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Maria Haughberforth (Eine Dramödie)
„Maria Haughberforth. So war ihr Name.“, ertönte die Stimme des Priesters, als dieser sein lateinisches Flüstern beendet hatte und im Nu war die gesamte Versammlung verstummt.
Ich bezweifle, dass man sich noch für meinen Namen interessieren wird, wenn ich in einigen Stunden einzig ein dreckiger Haufen aus Asche sein werde, dachte Maria bei sich und wunderte sich, über die Trockenheit, mit der sie über ihren eigenen Tod sinnierte. Der Mann vor ihr fuhr fort: „Einst Tochter eines reichen Edelmannes hier im Dorf, der vor 3 Jahren auf mysteriöse Weise verschwand“, der Priester betonte mysteriös in hämischem Ton, worauf aus der Menge zu seiner Front einiges Gelächter entsandt wurde. Als die Stimmen wieder verklungen waren fuhr er fort: „Einst Tochter eben dieses Mannes musste sie nie Hunger leiden; lebte gar in Luxus und doch, oder vielleicht gerade als Resultat des Überflusses wirkte der Satan in ihr.“
Im Laufe der Rede hatte er sich zu Maria umgedreht, um zu Lächeln, doch als er das Wort Satan aussprach, setzte er einen widerlich falschen, wehleidigen Gesichtsausdruck auf und wandte sich der Menge erneut zu. Dabei zeigte er Maria seinen kahlen Hinterkopf, über den sie früher des Öfteren mit ihren Freundinnen geschmunzelt hatte. Doch Schmunzeleien waren ihr auf Grund der Situation nicht möglich. Nun sprach der Kahlkopf weiter: „Mit meinen eigenen Augen habe ich gesehen, wie dieses Weib mit Hilfe eines Steinkreises einen Fluch auf unser ruhiges Dorf legte. Ein Dorf, in dem unschuldige Kinder und Frauen wohnen!“
Nun musste Maria doch schmunzeln. Allein der Kreativität des Priesters zu Ehren. War das, was er erzählte, doch größter Unsinn. Tatsächlich hatte Maria ihn beim Ausleben seiner Sexualität erwischt. Und, als wäre das nicht genug der Schande, verkehrte der Alte auch noch mit einem Mann! Der Priester hatte jedoch Marias beobachtende Augen im Türrahmen erspäht und fing sie ein. Er hatte Maria gut zugeredet, er würde ihr zu Reichtum verhelfen, würde sie nur den Mund halten, doch Maria hatte sich ohne ein weiteres Wort befreit und war davon gelaufen. So schnell sie konnte war Maria zu ihrem Haus geeilt und hatte ihrer Schwester von den Ereignissen erzählt. Anschließend war sie in den Wald gelaufen und hatte sich in einer Höhle ausgeruht. Als Maria einige Stunden später zurück gekehrt war, hatte sie ihre Schwester jedoch tot aufgefunden. In Panik war sie auf den Stadtplatz hinausgelaufen, wo sie zwei starke Männer auf den Boden geworfen hatten, nachdem einige Kinder schreiend vor ihr davon gelaufen waren.
Und nun befand sie sich auf diesem hölzernen Turm, durchnässt von Weihwasser, die brennende Kerze, die der Alte in der Hand hielt voller Angst fixierend und um klare Gedanken ringend. Mit der Sicherheit ihres Todes hatte sie sich abgefunden. Mit aller Kraft, die ihr noch blieb, löste Maria eine der Haarnadeln, die in ihren, von dem Schlaf in der Höhle verschmutzten Locken steckte aus dem kastanienbraunen Zopf und schloss sie mit einer akrobatischen Handbewegung fest in ihre, zur Faust geballten Hand. Sie setzte die stumpfe Nadel an dem Zwischenraum, zwischen ihren Rippen an, hinter dem sich ihr Herz befand. Maria holte langsam und tief Luft und beendete mit einem stoßenden Ausatmen ihr Leben.