. Ich war glücklich damals, glaube ich. Bis zu dem Tag, an dem sie in einer Einkaufspassage angesprochen und zu einem Casting eingeladen wurde.
Ich wusste noch vor ihrem Anruf, dass sie mir Mareen genommen hatten.

Sie veränderte sich. Ihren Gang, ihre Gesten, ihre Stimme, ihre Ausdrucksweise. Alles an ihr war plötzlich fremd. Nur, wenn wir einen Cappuccino trinken gingen, hatte sie diese vertraute, seltsame Art, das Zuckertütchen zu schütteln, bevor sie es aufriss. Früher hatte ich mich immer darüber amüsiert. Jetzt ärgerte es mich irgendwie. Eine lächerliche Kleinigkeit. Wir stritten uns jetzt häufig. Sie warf mir vor, ich wäre negativ, ich nannte sie oberflächlich. Irgendwann sahen wir uns kaum noch, dann riss der Kontakt völlig ab. Sie fehlte mir. Ich glaube aber nicht, dass sie mich vermisst hat.

Ich vermied Freundschaften seitdem.

Einmal habe ich sie noch gesehen, vor ein paar Jahren. In der Klatschspalte der Tageszeitung stand, dass sie eine Bar aufgemacht hatte, in Berlin, wo sie jetzt wohnte. Zwei Tage lief ich unruhig in meiner Wohnung herum. Ich hatte Zeit, die nächste Probe war erst in fünf Tagen. Am späten Nachmittag des zweiten Tages packte ich ein paar Sachen in eine große Umhängetasche und fuhr zum Bahnhof. Ich war nie zuvor in Berlin gewesen. Schon als ich aus dem Zug stieg, wusste ich, dass es mir nicht gefiel. „Ihre Wahlheimat“, hatte die Zeitung geschrieben. Der Taxifahrer sah mich skeptisch an, als ich ihm den Namen des Lokals nannte, aber er sagte nichts. Wir fuhren durch halb Berlin, schweigend. Ich bezahlte mehr, als ich mir leisten konnte und stieg aus.

Die Bar war hell erleuchtet. Schöne Menschen brauchen kein Dämmerlicht. Ich stand vor dem großen Fenster und fühlte mich wie ein Straßenkind vor einem Spielzeugladen. Mareen saß keine zwei Meter von mir entfernt an einem kleinen Tisch und unterhielt sich angeregt mit einem ihrer Gäste. Ein Kellner brachte ihr einen Cappuccino. Ich musste lächeln, als sie das Zuckertütchen nahm und schüttelte, auf diese ganz besondere Art. Es ärgerte mich nicht mehr.

Mareen hat mich nicht gesehen an jenem Abend, vor dem Fenster. Vielleicht wollte sie auch nicht.

 

Hallo Alicia B,

du zeichnest das kurze Portrait einer Mädchenfreundschaft, die in die Brüche geht. Leider passiert das ja viel zu oft. Insgesamt bleibt deine Geschichte mir zu oberflächlich, du gehst zu wenig ins Detail. Schön würde ich es finden, wenn du die Freundschaft der beiden Mädchen schilderst - was machen die beiden zusammen? Warum ist es deiner Prot. genug, mit Mareen befreundet zu sein? Wie kommen die beiden klar, wo sie doch so unterschiedlich sein zu scheinen?

Das Zerbrechen der Freundschaft hast du für meinen Geschmack plausibel dargestellt. Deine Prot. ist eifersüchtig, auf den Erfolg der Freundin, ist traurig, dass sie nicht mehr ihre volle Aufmerksamkeit bekommt, und beginnt aus diesem Grund sinnlose Streitgespräche.

Die Zeit nach der Entfremdung übergehst du wieder sehr schnell. Denkt deine Prot. noch oft an Mareen? Spielt sie manchmal bei dem Gedanken die Freundin anzurufen? Etc.

Die letzte Passage ab "Ich hielt das nächste Taxi" an, würde ich komplett streichen - es gefällt mir besser, wenn du den obigen Satz einfach so nachklingen lässt.

Stilistisch war an deiner Geschichte nichts auszusetzen, sehr schön fand ich diesen Satz:

Schöne Menschen brauchen kein Dämmerlicht.

LG
Bella

 

hallo alicia,

diese geschichte gefällt mir. eine freundschaft, die sich im werdegang verliert. zwei unterschiedliche charaktäre, gegensätzlich, die eine extrovertiert, die andere leise und nachsinnend. die erzählerin lebt in der vergangenheit. das erlebte ist ihr wichtig. sie hat nur gedämpften mut. sie ist bereit, sich aufzumachen, sie zu besuchen. ein aufwand, der energie und geld kostet. wenn sie da ist verlässt sie der mut, sie anzusprechen. sie geht wieder heim. vielleicht würde sie jetzt behaupten, dass sie ihre damalige freundin nur einmal sehen wollte. aber das würde der leser ihr nicht abnehmen.

schöne einleitung, gut darauf geachtet, dass die erzählerin sich nicht mehr sicher ist, ob das, was sie als mädchen für real empfunden hat wirklich wahr war.
der erzählstil ähnlich wie in "natalies geburtstag", angenehm und fliessend und an manchen stellen sogar erfrischend. mit diesem erzählstil kannst du auch bei inhaltsschwachen geschichten trumpfen.

fazit: ohne grossen anspruch eine kleine, schöne und saubere geschichte. prima!

bis dann

barde

„Mareen war schon immer anders. Besonders. Allein ihr Aussehen.“

ich grübel über das wort „Besonders“ sie war etwas anders, sie war etwas Besonderes?
oder besonders ihr aussehen?

 

Hallo Alicia,

mir hat deine Geschichte auch gefallen. Bella hat aber schon recht, wenn sie sagt, dass du auf einige Sachen etwas detaillierter eingehen könntest. Ich selbst messe dem aber in diesem Fall nicht allzu viel Bedeutung zu, da dein Text ansonsten einen runden Eindruck macht. Er ist schön, zum Thema passend, geschrieben und vermittelt die ebenfalls passende Atmo. Gute Freundschaften, die sich auseinanderleben gibt es viel öfters als man denkt und man sollte an den wirklich guten festhalten. Freunde findet man nicht einfach so.
Gern gelesen.

Jetzt ärgerte mich es mich irgendwie
- da ist ein mich zuviel

Einen lieben Gruß...
morti

 

Ein sonniges "Hallo" an euch alle aus dem heute sehr warmen Lauenburg!

Danke, lieber Barde, für dein Lob! Ich glaube, Mareen ist für die Prot in jeder Hinsicht besonders. Ihr Aussehen, die Art, wie sich gibt, einfach alles.

Danke auch dir ganz herzlich, liebe Bella. Die Idee, den letzten Absatz zu streichen, war sehr gut. Es ist jetzt tatsächlich viel besser so! Ich werde auch noch einmal über eure Anregung nachdenken, etwas mehr ins Detail zu gehen. Vielleicht fällt mir dazu ja noch etwas ein.

An David Asphalt und Morti ebenfalls ein herzliches Dankeschön (das "mich" nehme ich gleich mal raus!)
Mit den Freundschaften hast du Recht, Morti. Aber manchmal entwickelt man sich eben doch in ganz verschiedene Richtungen und hat sich dann nicht mehr viel zu sagen. Habe ich leider auch schon mal erlebt, wenn auch nicht in der Form.

Ich wünsche euch allen ein wunderschönes Wochenende!

Alicia

 

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