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Marias Entscheidung
Als Erwin nach Hause kam, stand seine Frau Maria in der Küche mit den Händen auf dem Rücken.
„Was stehst du hier so dumm herum? Hast du nichts zu tun?“
Maria bewegte ihre Hände nach vorn. Sie stach mehrmals zu. Erwin sackte zusammen. Der letzte Stich in den Hals. Erwin fiel auf den Boden. Blut rann aus seinen Wunden.
Maria wartete, bis er sich nicht mehr bewegte. Dann hockte sie sich hin und untersuchte ihn. Bis das der Tod euch scheidet…
Sie stand auf und ging auf den Balkon. Dort atmete sie tief durch. Dann fuhr sie zusammen. Sie war eine Mörderin! Die Polizei würde ihr bestimmt schnell auf die Schliche kommen. Dann müsste sie den Rest ihres Lebens im Gefängnis verbringen. Wie sollte sie Erwin aus der Wohnung bekommen, ohne dass jemand etwas bemerkte?
Ihr wurde schwindelig, sie setzte sich auf einen Balkonstuhl.
Wenn sie aus dem Haus ginge, würde man ihr bestimmt ansehen, was sie getan hatte. Die Leute würden mit dem Finger auf sie zeigen und sagen ‚Seht her, da ist die Mörderin. Hat einfach ihren Mann erstochen.’
Plötzlich hatte sie das Gefühl, hinter ihr sei ein Schatten. Sie drehte sich ängstlich um. Nein, da war nichts. Vorsichtlich lugte sie in die Küche. Erwin lag auf dem Fußboden in einer Blutlache. Sie schloss die Küchentür und bekreuzigte sich. Dann packte sie ein paar Sachen zusammen und verließ die Wohnung. Sie fuhr sie zu ihrer Kirche. Heute Nachmittag war Beichte. Sie musste es loswerden, sich ihre Angst von der Seele reden.
Pater Gregor sah sie freundlich an. „Na, was hast du auf dem Herzen?“
„Ich muss etwas Furchtbares beichten. Ich habe meinen Mann erstochen. Wir sind seit 25 Jahren verheiratet. Er wurde jeden Tag widerlicher. Ständig hatte er eine Geliebte. Er grinste mich immer an, wenn er zu ihnen ging oder von ihnen kam. Dann sagte er mir immer, ich hätte mir ja mehr Mühe mit ihm geben können, dann wäre das nie passiert. Häufig hat er mich geohrfeigt. Er hat es immer so gemacht, dass nichts zu sehen ist. Ein, zwei Ohrfeigen, an den Haaren ziehen, auf den Mund schlagen... Und dann hat er immer hämisch gelacht und gesagt, das komme davon. Zum Schluss musste ich vor ihm auf die Knie fallen und betteln, damit er mir das Wirtschaftsgeld gibt. Das war natürlich immer zu Hause, wenn keiner dabei war. Vor Anderen hat er den verliebten Ehemann gespielt.“
Pater Gregor sah sie erschüttert an. „Du hast deinen Mann erstochen? Warum hast du das getan?“
„Sie haben doch immer zu mir gesagt, die Ehe sei heilig und ich müsse alles geduldig ertragen, was auch passiert. Bis der Tod uns scheidet. Es ging nicht mehr. Ich konnte nicht mehr. Jeden Tag Gemeinheiten und Schläge, das habe ich nicht mehr ausgehalten.“
„War er immer so zu dir? Warum hast du ihn damals geheiratet?“
„Meine Eltern haben mich gedrängt. Sie haben mir gesagt, mit ihm würde ich eine gute Partie machen, da er viel Geld geerbt hat. Ich hatte damals keine Erfahrungen mit Männern. Er war total nett zu mir, bevor wir geheiratet haben. Besonders dann, wenn meine Eltern in der Nähe waren. Obwohl ich mich schon damals über seinen seltsamen Blick gewundert habe. Nach der Hochzeit änderte er sich völlig, war nur noch gemein. Meine Eltern haben mir gesagt, ich solle ihm jeden Wunsch von den Augen ablesen, dann würde er schon freundlich sein. Ich habe mir große Mühe gegeben. Es half nichts. Je mehr ich mich um ihn bemühte, desto fieser wurde er. Und jetzt ist Schluss damit! Ich bin ihn endlich los. Aber ich habe Angst. Was wird mit mir geschehen?“
„Vertraue auf Gott, er weiß immer eine Lösung. Nur hast du mich jetzt in einen Gewissenskonflikt gebracht. Wenn ich Dir die Beichte abnehme, habe ich Schweigepflicht. Alles, was du mir erzählst, bleibt unter uns. Als Bürger dieses Staates habe ich die Pflicht, die Polizei zu informieren. Hast Du eine Vorstellung davon, was du nun tun wirst? Willst du dich der Polizei stellen? Über kurz oder lang wird man deinen Mann finden.“
„Ich will weg. Ich will ganz weit weg von hier, von diesem Leben. Irgendwo ins Ausland. Ich habe genug Geld, um dort fürs Erste über die Runden zu kommen.“
Pater Gregor sah sie nachdenklich an. „Hmm, ich hätte da eine Idee… Wenn du willst, kannst du heute im Pfarrhaus übernachten.“
Als sie abends im Bett lag, konnte sie nicht einschlafen. Sie fuhr bei jedem Geräusch zusammen. Das Licht wollte sie nicht anmachen. Dann wüsste man genau, wo man sie zu suchen hatte. Flackerndes Blaulicht schimmerte durch die Gardinen. Sie schlich zum Fenster und schaute hinaus. Ein Krankenwagen stand auf der Straße. Sie legte sich wieder in das Bett. Plötzlich blähten sich die Gardinen. Sie starrte entsetzt zum Fenster. Dann sah sie, dass es einen Spalt geöffnet war. Sie fürchtete, dass eine Knochenhand das Fenster weiter öffnen würde. Nichts. Offenbar nur ein Luftzug. Es klingelte an der Haustür. Sie zitterte. Gleich würde man kommen und sie holen. Nach einer Weile öffnete Pater Gregor die Haustür.
„Pater Gregor, wir haben da drüben im Krankenwagen einen Mann, der Sie sprechen möchte. Es geht ihm nicht sehr gut. Könnten Sie kommen und sich um ihn kümmern?“
„Ich bin sofort da.“
Maria atmete tief durch. Gab es eine längere Nacht als diese? Wann wurde es endlich hell? Das Tageslicht würde die Dämonen der Nacht vertreiben.
Am nächsten Tag saß Maria im Flugzeug und sah immer wieder auf die Adresse, die ihr Pater Gregor mitgegeben hatte: die Adresse eines Klosters in der Nähe von Buenos Aires.