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Marionette

Monster-WG
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20.08.2019
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Marionette

Endlich! Vater ist zur Post gefahren. Ich schleiche über den Flur, verharre vor Alejandros Zimmertür, drücke die Klinke herunter, husche in den Raum und schließe die Tür leise hinter mir. Manchmal habe ich es satt, Dinge hinter Vaters Rücken zu tun, aber hey … Ich muss schauen, wo ich bleibe. In Alejandros Zimmer habe ich das Gefühl ihm nahe zu sein. Ich setze mich an den Schreibtisch, öffne die oberste Schublade und ziehe den Zeichenblock hervor, lege ihn auf die Knie und blättere die Skizzen durch. Wie immer halte ich auf Seite 27 inne, meinem Lieblingsbild. Ich lächle, während meine Finger den Rio Azul entlanggleiten, der in herrlichen Türkistönen schillert. Der strahlend blaue Himmel, die Vögel, die mit weit gespreizten Schwingen über den Horizont schweben. Wenn ich die Augen schließe, bin ich mitten in der Natur. Ich höre das Zirpen der Grillen, schmecke die Gischt auf der Zunge, atme den leichten Fischgeruch ein. An diesen Platz ist Alejandro immer mit seinem besten Kumpel José zum Angeln gefahren. Die zwei Unzertrennlichen, der Polizist und sein Bewunderer. Ich habe Alejandros Worte noch im Ohr: „Wenn ich nur so sein könnte wie José. Erfolgreich, beliebt. Er braucht sich keine Gedanken darüber zu machen, ob sein Vater stolz auf ihn ist. Von ihm kann ich lernen. Er ist mein Vorbild.“
Mit Tränen in den Augen klappe ich den Block zu, verstaue ihn in der Schublade, gehe hinüber zu Alejandros Bett und lege mich auf die Matratze. Mutter hat Bettwäsche, Kissen und Laken im Schrank verstaut. Trotz der Sterilität in diesem Zimmer kann ich ihn spüren. Ich höre das herzhafte Lachen, das tief aus dem Bauch kommt. Ich fühle seine Hände, die mich kitzeln, halten, trösten und ich rieche den Duft seines Lieblingsparfums Jean Gaultiers „Le Male“, der mir stets Geborgenheit vermittelt hat. Meine Finger umklammern den Delphinanhänger, den er mir zum fünfzehnten Geburtstag geschenkt hat. Ach, Alex, du fehlst mir. Gestern war es ein Jahr. Du hast mir versprochen, bald zurückzukommen. Wo steckst du? Ich sehe ihn vor mir, die Sporttasche mit dem Nötigsten in der Hand. Ein letzter Kuss auf die Stirn, dann war er weg mit dem Versprechen bald wieder zu kommen. Er hat gelogen. Ich schluchze, verberge das Gesicht in den Händen. Die Enttäuschung wühlt in meinen Eingeweiden.
Schritte reißen mich aus den Gedanken. Die Türklinke wird heruntergedrückt, Mutter betritt den Raum, setzt sich an die Bettkante. Der Rock raschelt, als sie die Hände in den Schoß legt. „Was machst du in Alejandros Zimmer? Du weißt, dass dein Vater das nicht ausstehen kann. Reiz ihn nicht ständig.“
Ich richte mich auf, wische mir die Tränen ab. „Kannst du mich nicht verstehen? Ich vermisse Alex. Fragst du dich nicht, wo er gerade ist, wie es ihm geht, was er tut? Hast du keine Sehnsucht nach ihm?“
Sie schüttelt den Kopf. Ein unwilliges Schulterzucken, die Falte zwischen ihren Augenbrauen vertieft sich. „Er hat es so gewollt. Dein Bruder ist ein Egoist. Einfach gegangen ist er. Hat uns nur diese hingekritzelten Worte hinterlassen, dass wir nicht nach ihm suchen sollen. Bitte schön! Warum soll ich mir seinetwegen den Kopf zermartern?“
„Wie kannst du so kalt sein?“ Ich balle die Hände zu Fäusten. „Vater hat dich angesteckt.“
„Unser Leben war ihm nicht gut genug. Alejandro wollte Abenteuer, darum ist er gegangen. Und jetzt ist Schluss mit dem Thema. Dein Vater und ich sind bei den Martinez´ zum Geburtstagsessen eingeladen. Würdest du bitte die Tomaten im Garten pflücken?“ Mit diesen Worten erhebt sie sich, zieht den Haargummi straff und verlässt das Zimmer.
Ich stehe auf, trete ans Fenster, sehe Mutter nach draußen gehen. Vater wartet im Wagen. Der verbeulte Ford Fiesta stößt eine Rauchwolke aus, dann verschwindet er um die nächste Ecke. Gut, dass sie weg sind. Ich lehne mich an die Wand, versinke in Erinnerungen. Eine Szene kristallisiert sich heraus:

Mutter mit verschränkten Armen im Wohnzimmer neben der Couch. Vater, der die Beine hochgelegt hat und eine Sportsendung anschaut.
„Was ist nur aus dir geworden, Juan? Wir hatten es einmal schön miteinander.“
„Was zur Hölle hast du für Probleme, Weib?“, schreit er ungehalten. „Mangelt es dir an etwas? Wir haben jeden Tag Essen auf dem Tisch, wir haben Kleidung, ich gehe arbeiten, reiße mir den Arsch für die Familie auf. Wir haben ein Haus, einen Garten. Und so dankst du es mir?“
Aus ihren Wangen weicht die Farbe, ihre Lippen zittern. „Dir ist alles egal. Wann hast du mich das letzte Mal geküsst? Mit mir geschlafen? Ich bin vierundvierzig. Soll das alles gewesen sein?“
Er rauft sich die Haare. „Wir haben früh geheiratet, weil du schwanger warst. Und mal ehrlich …“ Er lacht boshaft, zeigt mit dem Finger auf sie. „Hast du in letzter Zeit in den Spiegel geschaut? Du lässt dich gehen. Gib dir Mühe. Vielleicht bekomme ich dann ja wieder Lust, dich anzufassen.“
Sie versteift sich, ihr Gesicht gleicht einer Maske. „Was ist mit den Kindern? Ständig müssen sie deine Launen ausbaden.“
Er kneift die Augen zusammen, eine steile Falte erscheint auf seiner Stirn. Immer wieder dreht er die Fernbedienung in den Händen hin und her. Er ist kurz vor der Explosion. „Ich habe mir dieses Leben nicht ausgesucht. Wärst du nicht schwanger geworden, dann wäre ich jetzt als Pilot unterwegs, würde die Welt erkunden.“ Sein Gesicht wird feuerrot, während er die Worte förmlich ausspeit. „Dann …“ Er hält kurz inne, erhebt sich, baut sich vor ihr auf, packt sie an den Schultern, schüttelt sie. „Willst du wirklich die Wahrheit wissen? Kannst du sie ertragen?“
Sie senkt den Kopf, ihre Finger krampfen sich ineinander.
„Ich hasse Alejandro!“, zischt er. „Kann den Jungen nicht um mich haben. Wäre er nicht auf die Welt gekommen, wäre ich ein freier Mann.“
„Du gibst deinem Sohn die Schuld? Ernsthaft?“, wispert sie.
„Genau“, erwidert er kalt. „Ich sehe keine Perspektive. Tag ein, Tag aus derselbe Ablauf. Ich arbeite, trinke mein Feierabendbier, sonntags geht es in die Kirche. Das ist kein erfülltes Leben für einen Mann. Hättest du ihn nur nie zur Welt gebracht.“
„Du bist verbittert! Hörst du eigentlich, was du da redest? Wer hat dich davon abgehalten Pilot zu werden? Das warst du selbst!“
"Dass ich nicht lache! Und wer hätte die Rechnungen bezahlt? Du etwa? Du taugst doch nur für Haushalt und Kindererziehung. Ich habe dich und den Jungen durchgefüttert. Und statt Dankbarkeit haust du mir dein Gejammer um die Ohren. Halt den Mund, Weib! Mir reichts!“
Damit ist die Unterhaltung für ihn beendet. Er dreht den Fernseher lauter, würdigt sie keines weiteren Blickes.

Ich kehre zurück in die Realität. Schaudernd verlasse ich das Zimmer, drücke die Tür hinter mir zu und schleppe mich in den Garten. Eine erfrischende Dusche wäre mir lieber, dennoch will ich Mutter den Wunsch erfüllen. Mit geübten Handgriffen sammle ich die Tomaten ein. Wenig später ist der Korb gefüllt. Ich reibe die Hände an dem knielangen Leinenrock ab, kann ein Gähnen nicht unterdrücken. Jetzt duschen, etwas essen und dann ins Bett. Die Diskussion mit Mutter hat mich ausgelaugt. Warum lehnt sie sich nicht gegen Vater auf? Sie sieht unglücklich aus, die Frustration spricht aus ihrem Gesicht. Warum ändert sie nichts? Ich habe meine Eltern satt. Wenn ich wüsste, wo Alejandro ist, würde ich meinen Koffer packen und ihm folgen.
Ein Geräusch lässt mich zusammenzucken. Was war das?
„Penelope … Penelope …“, ruft es aus dem Dunkel des Gartens.
Irritiert drehe ich mich um.
Eine Person tritt aus dem Schatten ins Licht. Es ist José. Was hat er hier zu suchen? Seit Alejandros Verschwinden habe ich ihn nicht mehr gesehen.
„Nimmst du mich mit rein?“, fragt er mit einem Augenzwinkern.
Ich schüttle den Kopf. „Nein, das geht nicht. Meine Eltern sind unterwegs. Kann ich dir helfen?“
„Zier dich nicht“, flüstert er und schiebt mich sachte ins Innere des Hauses. „Als Alejandro noch hier war, hab ich euch ständig besucht. Lass uns reden.“
Ich erstarre, stehe mitten im Raum, während er den Kühlschrank öffnet, nach einem Bier greift, den Flaschenöffner sucht, den Deckel entfernt und einen Schluck nimmt.
Er schaut mir in die Augen. „Du wirst mit jedem Tag schöner.“
Ich blicke auf den Boden, winde mich vor Verlegenheit, streiche mir das Haar aus dem Gesicht. „Keine Ahnung. Findest du?“
Er nickt. „Oja. Wenn du nicht erst fünfzehn wärst, würde ich dich zu meiner Freundin machen.“ Er baut sich vor mir auf, schiebt mir eine Locke aus dem Gesicht. „Blaue Kulleraugen, schwarzes Haar. Du bist mein Schneewittchen.“ Er berührt meine Wangen, verweilt an meiner Unterlippe, legt den Kopf schief.
Will er mich küssen? Ich bin verunsichert. Er ist ein attraktiver Mann, aber er ist Anfang dreißig. Was soll das? Für eine Sekunde schließe ich die Augen und warte ab. Es passiert nichts. Ich reiße die Lider wieder auf.
Er trinkt das Bier aus, schaut sich in der Küche um und tritt von einem Fuß auf den anderen. „Hast du Lust gemeinsam fernzusehen? Wie wir es mit Alejandro gemacht haben? Eine Runde Telenovela, na, wie wär‘s?“
Ich weiche zurück, presse den Rücken gegen die Wand. Einerseits wünsche ich mir Gesellschaft. Ein wenig Ablenkung würde guttun. Andererseits weiß ich nicht, was ich von Josés Besuch halten soll. „Meine Eltern würden das nicht gutheißen. Du weißt doch, wie sie sind.“
„Dein Vater ist ein typischer Macho. Schlägt er dich? Brauchst du Hilfe?“
„Er hat mich nie angerührt. Nur Alejandro hat Prügel bezogen, wenn er mal wieder am Träumen war oder gezeichnet hat. Vater hält ihn für einen Waschlappen.“
„Ich hab ihm geraten, Euren Vater anzuzeigen, aber er wollte nicht.“
„Ich weiß. Er will ihm keinen Schaden zufügen. Er ist trotz allem unser Vater.“
„Und du? Was hast du vor?“
Ich runzle die Stirn, verschränke die Hände hinter dem Rücken. „Keine Ahnung. Ich würd so gerne studieren, aber das wird er nicht zulassen. Frauen gehören hinter den Herd, sagt er immer.“
„Armes Mädel. Und was tust du dagegen?“
„Ich lerne heimlich. Wann immer ich kann.“
„Sehr gut. Du bist ein schlaues Ding!“ Sein Lächeln ist warmherzig, ein wohliger Schauer durchrieselt mich. Die gemeinsamen Fernsehabende fallen mir ein. José hat Chips mitgebracht und wir haben es uns zu dritt gemütlich gemacht. Es wurde viel gelacht. Wehmütig verziehe ich das Gesicht. „Es ist besser, wenn du gehst.“
Er fixiert mich, nickt schließlich mit dem Kopf. „Okay. Ich will nicht, dass du meinetwegen Probleme bekommst. Du könntest mich morgen nach der Schule besuchen. Ich mache Kakao, besorge ein paar Churros, wir reden über Gott und die Welt. Und über Alejandro.“
Ich schlucke, der Kloß in meinem Hals schwillt an. „Über Alejandro? Hast du etwas von ihm gehört?“
„Ja. Er hat sich gemeldet. Ich habe einiges zu berichten.“
Meine Neugierde ist geweckt. „Weißt du, wo er ist? Wird er bald nach Hause kommen?“
„Wir unterhalten uns morgen in aller Ruhe“, sagt er, berührt meine Schulter zum Abschied und lässt mich alleine zurück.
Ich frage mich, ob die beiden wirklich Kontakt haben. Immerhin hat Alejandro lange für José gearbeitet, hat Botengänge erledigt, ihn bei Polizeirecherchen unterstützt. Ich höre Alejandros Stimme klar und deutlich: „Dank ihm kann ich der Routine entkommen. Er gibt mir die Anerkennung, die Vater mir verwehrt.“
Soll ich José wirklich besuchen? Meine Eltern dürfen das nicht spitzkriegen. Ja, ich will das Risiko eingehen. Ich habe es satt, immer nach Vaters Pfeife zu tanzen. Ich möchte ein mutiges Mädchen sein. Mein Magen schnürt sich zusammen, ich habe Gänsehaut, die Knie zittern. Vor lauter Aufregung ist an Schlaf nicht zu denken.

***********​

Am nächsten Tag klammere ich mich an den Henkel der Schultasche, während ich zu Josés Wohnung laufe. Kaum habe ich geläutet, wird die Tür mit Schwung aufgerissen.
„Da bist du ja. Komm rein.“ José lächelt charmant, macht eine einladende Geste. „Ich habe alles vorbereitet. Lass es dir schmecken.“ Er rückt mir den Stuhl zurecht, gießt Kakao in eine Tasse. Sich selbst serviert er einen Espresso.
„Musst du nicht arbeiten?“, frage ich mit vollem Mund. Die Churros sind wirklich köstlich. Bei uns gibt‘s die nur einmal im Monat, wenn‘s hochkommt.
„Ich habe heute frei.“ Er streckt die Beine aus, reckt die Arme in die Höhe. „Das genieße ich.“
„Wie läuft es auf dem Revier?“
„Super. Demnächst werde ich befördert.“ Er grinst selbstzufrieden. „Schade, dass ich nicht mit Alejandro feiern kann. Aber hey … Jetzt bist du ja hier! Möchtest du mit mir feiern?“
Ich kichere, nehme einen Schluck Kakao. „Das wäre toll. Sag … Wann hat Alejandro sich bei dir gemeldet?“
„Vor drei Tagen. Deshalb bin ich gestern vorbeigekommen. Ich weiß ja, wie sehr er dir fehlt.“
„Ich fasse es nicht. Vor drei Tagen. An seinem Geburtstag. Jetzt ist er einundzwanzig. Der erste Geburtstag, den wir nicht zusammen verbracht haben.“
„Er vermisst dich.“
Ich reiße die Augen auf. „Warum meldet er sich dann nicht?“
„Er ist in einer schwierigen Situation.“
„Inwiefern?“
„Du weißt ja, wie wichtig ihm die Anerkennung seines Vaters ist. Er will erst heimkommen, wenn er ihn stolz machen kann.“
„Vater wird nie zufrieden sein. Er hängt an seinem konservativen Rollenbild fest. Ich soll heiraten und Kinder bekommen und Alejandro soll eine praktische Ausbildung absolvieren und Familienernährer werden. Vater interessiert sich nicht für seine künstlerische Ader.“
José zuckt mit den Schultern. „Naja. Mit der Malerei lässt sich schlecht Kohle verdienen.“
„Hat er dir erzählt, warum er gegangen ist?“
„Viel hat er nicht preisgegeben. Er wollte Abstand, irgendwo neu durchstarten. Geld verdienen. Sich einen Namen machen.“
„Ich kann nachvollziehen, dass er nicht bleiben wollte. Zu Hause ist es unerträglich. Die Stimmung ist im Keller. Mutter und Vater ignorieren oder zanken sich. In dieser Familie gibt es keine Liebe. Ich halt das nicht aus“, schniefe ich. „Ohne ihn fühle ich mich so einsam. Meinst du, wir können ihn besuchen? Meine Eltern brauchen es nicht zu wissen.“
„Das lässt sich bestimmt einrichten. Ich werde mit ihm reden. Und ich versteh dich.“ Er setzt sich neben mich, spielt mit meinem Haar, wischt mir den Puderzucker aus dem Mundwinkel. „Sei nicht traurig, Engelchen. Du hast ja mich.“
Mit seinen Blicken zieht er mich aus. Ich zupfe an dem Rock, um die Knie zu bedecken. Er legt mir die Hand zwischen die Oberschenkel und streichelt sie.
Vor Schreck fällt mir ein Stück Gebäck aus der Hand. „José! Was tust du da?“
Er lacht derb, hebt den Churro vom Boden auf und legt ihn auf den Tisch. „Ganz ruhig. Ich will dich nur trösten. Du musst nicht einsam sein. Ich bin für dich da, wie ich für deinen Bruder da war. Stell dich hin, mein Engelchen.“
Keine Ahnung warum, aber ich tue es. Ich komme mir vor wie eine Marionette. Der Puppenspieler strafft die Fäden. Ich setze mich in Bewegung. Ferngesteuert lasse ich zu, dass José meine Beine liebkost, über die Waden streichelt, die Fußknöchel berührt. Seine Hände sind gepflegt, die Nägel manikürt. Er hat lange Finger, die meine Schenkel umfassen, dann meinen Slip berühren. Ich halte den Atem an. Was treibt er da? „Bitte lass das“, flüstere ich und schiebe seine Hand weg.
„Hey … Warum so garstig? Bin ich dir nicht gut genug?“ Er schlägt sich auf die Brust, öffnet die obersten Knöpfe des Hemds. Eine goldene Kette mit einem Kreuzanhänger baumelt um seinen Hals.
Ich schüttle den Kopf. „Das ist es nicht.“
„Was dann? Erst jammerst du über Einsamkeit und dann stößt du mich weg. Frauen!“, zischt er verächtlich.
„Verzeih mir. Ich hab keine Erfahrung.“ Ich lege den Kopf schief, betrachte ihn. Soll ich etwas mit ihm anfangen? Würde ich mich dadurch Alejandro näher fühlen? José könnte mich stützen, mich aufmuntern. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Innerlich schüttle ich mich. Was für Gedanken. Was ist nur in mich gefahren? „Wir können Freunde sein. Es langsam angehen lassen“, schlage ich vor.
Völlig unerwartet packt er mein Haar, biegt meinen Kopf nach hinten. Ich zucke zurück, wimmere leise. Was ist jetzt los?
„Du bist kein Kind mehr, du bist eine Frau. Schau dich an! Kommst zu mir nach Hause in diesem Minirock, einem Shirt, unter dem sich die Nippel abzeichnen. Faselst etwas von langsam angehen. Du willst es! Gib es zu!“
Ich fühle mich schuldig, bin voller Scham. Wie kann er das von mir denken? Was habe ich falsch gemacht? „Nein!“, schreie ich laut in meinem Inneren, doch ich bringe keinen Ton heraus. Warum demütigt er mich? Noch nie habe ich mich so entblößt gefühlt. Tränen laufen mir übers Gesicht. Ich will keine Heulsuse sein.
„Du solltest dir gut überlegen, was du willst.“ Er streckt den Arm aus, deutet zur Tür. „Du kannst jederzeit gehen. Ich zwinge dich zu nichts. Aber …“
„Was aber?“
„Wenn du jetzt gehst, wirst du nie erfahren, wo dein Bruder ist.“
„Wer sagt mir, dass du mich nicht belügst? Vielleicht ist Alejandro längst tot. Vielleicht hast du ihm etwas angetan.“
Er starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an. „Du hast eine blühende Phantasie, Mädchen. Glaubst du das ernsthaft?“
Ich zucke mit den Schultern, reiße mich zusammen. Die Fäden straffen sich erneut, führen mich einen Schritt in seine Richtung, mein Mund öffnet sich: „Ich bleibe. Sag mir bitte, was du über Alejandro weißt. Ist er in Ordnung?“
Er schnalzt mit der Zunge. „Schön, dass du bleibst. Ich freue mich. Wir werden uns eine schöne Zeit machen.“ Er grinst, bleckt die Zähne. „Jetzt machen wir es uns gemütlich.“ Er nimmt mich bei der Hand, führt mich ins Schlafzimmer. Mein Atem stockt, als ich die zerwühlten Laken sehe. Mit wie vielen Frauen er hier wohl geschlafen hat? Er wirft sich aufs Bett, klopft neben sich auf die Matratze. „Komm zu mir.“
Ein paar hölzerne Schritte, schon liege ich im Bett. Er kommt über mich, tastet nach meinen Brüsten, schiebt den Rock nach oben. „Ist doch gar nicht so schlimm. Oder?“
Ich schließe die Augen, rühre mich nicht, lasse es über mich ergehen. Vielleicht ist das der Preis, den ich zahlen muss. Während er sich an mir zu schaffen macht, denke ich an meinen Bruder. Im Geiste höre ich seine Stimme, konzentriere mich fest darauf. José nestelt an meinem Slip. Noch nie hat jemand mich da unten berührt. Es schmerzt, als er einen Finger in mich schiebt. Mein Körper versteift sich. Sein heißer, nach Bier stinkender Atem an meinem Ohr verursacht dreht mir beinahe den Magen um. „Ich kann das nicht“, flüstere ich.
Er lacht höhnisch, verstärkt den Griff. „Du kannst! Es wird dir gefallen.“ Seine Hände ballen sich zu Fäusten. Er zieht an meinem Haar. Der Schmerz schießt mir in den Kopf, ich kneife die Augen zusammen. „Warum quälst du mich?“
„Quälen?“, grölt er. „Was ist nur los mit dir?“ Seine Augen funkeln vor Verlangen. „Lass uns ein wenig Spaß haben. Sei nicht so verklemmt.“
Mein Blick huscht hin und her. Ich will hier weg! Einfach nur raus hier! Weg von dem Mistkerl! Er darf nicht weitermachen. Unter keinen Umständen. Das packe ich nicht. Ich bin Jungfrau. Meine Gedanken wirbeln durcheinander. Es muss doch irgendetwas geben, was ich tun kann, um ihn davon abzuhalten. „Warum bist du so grausam?“ Ich versuche, meiner Stimme einen gefassten Klang zu geben.
„Stell dich nicht so an! Du willst doch, dass ich ein Treffen mit Alejandro arrangiere. Also … Streng dich an!“
Er spielt mit meinen Locken. Ich presse die Beine zusammen, Schweißflecken bilden sich unter meinem Shirt, mein Atem beschleunigt sich.
„Ruhig, Engelchen. Ich werde dir nicht wehtun.“
Dann sind seine Hände unter meinem Shirt. Da ist Gier in seinen Augen. Ich spüre sie in seinen Berührungen. Er knetet, kneift, drückt, behandelt mich wie ein Stück Fleisch. Erkennt er nicht, dass ich gleich durchdrehe? Ich halte den Atem an, schüttle mich innerlich. Bitte, lass es schnell vorbeigehen.
Er leckt sich über die Lippen. „Oh, Penelope“, stöhnt er, während er meine Arme nach oben reißt, sie mit seiner Rechten hinter meinem Kopf festhält, die Linke in meinen Slip schiebt, mit zwei Fingern in mich eindringt. Es fühlt sich an, als würde eine scharfe Klinge meinen Unterleib malträtieren.
„Aua!“ Ich schreie vor Schmerzen auf. „Du Schwein! Du tust mir weh.“
„Jetzt reicht‘s mir! Ich hab‘s echt im Guten versucht.“
Er lässt meine Arme los, presst meinen Hinterkopf ins Kissen, schlägt mir ins Gesicht. Mein Schädel fühlt sich an, als würde er gleich explodieren. Ich bin der Ohnmacht nahe. Er ist so brutal. Wie kann Alejandro mit ihm befreundet sein? Ich verstehe es nicht. Alejandro hat immer von ihm geschwärmt, wie konnte er sich so täuschen? Mein Überlebensinstinkt regt sich. Ich beiße ihm in die Schulter, dann nutze ich sein Zusammenzucken, um mich seinem Griff zu entziehen. Ich taumle vom Bett, laufe Richtung Tür. Nichts wie raus hier! Ich will nach Hause! Ein Drang, den ich unter anderen Umständen niemals hätte. Er ist flink. Ich habe ihn eindeutig unterschätzt. Mit raubtierhaften Bewegungen schnellt er vom Bett in die Höhe, schleudert mich gegen die Wand, schlägt zu. Er ist außer sich vor Wut. Zerrt an meinen Haaren, schüttelt mich hin und her wie eine Puppe. Ich habe keine Chance, schaffe es nicht, mich zu wehren. Er wirft mich zu Boden. Sein Blick ist der eines Irren.
„Nein! Nein! Bitte nicht!“, flehe ich.
Mit einem dreckigen Grinsen steht er über mir, demonstriert seine Macht. „Du Mistgöre! Denkst du, du hast irgendwas zu sagen?“, donnert er. Seine Faust kracht gegen die Wand, der Putz bröckelt, rieselt zu Boden.
Ich kauere mich zusammen, schluchze vor mich hin, ziehe den Rotz hoch. Alejandro, wo bist du? Bitte steh mir bei.
Er tritt mit den Schuhen gegen meine Rippen, prügelt auf mich ein. Was für ein Sadist! Die Aktion bereitet ihm größtes Vergnügen. Alles um mich herum dreht sich.
„Jetzt wirst du sehen, was du davon hast.“ Er streift die Jeans herunter, trägt keine Unterwäsche. Oh Gott! Das darf nicht passieren. Bitte nicht! Er packt mich, zerreißt den Slip, spreizt meine Beine und dringt in mich ein. „Du gehörst mir!“ Sein keuchender Atem an meinem Ohr macht mich wahnsinnig. Ich will schreien, will ihm den Rücken zerkratzen, will, dass er mich in Ruhe lässt.
Mein Körper zuckt unter seinem Gewicht. Ich bäume mich auf, winde mich.

„Ja, wehr dich, geile Mieze!“ Er drückt meine Kehle zu. Ich bekomme kaum Luft. War‘s das jetzt? Endet mein Leben so? Nebelschlieren tanzen vor meinen Augen, die Umgebung wird unscharf. Ich presse die Lider zusammen, lasse mich fallen und befinde mich mit einem Mal in einer Art Trance. Meine Seele spaltet sich von meinem Körper ab. Ich schwebe an der Decke und sehe dabei zu, wie er sich an mir vergeht. Nebelschwaben umwabern mich, in der Ferne tanzen Lichtblitze. Plötzlich ist alles still, ich empfinde beinahe Frieden, fühle mich sicher. Als neutrale Beobachterin nehme ich mir Zeit, die Situation zu analysieren. In meinem Kopf taucht eine Melodie auf, die Klänge einer Flamencotänzerin. Ich höre das Klackern der Schuhe, spüre die Kraft, die Stärke, die Energie.
Josés Stöße werden heftiger, endlich lässt er von meinem Hals ab. Ich keuche, sauge die Luft in meine Lungen, bin kurz vor dem Kollaps.
„Oja! Ich komme!“, schreit er, verzieht das Gesicht zu eine Grimasse, stöhnt immer wieder auf.
Da ist eine heiße Flüssigkeit tief im Innern meines Körpers. Er ist fertig mit mir, lässt von mir ab, wankt ins Bett, rollt sich zusammen und schnarcht. Mir tut alles weh, ich friere, zittere wie Espenlaub. Er lässt mich liegen wie ein Stück Müll.
Steh auf, sage ich mir. Du musst hier weg.
Mit einem Stöhnen rapple ich mich auf. Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. Ich wanke ins Bad, kann mich kaum auf den Füßen halten. Mein Spiegelbild erschüttert mich. Verquollene Augen, Kratzer, blaue Flecke. Die Haare stehen in alle Richtungen vom Kopf ab. Aus der Nase sickert Blut, aus dem linken Ohr ebenso. Was hat er mir angetan? Der unbescholtene Polizist, Alejandros Mentor. Ich kann es nicht glauben.
Meine Kehle ist trocken, ich trinke direkt aus dem Wasserhahn. Immer wieder kehrt der Schwindel zurück. Um nicht zu stürzen, klammere ich mich an der Handtuchstange fest. Ich habe keine Kraft mehr. Etwas in mir ist zerbrochen. Mein Leben ist vorbei.
Was soll ich tun? Die Polizei rufen? Nein! Niemand darf davon erfahren. Ihn mit einem Kissen ersticken? Ihm eine Vase über den Schädel ziehen? Ein Messer aus der Küche holen, zustechen? Ich massiere die Stirn, die pochenden Schläfen. Denk nach, denk nach!
Ich sinke auf die Knie, verharre in dieser Stellung, grüble. Die Gedanken rasen durch mein Gehirn. Alejandro hat mich im Stich gelassen. Er hat mich nicht beschützt. Es interessiert ihn einen Scheiß, was mit mir ist. Mutter hat Recht! Er ist ein Egoist, wir sind ihm nicht gut genug. Plötzlich sehe ich Vaters Gesicht vor mir. Ich hasse Männer! Sie sind Abschaum, nehmen sich, was sie wollen. Wir Frauen sind nichts als Dreck für sie.

Eins ist klar: José muss bezahlen! Ich kann ihn nicht damit davonkommen lassen. Wenn ich nichts unternehme, wird er es wieder tun. Wieder und immer wieder. Ich hab's in seinen Augen gesehen. Er hat Blut geleckt, das war erst der Anfang. Und noch einmal halte ich das nicht aus. Die Demütigung, die Erniedrigung, die Schmerzen. Nein!

Unsichtbare Fäden ziehen an mir, richten mich auf, führen mich in die Küche. Das Steakmesser glitzert im Licht des Sonnenscheins. Ein Griff, und es liegt sicher in meiner Hand. Ferngesteuert wanke ich ins Schlafzimmer. Mein Blick verharrt auf José, der immer noch schnarcht. Ich empfinde nichts. In mir ist nur Leere. Die unsichtbaren Fäden reißen meinen Arm in die Höhe, dann steche ich zu. Immer und immer wieder.

 

Hallo @Silvita ,

gleich zu Beginn: Eine heftige Geschichte lieferst du da ab, mit deren Wendung man (oder zumindest ich) nicht gerechnet hätte.

Mein erster Gedanke, als Penelope Alejandros Zimmer betritt war, dass dieser bestimmt tot ist und sich die Geschichte mit der Verarbeitung des Todes auseinandersetzt. Dementsprechend überrascht war ich, als die Mutter ungewohnt gefühlskalt auftritt. Als dann klar wurde, dass Alejandro abgehauen ist, dachte ich - okay, auch eine Art der Verarbeitung. Bis zum Ende werden die Umstände für Alejandros Verschwinden nicht beleuchtet. Jetzt wo ich so schreibe habe ich, ohne wirklich Anhaltspunkte dafür zu haben, José im Verdacht.

Zwischenzeitlich hat mich irritiert, dass von der Mutter auch als "Mom" die Rede ist, vom Vater aber nur als "Vater" oder "Juan". Jedenfalls vermute ich, dass Juan der Vater ist.

Mit geübten Gesten machte sie sich daran, die prallen Tomaten, die so herrlich nach Sommer dufteten, einzusammeln.
Da musste ich unwillkürlich lachen, weil ich mir vorgestellt habe, wie Penelope vor den Tomaten herumfuchtelt. Ich denke, "Mit geübten Handgriffen" würde besser passen.

„Bis morgen“, sagte er, tippte sich zum Gruß an die Stirn und ließ sie alleine zurück.
Hier auch wieder, das klingt, als würde er ihr den "Vogel" zeigen. :D

Noch etwas Formales:

„Du bist verrückt. Wie kannst du glauben, dass es mir gefällt, wenn du gegen meinen Willen an mir rumfummelSt?

Während der sehr lebhaft dargestellten Vergewaltigung schwankt Penelope immer wieder zwischen Verängstigung und Kampfgeist. Ich hätte es nachvollziehbarer gefunden, wenn sich in ihrer Einstellung eine eindeutigere Veränderung vollzogen hätte und die "Seelenabspaltung" weniger deskriptiv gewesen wäre. Dass Penelope kurz nachdem sie sich vor Angst kaum bewegen konnte plötzlich Widerworte gibt, hat für micht nicht so wirklich zusammengepasst. Eine Wandlung würde auch das Ende der Geschichte folgerichtig erscheinen lassen.

Seine Augen funkelten verräterisch, er leckte sich über die Lippen, Speichel tropfte aus seinem Mundwinkel.
Das ist ziemlich plakativ und passt zwar in Josés Charakterzeichnung eines triebgesteuerten Tieres, meiner Meinung nach ist das ein bisschen too much.

Obwohl sie schwere Kost war, hat mir deine Geschichte unterm Strich gut gefallen. Vielleicht auch, weil sie aufzeigt, aus welchen Situationen heraus Machtgefälle geschaffen werden können, die dann zu einem Missbrauch führen.

Beste Grüße
Zornkraut

 

Guten Morgen @Zornkraut,

herzlichen Dank für Dein Feedback. Ich freue mich, dass Dir die Geschichte, trotz der heftigen Thematik gefallen hat. Schön, dass ich Dich überraschen konnte und nicht alles Vorhersehbar war.

Zitat Zornkraut: Zwischenzeitlich hat mich irritiert, dass von der Mutter auch als "Mom" die Rede ist, vom Vater aber nur als "Vater" oder "Juan". Jedenfalls vermute ich, dass Juan der Vater ist.
Ich habe das entsprechend angepasst

Zitat Zornkraut: Da musste ich unwillkürlich lachen, weil ich mir vorgestellt habe, wie Penelope vor den Tomaten herumfuchtelt. Ich denke, "Mit geübten Handgriffen" würde besser passen.
Lol. :) Da hast Du Recht. Das war wohl ein freudscher Verschreiber. Danke für den Hinweis.

Zitat Zornkraut. Hier auch wieder, das klingt, als würde er ihr den "Vogel" zeigen.
Das hab ich gestrichen

Zitat Zornkraut. Während der sehr lebhaft dargestellten Vergewaltigung schwankt Penelope immer wieder zwischen Verängstigung und Kampfgeist. Ich hätte es nachvollziehbarer gefunden, wenn sich in ihrer Einstellung eine eindeutigere Veränderung vollzogen hätte und die "Seelenabspaltung" weniger deskriptiv gewesen wäre. Dass Penelope kurz nachdem sie sich vor Angst kaum bewegen konnte plötzlich Widerworte gibt, hat für mich nicht so wirklich zusammengepasst. Eine Wandlung würde auch das Ende der Geschichte folgerichtig erscheinen lassen.
Ich habe versucht, das ein wenig anzugleichen. Die Abspaltung der Seele hab ich aber so gelassen, da ich das für sehr wichtig halte.

Zitat Zornkraut: Das ist ziemlich plakativ und passt zwar in Josés Charakterzeichnung eines triebgesteuerten Tieres, meiner Meinung nach ist das ein bisschen too much.
Das mit dem tropfenden Speichel hab ich gestrichen.

Herzlichen Dank und ein schönes Wochenende.

LG Silvita

 
Zuletzt bearbeitet:

Sie wusste nicht warum, aber sie tat es. Es war, als wäre sie eine Marionette – und José zog die Fäden.

»...
Jede Bewegung, sagte er, hätte einen Schwerpunkt; es wäre genug, diesen, in dem Innern der Figur, zu regieren; die Glieder, welche nichts als Pendel wären, folgten, ohne irgend ein Zutun, auf eine mechanische Weise von selbst.
...«, beschreibt Kleist die Marionette (in H. v. Kleist:„Über das Marionettentheater“), als die sich mancher fühlt, wenn er in seinem Tun (oder auch Unterlassen, das ja auch eine Art von Tun bedeutet – man schaue im Strafgesetz nach) fremdgesteuert fühlt und tatsächlich durch Gewalt (oder auf deren Androhung hin) sich dem Stärkeren beugt (was übrigens von der kleinsten bis zur größten Gruppe bedeutsam ist).

Nunja, Du machst es nicht biblisch kurz (das „und erkannte sein Weib“ nur als Beispiel, dass Du weißt, was ich meine), sondern beschreibst ausführlich,

liebe Silvita -

mir sogar eher zu ausführlich, und
dennoch erst einmal herzlich willkommen hierorts!

Die ausführliche Beschreibung durch unnötige Adjektive – @Manuela K. hat da schon an anderer Stelle darauf hingewiesen – bringt Texte in die Nähe der Gartenlaube, kann sie gar in den Kitsch ziehen. Ich werd jetzt nicht jedem unnötigen Adjektiv nachjagen, es gibt noch genug formale Reparaturen vorzunehmen und da werden – so denke ich – mutmaßlich einige Adjektive angesprochen werden als Beispiele.
Nicht jedes Adjektiv wird sich vermeiden lassen. Die Wortart ist ja nicht grundlos entstanden …

Interessant find ich die Namenswahl (schon Dein eigener Nickname, „Silvita“, für mich eine gelungene Zusammenführung von Wald und Leben), wie ja auch die antike Penelope zwanzig Jahre auf die Rückkehr ihres Odysseus‘ wartet und sich einer Horde vermeintlich edler Brautwerber erwehren muss …

Aber zum Text ,
denn schon hier

Mit hängenden Schultern tapste Penelope lautlos über den Flur, verharrte vor Alejandros Zimmertür, drückte die Klinke herunter und betrat den Raum. Sie achtete darauf, die Tür leise zu schließen.
Offenbart sich ein Widerspruch zwischen Verb und Adjektiv:
„tapsen“ ist eine lautmalende Interjektion des oft doppelt auftretenden „tapp tapp“s (hört man da nicht schon die Pfötchen auftreten?) und meint eher ein plumpes auftreten/gehen. „Schleichen“ ist da sicherer und erspart das lautlose, weil es schon in der Wortbedeutung installiert ist.

Sie setzte sich an den Schreibtisch, öffnete die oberste Schublade und zog den Skizzenblock hervor, legte ihn vor sich und begann, sich jede einzelne Zeichnung anzusehen.
„anzusehen beginnen“ bildet in dem Fall ein komplexes Prädikat, das durch ein Komma zerschlagen wird. An sich hastu Recht, ist doch die Infitivgruppe von einem Substantiv/Nomen abhängig – vertreten duch das Pronomen „sich“.
Weiter unten geschieht noch einmal dergleichen, hier nämlich
„Bitte lass das“, flüsterte sie und versuchte, seine Hand wegzuschieben.
Wieder ein komplexes Prädikat (wegzuschieben versuchen) – Komma weg vorm Infinitivsatz!

Sie hielt inne, wie immer auf Seite 27, ihr Lieblingsbild.
Hier schnappt m. E. die Fälle-Falle zu – „ihrem“ Lieblingsbild

Sie schloss die Augen, war sie mitten in der Natur.
Die Satzstellung des ersten Satzes degradiert den zwoten durch seine Satzstellung eigentlich zu einem Nebensatz (wiewohl es ein Hauptsatz des SPO-Schemas ist der Art "sie war mitten in der Natur") , in dem das Pronomen/Subjekt stört, besser also „sie schloss die Augen und (oder Komma!) war mitten in der Natur“ – oder bei Statuserhaltung beider Hauptsätze „Schloss sie die Augen, war sie mitten ...“

Sie dachte an Leon, ihren Klassenkameraden, der ihr so gut gefiel.
Um Himmels Willen.
Klingt sehr nach Ausruf … wie auch hier als Gemisch aus Bitte und Aufforderung

Hier

Mit geübten Handgriffen machte sie sich daran, die prallen Tomaten, die so herrlich nach Sommer dufteten, einzusammeln.
ist mal solch eine inflationäre Stelle an Adjektiven und – jetzt nicht erschrecken – nur eines bleibt übrig – lässt aber zugleich sein Substantiv entbehrlich erscheinen, schau mal nach dem Vorschlag
„Geübt machte sie sich daran, Tomaten einzusammeln, die nach Sommer dufteten“

Hier musstu den Punkt einfangen und vor die Gänsefüßchen setzen

„Nein, das geht nicht. Meine Eltern sind unterwegs. Ich bin alleine“.

Ihr Magen schnürte sich zusammen, Gänsehaut überlief ihren Körper, ihre Knie zitterten unkontrolliert. Sie konnte fast nicht schlafen, so aufgeregt war sie.
Gänsehaut kann ganz schlecht laufen (die Beine sind bei der Gans geblieben), aber sie kann Gänsehaut „überkommen“, und ein „fast nicht“ schlafen können ist schlciht ein „schlechter“ Schlaf oder sie konnte kaum schlafen.

Sie spürte seine Blicke zuerst auf ihren nackten Beinen, dann glitten sie weiter nach oben und verweilten auf ihrer Brust.
In dem Fall nehmen die Possessivpronomen die Rolle von Attributen/Adjektiven ein, denn spätestens mit „seinem“ Blick wissen wir, wer da wen anstar, dass es auch mal ein Artikel (die nackten Beine oder die Brust) sein darf

Er schnalzte mit der Zunge. „Uiuiui… Alles, was ich will? Hört… Hört… Das klingt phantastisch.
Weiter oben geht‘s doch korrekt mit dem Leerzeichen vor Auslassungspunkten mit dem Abstand zum vorhergehenden Wort. Warum hier nicht mehr? Beim Ausruf vorneweg kann uns das ziemlich egal sein. Aber dann behaupten die Auslassungspunkte direkt am „hört“, dass da wenigstens ein Buchstabe fehlt – und ich komm nicht drauf, welcher … Kurz:
Auslassungspunkte i. d. R. mit einer freien Stelle zwischen Wort und Punkten. Ansonsten wäre ja auch der Apostroph wesentlich rationeller einzusetzen

José war so brutal[!] Wie konnte Alejandro mit ihm befreundet sein? Mit letzter Kraft biss [sie] in seine Schulter, nutzte sein Zusammenzucken, um sich seinem Griff zu entziehen, taumelte vom Bett und lief Richtung Tür. Nichts wie raus hier[!]

Mit raubtierhaften Bewegungen schnellte er vom Bett in die Höhe, sprang auf sie, schleuderte sie […] gegen die Wand, schlug zu.

Und letztlich die Frage, wie sprech ich
„Mmmh, …
aus?
Ein „hm“ [hm] kenn ich – aber drei m mit Dehnungs-h? Hasti schon mal ausprobiert, wie lang ein schlichte „m“ durch die Lippen gepresst dauert? Bei drei-m und einem h darf man wenn schon nicht Stunden, so doch ne halbe Minute unterstellen ...

Um nicht zu stürzen, klammerte sie sich an der Wand fest.
Wie macht sie das – sich an eine mutmaßlich ziemlich glatte Wand klammern?
Vllt. lehnte/stemmte sie sich an/da gegen

Nun ja, zwo Tage nach Hegels Geburtstag eine etwas andere Variante der Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft zu lesen hat was, denn die große Ausführung giofelt ja oft genug in Mord und Totschlag.

Tschüss und ein schönes Wochenende

Friedel

 

Lieber @Friedrichard

herzlichen Dank fürs Lesen, Kommentieren und die Willkommensgrüße. Ich freu mich, hier dabei zu sein. :)

Zitat Friedel: Die ausführliche Beschreibung durch unnötige Adjektive – @Manuela K. hat da schon an anderer Stelle darauf hingewiesen – bringt Texte in die Nähe der Gartenlaube, kann sie gar in den Kitsch ziehen.
Ja, das mit den Adjektiven ist so ein Ding. Mich stören sie nicht. Weil das bei meinen Texten des Öfteren angemerkt wird, mach ich da zwischenzeitlich Experimente mit anderen Texten, den Büchern, die ich so lese. Da du es jetzt auch wieder erwähnt hast, bin ich meine ganze Geschichte noch mal durchgegangen, hab alle Adjektive farbig markiert und einiges gestrichen.

Zitat Friedel: Nicht jedes Adjektiv wird sich vermeiden lassen. Die Wortart ist ja nicht grundlos entstanden …
Da bin ich ganz deiner Meinung und ich persönlich mag Adjektive in fremden Texten und auch in meinen eigenen.

Zitat Friedel: Interessant find ich die Namenswahl (schon Dein eigener Nickname, „Silvita“, für mich eine gelungene Zusammenführung von Wald und Leben), wie ja auch die antike Penelope zwanzig Jahre auf die Rückkehr ihres Odysseus‘ wartet und sich einer Horde vermeintlich edler Brautwerber erwehren muss …
Schön, dass du die Namenswahl interessant findest.

Zitat Friedel: „tapsen“ ist eine lautmalende Interjektion des oft doppelt auftretenden „tapp tapp“s (hört man da nicht schon die Pfötchen auftreten?) und meint eher ein plumpes auftreten/gehen. „Schleichen“ ist da sicherer und erspart das lautlose, weil es schon in der Wortbedeutung installiert ist.
Gekauft und geändert.

Zitat Friedel: „anzusehen beginnen“ bildet in dem Fall ein komplexes Prädikat, das durch ein Komma zerschlagen wird. An sich hastu Recht, ist doch die Infitivgruppe von einem Substantiv/Nomen abhängig – vertreten duch das Pronomen „sich“.
Weiter unten geschieht noch einmal dergleichen, hier nämlich
„Bitte lass das“, flüsterte sie und versuchte, seine Hand wegzuschieben.
Wieder ein komplexes Prädikat (wegzuschieben versuchen) – Komma weg vorm Infinitivsatz!
Hab ich geändert.

Zitat Friedel: Sie hielt inne, wie immer auf Seite 27, ihr Lieblingsbild.
Hier schnappt m. E. die Fälle-Falle zu – „ihrem“ Lieblingsbild
Und das auch.

Zitat Friedel: Sie schloss die Augen, war sie mitten in der Natur.
Die Satzstellung des ersten Satzes degradiert den zwoten durch seine Satzstellung eigentlich zu einem Nebensatz (wiewohl es ein Hauptsatz des SPO-Schemas ist der Art "sie war mitten in der Natur") , in dem das Pronomen/Subjekt stört, besser also „sie schloss die Augen und (oder Komma!) war mitten in der Natur“ – oder bei Statuserhaltung beider Hauptsätze „Schloss sie die Augen, war sie mitten ...“
Das war meinerseits ein simpler Tippfehler. Danke für den Hinweis.

Zitat Friedel: Mit geübten Handgriffen machte sie sich daran, die prallen Tomaten, die so herrlich nach Sommer dufteten, einzusammeln.
ist mal solch eine inflationäre Stelle an Adjektiven und – jetzt nicht erschrecken – nur eines bleibt übrig – lässt aber zugleich sein Substantiv entbehrlich erscheinen, schau mal nach dem Vorschlag
„Geübt machte sie sich daran, Tomaten einzusammeln, die nach Sommer dufteten“
Da gefällt mir dein Vorschlag leider nicht. Ist mir zu knapp, zu kalt, zu wenig poetisch. Das ist nicht mein Stil. Ich habe aber das „prall“ gestrichen.

Danke auch für die Hinweise zwecks Interpunktion und Pronomen. Habe ich entsprechend angepasst.

Zitat Friedel: Wie macht sie das – sich an eine mutmaßlich ziemlich glatte Wand klammern?
Vllt. lehnte/stemmte sie sich an/da gegen
Geändert.

Herzlichen Dank für deine Unterstützung. Ich wünsche dir ebenfalls ein wundervolles Wochenende.

LG Silvita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Silvita,
da hast du aber wieder mal alle Fäden gezogen!

Ich bin schon einige Zeit um die „Marionette“ herumgeschlichen, habe sie von allen Seiten betrachtet und versucht, mich in ihr Erleben und Handeln einzufühlen.
Das ist mir bisher aber nicht gelungen.
Man sollte meinen, dass es selbstverständlich wäre, Empathie und Mitleiden für die 15-Jährige Penelope zu empfinden, denn das dramatische Geschehen einer Vergewaltigung berührt jeden.
Die Art und Weise, wie du die Szenerie entwickelst, hat mich aber ausgebremst.

Wir sind in Argentinien (Rio Azul), werden in eine konservative lateinamerikanische Familie geführt, die sogar ein Küsschen des Klassenkameraden Leon ahnden würde, die sich - warum auch immer - vom Sohn Alejandro losgesagt hat, der eine freundschaftliche Beziehung zum viel älteren José, dem Vergewaltiger Penelopes unterhält.
Aber die Eltern werden ganz modern Mom und Dad genannt.
(Übrigens wird Alex/ Alejandro als verlorener Bruder der jeweiligen Protagonistin in einigen deiner anderen Geschichten erwähnt und ersehnt.)

José wird beschrieben als attraktiver Mittdreißiger, erfolgreicher Frauenheld, gewiefter Verführer:

Alejandro hat mir erzählt, dass du immer die hübschesten Frauen um dich hast, dass sie dir alle aus der Hand fressen.

„Es wird dir gefallen. Bisher hat sich noch keine beschwert.“
Na ja, vielleicht hat er die Beschwerden der anderen Damen nicht mehr gehört, wenn er sich nach dem „Akt“ so verhalten hat wie bei Penelope:
Er war fertig mit ihr, ließ von ihr ab, wankte ins Bett, rollte sich zusammen und begann zu schnarchen.
Erhebend für die Auserwählte!

Mit Kakao und Donuts alleine kann man keine Frau gefügig machen, auch keine 15-Jährige.
Wie dem auch sei, José hat offensichtlich lange Zeit hinter Kakao und Donats sein wahres Wesen verstellt, wenn er gerade jetzt bei der seltenen Gelegenheit, eine Minderjährige zu verführen, die noch nie einen Penis gesehen hat, diesmal keine Verführungskünste anwendet, sondern versiert mit Fingern, Schlägen, Tritten, wüsten Beschimpfungen und erschröcklichem Genital die Entjungferung gewaltsam, aber genussvoll ausführt.

Oder ist José eine zweigespaltene Persönlichkeit:
Innerhalb von Minuten wechselt der Kerl ja zwischen Empfindsamkeit und Zuhältergehabe.
„Deine Haut lädt zum Streicheln ein. Stell dich hin, Engelchen.“

Du willst es. Gib es zu, Schlampe!“

„Oh, Penelope. Bestimmt bist du noch Jungfrau“, stöhnte er.
„Verzeih. Ich kann nicht anders.“

Wow, was für ein höflicher Vergewaltiger!

„Das macht deinen Reiz aus. Du wurdest noch nicht verdorben, darum will ich dich besitzen.“
„Du bist eine Sahneschnitte und das Beste ist, dass du dir deiner Wirkung auf Männer überhaupt nicht bewusst bist.“

Genitiv! Toll!
Aber wenig überzeugend.
Es passt für mein Gefühl nicht zusammen, dass du José eine gewählte Ausdruckweise verleihst, beachtlich für einen, der außer Schneewittchen, Engel und Holde ansonsten die gesamte Palette an erniedrigenden Bezeichnungen für Frauen von Schlampe bis Miststück aufm Röllchen hat.

Es reißt mich nicht mit, es wirkt nicht echt, wenn die beiden in dieser brisanten Situation so miteinander reden, wie du die Konversation in dieser Geschichte konstruierst.

Und dann:
Nachdem der Mann das Mädchen fast in die Ohnmacht geprügelt hat, stöhnt er lustvoll:
„Mmmh, ich komme!
Jo, das passt wie Kacke zum Mittagessen!
Also ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand bei einer Vergewaltigung mit vorausgegangener schwerer Körperverletzung seinem Opfer mitteilt, dass er jetzt schön „kommt“.

Diese Mitteilung, wenn überhaupt, ist ja eher etwas für Paare, die ihren Höhepunkt aufeinander abstimmen wollen oder wenn beide froh sind, dass sie es wieder mal geschafft haben.

Sie spürte eine heiße Flüssigkeit tief im Innern ihres Körpers.
Ich bezweifle zudem, dass ein völlig unerfahrenes Mädchen bei einer schmerzhaften „Defloration“ den Samenerguss im Innern spürt.

Er keuchte an ihrem Ohr.
Ihr Körper zuckte unter seinem Gewicht. Sie trommelte mit ihren Fäusten auf seinen Oberkörper, bäumte sich auf. Das machte ihn noch mehr an.
„Ja, wehr dich, Miststück!“ Er drückte ihre Kehle zu.

Also, wenn ein schwerer Mann so auf einem Mädchen liegt, dass er an ihrem Ohr keucht, dann ist es physisch kaum möglich, mit Fäusten auf den Oberkörper zu trommeln, den Platz und die Hebelwirkung hat man gar nicht.

Penelope, blaue Kulleraugen, schwarzes Haar, Typ Schneewittchen, ist offensichtlich ohne Handyzugang , wenn doch, muss man sich fragen, warum sie nicht vor oder nach der Vergewaltigung den Notruf gewählt hat, sondern nach dem Horror ins Bad geht, sich dort im Spiegel betrachtet und anschließend säubert, statt fluchtartig das Haus zu verlassen, denn der Mann schläft ja nur in postkoitaler Erschöpfung. Und das dauert nicht so lange.
Mensch, der könnte doch schon wieder aufgewacht sein, während sie sich die Schmach vom Leibe wäscht. Da würde ich doch keine Sekunde länger bleiben!

Für mich nicht nachvollziehbar ist auch folgende Szene:
Sie musste einfach wissen, wo Alejandro war. Ob es ihm gut ging.
Also riss sie sich zusammen. Verwandelte sich erneut in eine Marionette.
Sie ging einen Schritt auf ihn zu. „Ich tue alles, was du willst, aber sag mir bitte, was du über Alejandro weißt. Ist er in Ordnung?“

Penelope ist gerade blutig geschlagen und als Schlampe beschimpft worden, und dann macht sie auf großmütig:
Ihre Unschuld für eine profane Info?
Ein ungleicher Deal, wie ich finde.

Das, was die Prota als Grund für die Akzeptanz des folgenden Martyriums angibt, nämlich nur wissen zu wollen, wo ihr Bruder ist und ob es ihm gut gehe, erscheint mir nicht schlüssig.
Für eine Info, die zudem noch falsch sein könnte, begebe ich mich doch nicht in diese Gefahr.

Zum Schluss:
José muss einen fast komatösen Schlaf gehabt haben, wenn er sich ohne Gegenwehr einfach so abstechen lässt.

Schade, in deiner Geschichte sind zu viele Einzelheiten, die ich nicht logisch finde und die mir zu aufgebauscht vorkommen, so dass ich der Dramatik nicht folgen konnte.
Dennoch wünsche ich dir weiterhin viel Schreibfreude.

Gruß
kathso60

Ergänzung 31.08.20, 20.37: Ich weiß, dass negativ klingende Kommentare für den Autor oft frustrierend sind. Es war aber nicht meine Absicht, mit der Kritik verletzend zu wirken.
Deine Themen sind immer so komplex, da wird es schwer, die Handlung zu komprimieren und nachvollziehbar zu gestalten.
Vielleicht ist es hilfreich, wenn du Vorgänge, die du beschreibst, genau auf Plausibilität überprüfst.
Schönen Abend noch
kathso60

 

Hallo @kathso60

hab Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, meine Geschichte zu lesen und zu kommentieren. Schade, dass sie dich nicht berührt hat. Ich hab mir Deine Anmerkungen mehrmals durchgelesen und intensiv darüber nachgedacht. Manche Kritikpunkte finde ich berechtigt und habe den Text entsprechend geändert, andere Kritikpunkte wiederum finde ich nicht berechtigt.

Zitat kathso60: Wir sind in Argentinien (Rio Azul), werden in eine konservative lateinamerikanische Familie geführt.
Mein Fehler, dass ich den Ort nicht erwähnt habe. Wir sind in Alcala de Hernares, Spanien. Der Name des Flusses ist fiktiv. Ich habe das ergänzend in der Story eingefügt, ebenso wie die Jahreszahl 1982

Zitat kathso60: Aber die Eltern werden ganz modern Mom und Dad genannt.
Warum nicht? Auch in Spanien sieht man US Sendungen und kennt die Begriffe „Mom“ und „Dad“. Ich habe es dennoch mal geändert.

Zitat kathso60: (Übrigens wird Alex/ Alejandro als verlorener Bruder der jeweiligen Protagonistin in einigen deiner anderen Geschichten erwähnt und ersehnt.)
Die Geschichten haben nichts miteinander zu tun.

Zitat kathso60: Mit Kakao und Donuts alleine kann man keine Frau gefügig machen, auch keine 15-Jährige.
Er macht sie sicherlich nicht mit Kakao und Donuts gefügig, sondern mit dem Wissen um ihren Bruder. Ich habe versucht, dies nun genauer darzustellen.

Zitat kathso60: „Mmmh, ich komme!
Jo, das passt wie Kacke zum Mittagessen!
Also ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand bei einer Vergewaltigung mit vorausgegangener schwerer Körperverletzung seinem Opfer mitteilt, dass er jetzt schön „kommt“.
Diese Mitteilung, wenn überhaupt, ist ja eher etwas für Paare, die ihren Höhepunkt aufeinander abstimmen wollen oder wenn beide froh sind, dass sie es wieder mal geschafft haben.
Die Einstellung, dass nur Paare beim Orgasmus rufen „ich komme“ finde ich antiquiert.

Zitat kathso60Also, wenn ein schwerer Mann so auf einem Mädchen liegt, dass er an ihrem Ohr keucht, dann ist es physisch kaum möglich, mit Fäusten auf den Oberkörper zu trommeln.
Da gebe ich Dir Recht und habe es geändert.

Zitat kathso60: Penelope, ist offensichtlich ohne Handyzugang , wenn doch, muss man sich fragen, warum sie nicht vor oder nach der Vergewaltigung den Notruf gewählt hat
Es gibt Statistiken zu Vergewaltigungen. So viele Opfer reden mit keinem Menschen darüber. Geschweige denn rufen sie die Polizei oder den Notarzt. Zu tief ist die Scham, sie fühlen sich schuldig.
Außerdem finde ich, dass man Menschen nicht in Schubladen stecken sollte. Nicht jeder Vergewaltiger verhält sich gleich, genauso wenig wie jedes Opfer

Zitat kathsoe60: statt fluchtartig das Haus zu verlassen, denn der Mann schläft ja nur in postkoitaler Erschöpfung. Und das dauert nicht so lange.
Woher möchtest du wissen, wie lange das dauert? Wenn ich da an meinen Exmann denke, da dauerte der postkoitale Schlaf Stunden. Der war da total weggetreten.

Zitat kathso60: Mensch, der könnte doch schon wieder aufgewacht sein, während sie sich die Schmach vom Leibe wäscht. Da würde ich doch keine Sekunde länger bleiben!
Du vielleicht nicht, aber, wie schon oben angemerkt, nicht jeder ist gleich.

Zitat kathso60: Penelope ist gerade blutig geschlagen und als Schlampe beschimpft worden, und dann macht sie auf großmütig: Ihre Unschuld für eine profane Info? Ein ungleicher Deal, wie ich finde.
Für Penelope ist das keine profane Info. Ich hatte gehofft in der Eingangsszene beschrieben zu haben, wie sehr sie ihren Bruder liebt und wie sehr sie ihn vermisst. Anscheinend ist das bei Dir nicht rübergekommen. Ich habe den Text nun ein wenig verändert und hoffe, es ist nun anschaulicher.

Zitat kathso60: Dennoch wünsche ich dir weiterhin viel Schreibfreude.
Die hab ich auf jeden Fall. Danke.

Zitat kathso60: Ich weiß, dass negativ klingende Kommentare für den Autor oft frustrierend sind. Es war aber nicht meine Absicht, mit der Kritik verletzend zu wirken.
Alles kein Problem. Ich schau mir Kritiken in Ruhe an, gehe in mich, und überlege, was ich besser machen kann.

LG Silvita

 

Hallo @Silvita!

Prima, hier kann ich mich ja für deine Kommentare revanchieren. Ich steige gleich ein, okay?

Ich mag deinen Detailreichtum. Das zieht mich toll in den Text.

Alcala de Henares, Spanien, 1982
=> Ist das wichtig, wann und wo genau das spielt? Ich meine, das Geschehen könnte man ja an jeden anderen Ort und in die meisten anderen Zeiten versetzen, ohne dass du groß was ändern müsstest.
Und Spanien 1982 beißt sich sehr mit den "Donuts". Donuts mögen heutzutage sehr beliebt sein, aber 1982 in Spanien? Gab's da echt welche zu kaufen?

Alejandro und sein Verschwinden, dazu frage ich mich einiges:
Wie alt ist er eigentlich?
Seine Mutter sagt, er wäre abgehauen, aber er hat nichts mitgenommen?
Sein bester Freund ist Polizist, was hat der unternommen, haben die Eltern Alejandro als vermisst gemeldet?
Der Vater sagt, er habe keinen Sohn mehr, aber sie lassen sein Zimmer unberührt, wie einen Schrein? Wie passt das zusammen?

„Musst du nicht arbeiten?" fragte sie mit vollem Mund.
=> Wieso sollte sie das fragen? Er hat sie eingeladen zu kommen. Das macht man ja nicht, wenn man voraussichtlich nicht zu Hause ist.

„Ich halt das nicht aus", schniefte sie. „Ohne ihn fühle ich mich so einsam.
=> Ich finde, der Text würde sehr viel gewinnen, wenn du besser herausarbeiten würdest, warum sie ihren Bruder so vermisst. Im ersten Abschnitt stand so etwa zusammengefasst nur, dass sie gerne Ratschäge zum Knutschen hätte, aber wenn man das Geschehen, das folgt, bedenkt, müsste da viel, viel mehr sein.

Sie wusste nicht warum, aber sie tat es. Es war, als wäre sie eine Marionette – und eine unsichtbare Macht zog die Fäden.
=> Auch das hier: mehr herausarbeiten. Was soll das für eine "unsichtbare Macht" sein? Was soll der Leser sich da vorstellen? Wird das eine Fantasygeschichte?

Du willst es. Gib es zu."
Sie fühlte sich schuldig, war voller Scham.
=> Warum schämt sie sich? Will sie es wirklich?
=> Insgesamt: Für mich wirkt deine Protagonistin nicht lebensecht, ihre Handlungsweisen, ihre Reaktionen kommen oft schief bis gänzlich falsch rüber. Dazu gebe ich noch Beispiele.

Also riss sie sich zusammen. Verwandelte sich erneut in eine Marionette. Sie ging einen Schritt auf ihn zu.
=> Damit ist sie definitiv keine Marionette. Sie entschließt sich zu dem Schritt, macht den Schritt aus ihrem Entschluss heraus.

neben sich auf die Matratze. „Komm zu mir."
Sie legte sich hin. Er kam über sie, begrapschte ihre Bürste, schob den Rock nach oben.
=> Die gerade mal Sechzehnjährige, die sich Gedanken darum macht, ob ein Schulfreund sie küssen würde, legt sich zu einem Dreißigjährigen ins Bett, der keinen Hehl darum macht, dass er sie vögeln will? Das passt so nicht zusammen.
Sie hätte haufenweise andere Handlungsoptionen.

Ihr Blick huschte hin und her, sie überlegte, wie sie unbeschadet aus der Situation rauskäme.
=> Ähm, sie sieht die Penetration, die Gewalt und die Schmerzen nicht als Schaden an?

Er knetete, drückte, kniff. Sie hielt den Atem an, innerlich schüttelte sie sich.
=> Sorry, aber ich nehme dir ihre Reaktionen nicht ab. Da wird eine sehr unschuldige Teenager-Jungfrau gerade gewaltsam vergewaltigt. Aber ihre Reaktionen lesen sich eher so, als ob sie in der Schule von einem Lehrer abgekanzelt wird.

Sie befand sich in einer Art Trance. Ihre Seele spaltete sich von ihrem Körper ab.
=> Das hingegen kaufe ich dir ab.

Fieberhaft überlegte sie, was sie tun sollte. Die Polizei rufen? Nein! Keiner würde ihr glauben.
=> Sie ist minderjährig und brutal zusammengeschlagen worden. Dass sie nicht die Polizei rufen will, kann ich nachvollziehen, aber nicht aus dem Grund, den du hier angibst.

Er war der einzige, der in Kontakt mit ihrem Bruder stand.
=> Das glaubt sie immer noch? Warum geht eigentlich keiner davon aus, dass Alejandro tot ist?

Die Marionette erwachte zum Leben. Unsichtbare Fäden zogen sie nach oben
=> Für mich passt das Marionettenbild einfach nicht. Wer soll denn da der Marionettenspieler sein, deine Protagonistin lenken? Sie ist es, die da handelt, tief aus ihrem Innersten heraus. Sie zieht da selbst ihre Fäden, um bei dem Bild zu bleiben.

Okay, ich hoffe, du kannst mit meinen Anmerkungen etwas anfangen.

Grüße,
Chris

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Silvita!

Ich habe deine Marionettengeschichte gerne gelesen. Sie ist packend erzählt, inhaltlich nachvollziehbar, sprachlich/stilistisch finde ich sie flüssig und sauber dargestellt. Du hast einige erzählerische Kraft. Das Ende überraschend, aber auch wieder nicht. - Gut gemacht. :)
Du bist spürbar um sprachliche Verknappung bemüht, diesem Bemühen fallen einige "und" zum Opfer und werden durch Kommas ersetzt. Da und dort wären sie aber angebracht. Für mich sind sie fallweise wie die Schmiere eines Satzes, damit er nicht knarrt. Ach ja, noch was. Die Verfehlung? des nebelhaften Bruders könntest du etwas deutlicher herausstellen. Ein, zwei Sätze würden genügen.

Ein paar Kleinigkeiten:

Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, während sie ihre Finger über den Rio Azul gleiten ließ, der in Türkistönen schillerte.
Der Wortdoppelung könntest du leicht ausweichen:
... während sie ihre Finger den Rio Azul entlang gleiten ließ.
Aber: Dieser Satz steht im Passiv. Besser und vor allem aktiv wäre: ... entlang glitten, während ...

Magda schüttelte den Kopf. Ein unwilliges Schulterzucken ...
Der Name Magda kommt da plötzlich ins Spiel. Aus Mutter wird Magda. Dieser Name taucht später nie wieder auf. Würde daher bei Mutter bleiben.

Mit diesen Worten erhob sie sich, strich den Rock glatt, zog den Haargummi straff und verließ das Zimmer.
Würde diesen Satz um die Streichung kürzen.

„Oja. Wenn du nicht erst fünfzehn wärst, würde ich dich zu meiner Freundin machen.“
Sehr schön! In dieser Aussage wird der miese, machoide Charakter Joses ohne jede weitere Beschreibung deutlich.

Er berührte er ihre Wangen, verweilte an ihrer Unterlippe.

Sie fragte sich, ob Alejandro wirklich in Kontakt mit José stand.

Falscher Tempus.

Er lachte voller Hohn, verstärkte seinen Griff.
Er lachte höhnisch, verstärkte ...

Sein Lachen war derb, seine Augen funkelten vor Verlangen.
Auch hier würde ich zu Kürzung raten: Seine Augen funkelten vor Verlangen.

Die Marionette erwachte zum Leben. Unsichtbare Fäden zogen sie nach oben, führten sie in die Küche.
Da fehlt mir die zeitlich logische Abfolge. Denn: Erst die Fäden erwecken die Puppe zum Leben.
Nur so als Idee, vor allem auch, um klar darzustellen, dass das vergewaltigte Mädchen ferngesteuert empfindet, sie quasi zur willenlosen Puppe mutiert: Unsichtbare Fäden zogen an der Marionette, erweckten sie zum Leben und führten sie in die Küche.

Das Steakmesser glitzerte im Licht des Sonnenscheins, der durch das Fenster ins Zimmer fiel.
Auch das ginge straffer: ... glitzerte im Sonnenlicht.
Schon klar, dass Sonnenlicht durch das Fenster kommt.

Netten Gruß,
Manuela :)

 

Lieber @Chris Stone

Zitat Chris: Prima, hier kann ich mich ja für deine Kommentare revanchieren. Ich steige gleich ein, okay?
Schön! Da freu ich mich. Danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast.

Zitat Chris: Ich mag deinen Detailreichtum. Das zieht mich toll in den Text.
Das freut mich sehr.

Zitat Chris: Alcala de Henares, Spanien, 1982 => Ist das wichtig, wann und wo genau das spielt? Ich meine, das Geschehen könnte man ja an jeden anderen Ort und in die meisten anderen Zeiten versetzen, ohne dass du groß was ändern müsstest.
Da stimm ich Dir zu. Ursprünglich hatte ich diese Bemerkung nicht drin. Den Ort eingefügt hatte ich, weil eine Leserin dachte, wir seien in Argentinien (da gibt’s wohl nen Rio Azul). Mir ist schon wichtig, dass die Geschichte in Spanien spielt. Die Jahreszahl hatte ich eingefügt, weil eine Leserin reklamiert hatte, dass Penelope nicht sofort das Handy zückt und um Hilfe ruft. 1982 gabs noch keine Handys.

Zitat Chris: Und Spanien 1982 beißt sich sehr mit den "Donuts". Donuts mögen heutzutage sehr beliebt sein, aber 1982 in Spanien? Gab's da echt welche zu kaufen?
Gute Anmerkung. Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht. Ich ändere es in „Churros“. Die gabs und gibt’s auf jeden Fall. :)

Zitat Chris: Der Vater sagt, er habe keinen Sohn mehr, aber sie lassen sein Zimmer unberührt, wie einen Schrein? Wie passt das zusammen?
Wie einen Schrein? Das Bett ist abgezogen, der Raum wirkt steril. Einen Schrein stell ich mir anders vor. Was sollen sie mit dem Zimmer machen? Es neu streichen, neu einrichten?

Zitat Chris: „Musst du nicht arbeiten?" fragte sie mit vollem Mund. => Wieso sollte sie das fragen? Er hat sie eingeladen zu kommen. Das macht man ja nicht, wenn man voraussichtlich nicht zu Hause ist.
Sie weiß, dass er berufstätig ist und will etwas Smalltalk machen. Da er Polizist ist, könnte er später Schicht haben. Er könnte krangeschrieben sein, oder Urlaub haben. Ist doch ne legitime Frage.

Zitat Chris: „Ich halt das nicht aus", schniefte sie. „Ohne ihn fühle ich mich so einsam. => Ich finde, der Text würde sehr viel gewinnen, wenn du besser herausarbeiten würdest, warum sie ihren Bruder so vermisst.
Du hast Recht. Ich hab versucht, das zu verbessern.

Zitat Chris: Sie wusste nicht warum, aber sie tat es. Es war, als wäre sie eine Marionette – und eine unsichtbare Macht zog die Fäden. => Auch das hier: mehr herausarbeiten. Was soll das für eine "unsichtbare Macht" sein? Was soll der Leser sich da vorstellen? Wird das eine Fantasygeschichte?
Nee, die Geschichte hat nichts mit Fantasy zu tun. Ich möchte beschreiben, dass sie fremdbestimmt ist. Dass sie handelt, ohne sich bewusst darüber zu sein. Ähnlich wie bei der Seelenabspaltung. Ich hab versucht, das besser zu beschreiben.

Zitat Chris: Du willst es. Gib es zu." Sie fühlte sich schuldig, war voller Scham. => Warum schämt sie sich? Will sie es wirklich?
Nee, natürlich will sie es nicht. Es ist ihr peinlich, dass er so etwas von ihr denkt, daher die Scham.

Danke für die zahlreichen Anmerkungen. Ich habe versucht, die Fremdbestimmung/ Marionette besser darzustellen, ebenso das Verhalten der Protagonistin.

Zitat Chris: Fieberhaft überlegte sie, was sie tun sollte. Die Polizei rufen? Nein! Keiner würde ihr glauben. Sie ist minderjährig und brutal zusammengeschlagen worden. Dass sie nicht die Polizei rufen will, kann ich nachvollziehen, aber nicht aus dem Grund, den du hier angibst.
Hab ich geändert.

Zitat Chris: Er war der einzige, der in Kontakt mit ihrem Bruder stand. => Das glaubt sie immer noch? Warum geht eigentlich keiner davon aus, dass Alejandro tot ist?
Sie geht nicht davon aus, dass er tot ist, weil er ihr versprochen hat, wiederzukommen. Und ja, sie glaubt, dass die beiden in Kontakt stehen, weil ihr Bruder José verehrt hat und die beiden sehr eng miteinander waren.

Zitat Chris: Die Marionette erwachte zum Leben. Unsichtbare Fäden zogen sie nach oben => Für mich passt das Marionettenbild einfach nicht. Wer soll denn da der Marionettenspieler sein, deine Protagonistin lenken? Sie ist es, die da handelt, tief aus ihrem Innersten heraus. Sie zieht da selbst ihre Fäden, um bei dem Bild zu bleiben.
Es geht mir darum, die Fremdbestimmung darzustellen. Sie dissoziiert, tut Dinge, erlebt Dinge und ist dennoch nicht bei vollem Bewusstsein.

Liebe @Manuela K. ,

auch an Dich vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, meine Geschichte zu lesen und zu kommentieren.

Zitat Manuela: Ich habe deine Marionettengeschichte gerne gelesen. Sie ist packend erzählt, inhaltlich nachvollziehbar, sprachlich/stilistisch finde ich sie flüssig und sauber dargestellt. Du hast einige erzählerische Kraft. Das Ende überraschend, aber auch wieder nicht. - Gut gemacht.
Vielen Dank. Darüber freu ich mich sehr!

Zitat Manuela: Du bist spürbar um sprachliche Verknappung bemüht, diesem Bemühen fallen einige "und" zum Opfer und werden durch Kommas ersetzt. Da und dort wären sie aber angebracht. Für mich sind sie fallweise wie die Schmiere eines Satzes, damit er nicht knarrt.
Ja, ich hab nen sehr knappen Stil, ich weiß. Ich werde noch mal drüber gehen und schauen, wo ein „und“ passen würde. Ich finds immer ganz schrecklich, wenn manche Autoren ständig „und“ schreiben. Ich versuch das zu vermeiden.

Zitat Manuela: Ach ja. Die Verfehlung des nebelhaften Bruders könntest du etwas deutlicher herausstellen. Ein, zwei Sätze würden genügen.
Hab ich gemacht.

Vielen Dank für die Anmerkungen, die den Lesefluss stören. Hab ich alle übernommen.

Zitat Manuela: „Oja. Wenn du nicht erst fünfzehn wärst, würde ich dich zu meiner Freundin machen.“ Sehr schön! In dieser Aussage wird der miese, machoide Charakter Joses ohne jede weitere Beschreibung deutlich.
Vielen Dank!

Zitat Manuela: Er lachte voller Hohn, verstärkte seinen Griff.
Dein Vorschlag: Er lachte höhnisch, verstärkte ...
Ich soll doch Adjektive vermeiden. Jetzt versuch ist ständig krampfhaft, andere Formulierungen dafür zu finden. :rolleyes:

Zitat Manuela: Da fehlt mir die zeitlich logische Abfolge. Denn: Erst die Fäden erwecken die Puppe zum Leben. Nur so als Idee, vor allem auch, um klar darzustellen, dass das vergewaltigte Mädchen ferngesteuert empfindet, sie quasi zur willenlosen Puppe mutiert: Unsichtbare Fäden zogen an der Marionette, erweckten sie zum Leben und führten sie in die Küche.
Tausend Dank für diese anschauliche Idee! Hab ich übernommen und hoffe, der Text ist jetzt insgesamt besser.

Herzlichen Dank an Euch beide!

LG Silvita

 

Ich soll doch Adjektive vermeiden. Jetzt versuch ist ständig krampfhaft, andere Formulierungen dafür zu finden. :rolleyes:

Das ist so eine Sache mit den Adjektiven. Es ist nicht weniger adjektivistisch, zu schreiben: Er lachte voller Hohn. Es zeigt auch nicht mehr, als "höhnisch". Wenn du das willst, müsstest du ein Bild schaffen.
Adjektive sind durchaus berechtigt. Drum gibt es sie auch. Aber nicht inflationär eingesetzt, wie in den allermeisten Fantasystories. Obwohl ... wenn ich an die genialen Kurzgeschichten von Wolfgang Borchert denke: Da wimmelt es nur so von Adjektiven. Schreibrichtlinien sind eben auch da, um gegebenenfalls gebrochen zu werden. Kommt immer drauf an, wann, wie, warum.

Edit: Der letzte Absatz liest sich nun deutlich besser. Er beginnt und endet mit den unsichtbaren Fäden.
Vielleicht noch das "wie" ferngesteuert weglassen. "Ferngesteuert" würde genügen, mAn.

 

Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, während ihre Finger den Rio Azul entlang glitten, der in Türkistönen schillerte. Der strahlend blaue Himmel, die Vögel, die über den Horizont hinwegglitten.

Jetzt muss ich nochmal rein. Sorry, aber jetzt gleitet es ein wenig zu oft. ;)
Der letzte Satz ließe sich leicht ohne gleiten darstellen. Vielleicht: ... über den Horizont strichen.

 

Liebe @Manuela K.

vielen Dank, dass Du noch mal drüber geguckt hast.

Da stimm ich Dir voll und ganz zu, was die Adjektive angeht. Mich stören sie wie gesagt nie, wenn ich Texte lese oder bearbeite. Aber viele sind irgendwie total versessen drauf, möglichst so wenig Adjektive wie möglich zu benutzen. Warum das so ist, ist mir nicht klar.
Es ist schön, dass Du das schreibst und da bin ich total Deiner Meinung. Danke für den Tipp mit Borchert, da werde ich mal gucken :)

Zitat Manuela: Der letzte Absatz liest sich nun deutlich besser. Er beginnt und endet mit den unsichtbaren Fäden. Vielleicht noch das "wie" ferngesteuert weglassen. "Ferngesteuert" würde genügen, mAn.
Vielen Dank! Da bin ich froh. Danke nochmal für den Tipp!

Lol :) Ja, das stimmt mit dem gleiten. Das muss nicht sein. Ich bessere es gleich aus.

Nochmals vielen Dank und glg,

Silvita

 
Zuletzt bearbeitet:

Aber viele sind irgendwie total versessen drauf, möglichst so wenig Adjektive wie möglich zu benutzen. Warum das so ist, ist mir nicht klar.
In den meisten Fällen kann ein Adjektiv durch ein stärkeres Verb oder Bezeichnung ersetzt werden. D. H. Adjektiv-Anhäufungen können den Text schwächen.
(Profane) Beispiele:
Das Auto fährt sehr schnell an Marcus vorbei.
Das Auto rast an Marcus vorbei.

Rebecca lächelte leicht.
Rebecca schmunzelte.

Kassandra ging leise und vorsichtig den Gang hinunter.
Kassandra schlich den Gang hinunter.

Wenn man in seinem Text eine Adjektiv Häufung entdeckt kann es daher dem Text zuträglich sein, wenn man versucht, herauszufinden, warum man hier so viele "braucht".
Hatte man nicht das richtige Wort im Kopf und hat es umschrieben? Will man eine Stimmung ganz präzise aufzeigen und weiß sich nicht anders auszudrücken? Weil man das Bild einer Person ganz präzise beschreiben und ist das überhaupt nötig?

 

Aber viele sind irgendwie total versessen drauf, möglichst so wenig Adjektive wie möglich zu benutzen. Warum das so ist, ist mir nicht klar.

Weil sie nichts zeigen. Sie beschreiben wohl, schaffen aber kein Bild.
Beispiel: Karl war ein ungustiöser Mensch.
Abgesehen davon, dass dies vorerst mal nur eine Behauptung ist, zeigt es nicht, worin die Ungustiösität Karls besteht.
Hingegen: Karl hatte die Angewohnheit, in der Nase zu bohren. Wenn er sich unbeobachtet fühlte, wischte er den Rotz an seiner Hose ab.
Jetzt muss ich nicht behaupten, er sei ungustiös, ich habe es gezeigt.
Thats it.

 

Hallo @Manuela K.,

danke für dein Beispiel, hierzu habe ich vorhin auch nachgedacht.
Personenbeschreibungen sind ja oft ein Adjektiv Thema und ich hatte überlegt, wie ich das Adjektiv-Thema mit Show, don't tell vereinbare, wenn ich beispielsweise eine Person in schriller Kleidung beschreiben will. Er trug schrille Kleidung wäre ja behauptet. Aber wenn ich jetzt ausführlich beschreibe, wie er die senfgelbe Hose mit dem lilafarbenen Hemd unter dem blassblau gemusterten Schal kombiniert, habe ich ja trotzdem eine Adjektivschwemme, auch wenn ich schrill jetzt sicher deutlich gezeigt habe.

 

Lieber @feurig, liebe @Manuela K.

vielen Dank für die anschaulichen Beispiele.

Ich hatte in der ursprünglichen Version folgenden Satz: Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, während ihre Finger den Rio Azul entlang glitten, der in herrlichen Türkistönen schillerte. Der strahlend blaue Himmel, die Vögel, die mit weit gespreizten Schwingen über den Horizont schwebten.

In der aktuellen Version hab ich sowohl "herrlich", als auch "weit gespreizten" gekillt, obwohl ich persönlich die Sätze viel poetischer finde mit den Adjektiven.

Ich danke Euch für die Hilfe und Unterstützung und bei künftigen Texten werde ich vor dem Einstellen erstmal alle Adjektive auf Berechtigung prüfen.

LG Silvita

 
Zuletzt bearbeitet:

It's me again!

Also "herrlich" fehlt sicher niemandem. Ein ganz und gar schreckliches Wort.
Das logische Gegenstück wäre dann "dämlich". ;)

Aus "weit gespreizten" könntest du, so du den Satz etwas umbaust, eine imho gelungenere Version machen.

Der strahlend blaue Himmel, die Vögel, die mit weit gespreizten Schwingen über den Horizont schwebten.

1) Strahlend blauer Himmel ist halt so eine Sache. Abgelutscht, bis auf den Stiel.
2) Über den Horizont oder dem Horizont? Beides wäre möglich.

Alt: Vögel auf wolkenlosem Himmel, die mit gespreizten Schwingen (scheinbar schwerelos) über dem Horizont schwebten.

Oder so irgendwie halt. ;)

 

Hallo @Silvita,

entschuldige, wenn ich mich da "einmische". Ich habe gerade die Diskussion um die Adjektive gesehen und Deinen Beispielsatz und möchte da noch eine weiter Sichtwiese hinzufügen, um dieses "ich soll doch keine Adjektive verwenden" etwas aufzuweichen.

Ich finde Schreibregeln toll, weil sie einem eine Richtschnur geben, aber Regeln in der Kunst/Literatur/Musik müssen aus meiner Sicht auch immer hinterfragt werden und die "Großen" zeichnen sich oftmals dadurch aus, dass sie die ganzen Regeln meisterlich brechen und zwar, um einen gewissen Effekt bzw. eine gewisse Wirkung zu erzielen.

Natürlich ist es richtig, dass man die Adjektive meistens nicht benötigt bzw. durch starke Verben ersetzen kann. Daher ist das Streichen von Adjektiven eine gute Möglichkeit, unnötige Füllwörter zu entfernen, was den Text schneller macht; das Ersetzen von Adjektiven durch starke Verben ist eine gute Möglichkeit, die Ausdruckskraft zu stärken.

Aus dem kann man entnehmen, dass Adjektive eine Funktion haben. Diese Funktion beschränkt sich aber nicht nur auf die genannten Möglichkeiten.

So zeigt das Beispiel von @feurig, dass das Wort "schrill" eine längliche Beschreibung von Kleidung in einem einzigen Wort zusammenfassen kann. Show don't tell ist schön, macht aber Texte langsam. Man kann also Adjektive auch benutzen, um etwas prägnant zu charakterisieren, mit dem Ziel das Tempo im Text zu erhöhen.

In Deinem Beispielsatz kommt das Wort "herrlich" vor: " Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, während ihre Finger den Rio Azul entlang glitten, der in herrlichen Türkistönen schillerte "

Hier beschreibt das Adjektiv "herrlich" die Empfindung der Protagonistin. Damit ist es kein unnötiges Füllwort, vorausgesetzt, die Information der Empfindung der Protagonistin hat hier etwas mit der Geschichte zu tun und ist daher relevant. Auch hier könnte man Einwenden, dass das Empfinden von "herrlich" gezeigt werden soll, was aber (1) eine echte Herausforderung ist und (2) vielleicht an der Stelle der völlige "Overkill".

Für mich ist also insgesamt weniger die Frage relevant, ob man Adjektive verwenden darf/soll oder ob sie "gut" oder "schlecht" sind, sondern eher die Frage, was man mit ihnen bewirken möchte.

Hoffentlich kannst Du damit etwas anfangen.

Gruß
Geschichtenwerker

 

Liebe @Manuela K. / lieber @Geschichtenwerker

ich danke Euch ganz herzlich für Eure Sichtweisen und die Infos bezüglich der Adjektive. Ich habe viel gelernt und werde das neue Wissen in meinen Texten umsetzen :)

Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende. Lasst es euch gut gehen.

LG Silvita

 

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