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Mein letzter Augenblick

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16.07.2015
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Mein letzter Augenblick

Eine energische männliche Stimme erklingt: „ Faribaa Fathi komm´ raus!“. Die Zellentür öffnet sich und eine kleine, zierliche Frau erscheint, ihr Gesicht ist eingefallen und blass, ihre rehbraunen Augen sind feucht und weitgeöffnet vor Angst und Übermündung. „Schneller Weib“, schreit der Mann, der eine Uniform trägt, die einzelne Speckröllchen zum Vorschein bringt. „Setz´dich, zack, zack“, fügt er hinzu, als sie den Raum betreten. Faribaa schaut sich um, was für ein Anblick! Der Fußboden ist mit wundervollen Mosaiksteinen verziert, schön akkurat und sauber geschliffen, in blau und grün Tönen. Dann wendet sie sich dem Mann zu, der der Gefängnisleiter zu sein scheint. Seine Haut ist leicht gebräunt und seine Haare lockig, an seiner linken Brust ist ein Kärtchen vernäht. Faribaa vermutet den Namen „Khaled Ibrahim“ zu lesen, sicher ist sie sich nicht, denn lesen und schreiben hat sie nie gelernt, da immer das Geld fehlte und laut ihren Eltern Bildung für eine Frau unnütz sei, da sie früher oder später in eine andere Familie einheiraten wird. Ibrahim schaut die kleine Frau an, sie trägt ein weißes Kopftuch und ein blaues Gewand. Etwa 35 Jahre ist sie alt, denkt er. Die Beiden schauen sich einen Moment an und wissen ganz genau was passieren wird. Auf einmal wird Faribaa aus der Stille gerissen „jetzt sag´ schon Weib, warum hast du die Ehre deines Ehemannes verletzt?“. „Ich habe nichts getan!“. „Halts´ Maul, du weißt, dass die Todesstrafe auf dich wartet, also ich will dein Geständnis hören!“

Faribaa atmet tief durch, sie schmeckt auf der Zunge einen modrigen Geschmack, der ihre Zunge zu Stein werden lässt. Ich… ich, Faribaa Fathi bin 26 Jahre alt und vierfache Mutter. Ich stamme aus Teherans ärmsten Viertel. „Moment“, brüllt Ibrahim. „Ich will nicht deine Personalien wissen, sondern warum du die Ehre deines Mannes Navid Fathi verletzt hast!“ In diesem Moment kommen so viele Erinnerungen in Faribaa hoch, sodass sich ihre Stimme verstummt und ihr Magen zu knurren beginnt, sie merkt wie sich ihre Gedärme zusammenziehen und horcht tief in sich hinein:

Ich sitze da, es ist fast Abend, ich schaue mich um, von unserer Dachterrasse hat man einen tollen Ausblick auf unsere Stadt. Im Nachbarhaus sind einige Fenster eingeschlagen oder fehlen, ich weiß es nicht. Ich höre Schießereien von der Nebenstraße und grausame Schreie, die Abendluft stinkt widerlich nach Rauch und mein Herz schlägt wie verrückt, wie jeden Abend, wenn ich Schüsse höre. „Faribaa“ höre ich von unten rufen. Ich beeile mich, mein Vater hat mich gerufen. Meine Mutter Fereshteh sitzt auf unserer improvisierten Coach aus Pappkartons und drückt ihren Schleier ins Gesicht, damit ich ihre Tränen nicht sehe. Meine drei jüngeren Geschwister Nareth, Herera und Bibi stehen schweigend neben meiner Mutter und halten sie wiegend im Arm. Plötzlich taucht mein Vater Mehmet aus dem Nebenzimmer auf. An seinen Augen erkenne ich Unsicherheit aber auch Glück. „Faribaa, morgen wirst du uns verlassen, du wirst heiraten, endlich ein Maul weniger zu stopfen!“. Er lacht leise, ich weine, meine Mutter kippt zur Seite. Am liebsten würde ich fortlaufen und sterben und warten bis die Straßenhunde meine Überreste verspeisen, alles ist besser … für eine 12-jährige als eine ungewollte Heirat.

Ein Auto fährt vor und die Sonne prallt auf meinen schwarzen Tschador. Die letzte Nacht konnte ich nicht schlafen, immer wieder habe ich von IHM geträumt. Seit gestern hat Papa kein Wort mehr mit mir gesprochen, als ich versucht habe mich am Tür Haken zu erdrosseln. Seine Worte waren nur: „ Allahu akbar“ und steckte mich in unseren Schlafraum.

Eine Stunde später bin ich an meinem Ziel angekommen. Ich bin so nervös, im Seitenspiegel sehe ich, wie verschwitzt ich aussehe. Danach erblicke ich ein heruntergekommenes Gebäude, ein alter Mann kommt mir entgegen. „Wo ist ER denn?“, frage ich. „Wer denn?“, entgegnet er. „Ja….mein ZUKÜNFTIGER?“. Auf einmal fängt er an zu lachen. Mir wird auf einen Schlag klar, was los ist….mir wird schwarz vor Augen.
Nachdem ich wieder bei mir bin, bemerke ich, dass meine Mutter fehlt, zwei Tage später erfahre ich, dass Navid 46 Jahre alt ist, die Falten auf seiner Stirn machen ihn aber noch älter. Nach vier Jahren habe ich jede Hoffnung auf Freiheit, Liebe und Familie aufgegeben.

Navid behandelt mich schlecht. Ich glaube nicht, dass Allah das möchte…

Mit 15 habe ich unser erstes Kind geboren, Navid wollte einen Jungen, ich habe ihm ein Mädchen geschenkt. Eine Schande! Er schlägt mich täglich, zuerst habe ich geweint, jetzt bin ich ruhig.

Nun bin ich 21 Jahre alt, er hat angefangen zu trinken und ich bin mit meinem fünften Kind im vierten Monat schwanger, da ich drei Mädchen geboren habe, bin ich in seinen Augen ein NICHTS. Oh Allah, warum? Ich kann nicht beschreiben wie es mir geht, ich sitze im Wohnzimmer und schaue Fernsehen. Eine Frau in goldenen Hosen macht Werbung für ein Getränk, weiß nicht welches. Plötzlich ertönt ein Getöse aus dem Flur, Navid ist sturzbetrunken, schreit unverständliches Farsi herum und sieht mich sitzen: „ Stinkfaules Weib, arbeite gefälligst und sitz´ nicht dumm herum“. Der entscheidende Tritt in den Unterleib sagt mir, dass ich handeln muss.

Am kommenden Tag traue ich mir das Unmögliche zu, ich kratze ein paar Rials zusammen und gehe zum Anwalt. Mit viel Glück schaffe ich es zu der schönen Anwältin Ezra Brahim, ich erzähle alles.

Sechs Mal bin ich heimlich zu ihr gegangen, stets mit meinen vier Kindern. Meine Scheidung war meinerseits fast Niet und Nagel fest. Bis ein Nachbar mich verriet. Nun bin ich wegen Ehebruchs und Verrat seit fünf Jahren im Gefängnis.

Gefängniswärter Ibrahim schaut mich an und schweigt. Ich schaue an die Wand und sehe die iranische Flagge dort hängen. In Gedanken gehe ich zusammen mit meiner Mutter die Treppe zur Dachterrasse hoch und schaue mir die fehlenden Fensterscheiben an, dann denke ich an die Todesstrafe, schließe meine Augen und springe gedanklich runter. Meine Mutter winkt mir hinterher.

Dass mich Ibrahim nach meinen Kindern fragt, habe ich ausgeblendet.

 
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Hallo Hopeful94,
fühl dich mal herzlich Willkommen bei uns.
Ich hab deinen Text gelesen und fand dein Vorhaben grundsätzlich interessant und gut. Allerdings enthält so ein Vorhaben auch immer viele Fallstricke.
Ich fang mal mit den drei für mich grad wichtigsten Sachen an:

1) Im Moment springt mir in deinem Text die Perspektive zu sehr. Mal blickt man von oben aus, wie von einem allgemeinen Betrachter, mal nimmt es die Sicht der Frau und mal die Sicht des Gefängnisleiters ein.
Ist nur eine Frage, warum machst du das so? Du würdest unzweifelhaft eine größere Wirkung erzielen, wenn du die Szene anfangs nur aus Faribaas Sicht schildern würdest.

2) Ich weiß auch nicht, ob es eine gute Idee ist, ihr Leben mehr oder weniger so nachzuerzählen. Man könnte da vielleicht noch mehr szenische Darstellung reinbringen, damit meine ich die Ereignisse so erzählen, dass man sie wie mit einer Kamera verfolgt.

3) Ich hab was noch Wichtigeres vor all den Geschichtenfragen. In deiner Geschichte droht Faribaa ja das Todesurteil, weil sie die Scheidung beantragt hat. Also ich glaube dir sofort, dass sie allen möglichen Repressalien ausgesetzt wäre seitens des Mannes, aber die Verurteilung durch iranische Gesetze?
Ich kenne mich mit iranischer Rechtsprechung nun wirklich nicht aus, hab also gerade mal gegoogelt und finde das hier:

Das iranische Scheidungsrecht bestimmt, dass bei streitigen Scheidungen der Ehemann unter Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen einen gerichtlichen Scheidungsantrag stellen kann. Auch die Ehefrau ist berechtigt, einen gerichtlichen Antrag auf Scheidung zu stellen. Der grundlegende Unterschied zwischen den Scheidungsrechten des Ehemannes und der Ehefrau liegt darin, dass der Ehemann - im Gegensatz zur Ehefrau - keine Gründe für die Scheidung angeben muss.
Ich mein, das klingt übel. Aber das klingt überhaupt nicht so, als würde man im Iran wegen ein paar Anwaltsbesuche und eines Schedungsantrags zum Tode verurteilt werden. Woher hast du denn den Hintergrund deiner Geschichte, wenn ich mal fragen darf?

Hier der Link:
http://www.karimi-ratgeber.de/detail.php?PID=2&DID=33
Das Buch beschäftigt sich zwar mit Scheidung nach iranischem Recht in Deutschland, aber dafür nennt der Text eben auch zwar ganz allgemein die Bestimmungen iranischen Rechts.
Ich weiß jetzt nicht, was du antwortest, oder vielleicht weiß ja auch ein anderer Bescheid, wie sich das verhält. Aber ich würde so einen juristischen Hintergrund einer Geschichte immer wasserdicht machen. Also genügend recherieren. Und man will ja über die Geschichte reden und nicht, ob die Fakten stimmen.

Viele Grüße
Novak

 

Mich hat die Geschichte berührt. Der Anfang nicht so, weil er mir zu sehr auf Rührung aus war. Sie hat Rehbraune Augen, der Mann Speckröllchen... Das war mir zu doll. Aber ab: "In diesem Moment kommen so viele Erinnerungen in Faribaa hoch, sodass sich ihre Stimme verstummt und ihr Magen zu knurren beginnt, sie merkt wie sich ihre Gedärme zusammenziehen und horcht tief in sich hinein"
hattest du meine volle Aufmerksamkeit. Und ich glaube die Geschichte. Das Ibrahim nach den Kindern fragte, ist gut. Es lößt das schwarz/weiß Bild vom Anfang etwas auf.
Danke für den Text!

 

Hallo Hopeful94 und Novak,

Ehebruchs und Verrat
- so lautet die Anklage und darauf steht die Todesstrafe. Ob nun dieses Delikt vom Ehemann erfunden wurde, ist mir nicht ganz deutlich, aber nach der Schilderung der Geschichte habe ich den verdacht, er wollte seine unnütze Frau loswerden und hat sie deshalb wegen Ehebruchs angezeigt. Es ist wohl keineswegs unüblich, dass in patriarchalischen Ländern eine Frau, die sich scheiden lassen will, einige Repressalien, wenn nicht gar Schlimmeres, erleiden muss.

Also für mich ein durchaus realistischer Text, der auch das jahrelange Martyrium der Frau gut darstellt.

Lieben Gruß

Jobär

 
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Großen Dank, Jobär, für deine Einschätzung.
Stimmt, sie wird wegen Ehebruch angeklagt. Das habe ich auch gelesen. In der Geschichte steht das so:

Sechs Mal bin ich heimlich zu ihr gegangen, stets mit meinen vier Kindern. Meine Scheidung war meinerseits fast Niet und Nagel fest. Bis ein Nachbar mich verriet. Nun bin ich wegen Ehebruchs und Verrat seit fünf Jahren im Gefängnis.
Das klingt finde ich missverständlich. Das klingt unmittelbar so, als sei schon das Gehen zum Anwalt dem Ehebruch gleichzusetzen. Vom Mann ist da gar keine Rede. Auch nicht, wessen der Nachbar sie bezichtigt hat. So wie es hier steht, verrät er einfach, dass sie heimlich weggegangen ist. Eine Aussage ihrerseits, sie sei bei der Anwältin gewesen, hätte die Sache sich anders entwickeln lassen.
Klar, könnte die Saubacke von einem Mnn das alles hinzuerfinden. Aber auchdavon steht ja hier nichts.

Ich würde das einfach ein bisschen deutlicher machen.
Ich plädiere da einfach generell für Genauigkeit. Und würde mich nicht ganz allein auf die Leserfantasie verlassen, die dann disparate Infos zusammenfügen soll. Aber vielleicht ist das Geschmackssache.

 
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Hallo Novak,

zu Punkt 1. Mit dem Situationwechsel wollte ich eigentlich bezwecken, dass jede teilhabende Person, ihre Umgebung und andere Protagonisten auf ihre Art und Weise beschreibt und wahrnimmt.

Zu Punkt 2. Deine Idee finde ich gut, werde ich mal ausprobieren!

Zu Punkt 3. Ich hatte nicht das Ziel auf das iranische Gesetz eingehen, sondern hauptsächlich auf die miserable Behandlung ihrer Umwelt sprich in diesem Fall Ehemann und Vater, sowie der Nachbar . Ich nenne sie jetzt einfach mal "Hinterwäldler"
Zudem ist das kein Urteil über die iranisch/islamische Kultur, falls es auch noch als frage aufkommt.
Zu dem Scheidungsabschnitt:
Natürlich sollte der Anwaltsbesuch nicht mit der Gefängnis, Todesstrafe gleichgesetzt sein. Ich möchte sagen, dass das Verhalten vom Manne ausgeht.
(ich gehe wirklich von Hintergrundwissen des Lesers aus, wäre Überarbeitungswert). Im Grunde genommen ist es so, dass im iranischen Gesetz, welches aussagt, haben immer die Männer einen höheren Stellenwert, als die Frau (Zb zwei Augen der Frau, sind so viel wert, wie ein Auge des Mannes...Vor Jahren war es mal der Fall, dass ein mann ein einer Frau das Augenlicht mit säure genommen hat. Sie hatte dann das Recht auf Vergeltung bekommen und "durfte" ein Auge mit säure beträufeln, damit er auch auf einem Auge das Augenlicht verliert. Zudem wird im Falle einer Scheidung das sorgerecht immer für den Mann ausgesprochen...

PS: Ich habe die Kurzgeschichte in der 11. Klasse geschrieben, das Thema waren diverse World press photos, da sollten wir uns eines aussuchen und kreativ etwas schreiben, ich habe das aus dem Jahr 2009 genommen, da ging es um die wahlfälschungen...

Ach ja, eine Frage zu dir..Bist eine "richtige" Autorin? Ich meine hast du schonmal etwas veröffentlicht, ein Buch oder so?

Liebe Grüße

Hallo Paula2001,

Bitteschön :-)

Hallo jobär,

Richtig erkannt :)

 
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Hallo Hopeful94,

und herzlich willkommen hier im Forum.

Auch ich fand die Idee interessant. Inhaltlich ist mir das im Ganzen aber zu platt und klischeehaft. Es lässt mich vollkommen kalt, da kommt überhaupt kein Gefühl rüber. Das hat man schon x-mal in spannend gelesen, hier wirkt die Handlung aufgesetzt, auf Effekt gebürstet und zudem sehr schlecht recherchiert. Bei einer Geschichte, die in einem dem Autoren fremden Kulturkreis spielt, halte ich intensive Recherche für unabdingbar, da genügt es nicht, einen Wikipediaartikel zu überfliegen und ansonsten auf Vorurteilen und Mutmaßungen aufzubauen.

Der Text enthält ziemlich viele formale Fehler und ist teilweise schlecht strukturiert. Manche Absätze scheinen willkürlich gesetzt, dafür fehlen viele Zeilenwechsel an wichtigen Stellen. Sieh dir doch einmal genauer an, wie man wörtliche Rede strukturiert. So ist das recht anstrengend zu lesen. U.a. bei jedem Sprecherwechsel gehört ein Zeilenwechsel hin. Am besten nimmst du dir mal deine Lieblingsbücher zur Hand und siehst dir genau an, wie die Dialoge dort strukturiert sind. Dabei achte auch auf die Zeichensetzung. Die ist bei dir teilweise recht chaotisch.

Die ständigen Perspektivwechsel stören den Lesefluss. Du solltest konsequent bei einer Perspektive bleiben. Der personale Erzähler ist gängig und bietet sich hier an. Stell dir vor, du erlebst die Geschichte durch die Augen von Faribaa, und erzähle alles, was sie sieht, erlebt, fühlt und denkt in der dritten Person. Ich würde sogar überlegen, bei der Rückschau auf den Icherzähler zu verzichten.

Auch die Perspektive des Beamten wäre für den Anfang und den Schluss denkbar. Die Geschichte könnte so sehr interessant und spannend gestaltet werden, indem Ibrahim einen inneren Konflikt erleben könnte und zu einer Entscheidung gezwungen wäre. Ist aber natürlich in der Umsetzung anspruchsvoller. Faribaas Perspektive ist klar und sehr viel einfacher anwendbar, dafür entsteht aber halt auch keinerlei Spannung. Man weiß von Anfang an, worauf das Ganze hinausläuft, und die Handlung ist komplett vorhersehbar.

Eine energische männliche Stimme erklingt: „ Faribaa Fathi komm´ raus!“.
Gleich der erste Satz enthält mehrere Interpunktionsfehler:
Nach dem öffnenden Anführungszeichen kommt kein Leerschritt.
Nach dem Namen in der wörtlichen Rede fehlt ein Komma.
Der Akzent nach „komm“ muss weg. Vermutlich wolltest du einen Apostroph setzen, das ist aber ein Akut, ein Akzentzeichen, das nur über Buchstaben stehen kann: Café. Einen Apostroph darfst du beim Imperativ (Befehlsform, Aufforderung) aber sowieso nicht setzen. Diesen Fehler machst du sehr häufig, suche deinen Text einmal gezielt danach ab.
Der Punkt nach der wörtlichen Rede muss weg.
Mit richtiger Interpunktion sähe der Satz so aus: „Faribaa Fathi, komm raus!“

Ich würde direkt mit dem gesprochenen Satz beginnen und den Redebegleitsatz am Anfang ersatzlos streichen, da er völlig überflüssig ist. Dass die Stimme energisch ist, geht schon aus der Aufforderung hervor, und dass ein Mann spricht, erfährt man auch sogleich.
Hier gehört dann auch schon der erste Zeilenwechsel hin.

Die Zellentür öffnet sich und eine kleine, zierliche Frau erscheint, ihr Gesicht ist eingefallen und blass, ihre rehbraunen Augen sind feucht und weitgeöffnet vor Angst und Übermündung.
Zum einen hast du hier das Problem mit der Perspektive, das ich oben angesprochen habe. Das könntest du hier sehr einfach durch szenisches Erzählen aus Faribaas Sicht lösen und könntest dabei gleich das nächste massive Problem lösen: Du leidest an akuter Adjektivitis. ;) Sieben Adjektive in einem Satz! Da steigt auch der adjektivtoleranteste Leser aus.
Mein allgemeiner Rat: Druck dir die Geschichte mal aus und streiche alle Adjektive und Adverbien rot an. Denk dann darüber nach, welche Informationen wirklich wichtig sind und streiche alle anderen. Bei den restlichen, wichtigen Informationen überlege, ob du sie auf andere Weise einfließen lassen kannst, zum Beispiel durch ein aussagekräftiges Verb.
Speziell zu diesem Satz:
Faribaas Aussehen ist in dieser Geschichte völlig irrelevant, das kannst du schon mal alles herausnehmen.
Augen sind per se feucht, also ist auch das überflüssig. Dass sie Angst hat und übermüdet ist, kannst du viel besser rüberbringen, indem du es dem Leser zeigst* oder schlichtweg schreibst, dass sie Angst hat und übermüdet ist.
Dass sie eingefallen und blass aussieht, finde ich auch nicht wirklich interessant. Viel interessanter wäre es für mich, wie sich sich fühlt. Wenn du aus ihrer Sicht schreiben willst, dann lass mich als Leser an Faribaas Innenwelt teilhaben, lass mich miterleben, welche Gedanken ihr z. B. durch den Kopf schießen und was sie empfindet.

„Schneller Weib“, schreit der Mann, der eine Uniform trägt, die einzelne Speckröllchen zum Vorschein bringt. „Setz´dich, zack, zack“, fügt er hinzu, als sie den Raum betreten.
Vor „Weib“ fehlt ein Komma.
Kein Apostroph/Akzent nach „Setz“, s.o.
Bei beiden Aufforderungen fehlen Ausrufezeichen, beim zweiten würde ich zwei nehmen:
„Schneller, Weib!“
„Setz dich! Zack, zack!“
Weiter würde ich dir raten, auf überflüssige Redebegleitsätze zu verzichten und diese nicht unnötig durch Nebensätze zu verlängern. Um Dialoge elegant zu gestalten, ist etwas Fingerspitzengefühl notwendig. Schöner wäre es auch, wenn du Ibrahims Aussehen aus Faribaas Perspektive zeigen würdest. Ich gebe dir mal ein Beispiel, wie du den Absatz anders gestalten könntest:

„Schneller, Weib!“, schreit der Mann. Seine Uniform sitzt so eng, dass sich die Speckrollen an seinen Hüften abzeichnen. „Setz dich! Zack, zack!“
Als sie den Raum betreten, sieht Faribaa sich um ...

Der folgende Teil ist wieder extrem adjektivlastig, emotionslos geschrieben und enthält eine Reihe unnötiger Informationen.

Der Fußboden ist mit wundervollen Mosaiksteinen verziert, schön akkurat und sauber geschliffen, in blau und grün Tönen.
in Blau- und Grüntönen
Aber: Ein toller Mosaikboden im Verhörraum eines Teheraner Gefängnisses ...? Die iranischen Gefängnisse, die ich von Fotos kenne, sind hässliche Betonklötze mit hässlichen Betonböden. Oder wo befindet sich Faribaa deiner Vorstellung nach?

Faribaa vermutet den Namen „Khaled Ibrahim“ zu lesen, sicher ist sie sich nicht, denn lesen und schreiben hat sie nie gelernt, da immer das Geld fehlte und laut ihren Eltern Bildung für eine Frau unnütz sei, da sie früher oder später in eine andere Familie einheiraten wird.
Wenn sie nicht lesen kann, wieso vermutet sie dann, dort etwas bestimmtes zu lesen? Das ergibt keinen Sinn. Außerdem ist der Satz zu lang, umständlich und verschachtelt. Dabei verhedderst du dich auch noch mit den Zeiten. Einfach ist fast immer am besten.
Ich würde schreiben:
Faribaa weiß nicht, was darauf geschrieben steht. Lesen hat sie nie gelernt.

Fertig. Alles andere kann der Leser sich denken, der ist ja nicht blöd.

Ibrahim schaut die kleine Frau an, sie trägt ein weißes Kopftuch und ein blaues Gewand. Etwa 35 Jahre ist sie alt, denkt er. Die Beiden schauen sich einen Moment an und wissen ganz genau was passieren wird. Auf einmal wird Faribaa aus der Stille gerissen „jetzt sag´ schon Weib, warum hast du die Ehre deines Ehemannes verletzt?“. „Ich habe nichts getan!“. „Halts´ Maul, du weißt, dass die Todesstrafe auf dich wartet, also ich will dein Geständnis hören!“
Sowohl Kopftuch als auch „Gewand“ haben Namen, die du verwenden solltest, wenn dein Text authentisch wirken soll.
Zahlen in literarischen Texten ausschreiben.
Perspektivwechsel, s.o. Hier besonders auffällig: Erst denkt er, dann hast du die Perspektive von beiden gleichzeitig (beide wissen), dann wechselst du wieder zu Faribaas Perspektive.
Wiederholung von „schauen“.
„beiden“ klein.
Zahlreiche Zeichensetzungsfehler, fehlende Zeilenwechsel, fehlender Punkt, Satzanfang klein ... Hier musst du wirklich dringend nochmal sorgfältig über deinen Text gehen.

Leider muss ich dir auch sagen, dass ich den ganzen Dialog unglaubhaft und sehr einseitig und klischeehaft finde.

Faribaa atmet tief durch, sie schmeckt auf der Zunge einen modrigen Geschmack, der ihre Zunge zu Stein werden lässt.
Abgesehen davon, dass die Wiederholung von „Zunge“ unschön und überflüssig ist, funktioniert die Metapher schlichtweg nicht. Die Zunge wird „zu Stein“? Wie soll ich mir das vorstellen? Wird sie steif, gelähmt, hart? Hab ich noch nie gehört. Und nur weil es etwas modrig riecht?

Ich… ich, Faribaa Fathi, bin 26 Jahre alt und vierfache Mutter. Ich stamme aus Teherans ärmsten Viertel.
Hier hast du die Anführungszeichen einfach mal weggelassen.
Komma fehlt.
Zeilenwechsel!
Sechsundzwanzig ausschreiben.
ärmstem Viertel, aber: Das sagt man doch so nicht. Sie würde den Bezirk, aus dem sie stammt, beim Namen nennen. Sowas musst du recherchieren.

In diesem Moment kommen so viele Erinnerungen in Faribaa hoch, sodass sich ihre Stimme verstummt
Lies den Satz mal laut vor. mit "sodass" wiederholst du "so", und "sich" gehört überhaupt nicht rein.
„Stimme verstummt“ liest sich nicht nur wegen der Ähnlichkeit der Wörter unschön. Ein Mensch verstummt, aber eine Stimme mMn nicht. Wieso die umständliche Formulierung, wenn es auch schlicht und einfach geht?
„In diesem Moment kommen so viele Erinnerungen in Faribaa hoch, dass sie verstummt.“
"Verstummen" würde allerdings heißen, dass sie bis zu diesem Moment gesprochen hat, deshalb finde ich es auch nicht ganz passend. "Schweigt" wäre passender.

So zieht sich das durch den gesamten Text, Rechtschreibung, Interpunktion, Satzbau, Perspektive, Logik, Formulierungen usw. Nur noch einige wenige besonders auffällige Sachen:

Meine Mutter Fereshteh sitzt auf unserer improvisierten Coach aus Pappkartons [...] Meine drei jüngeren Geschwister Nareth, Herera und Bibi stehen schweigend neben meiner Mutter und halten sie wiegend im Arm.
Die Mutter sitzt auf der sicher nicht allzu hohen Sitzgelegenheit aus Pappe, während ihre Kinder neben der Couch stehen und sie im Arm halten? Das kann ich mir schon rein anatomisch nicht vorstellen.

Dann die „Heirat“. Der Vater bekommt einen Anruf, am nächsten Tag karrt er seine Tochter weg, gibt sie ab und damit ist sie verheiratet? Ich wiederhole es noch einmal: Recherche! Was du da beschreibst, ist völlig unrealistisch. Du solltest dich dringend über iranische Heiratsgebräuche belesen.

Die Beschreibung des Vaters hat mich extrem gestört. Er freut sich, das lästige Kind endlich los zu sein, verschenkt sie ohne jede Gefühlsregung an einen wildfremden Pädophilen und lacht das verschreckte Mädchen dann noch noch aus. Geht’s vielleicht noch klischeemäßiger? Alles ist ausschließlich schwarz-weiß bei dir. Alle Frauen sind arme, hilflose Opfer, alle Männer böse Tyrannen. :rolleyes:

Ich brech das an dieser Stelle ab, ich wiederhole mich sonst nur noch.
Es tut mir leid, dass ich so viel Negatives und so wenig Positives zu sagen habe. Lass dich bitte nicht entmutigen. Du hast da durchaus eine interessante Idee, aus meiner Sicht einen Rohentwurf, aus dem eine gute, spannende, traurige, mitreißende Geschichte werden kann, aber da musst du noch sehr viel Arbeit hineinstecken. Recherchiere jede Kleinigkeit, angefangen von iranischen Sitten und Gebräuchen bis hin zum Ablauf von Anklagen, Gerichtsverhandlungen, Verhören, der Einrichtung von Gefängnissen, der Bekleidung usw. Wenn die Geschichte glaubhaft sein soll, muss da jedes Detail sitzen.
Beschäftige dich mit der Rechtschreibung, vor allem mit Zeichensetzung. Sieh dir die Gestaltung von Dialogen an. Belies dich über Erzählperspektiven und über das Prinzip *"Show, don't tell".
Und dann setz dich nochmal ran. :)

Liebe Grüße
raven

 

Hallo, ich noch mal, ich will nicht drauf rumhacken, aber ich würde das wirklich deutlicher machen:

Natürlich sollte der Anwaltsbesuch nicht mit der Gefängnis, Todesstrafe gleichgesetzt sein. Ich möchte sagen, dass das Verhalten vom Manne ausgeht.

(ich gehe wirklich von Hintergrundwissen des Lesers aus, wäre Überarbeitungswert). Im Grunde genommen ist es so, dass im iranischen Gesetz, welches aussagt, haben immer die Männer einen höheren Stellenwert, als die Frau (Zb zwei Augen der Frau, sind so viel wert, wie ein Auge des Mannes...Vor Jahren war es mal der Fall, dass ein mann ein einer Frau das Augenlicht mit säure genommen hat. Sie hatte dann das Recht auf Vergeltung bekommen und "durfte" ein Auge mit säure beträufeln, damit er auch auf einem Auge das Augenlicht verliert. Zudem wird im Falle einer Scheidung das sorgerecht immer für den Mann ausgesprochen...
Ein bisschen kann man immer auf das Hintergrundwissen von Lesern bauen, aber eben nur ein bisschen. Die Grundinformationen und Details für einen Text müssen hinhauen, und man muss die auch verständlich darstellen, da darf man als Leser nicht stolpern, und wenn eine Sache dich als Leser beim Lesen rausschmeißt, ist das rückwirkend einfach nicht gut für deinen Text. Jobär ist ein lieber Mensch, der dir die Infolücke hat durchgehen lassen. Ich bin in dem Fall nicht so lieb. :)

Und klar bin ich eine Autorin. Du auch. Autoren sind alle, die Texte schreiben, um sie zu veröffentlichen und sich ernsthaft mit dem Schreiben beschäftigen wollen. Also sehr sehr viele hier. Aber ich frage mich gerade, warum du das fragst? Weil du meine Antwort ernster nimmst oder ravens supercoolen sehr ausführlichen und hilfreichen Kommentar, wenn sie oder ich schon mal irgendwo was veröffentlicht haben? Hab ich, aber was spielt das für eine Rolle? Fragt sich gerade etwas erstaunt, die bösartige Novak. Nein, nimms nicht so ernst, ich veräppel dich nur ein bisschen. Deine Frage war bestimmt rein interessehalber.
Liebe Grüße an dich und hab eine Menge Spaß hier.

 

Hey Hopeful94!

Grundsätzlich hat mir deine Geschichte gut gefallen. Etwas inspiriert von "Tausend strahlende Sonnen" von Khaled Hosseini ? Jedenfalls hat mich's daran erinnert. Und falls du den Roman nicht kennst, aber dich für die Thematik interessierst, wäre das ein heißer Tip. :)

Mein Kritikpunkt ist, dass dein Vorhaben für eine Kurzgeschichte eigentlich zu umfangreich ist. Das führt dazu, dass du fast stichpunktartig den 'Lebenslauf' deiner Protagonisten schildern musst. M.E. würde die Geschichte noch schockierender wirken, mehr unter die Haut gehen, wenn einzelne Episoden aus dem Leben deiner Protagonistin geschildert würden. Da gibt es, denke ich, sehr viel Potential, je nachdem wie schockierend deine Geschichte am Ende sein soll. Folgende Episoden halte ich für würdige Kandidaten:
- Der erste (vermutlich ja unfreiwillige) Sex mit dem ungeliebten Ehemann.
- Die Geburt des ersten Mädchens. Alternativ auch andere Episoden aus dem Leben ihrer Kinder, aber aus ihrer Sicht. (Ich fände extrem spannend, näher zu erfahren, wie ihre Beziehung zu ihren Kindern ist. Ich vermute sie liebt sie, aber so richtig klar wird das nicht. Und in jedem Fall hat das soz. emotionales Potential. Liebt sie ihre Kinder trotz allem? Oder hasst sie sie vielleicht, weil sie die Kinder von ihrem ungeliebten Ehemann sind? Geben sie ihr Trost und Sinn oder legen sie ihr eine zusätzliche Bürde auf?)
- Die Verhaftung. (Man erfährt ja eigentlich nur, dass sie von einem Nachbar verraten wird. Aber wie fühlt sie sich dabei? Die Ungerechtigkeit, die sie erfährt, darf m.E. hier noch drastischer dargestellt werden.)
- Vielleicht eine Episode, in der sie von ihrem Mann geschlagen wird.

Die Liste ist damit sicher nicht abgeschlossen. Mein Punkt ist: Dein Vorhaben ist zu umfangreich für eine KG, es eignet sich eher für eine längere Erzählung oder gar einen Roman. Du hast dich jetzt mit deiner KG auf einen Aspekt konzentriert (wohl den endgültigen Strafvollzug). Ich denke, man könnte eine größere Wirkung erziehlen, wenn man sich einen anderen Aspekt herausgreift, zumindest wenn es eine KG bleiben soll. Man könnte bsw. ihre Gespräche mit der Anwältin schildern, die sie bittet auch detailgetreu manche Episoden zu schildern (um dafür Raum zu schaffen), um sie meinetwegen im Zweifelsfall vor Gericht verwenden zu können. Außerdem hast du als Autor*in dann auch die Gelegenheit die nötigen Hintergrundinfos einzuflechten. Und als grauenhaften Ausblick am Ende vielleicht den Verrat des Nachbarn und sie weiß, dass sie zum Tode verurteilt und hingerichtet werden wird.

So, mein Kommentar klingt jetzt, glaube ich, fast so als hätte ich doch nur an allem etwas auszusetzen. Das stimmt aber nicht. Letztlich sind alle meine Vorschläge schon in deiner Geschichte drin. Es sind Vorschläge, die in meinen Augen die Dramatik erhöhen würden, sodass der Leser noch mehr (als das ohnehin schon der Fall ist) bewegt ist. Aber vieles, wenn nicht gar alles, von dem, was ich hier geschrieben habe, ist sicherlich Geschmacksfrage.

Liebe Grüße
Arete

P.S.: Ich versteh' überhaupt nicht warum es so relevant ist, dass die juristischen Feinheiten in dieser KG stimmen! Es geht hier um die grauenhafte Ungerechtigkeit, die Frauen von Männern im Iran zugefügt wird. Das Todesurteil ist gewissermaßen ein 'lyrisches Mittel zum Zweck' und in meinen Augen ist es völlig unerheblich, ob das real oder Fiktion ist.

 

Hallo Arete

Ich versteh' überhaupt nicht warum es so relevant ist, dass die juristischen Feinheiten in dieser KG stimmen!
Ich denke mal, du hast mich gemeint.
Es geht nicht um juristische Feinheiten, aber vielleicht sollte man einfach darauf achten, Logiklöcher und sachlich missverständliche Zusammenstellungen im Text zu vermeiden? Weil das einfach auch zum Schreiben gehört?

Es geht hier um die grauenhafte Ungerechtigkeit, die Frauen von Männern im Iran zugefügt wird. Das Todesurteil ist gewissermaßen ein 'lyrisches Mittel zum Zweck' und in meinen Augen ist es völlig unerheblich, ob das real oder Fiktion ist.
Ich seh schon, angesichts eines hehren Ziels kann man in einer in der Realität spielenden Geschichte einfach irgendwas schreiben. Meinst du das? Ich glaube, da hast du dich von deiner guten Absicht verleiten lassen.
Du fändest es doch aber auch eigenartig, wenn ich in einer in der Realität spielenden Geschichte in Bayern eine mehrjährige Haftstrafe für Hähnchenklau einführe, nur um meine Geschichte über einen armen Hartzler mit der nötigen Hintergrundbrisanz zu versorgen,
Es ging hier einfach nur um eine fehlende Textinformation oder Textzusammenführung. Was ist daran das Problem? War einfach ein Tipp. Aber meine Güte, jeder wie er will. Wenn das sonst keiner so sieht, ist doch okay.

 

P.S.: Ich versteh' überhaupt nicht warum es so relevant ist, dass die juristischen Feinheiten in dieser KG stimmen! Es geht hier um die grauenhafte Ungerechtigkeit, die Frauen von Männern im Iran zugefügt wird. Das Todesurteil ist gewissermaßen ein 'lyrisches Mittel zum Zweck' und in meinen Augen ist es völlig unerheblich, ob das real oder Fiktion ist.

Naja, weil solche Details eine Geschichte glaubhaft und realistisch oder eben unglaubhaft und unrealistisch machen. Wenn ich über Genmanipulation schreibe, muss ich recherchieren, was da wie genau an den Genen rumgepopelt wird. Wenn meine Geschichte im Italien des ausgehenden vierzehnten Jahrhunderts spielt, dann muss ich mich reinknien und mir so viel Wissen über diese Zeit anlesen, dass ich in der Lage bin, den Hintergrund meiner Geschichte glaubhaft einfließen zu lassen. Und ganz besonders dann, wenn ich etwas Aktuelles anprangern will, finde ich es enorm wichtig, auch das entsprechende Hintergrundwissen zu haben. Es gibt immer Menschen, die sich auskennen, egal bei welchem Thema, und ich muss einfach damit rechnen, dass auch solche meinen Text lesen. Wenn das ganze Setting unrealistisch ist, dann werden diese Menschen die Geschichte schlecht finden und sich an den falschen Details stören.
Ich recherchiere je nach Thematik extrem viel und bin echt erstaunt, dass man das anders sehen kann. Für mich macht Recherche oft den Löwenanteil der Arbeit an einer Geschichte aus. Bei Kurzgeschichten ist das ja nun auch keine Mammutaufgabe.

 

Hallo Novak und raven.

Ich wollte niemanden auf den Schlips treten.
In meinen Augen hängt der Umfang der Recherche, die man betreiben sollte, arg davon ab, wie wichtig etwas für die Thematik einer Geschichte ist. Wenn ich meinetwegen einen Text über Gentechnik schreibe und die Thematik ließe sich bsw. mit "Ethik der Gentechnik" beschreiben, dann ist es natürlich wichtig, dass man die Fakten richtig recherchiert. Geht es dagegen, sagen wir, um eine Frau, die gentechnisch veränderten Mais anbaut, im Kern allerdings um die Beziehung zu ihren Eltern, von denen sie die Farm geerbt hat; dann ist es m.E. nicht sonderlich wichtig, ob das, was dort über Gentechnik gesagt wird, stimmt oder nicht. In meinen Augen ist es sogar egal, ob es gentechnisch veränderten Mais überhaupt gibt.
Kurzgeschichten sind keine wissenschaftlichen Arbeiten, in denen ein Sachverhalt möglichst präzise und korrekt dargestellt werden muss. Sie sind Kunst. Und in meinen Augen tut ein Leser gut daran, sich das ins Gedächtnis zu rufen, bevor er mit dem Lesen anfängt. Picasso hätte ein Dreieck und drei Striche malen und diesem Bild den Titel "Giraffe im Zoo" geben können, ohne dass sich jemand davor gestellt und gesagt hätte: "Eine Giraffe im Zoo sieht aber anders aus."
Ich weiß der Vergleich klingt weit hergeholt. Ich glaube, er ist es nicht. Der Punkt ist doch: Es geht hier um etwas anderes. Das Bild (die KG) möchte überhaupt keine korrekte, präzise Darstellung irgendeines Sachverhalts sein, warum sollte man sie also an diesem Maßstab messen?
Um ein berühmtes Beispiel (allerdings aus der Filmwelt) zu nennen: "Braveheart". In diesem Film sind einige grauenhafte historische Schnitzer drin. So z.B., dass die Schotten dort Kilts tragen, obwohl es die - zu der Zeit, in der der Film spielt - überhaupt noch nicht gab. Ich glaube, man kann getrost sagen, dass das schon ein grober Fehler ist. Dennoch macht dieser Fehler den Film in meinen Augen noch lange nicht schlecht oder mangelhaft. Es ist letztlich überhaupt nicht wichtig. Es ist ja keine Doku.
M.E. besteht eher die Gefahr, dass Rezipienten, die sich allzu sehr an solchen Nebensächlichkeiten aufhalten, den Blick für das Ganze verlieren. Ebenso gilt das für Autoren. In meinen Augen hängt die Qualität einer KG (meistens) nicht an der Korrektheit der Fakten.
Zu guter Letzt möchte ich mich noch als Adorno-Fan bekennen und sagen: Wir sind so stark gefangen in der 'Dialektik der Aufklärung' und damit in logischen Denkstrukturen, dass wir dringend Formen des Erkenntnisgewinns benötigen, die diese Denkstrukturen durchbrechen können. Dadurch, dass wir ständig logisch kategorisieren, beschneiden wir immer einen Teil der Individualität einzelner Dinge und verlieren den Blick für deren Konkretheit. Adorno sieht die Kunst als eine solche Form des Erkenntnisgewinns an.

Ich plädiere daher grundsätzlich für eine sehr weitreichende Freiheit der Kunst. Sie darf erstmal alles, auch unlogisch sein. Eine gänzlich andere Frage dagegen ist, ob es für einen bestimmten Text gut ist, unlogisch zu sein bzw. ob es nicht besser wäre, Logiklücken zu schließen. Das ist aber m.E. eine Fallentscheidung. Und in diesem konkreten Fall finde ich, dass an die iranische Rechtslage bei Ehebruch eher nebensächlich ist.

Du fändest es doch aber auch eigenartig, wenn ich in einer in der Realität spielenden Geschichte in Bayern eine mehrjährige Haftstrafe für Hähnchenklau einführe, nur um meine Geschichte über einen armen Hartzler mit der nötigen Hintergrundbrisanz zu versorgen

Kommt drauf an, kann ich da nur sagen. Wenn es zum Beispiel darum geht, dass der arme Hartzler seine vom Schicksal geplagte Familie versorgen muss und sich nicht anders zu helfen weiß und jetzt zu allem Überfluss auch noch für Jahre im Gefängnis sitzt, weil er über dieses bayrische Gesetz nichts wusste, dann würde mich das nicht im Geringsten stören.
Geht es jedoch um einen brillianten Anwalt, der den Bauern vertritt und unter dem Ruf steht, jeden kleinsten Paragraphen des Gesetzbuches auswendig zu kennen, dann würde ich mich wundern. (Es sei denn es soll eine humorvolle Geschichte sein, dann fände ich es kreativ und amüsant.)

Ich halte dies für eine spannende Grundsatzdiskussion. Ich versuche stets ein 'open-mind' zu wahren und lasse mich gern eines besseren belehren.

Grüße,
Arete

 

In meiner freundlichen nachgiebigen Art würde ich jetz sagen: Ihr habt alle recht. Das würde auf den ersten Blick nicht weiterhelfen. Aber ich denke schon, es kommt darauf an, was die Geschichte erreichen/bewirken will. Wenn ich meiner Geschichte New York und Al Capone vorkommen, halte ich eine Recherche schon für wichtig, um die richtigen Jahreszahlen hinzubekommen. Man kann Schooten mit Kilt auftreten lassen, wenn es mehr um das Bild als um den Inhalt geht. Aber wenn ich eine Geschichte schreibe, in der der Tartan eine Rolle spielen soll, Sollte mir schon klar sein, dass der Tartan erst seit 200 jahren definitiv die Clanzugehörigkeit aussagt. Im Mittelalter sagte das Muster höchstens aus, wer den Stoff wann gewebt hatte (so jedenfalls meine Infos).

Um auf die Ausgangsgeschichte zhu kommen. Wenn ich die Unterdrück der Frau allgemein darstellen will, sollte ich schon aufpassen, keine Beispiele zu bringen, die sicher falsch sind. Das schadet nur mein em Anliegen. Wenn ich die Geschichte in einer bestimmten Gesellschaft spielen lasse, sollten die Informationen auch stimmig sein oder ich sollte von Beginn an deutlich machen, dass die Geschichte in einer Phantasiewelt spielt. Für mich als ehemaligen Scheidungsanwalt sind Geschichten über eheliche Gewalt ohnehin emotional anstrengend, aber wenn dann noch Sachverhalte falsch oder undeutlich sind, dann tut mir das weg, weil gerade in sensiblen Bereichen ein fundiertes Wissen sehr wichtig ist - auch zum Überleben.

In diesem Zusammenhang bin ich nicht über die Todesstrafe gestolpert - das hatte ich ja schon dargelegt - sondern über diesen Satz:

Mit viel Glück schaffe ich es zu der schönen Anwältin Ezra Brahim,
Ist es gefährlich in diesem Land, Anwältin zu sein?
Ist es (lebens)gefährlich, eine Anwältin aufzusuchen?
Wie mächtig oder ohnmächtig ist die Anwältin?
Welche Punkte des Sachverhalts fehlen? Die Scheidung soll endgültig vorbereitet sein - dann kann der Nachbar doch nur etwas verraten, was bisher nicht zur Sprache kam.

Die Geschichte muss nicht in einem bestimmten Staat spielen, aber auch in einer Phantasiewelt müssen die Beziehungen und in die Ausgestaltung des Rechtssystems stimmig sein. Recherche muss nicht bedeuten, den historischen/gesellschaftlichen usw. Hintergrund einer bestoimmten Epoche usw. zue erkunden. Sie ist gerade dann notwendig, wenn die Geschichte nicht in einer bestimmten Realität spielt, denn jetzt muss der Schreibende quasi alles erfinden und es muss stimmen. Das ist weitaus schwieriger, als eine Geschichte im wirklichen Leben spielen zu lassen.

Nun ja, wahrscheinlich habe ich jetzt zu weit ausgeholt.

Herzliche Grüße

Jobär

 

M.E. besteht eher die Gefahr, dass Rezipienten, die sich allzu sehr an solchen Nebensächlichkeiten aufhalten, den Blick für das Ganze verlieren. Ebenso gilt das für Autoren. In meinen Augen hängt die Qualität einer KG (meistens) nicht an der Korrektheit der Fakten.

Entschuldige bitte, aber das ist doch völliger Quark. Es gibt nun einmal verschiedene Komponenten, die zur Gesamtkomposition einer Geschichte gehören, wie zum Beispiel Charakterzeichnung, Plot und Setting, aber auch Dinge wie Rechtschreibung, Formatierung etc. Oft liest man von Autoren sinngemäß: Ja, ich weiß, dass ich viele Rechtschreibfehler mache, aber das ist mir egal. Mir ist die Rechtschreibung nicht wichtig, sag mir lieber, was du vom Inhalt hältst.
Dazu sage ich: Ich bin dein Leser, und mir IST Rechtschreibung wichtig. Sie zu beherrschen gehört zum Schreiben einfach dazu. Es mag Leser geben, denen Grammatik und Kommasetzung pupsegal sind, mir und manch anderem aber nicht, deshalb sind diese Dinge ja so oft Gegenstand von Kritiken.
Und genauso ist das mit dem Setting auch. Es ist ein integraler Bestandteil einer Geschichte und für einen Großteil der Leser absolut nicht nebensächlich, deswegen gehen deine Ausführungen zum Thema Recherche schlichtweg an der Realität vorbei. Wenn dir das Setting egal ist, dann ist das so, das ist völlig in Ordnung, aber du gehst hier nach meinem Empfinden zu weit, indem du bemäkelst, dass andere eine Geschichte nicht so oberflächlich beurteilen.

Recherche gehört je nach Genre schlicht und ergreifend zum "Job" des Autoren. Wenn ich in einer Kultur, Epoche, Thematik etc. nicht heimisch bin, dann muss ich mich eben hinsetzen und etwas dagegen tun. Ansonsten werden Leute wie ich, Novak und andere kommen und sagen: Sorry, das ist Mist, was du da erzählst.

Natürlich ist Schreiben Kunst, das Argument verstehe ich überhaupt nicht. Meine Wissens hat das noch nie irgendjemand in Frage gestellt. Der Autor hat völlige Freiheit, er kann tun und lassen, was er will. Die Frage ist nur, ob das Ergebnis gefällt. Und da sind die Ansprüche und Geschmäcker - wie auch bei der Malerei und jeder anderen Kunstart - nun einmal unterschiedlich.

 

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