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Mein Abend mit Sebastian

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16.08.2003
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Mein Abend mit Sebastian

Ich kämpfe mich genervt durch die Regenböen nach Hause, mein Arbeitstag ist mal wieder viel zu lang gewesen. Jeder Tropfen, der auf mich prasselt, sickert als Bruchstück dieses Tages in meinen Kopf ein. In Form der misslungenen Präsentation bei der Vertriebsleitung heute Nachmittag, in Gestalt des deshalb anberaumten Termins bei meinem Chef am nächsten Morgen, als der immer noch unter meinem Schreibtisch liegende Regenschirm. Hämisch, ungefragt, nass. Als die Fußgängerampel an der Bismarckstraße mich zum Warten zwingt, schaue ich zufällig ins Café Klatsch und sehe Sebastian dort sitzen. Ich starre bewegungslos ins Café, die Ampel springt auf Grün, wieder auf Rot, vorbeihastende Passanten rempeln mich an. Endlich blickt Sebastian hoch. Er scheint meine Gemütslage in der Sekunde zu erfassen, in der seine Augen durch die beschlagene Fensterscheibe des Cafés meine einfangen. Er winkt mich herein. Sein Blick verspricht, alle Frustration in Lebendigkeit ertränken, jeden einzelnen Regentropfen durch die Kerzen auf den Bistrotischen verdampfen zu lassen. Da können meine Kuscheldecke und der Krimi nicht mithalten. Ich seufze erlöst und betrete das verrauchte, lärmerfüllte Café.

„Du bist nass“, begrüßt Sebastian mich erstaunt lächelnd, als ich auf seinen Tisch zugehe. „Warte einen Moment, ich bin gleich fertig, ja?“, fährt er zusammenhanglos fort und widmet sich wieder seiner Kohleskizze. Sebastian erkundigt sich nicht, wie es mir geht, das hat er noch nie getan. Sebastian spürt, wie ich mich fühle, warum sollte er mich danach fragen?
„Aber sicher“, antworte ich, wuschle ihm leicht durch die störrischen Locken, deren Braun durch die ersten grauen Strähnen durchzogen wird, und lasse damit die Nässe von meinen Händen in seine Haare wandern. Er merkt es nicht. Wenn Sebastian zeichnet, dann zeichnet er ausschließlich, mit jeder Pore seines Daseins. Ich bin erstaunt, dass er mich überhaupt draußen stehen sah.

Ich entledige mich meines Parkas, ignoriere die entstehende Pfütze auf dem Holzboden und begebe mich auf die Toilette, um meine Haare unter dem Heißluftgerät zu trocknen. Sebastian sieht nicht auf, als ich zurückkehre. Ich lümmle mich auf die abgesessene rote Samtcouch, reinige meine Brille von den Regentropfenflecken und bin froh, nicht reden zu müssen. Ich habe mit Sebastian noch nie über meine Sorgen gesprochen und habe es auch heute Abend nicht vor. Sie sind ja auch nicht mehr so groß, wenn er in der Nähe ist. Ich mustere ihn, wie seine ganze Persönlichkeit aufgeht in seiner Zeichnung, das Strahlen seiner stahlblauen Augen sich wieder findet in den sanften Strichen auf seinem Block. Meine feuchten Hosenbeine halte ich während dessen zum Trocknen vor die Heizung und bestelle mir einen Milchkaffee.

Ich bekomme nur am Rande mit, dass der Regen nachlässt. Ich bin in Sebastians Kontemplation versunken. Seine Haare hängen unordentlich in der Stirn, seine Zungenspitze schaut aus dem Mund, die Nasenflügel beben. Er hat keine Kontrolle über seinen Körper. Die drei Mädchen auf den Barhockern können genau wie ich ihren Blick nicht von ihm wenden und gibbeln verhalten zwischen ihren Schlücken vom Latte Macchiato. Ich rücke ich ein Stück zur Seite, um den Mädchen den Blick auf ihn zu versperren.

Als ich meine erste Zigarette längst aufgeraucht habe, legt Sebastian schließlich seinen Block beiseite und sieht mich strahlend an.
„So, jetzt bin ich da.“
„Das ist schön“, antworte ich, bringe aber offenbar nur ein bemühtes Grinsen zustande.
„Du weißt, dass ich beleidigt bin, wenn Du nicht sofort lächelst“, sagt er, seine feinfühligen Antennen nehmen stets jedes Detail wahr. Besonders all das, was ihn betrifft. Sebastian ist der Überzeugung, dass alles in dieser Welt ihn direkt betrifft. Alles bezieht sich auf ihn, der Krieg im Irak, die Gesundheitsreform, die neue Herbstkollektion, alles. So auch meine schlechte Laune heute Abend. Sebastian kann in jedem Menschen lesen wie in einem Buch, das hat nichts mit mir zu tun. Diese Lektion habe ich kürzlich erst wieder lernen müssen, als ich ihn eines Samstags zufällig auf dem Markt traf.
„Mein Vertrag wird verlängert“, stand ich lächelnd vor ihm und erwartete seine Glückwünsche.
„Dir macht Dein Job doch längst keinen Spaß mehr, Kleines. Klar, dass Du Dich nicht freust“, antwortete er, ohne eine Sekunde zu zögern. Seine Feststellung traf den Kern der Sache ohne Umwege. Ich war wie erschlagen, hatte mich ohne es zu merken tagelang angestrengt, Begeisterung zu heucheln vor den Kollegen und vor mir selbst. Sebastian kannte meine Gefühle, bevor sie mir bewusst geworden waren und zerrte sie gnadenlos hervor, ohne dass ich sie der gewohnten Zensur unterziehen konnte.

Das Café füllt sich mit den Besuchern vom Musiktheater, Madame Butterfly ist zu Ende. Die Bedienung tritt an unseren Tisch, bringt Sebastian ein neues Hefeweizen und leert den Aschenbecher. Sebastian ist hier Stammgast, die beiden scheinen sich zu kennen. Sie erzählt einen Witz, den ich flach gefunden hätte, selbst wenn er mir neu gewesen wäre. Überraschenderweise beginnt Sebastian, schallend zu lachen. Sein Herz legt er offen in seinen Grübchen, jede Falte strahlt, die Zähne, die Augen, die Welt ist schön. Er ist minutenlang nicht in der Lage zu sprechen. Sein Lachen durchschüttelt seinen ganzen Körper, sein Bauch bewegt sich auf und ab, in regelmäßigen Abständen verlassen schrille Hickser seinen Mund und nicht nur die Mädchen blicken wieder zu uns herüber. Einen Moment lang denke ich ernsthaft darüber nach, mit diesem Mann zu schlafen, diesen Körper in Ekstase zu erleben. Sebastian ist so präsent in dem, was er tut. Wenn Sebastian sich freut, dann freut er sich unbändig, wenn er traurig ist, dann geht die Welt unter, wenn er wütend ist, gibt es keinen Gegenpol. Ungewollt beginne auch ich, leise zu lachen.

Genauso plötzlich, wie seine Freude entstand, verebbt sie auch wieder. Sebastian ist so unberechenbar. Ich bin nicht in der Lage, mich so schnell auf ihn einzustellen. Niemand ist das. Ich beobachte argwöhnisch, wie er auf dem Boden kriecht, um ein kürzeres Tischbein durch einen Bierdeckel zu verlängern und das stete Wackeln des Tisches damit zu beenden. Wenn wir fünf Sinne haben, muss Sebastian eine vielfache Anzahl besitzen. Anders kann ich mir nicht erklären, wie ein Mensch so stimulierbar, so abhängig von äußeren Reizen sein kann. Während Sebastians Hand über der Tischkante auftaucht und nach einem zweiten Bierdeckel greift, kommt mir ein Nachmittag vor einigen Wochen in den Sinn.

Sebastian hatte mich im Büro angerufen, ich verstand ihn kaum unter seinen Schluchzern. Sebastian weinte wie so oft - nachdrücklich und in einer Intensität, wie ich sie sonst nur von Kindern kenne. Alles, was ich während des Telefonats von der Tragödie erfasste war, dass Natalie, seiner damaligen Freundin, sein neustes Werk nicht gefiel. Diese Beziehung, gar das ganze Leben sei damit sinnlos geworden, weinte er. So früh es ging verließ ich an diesem Tag die Firma, setzte mich auf mein Fahrrad und raste in die Nordstadt, zu Sebastian. Ich traf ihn in euphorischer Stimmung beim Malen an, Natalie huschte in ein weißes Betttuch gehüllt durch seine Wohnung. Das Laken verdeckte ihren Körper nur unzureichend, in der Hand hielt sie eine Flasche Prosecco, sie sah mich spöttisch an. Ich verzichtete darauf, den beiden Gesellschaft zu leisten und verschwand. Es waren höchstens zwei Stunden seit unserem Telefonat vergangen und schon wirkte Sebastian auf mich, als hätte sich sein Leben um 180 Grad gedreht. Das überraschte mich, sicherlich auch ihn. Diese Wechsel sind garantiert auch sehr anstrengend für ihn.

Natürlich ist auch Sebastian anstrengend. „Basti, der Energievampir“, nenne ich ihn oft liebevoll. Er nimmt sich stets das, was er braucht, hat mich schon tagelang für irgendwelche irren Kunstsessions oder die Farbauswahl für sein neustes Werk eingespannt. Ich habe nie Nein gesagt, wenn er während eines Übergriffes meine hundertprozentige Aufmerksamkeit schonungslos eingeklagt hat. Er hat mich auch nie gefragt. Hält man ihm seine Rücksichtslosigkeit vor Augen, schaut er betroffen und sagt: „Ich hoffe, Du kannst damit umgehen.“ Das kann ich oft nur unter Qualen. Entschuldigt hat er sich bei mir noch nie. Ich kenne niemanden, den Sebastian jemals um Verzeihung gebeten hat.

„Hast Du schon mein neues Bild gesehen", fragt Sebastian mich plötzlich mit vor Begeisterung glitzernden Augen und holt mich zurück in die Gegenwart. Jemand vom Personal hat das neue Album von Norah Jones eingelegt, das Café leert sich bereits. Ich sehe ihn fragend an.
„Im Laden in der Seilerstraße, wo früher das Bettengeschäft war.“ Sebastian malt, seit ich ihn kenne. Irgendwo muss er sie ja lassen, seine überschäumenden Empfindungen, die Vielzahl an Reizen verarbeiten. Wir Menschen haben nicht die nötige Kapazität für seine unzähligen Eindrücke.
„Ein neues Konzept der Wirtschaftsförderung“, fährt er fort, „die lassen uns in leerstehenden Geschäften in der Innenstadt ausstellen, jeweils für einige Wochen. Art Hopping, ist das nicht spannend?“ Es würde mich nicht wundern, wenn Sebastians Bilder tatsächlich hüpfen könnten.
„Sie haben gesagt, meine Exponate wären genau das Richtige für das Projekt, so ausdrucksstark, so bewegend.“ Auffordernd sieht er mich an. Er wird nie begreifen, dass er der Falschfahrer auf der Straße der Gleichförmigkeit ist. Manchmal habe ich Angst um Sebastian. Obwohl er nahezu zwanzig Jahre älter ist als ich, möchte ich der Helm über seiner rosa Brille sein, um ihn vor der Welt zu schützen.
„Ich schau es mir an, morgen, versprochen“, versichere ich ihm und streiche leicht mit meiner Hand über seine. Sebastian und unsere Gesellschaft sind einfach nicht kompatibel. Diese Realitätsunreife freut ihn sehr, wenn ihn jemand darauf hinweist.
Meine Antwort hat ihn zufrieden gestellt. „Gut, gucken wir es uns morgen an.“ Selbstverständlich will er mich begleiten. Er ist nur wirklich glücklich, wenn er die Begeisterung auch in anderen Augen sieht, seine Perfektion sich in uns widerspiegelt. Ich hoffe, dass ich ihm diese Verzückung werde liefern können.

Ich bin überrascht, wie spät es bereits ist, als Sebastian schließlich seine Zeichenutensilien zusammenklaubt, in die alte Ledertasche packt, sich seine Jacke überzieht und die Mütze auf den Kopf setzt. Ich bin erschöpft, in den letzten Stunden hat er in meine Seele geschaut, ohne dass er mich vorher um Erlaubnis gebeten hat. Dennoch geht es mir besser. Der Regen ist längst vorbei gezogen, auch meine Hose ist wieder trocken.
„Kommst Du mit?“, fragt er zärtlich grinsend. Er versucht es immer wieder. Sebastian hält mir meinen Parka hin und ergründet mit seinem Blick meine Gedanken. Rasch weiche ich seinen Augen aus, sehe in die leere Kaffeetasse, spiele mit dem Löffel und murmle betreten: „Ich kann nicht.“
Er fragt nicht warum. „Schade“, antwortet er, legt meine Jacke über das Sofa, ein paar Münzen auf den Tisch und verlässt das Café.

 

Hallo Juschi,
erstaunlich, wie viel lebendiger und frischer der Text durch die Gegenwartsform wird, klasse und sehr interessant auch für mich! Bei manchen, intensiven Texten falle ich automatisch ins Präsenz, finde ich dann immer spannend! Schön auch die Kleinigkeiten, die du noch eingebaut hast, wie die Ampel, die rot und grün wird, sie spricht Bände! Dass du zusätzlich erwähnst, wie anstrengend er ist, gefällt mir auch gut. Ob es erklärt, warum sie Nein sagt, kann ich jetzt allerdings nicht mehr beurteilen, weil ich den Text schon kenne. Im letzten Abschnitt davor, wird sehr positiv von Sebastian geredet:
"Ich bin erschöpft, in den letzten Stunden ist mein Innerstes nach Außen gekehrt worden, ohne dass er mich vorher um Erlaubnis gebeten hat. Dennoch geht es mir besser, ich bin angekommen bei mir." Hm, vielleicht würde die eine oder andere die Erschöpfung in Kauf nehmen, wenn es ihr besser geht. Die Gedanken deiner Heldin, nachdem er sie gefragt hat, würden mich schon interessieren.

Noch eine Kleinigkeit, in folgendem Satz fehlt ein doch oder so:
Er war während unseres Telefonats der Überzeugung, dass seine Gefühle Bestand hatten, waren sie auch im nächsten Atemzug schon wieder vorbei.
Gruß
tamara

 

Hallo tamara,

danke dir. Ich weiß nicht, warum ich mich so gegen die Gegenwartsform gesträubt habe, lag zum Teil an der Notwendigkeit, den Anfang umzustellen und an der Angst, einen Tag später könnten die Gedanken der Prot tiefer und reflektierter ausfallen. Schön, dass es trotzdem geklappt hat :)
Danke für den Hinweis auf´s Ende, mal sehen ob ich die Erschöpfung im Gegensatz zum "besser gehen" nicht noch stärker herausstellen kann.

Liebe Grüße
Juschi

 

Juschi schrieb:
Hast du vorhin nicht noch unter deine Geschichte geschrieben, dass du auch ein wenig "verrückt" bist? ;)

Deswegen ja auch das mehr oder weniger normale Leben :D

Also, die Geschichte hat durch die Überarbeitung wirklich gewonnen. Sie hatte mir ja schon vorher gefallen, aber wenn ich mich nicht irre, hast Du den Anfang nicht nur umgestellt, sondern auch ein wenig erweitert, und das hat mir noch besser gefallen.

Ich fände es übrigens auch nicht übel, wenn Du am Ende noch kurz andeuten würdest, dass es der Erzählerin, trotz der Erschöpfung, besser geht :)

Liebe Grüße,
gori

 

Hallo gori,

auch dir ein dankeschön, dass du dich nochmal meldest und dir die Geschichte jetzt noch besser gefällt :)
Ja, du hast Recht, der Anfang ist teilweise neu. Und das Ende schau ich mir wie gesagt nochmal an, es kommt mir jetzt nach der Umstellung auch ein klein wenig plötzlich.

Liebe Grüße
Juschi

 

Hi Juschi,

habe den Text erst nach der Überarbeitung gelesen, kann also keinen vorher-nachher-Vergleich anstellen. Meine Meinung möcht´ ich trotzdem mal anbringen:

Also es ist die Charakterisierung/Beschreibung eines Menschen, den die Protagonistin bewundert und immer wieder neu entdeckt. Einerseits anhand dem Erlebten an diesem Abend aber auch aus Erinnerungen.

Ich finde die Mischung aus Beobachtungen und Erinnerungen sehr gelungen. Es fließt alles zusammen zu einem Gesamtbild und manchmal habe ich sogar das Gefühl, das bestimmte Dinge gar nicht mehr gesagt werden müssen, weil sie schon aus den Beobachtungen herauskommen. Wenn ich dann auch noch die Feststellung der Prot lese, fühle ich mich ein bissl draufgestupst - ja ein wenig gedrängt. Oder ein wenig zu viel des Guten.

Hier ein paar Bsp.:

Er scheint meine Gemütslage in der Sekunde zu erfassen, in der seine Augen durch die beschlagene Fensterscheibe des Cafés meine in der gewohnten Festigkeit einfangen.
Eigentlich ist es schon eine Meisterleistung, durch die verregnete (beschlagene, weil Regen?) Caféscheibe die Augen einzufangen, aber dann noch "mit gewohnter Festigkeit"?

Der Glanz in seinem Blick verspricht...
Wohlgemerkt, sie steht immer noch draußen. Möglicherweise stellt sie sich das vor. Aber, wenn der Blick auf diese Distanz etwas verspricht, dann ist das schon sehr viel.

Ich kenne es nicht anders. Wenn Sebastian zeichnet, dann zeichnet er ausschließlich, mit jeder Pore seines Daseins. Ich bin erstaunt, dass er mich überhaupt draußen stehen sah.
Bezieht sich wohl darauf, daß er sich seiner Skizze widmet und sie nicht fragt. Dies nach dem Haare wuscheln zu schreiben reißt es ein bissl aus dem Zusammenhang. Da es unten allerdings öfter beobachtet wird, ist die Frage, ob man es erzählen mußt. Der zweite Satz erläutert das gleiche und genau in diesem Moment habe ich mich dann auch gefragt, wie er sie da draußen gesehen hat ->ich würd´s rausnehmen
dass die drei Teenies in ihren viel zu kurzen Miniröcken auf den Barhockern ihn ebenfalls fasziniert beobachten. Ihre Gesichter haben sie unter einer dicken Schicht Make-up unkenntlich gemacht.
Hier kommt relativ die eine Wertung durch die Protagonistin und damit eine gewisse Eifersucht zum Vorschein. Allerdings ähnlich dick, wie das Make-up. Gleich zwei Klischees direkt hintereinander? Da das Make-up einen gewollten Kontrast zur Beschreibung von seinem Gesicht darstellt, würde ich das drin lassen, dafür die "viel zu kurzen" Miniröcke entweder entschärfen "nur Miniröcke" oder eben "drei Teenies an der Bar".
„Du weißt, dass ich beleidigt bin, wenn Du nicht sofort lächelst“, sagt er, und dieser Satz zeugt von Selbstkenntnis.
Den Nachsatz raus. Denn eigentlich kommt es mir wie eine Phrase vor. Ich würde hier keine Selbstkenntnis (irgendwie mag ich das Wort auch nicht) lesen.

Alles ist persönlich, der Krieg im Irak,
gnh... das macht mich jetzt ein bissl neugierig, wie er den persönlich nehmen will oder ist das ein Gag?
Es waren höchstens zwei Stunden seit unserem Telefonat vergangen und schon hatte sich sein Leben um 180 Grad gedreht. Das kam überraschend, sicherlich auch für ihn
Das merkt der Leser ja, wenn er vorher geweint hat und nun euphorisch mal. Beim 2. Satz ist es ein kleiner Perspektive-Konflikt. Wenn die Prot es denkt, dann ist das nachvollziehbar und zeigt ihre eigene Unsicherheit, aber paßt hier nicht rein.
Wenn es eine Beschreibung ist, dann kann die Prot das eigentlich nicht wissen und ich würde sogar dazu tendieren, daß gerade solche schwankenden Menschen überhaupt nicht überrascht sind. Die springen von dem einen ins andere einfach so. Da es häufiger vorkommt ist das eher normal.

Das muss sehr anstrengend sein. Natürlich ist auch Sebastian anstrengend.
Meinst Du im ersten Satz, daß es für ihn anstrengend ist? Wahrscheinlich ja, denn sonst wär´s ja ne Dopplung.
Auch das ist eine Interpretation der Prot, die deutlicher werden mußt, da man nicht zwischen Beobachtung und Interpretation unterscheiden kann. Auch hier ist meine Meinung, daß es eher nicht anstrengend ist.
Von Trauer in Freude reinzuspringen eigentlich nicht. Und Menschen, die ihre Gefühle leben, statt drüber nachzudenken, die haben eigentlich diesbezüglich keine Probleme, im Gegensatz zur Umwelt und das willst Du mMn ja auch sagen.

Er ist fehlangepasst, die Phase der Sozialisation scheint er übersprungen zu haben.
Würde bloß den ersten Hauptsatz lassen. Sozialisation (Sozialisierung) paßt nicht, damit kann ich hier irgendwie nix anfangen.

Ein paar technische Sachen, die man meiner Meinung nach ändern könnte:

..., und bringe damit den Grund für meine Nässe in seine Haare
ich glaube der Nebensatz kann weg. Willst Du damit ausdrücken, daß Du ihm so nah bist, daß Du Deine Hände in seinen Haaren trocknen darfst, dann evtl. deutlicher rausbringen, daß er das nicht bemerkt oder es ihm egal ist.

Ich bekomme nur am Rande mit, dass der Regen nachlässt. Ich bin in Sebastians Kontemplation versunken.
Wenn Du versunken bist, dann ist der Regen nicht wichtig, vor allem nicht für die Geschichte. Der Regen kann wichtig werden, wenn Du einen Impuls hast zu gehen und draußen registrierst, daß es eigentlich ne günstige Gelegenheit.
Oder aber, wenn Du die Zeit beschreiben willst. Aber eigentlich isses nicht wichtig.

...Latte Macchiato. Ich kenne ihre Reaktion nur zu gut. Viele Leute halten Sebastian für verschroben.
Die Mädels "gibbeln" bloß. Was auch immer das ist, ich tippe auf eine Mischung aus tuscheln und kichern. Das die Erzählerin ihre Reaktion kennt, ist bezeichnend, aber der Satz mit "Verschroben" muß dann ein neuer Gedankenansatz (Absatz) sein. Denn aus dem kichern kommt man eigentlich nicht auf verschroben und wenn doch müßte hier der Gedankengang deutlicher werden.

Als ich meine erste Zigarette längst aufgeraucht habe,
Mit "als" wird mMn ein Zeitpunkt beschrieben. Durch das "längst" wird ein Zeitraum draus. Irgendwie würde ich mich mit
"Nachdem ich meine Zigarette längst aufgeraucht habe..." wohler fühlen.

Sebastian dachte mal wieder nicht nach, bevor er sprach. Seine Feststellung traf den Kern der Sache ohne Umwege.
Der erste Satz kommt eher abwertend, genervt rüber. Durch das "mal wieder". Die folgenden Sätze zeugen von Bewunderung. Willst Du hier das Hin- und Hergerissen-Sein der Prot beschreiben? Wenn ja, dann lieber an anderer Stelle deutlicher. Hier würde ich einfach nur bewundernd schreiben, da es ja eine Rückblende ist.
Also entweder evtl.:
"Sebastian dachte einfach nicht nach."
oder den Satz ganz raus lassen, denn die Unterstellung, daß er nicht nachdenkt, hat immer einen negativen Touch (jedenfalls in meinen Augen).
Denn evtl.
"Er sagte immer sofort, was er dachte/fühlte."
Überraschenderweise beginnt Sebastian, schallend zu lachen. Ich kenne keinen Menschen, der so viel lacht wie Sebastian.
Entweder ist es überraschend oder sie kennt ihn und weiß, daß er viel lacht. Wenn Du eher die Plötzlichkeit betonen möchtest (die auch ein gewisses Überraschungsmomentum enthält)

Ich beobachte ihn argwöhnisch
Das "ihn" raus. Wenn er unter Eurem Tisch was macht, dann müßte die Tischplatte dazwischen sein. Also kannst Du eher die Situation beobachten, als ihn.

Folgenden Abschnitt habe ich oben schon ein bissl zerpflückt:

und schon hatte sich sein Leben um 180 Grad gedreht. Das kam überraschend, sicherlich auch für ihn. Er war während unseres Telefonats der Überzeugung, dass seine Gefühle Bestand hatten, waren sie auch im nächsten Atemzug schon wieder vorbei. Für diesen Augenblick waren sie gültig und unendlich. Das muss sehr anstrengend sein. Natürlich ist auch Sebastian anstrengend. Er schenkt Lebenswillen, raubt aber den Menschen in seiner Nähe oft sehr viel Kraft. „Basti, der Energievampir“, nenne ich ihn manchmal liebevoll. Er nimmt sich stets das was er braucht, hat mich schon tagelang für irgendwelche irren Kunstsessions oder die Farbauswahl für sein neustes Werk eingespannt. Ich habe nie Nein gesagt, wenn er während eines Übergriffes meine hundertprozentige Aufmerksamkeit schonungslos eingeklagt hat. Er hat mich auch nie gefragt. Hält man ihm seine Rücksichtslosigkeit vor Augen, schaut er betroffen und sagt: „Ich hoffe, Du kannst damit umgehen.“ Das kann ich oft nur unter Qualen. Entschuldigt hat er sich bei mir noch nie. Ich kenne niemanden, den Sebastian jemals um Verzeihung gebeten hat.

Hier springst Du aus der Erinnerung in eine allgemeine Betrachtung von ihm. Darum muß mindestens ein Absatz rein. Andererseits ist das aus meiner Sicht der Kern-Abschnitt, wo sehr viele Gefühle und Deutungen der Prot deutlich werden. Das mußt Du sehr stark trennen von den Beobachtungen. Also Wörter wie "möglicherweise", "wahrscheinlich", "bestimmt" usw.
Außerdem würde ich mir hier mehr Selbstanalyse der Prot wünschen (siehe Endfazit). Also wie genau fühlt sie sich, wie geht sie damit um. Nicht nur beobachtend sondern auch fühlend. Das bringt uns endlich mal auch die Prot etwas näher.

das Café wird bereits leerer.
Das Café leert sich ;)

der gerunzelten Stirn lese ich seine Irritation darüber, dass ich so anders bin.
Auch hier wieder Vermischung von Interpretation.
evtl.
"In seinen großen, forschenden Augen, der gerunzelten Stirn erkenne/lese ich Irritation.

antwortet er dann beseelt. Er wird nie begreifen, dass er der Falschfahrer auf der Straße der Gleichförmigkeit ist.
Neuer Absatz nach der wörtlichen Rede, denn es ist ihre Meinung (übrigens ein sehr schönes Bild)
Er ist nur wirklich glücklich, wenn er die Begeisterung auch in anderen Augen sieht, seine Perfektion sich in uns widerspiegelt. Ich hoffe, dass ich ihm diese Verzückung werde liefern können.
Hier bin ich etwas unsicher. Ist sie nun begeistert oder nicht? Aus meinem Gefühl heraus, hat sie andere Gedanken, macht sich Sorgen um ihn und versucht ihn eher zu beruhigen, statt mit Begeisterung in zur Gallerie zu gehen, deren Sinn sie selbst nicht sieht.
Wie kann er, der in ihr lesen kann, wie in einem Buch, die Begeisterung in ihren Augen sehen? Also entweder ist er schon ganz woanders und er merkt es nicht, daß sie hier beschwichtig oder merkt vielleicht was und läßt es sich nicht anmerken (was sie eigentlich nicht merken kann, was ihr aber ihr schlechtes Gewissen flüstern könnte - ich merke schon das ist ein bissl kompliziert)

...und ergründet mit seinem Blick meine Gedanken. Er versucht es immer wieder.
Was versucht er immer wieder? Sie zum Mitkommen zu sich zu bewegen (was sie evtl. auch mit Stolz erfüllt) oder die Gedanken zu ergründen (was er sowieso immer macht und was sie schon öfter beschrieben hat). Wenn ersteres, dann brauche ich eine Haltung. Entweder hier oder schon vorher (siehe Endfazit)

Gut, fassen wir zusammen:
Die Spannung der Geschichte entsteht, daß die Prot versucht, die ihr fremde Welt von Sebastian mit ihren Möglichkeiten zu ergründen. Was sie Kraft und Willen kostet. Einerseits ist sie fasziniert von ihm und fühlt sich zu ihm hingezogen. Andererseits merkt sie, daß sie irgendwie nicht rankommt bzw. unabsichtlich zurückgestoßen wird. Und dieser Konflikt ist neben der Beschreibung der Figur die Haupttriebfeder.

Und diese kann man aus meiner Sicht noch ein bissl spannen. Nämlich, indem man die Erzählerin der Geschichte deutlicher zeichnet. So genau, wie sie Sebastian beobachtet und sich Gedanken macht. Mindestens halb so intensiv wünsche ich mir auch eine Auseinandersetzung mit ihrer Gefühlswelt, ihren Empfindungen. So kann sich der Leser mehr mit ihr identifizieren, sich in sie hineinversetzen. Derzeit habe ich das Gefühl, daß die Erzählerin sowohl einen Schutzschild zwischen sich und Sebastian aber auch zwischen Sich und den Leser hält und somit kommt man nicht ran. Du schreibst zwar:

in den letzten Stunden ist mein Innerstes nach Außen gekehrt worden
Aber das stimmt nicht. Du hast Dich erinnert, aber was in Dir abgelaufen ist, sieht man nur unscharf, versteckt hinter Beobachtungen und Interpretationen. Das kann man auch machen, die Gefühle nur hinter Handlung zu verstecken, aber dann müssen die Beobachtungen anders sein und glaube nicht, daß Du das beabsichtigst.

:idee:
Mein Rat wäre:
Die Protagonistin braucht ein Ziel. Und dieses Ziel muß sie verfolgen. Sie muß etwas wollen. So kann auch eine Entwicklung dargestellt werden. Als ein roter Faden. Und auf dem Weg zu diesem Ziel kann bei ihr die Erkenntnis wachsen, das sie es nicht schafft. Das sie da nicht hinkommt oder sie kann hinkommen und merken, daß es nichts bringt, ans Ziel zu kommen, weil es nichts ändert.
Weißt Du derzeit ist es so:
Sie kommt rein, sitzt ihm gegenüber (wie immer), beobachtet und bewundert ihn (wie immer), hadert mit ihm (wie immer), sie geht (wie immer)

Und man fragt sich:
Warum hat sie es erzählt? Ja, um ihren Bekannten näher zu bringen. Aber warum gerade dieser Abend? Warum heißt es "Mein Abend mit Sebastian" und nicht "Ein Abend wie immer" oder "Abends mit Sebastian". Was ist so speziell? Warum nicht die Geschichte, als sie durch die Stadt radelt, zu ihm, um ihn zu trösten, weil seine Freundin das Bild nicht mag. Wo sie sich an ihn erinnert und sich vielleicht (einen kurzen Augenblick) Hoffnung macht, daß es was wird mit ihnen beiden?
Oder warum nicht das gemeinsame Anschauen der Gallerie am nächsten Tag, wo sie nicht glaubt, daß es was bringt. Und wo er voller Euphorie seine Bilder vorführt?
Schon diese Ereignisse sind für mich interessanter, weil sie ein Haltung der Prot zeigen, die diese vielleicht irgendwie loswerden will. Also ihm sagen, daß sie ihn mag oder ihm sagen, daß er ernsthaft versuchen sollte, sein Leben in den Griff zu bekommen.

Also versteh mich nicht falsch, ich will nicht, daß Du die Story umschmeißt und es woanders hinverlagerst, aber es muß hier in diesem Lokal an diesem Abend nach der Arbeit irgendwie auch ein kleiner Druck drin sein. Wie wär´s, daß sie wegzieht oder ihm sagen will, daß sie möglicherweise aufhört mit der Arbeit oder sagen will, daß seine Freundin ihn betrügt oder das sie wieder sitzengelassen wurde?
Also kein beliebiger Abend mit Sebastian, sondern der Abend, als sie ihm etwas wichtiges sagen will und wo sie merkt, daß sie es nicht kann, weil sie nicht rankommt, weil sie ihn nur bewundernd anschauen kann und wo sie am Ende des Abends merkt das die ganz unterschwellige Hoffnung, die sie irgendwo hat (das kommt für mich jedenfalls raus) umsonst ist. Somit wird der Abend zum Wendepunkt, denn wenn sie die Erkenntnis hat, dann wird der nächste Abend anders sein. Dann wird sie vielleicht die Hoffnung begraben oder erkennen, daß diese umsonst ist. Und dieses Gefühl wäre nicht schlecht am Ende der Geschichte, weil der Leser merkt:" Ah heute gab´s einen Wendepunkt in der Beziehung der beiden und ich war dabei."

Gut, ich hoffe, Du kannst aus den ganzen Anmerkungen und Empfehlungen etwas herausziehen, was auch in Deinem Sinne ist. Außerdem hoffe ich sehr, daß es nicht zu kritisch ist, denn die Basis ist ideal.
Aber wenn etwas gut ist, warum sollte man nicht versuchen, es noch besser zu machen? ;)

Viele Grüße

mac

 

Hallo macscoja,

vielen Dank für deinen netten und ausführlichen Kommentar. Ich finde es toll, wie viel Mühe ihr euch alle mit dieser Geschichte macht, da macht es richtig Freude, sie immer wieder zu verbessern :)
Freut mich, dass sie für dich ein Gesamtbild ist, denn das war eine meiner Sorgen, dass die unterschiedlichen Ebenen sich nicht zu Einem zusammenfügen.
Interessant, dass du sagst, dass dir einige Äußerungen schon zu viel waren weil sie auch durch die Geschichte selbst deutlich wurden - am Ende habe ich ja dazu tendiert sie nicht ausdrücklich sagen zu lassen, warum sie sich so entscheidet und das wurde eher kritisiert.
Die einzelnen Stellen die du anführst werde ich mir in den nächsten Tagen nochmal ansehen, da hast du größtenteils Recht. Z.B. mit den AUgen und Blicken zu Beginn der Geschichte. Auch deinen Hinweis der Trennung zwischen Beobachtung und Interpretation werde ich mir sehr zu Herzen nehmen.
Zwei Sachen jetzt auf die Schnelle:
die Erzählerin bleibt mit Absicht blass und unscharf, sie steht im Kontrast zu Sebastian. Sie spricht mit Absicht kaum über ihre eigenen Gefühle zu ihm, diese werden wie du selbst ja gesagt hast nur indirekt deutlich. Vielleicht hält sie sich auch selbst für farblos und ist genau deshalb so fasziniert von Sebastian?
Bezüglich deiner Anmerkung, dass diese Geschichte keinen besondere Situation in ihrer Beziehung zu Sebastian darstellt sondern eher Alltag, gebe ich dir Recht. Auch wenn es unfair ist, euch dieses Gefühl des Speziellen, den Wendepunkt zu nehmen - genau das sollte es sein, die alltägliche Beziehung zu Sebastian. Was ich aus deiner Anmerkung mitnehme: ja, vielleicht sollte die Geschichte wirklich eher "Ein Abend mit Sebastian" heißen und nicht "mein", damit hast du wohl REcht.

Nochmal vielen DAnk für deine Arbeit, um die Einzelanregungen kümmer ich mich bald.

Bis dahin liebe Grüße
Juschi

 

Hallo Juschi,

Auch wenn es unfair ist, euch dieses Gefühl des Speziellen, den Wendepunkt zu nehmen - genau das sollte es sein, die alltägliche Beziehung zu Sebastian.
Ich finde es völlig in Ordnung, dass du eine alltägliche Situation schilderst, wir sind ja schließlich im Alltagsthread! ;) Aber wenn ich eine Geschichte lese, dann wünsche ich mir irgendetwas prickelndes. Das ist ja vorhanden, in der zwiespältigen Persönlichkeit von Sebastian und in den ambivalenten Gefühlen deiner Prot ihm gegenüber. Also warte ich als Leser automatisch, dass noch irgendetwas kommt. Macsoja hat das schön formuliert:
Mindestens halb so intensiv wünsche ich mir auch eine Auseinandersetzung mit ihrer Gefühlswelt, ihren Empfindungen. So kann sich der Leser mehr mit ihr identifizieren, sich in sie hineinversetzen. Derzeit habe ich das Gefühl, daß die Erzählerin sowohl einen Schutzschild zwischen sich und Sebastian aber auch zwischen Sich und den Leser hält und somit kommt man nicht ran.
Es muss nicht der große Knall sein, es reicht, wenn ihr endlich klar wird, warum sie ihm nicht näher kommen will. Ich weiß nicht, ob Macsoja bewusst oder unbewusst auf die Forderung der Literatur hinweist, dass eine Geschichte einen Konflikt enthalten sollte, um spannend zu sein. Siehe z. B. die interessante Webseite von leixoletti (auch ein KG'ler): http://www.leixoletti.de/theorie/spannung.htm#kap5. Ich wehre mich auch dagegen, nach Schmema F vorzugehen, aber es ist noch mehr als genug Spielraum vorhanden. Und es
zeigt sich, dass man Leser zumindest verwirrt, wenn diese Grundregeln ignoriert. Und das ist schade um eine schöne Idee. Also ich schreibe das alles, weil das Thema mich auch gerade interessiert. Vielleicht kannst du auch etwas damit anfangen.
lieben Gruß
tamara

 

Hallo tamara,

ach, ich freu mich wirklich, dass ihr alle so tief in die Geschichte einsteigt, vielen Dank auch dir nochmal :)
Ein paar deiner Anmerkungen haben mich überzeugt, andere eher nicht, mehr dazu in ein paar Tagen, wenn ich etwas mehr Muße habe.

Bis dahin liebe Grüße,
Juschi

 

Hallo Juschi,

ich auch diesmal ganz kurz. Nur um sicherzugehen, daß Du mich nicht mißverstehst:

die Erzählerin bleibt mit Absicht blass und unscharf, sie steht im Kontrast zu Sebastian. Sie spricht mit Absicht kaum über ihre eigenen Gefühle zu ihm, diese werden wie du selbst ja gesagt hast nur indirekt deutlich. Vielleicht hält sie sich auch selbst für farblos und ist genau deshalb so fasziniert von Sebastian?

Es ist meiner Meinung nach ein Unterschied, ob Du die Person grau zeichnest oder gar nicht zeichnest. Wenn sie grau ist, dann sehe ich, daß sie grau ist, wenn sie nur ein Fleck im Bild ist, dann kann sie alles sein.
Und genau dieser Kontrast zwischen den beiden ist ja der gesuchte Konflikt, der ja auch da ist.

Meine Bemühungen gingen nun da hin, dies zu verstärken.
Dazu muß sie nicht über ihre Gefühle reden mit ihm. Nein, es reicht, wenn sie sich Gedanken macht, über sich oder wo man klar sieht, daß sie nicht nur beobachtet, sondern auch interpretiert. Das ist bei der Erzählperspektive eben ein bissl kompliziert. Darum der Tip mit dem Ziel.
Denn daran, wie jemand etwas verfolgt, wie er etwas versucht, kann man sehr viel erfahren.

Ich glaube, es ist alles da, man muß es nur etwas klarer hervortreten lassen.

Viele Grüße

mac

 

Hallo Juschi,

auch mir hat deine Geschichte gut gefallen, Kritik kann ich nicht anbringen - da waren andere wesentlich schneller :)

Sebastian hat mich an einen guten Freund von mir erinnert, ich konnte mich in deine Protagonistin sehr gut einfühlen, habe sozusagen einen persönlichen ZUgang gefunden - und ich kann daher auch nachvollziehen, wie schwer es ist, mit solchen Menschen befreundet zu sein.

Fazit: lässt sich gut lesen, anschaulich geschrieben, und gegen das Ende hab ich auch nichts einzuwenden.

Anea

 

Hallo Miteinander,

so, nachdem ich Sebastian ein paar Tage Ruhe gekönnte hatte, habe ich mir nun eure lieben Anmerkungen vorgeknöpft und die Geschichte nochmal überarbeitet.

@ anea: danke für dein Lob. Schön, dass dir die Geschichte gefallen hat und du dich in die Prot reinversetzten konntest.

@ macsoja: nochmal danke für deine zahlreichen Anregungen, die mir sehr weiter geholfen haben. Viele deiner Detailvorschläge hab ich umgesetzt, das siehst du dann in der Geschichte. Zu einigen deiner Ideen doch nochmal im Einzelnen:

Auch das ist eine Interpretation der Prot, die deutlicher werden mußt, da man nicht zwischen Beobachtung und Interpretation unterscheiden kann. Auch hier ist meine Meinung, daß es eher nicht anstrengend ist.
Ich weiß nicht, warum du mich erst darauf stoßen musstest, aber ich hatte Beobachtung und Deutung an vielen Stellen wirklich vermischt und habe mich in Bezug auf die ganze Geschichte bemüht, das jetzt deutlicher zu trennen. Bezüglich deiner Frage, ob die Gefühlsschwankungen für Sebastian anstrengend sind - das weiß ich nicht, sie vermutet es allerdings, von ihrer doch eher begrenzten emotionalen Welt aus gesehen. Wie gesagt: Unterstellung und Tatsache ist jetzt hoffentlich deutlicher getrennt.
Wenn Du versunken bist, dann ist der Regen nicht wichtig, vor allem nicht für die Geschichte.
Der Regen ist deshalb wichtig, weil ich immer wieder Hinweise auf die fortschreitende Zeit einbauen wollte, damit das Ende des Abends nicht ganz so plötzlich kommt. Wenn sie also in strömendem Regen angekommen ist und es jetzt nicht mehr so stark regnet, muss etwas Zeit vergangen sein.
Die Mädels "gibbeln" bloß. Was auch immer das ist, ich tippe auf eine Mischung aus tuscheln und kichern. Das die Erzählerin ihre Reaktion kennt, ist bezeichnend, aber der Satz mit "Verschroben" muß dann ein neuer Gedankenansatz (Absatz) sein.
Dein Tipp war richtig, wobei es auch mich gerade irritiert, dass der Duden "gibbeln" im Gegensatz zu Word nicht kennt. Und zwischen dem gibbeln und dem verschroben sein besteht ein direkter Zusammenhang, die Verschrobenheit löst das Gibbeln aus.
Der erste Satz kommt eher abwertend, genervt rüber.
Das ist Absicht, der Absatz soll ihre Ambivalenz ihm gegenüber verdeutlichen - sie schwankt zwischen Bewunderung und Anstrengung.
Ist sie nun begeistert oder nicht? Aus meinem Gefühl heraus, hat sie andere Gedanken, macht sich Sorgen um ihn und versucht ihn eher zu beruhigen, statt mit Begeisterung in zur Gallerie zu gehen, deren Sinn sie selbst nicht sieht.
Oh, hier liegt ein Missverständnis vor. Er will sie in den Laden begleiten, um am nächsten Tag ihre Begeisterung beim sehen des Bildes zu beobachten. Sie ist keinesfalls begeistert, mit ihm dorthin zu gehen, weil sie Angst hat, dass das Gemälde nicht die gewünschte Reaktion bei ihr auslöst.
Kommen wir zu deiner zentralen inhaltlichen Anmerkung. So ganz schlüssig bin ich mir noch nicht, aber momentan stellt sich die Sache für mich wie folgt dar:
Mindestens halb so intensiv wünsche ich mir auch eine Auseinandersetzung mit ihrer Gefühlswelt, ihren Empfindungen. Derzeit habe ich das Gefühl, daß die Erzählerin sowohl einen Schutzschild zwischen sich und Sebastian aber auch zwischen Sich und den Leser hält und somit kommt man nicht ran.
Das Schutzschild hat die Erzählerin selbst zwischen sich und ihren Gefühlen aufgebaut. Eine Selbstanalyse, eine Haltung, wie du sie an anderer Stelle gefordert hast - dazu ist sie in diesem Moment gar nicht fähig. Ihre Empfindungen gegenüber Sebastian, die sind ihr in ihrer Zwiespältigkeit gar nicht so bewusst. Der Leser erkennt sie an ihren Gedanken, die mal abwertend und mal bewundernd sind. Damit weiß der Leser aber fast mehr als sie, die gar keine Position beziehen kann sondern nur auf Sebastian reagiert. Deshalb bin ich auch davon abgekommen, ihre Entscheidung gegen Ende zu begründen. Sie fühlt glaube ich wirklich nur das "Ich kann nicht", ohne es untermauern zu können. Ich würde mir wünschen, dass der Leser ihre Gründe trotzdem spürt, falls nicht, hab ich was falsch gemacht. Ich habe lange über deine Anregung nachgedacht, dass die Erzählerin ein Ziel braucht. Ich hoffe, du verstehst was ich meine - in meinen Versuchen, ihr ein Ziel zu geben, dem ganzen eine Entwicklung zu geben, hatte ich immer das Gefühl, ihre Persönlichkeit zu verändern. Denn so, wie sie sich im Moment verhält, hat sie kein Ziel. Sie ist sich ihrer Situation, des Problems, viel zu wenig bewusst, um ein Ziel zu haben. Jetzt könntest du natürlich sagen, dass ich als Autorin doch meine Erzählerin stärker steuern könnte/sollte. Ich habe bei dieser Geschichte allerdings das merkwürdige Gefühl, dass sich diese Person (die noch nichtmal einen Namen hat und die mir sehr fremd ist) selbstständig gemacht hat und ihre Eigenschaften vehement gegen mich und mein Einwirken verteidigt. Bezüglich des Wendepunktes habe ich gehofft, dass dieser im letzten Absatz kommt - durch Sebastians unvorgesehene Frage und ihre Antwort, die auf eine gewisse Art und Weise zur Klärung der Situation beiträgt.

@ tamara: Vielleicht sollte ich dir einfach den Rat geben, meinen Kommentar an macsoja zu lesen, denn eure Anregungen gingen ja zumindest in einem Punkt in die selbe Richtung ;) Dein Gefühl von "es muss noch etwas kommen", eine Auflösung der Situation, ein Wendepunkt - all das sollte der letzte Absatz sein. Ihr selbst ist nicht klar, was die Beziehung zu Sebastian kennzeichnet, was das Problem ist. Aber auch wenn´s ihr nicht klar wird - der Konflikt der Geschichte ist für mich die Definition dieser Beziehung, der durch das "Ich kann nicht" aufgelöst wird. Er ist ihr überlegen, sie hat nicht genügend Kraft für ihn, kann nicht mithalten, fühlt sich permanent überfordert. All das sagt sie nicht, aber ich wollte es den Leser spüren lassen - ich weiß nicht, ob es gelungen ist. Sowohl Konflikt als auch Auflösung spielen sich somit jenseits des Bewusstseins der Erzählerin ab, aber sie sind - hoffentlich - dennoch vorhanden. Dass diese Geschichte nicht die spannendste ist und der Wendepunkt ein sehr unauffälliger ist, ist mir klar. Normalerweise versuche ich das deutlicher aufzubauen, wird in der nächsten Geschichte auch wieder der Fall sein.

Ja, das war jetzt sehr ausführlich und etwas unsicher bin ich weiterhin, ob die Geschichte so wirkt wie von mir gewollt oder der Leser aufgrund der Farblosigkeit der Erzählerin und den nur indirekten Gefühlen nicht überfordert ist. Ich würde mal vermuten, dass die Arbeit an dieser Geschichte noch nicht abgeschlossen ist ;) Euch allen nochmal tausend Dank für eure Mühe, die mir sehr weitergeholfen hat.

Liebe Grüße
Juschi

 

Hallo Juschi,
endlich mache ich mich mal daran, dir wieder zu antworten, die Statements sind so lang und ehrlich gesagt, weiß ich nicht mehr, was du in der Geschichte jetzt verändert hast. :confused: Das wichtigste hast aber wohl hier gesagt:

Das Schutzschild hat die Erzählerin selbst zwischen sich und ihren Gefühlen aufgebaut. Eine Selbstanalyse, eine Haltung, wie du sie an anderer Stelle gefordert hast - dazu ist sie in diesem Moment gar nicht fähig. Ihre Empfindungen gegenüber Sebastian, die sind ihr in ihrer Zwiespältigkeit gar nicht so bewusst. Der Leser erkennt sie an ihren Gedanken, die mal abwertend und mal bewundernd sind. Damit weiß der Leser aber fast mehr als sie, die gar keine Position beziehen kann sondern nur auf Sebastian reagiert. Deshalb bin ich auch davon abgekommen, ihre Entscheidung gegen Ende zu begründen. Sie fühlt glaube ich wirklich nur das "Ich kann nicht", ohne es untermauern zu können. Ich würde mir wünschen, dass der Leser ihre Gründe trotzdem spürt, falls nicht, hab ich was falsch gemacht. I
Klar, es kann nicht jede Geschichte super spannend sein und es ist auch legitim, dass deine Prot selber nicht weiß, was los ist, entscheidend ist für mich allerdings dein letzter Satz. Nach so vielen Änderungen kann ich aber leider wirklich nicht mehr sagen, ob mir am Schluss klar ist, warum sie Nein sagt, wahrscheinlich nicht. Tut mir leid, würde dir gerne helfen! Und übrigens habe ich mich hier zum Teil aus ganz egoistischen Gründen engagiert, denn ähnliche Probleme habe ich manchmal auch!
liebe Grüße
tamara

 

Hallo tamara,

lieb von dir, dass du dich noch mal meldest. Und genau was du schreibst, hab ich selbst schon gedacht - ihr alle, die ihr die Veränderungen mitverfolgt habt, habt sie wohl schon zu oft gelesen, um unbefangen sagen zu können ob es deutlich wird oder nicht :) Geändert hatte ich eher sprachlich noch etwas, aber auch in der indirekten Verdeutlichung ihrer GEfühle.

Und übrigens habe ich mich hier zum Teil aus ganz egoistischen Gründen engagiert, denn ähnliche Probleme habe ich manchmal auch!
Das ist doch legitim, dsas wir alle voneinander lernen :D Ihr habt mir mit euren Anregungen auf jeden Fall weitergeholfen und die Geschichte besser gemacht, danke dafür.

Liebe Grüße
Juschi

 

Hallo Joschi,

ich kann mich den Vorrednern nur anschließen: ein sehr gut ausgearbeiteter Charakter und darüber hinaus absolut liebenswert. Nur aus Interesse: Spielt die Geschichte in Heidelberg? Da gab es doch immer so einen Straßenkünstler, der mit Portraits sein Geld verdiente. An den fühlte ich mich ein wenig erinnert.

Mir sind noch eine Hand voll Kleinigkeiten aufgefallen, die ich Dir sagen wollte. Das meiste sind Vorschläge, einen kleinen Fehler hab ich noch entdeckt:

. Ich starre bewegungslos ins Café, die Ampel springt auf Grün, wieder auf Rot,

Hier fehlt mir etwas der Grund. Wieso bewegungslos? Vielleicht eher "gedankenverloren"?

Sein Blick verspricht, alle Frustration in Lebendigkeit ertränken

"zu" ertränken

„Warte einen Moment, ich bin gleich fertig, ja?“, fährt er zusammenhanglos fort
Anstelle von "zusammenhanglos" vielleicht "unvermittelt"?!

Sebastian erkundigt sich nicht, wie es mir geht, das hat er noch nie getan. Sebastian spürt, wie ich mich fühle, warum sollte er mich danach fragen?

Im 2. Satz "Sebastian" durch "er" ersetzen. Du nennst den Namen sehr oft. An dieser Stelle wäre er m.E. verzichtbar.

Seine Kreativität ist der Müllplatz, den wir Menschen ihm gar nicht bieten können.

Hm, vielleicht recht subjektiv. Ich würde hier lieber "die Müllhalde, die" lesen.

Wie gesagt, das sind alles nur Kleinigkeiten.

Ansonsten, sehr cool!

Viele Grüße
Lenz

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Lenz,

danke für dein Lob. Nein, die Geschichte spielt nirgendwo speziell, ich habe dabei nicht an Heidelberg gedacht. Ich hatte ehrlich gesagt auch keinen mir bekannten Künsler vor AUgen. Aber schön, dass du dich an einen erinnert fühlst.
Danke auch für deine Anregungen.

Wieso bewegungslos?
Hm. Bewegungslos deshalb, weil er nicht über die grüne Ampel geht.
"zu" ertränken
das "zu" kommt später vor "wollen"
Anstelle von "zusammenhanglos" vielleicht "unvermittelt"?!
zusammenhanglos deshalb, weil die Feststellung "Du bist nass" nichts mit dem Folgesatz zu tun hat.
Du nennst den Namen sehr oft. An dieser Stelle wäre er m.E. verzichtbar.
okay, überleg ich mir nochmal. Die häufige Nennung des Namens ist natürlich Absicht.

Mir fällt gerade auf, dass ich deine Vorschläge jetzt alle zerredet habe. :shy:
Sorry, das war nicht meine Absicht, vielleicht bin ich nach all den Überarbeitungen in den Formulierungen mittlerweile auch schon zu festgelegt.

Liebe Grüße
Juschi

 

Hallo Maggie3,

einfach nur ein kurzes Dankeschön für´s Lesen und Loben der Geschichte. Schön, dass sie dir gefallen hat.
Ja, mich faszinieren solche Menschen auch, sind sie auch oft sehr schwierig.

Liebe Grüße
Juschi

 

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