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Meine Reise

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31.12.2010
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Meine Reise

Ich sitze im Zug, sehe die wundervoll winterliche Landschaft an mir vorbeiziehen, es liegt so viel Schnee wie schon seit Jahren nicht mehr. Das letzte Mal in meinen Kindheitserinnerungen. Das Jahr ist bald zu Ende.Während ich die Häuser betrachte, die weißen Bäume, die Spaziergänger mit ihren Hunden, die Kinder die spielen, denke ich an Zuhause.
Ich stelle mir vor, wie du schon auf mich wartest, sehnsüchtigst ständig auf die Uhr blickst, dir vorstellst wie ich jeden Moment, früher als erwartet, durch die Tür komme. Ich male mir aus, wie du uns Essen vorbereitet hast, als kleine Überraschung, um mir eine Freude zu bereiten, weil du weißt, dass ich eine anstrengende und aufreibende Reise hinter mir habe. Du hast den Kühlschrank gefüllt. Vor lauter Hunger hast du viel zu viel gekauft. Du hast mich vermisst und musstest ständig an mich denken, da hast du alles was ich gerne mag eingepackt, du wolltest mir zeigen wie aufmerksam du sein kannst. Eben genau was ich an dir liebe. Die Wohnung riecht nach dir, nach uns, die Duftkerzen sind an, eben genau die, die ich so liebe. Du empfängst mich schon im Flur, du hast die Tür gehört. Du umarmst mich, küsst mich, fragst mich, wie meine Reise war. Du freust dich so sehr mich zu sehen, du strahlst, wie ich, über das ganze Gesicht. Du nimmst mir meine schweren Taschen ab, sagst ich solle es mir gemütlich machen, du würdest dich schon um alles kümmern.
Langsam rollt der Zug in den Bahnhof ein. Hier ist es grau. Nur die kleinen Schneehügel an den Straßenrändern deuten auf den Winter hin, richtig spürbar ist dagegen die Kälte. Voll bepackt eile ich durch die Bahnhofshalle Richtung Taxistand, ich will nicht auch noch Bus fahren. Ich sehe gestresste Menschen hektisch durch die Stadt eilen. Eine Mutter zerrt ihr schreiendes Kind hinter sich her, es hat keine Lust mehr weiter zu gehen. Die Häuser sind noch dekoriert, aber es liegt kein süßer Duft mehr in der Luft. Ich bezahle den Taxifahrer, bedanke mich, schnappe meine Sachen. Als ich den Schlüssel ins Schloss stecke, denke ich nochmal an meine Reise. Ich mache die Tür auf, es ist kalt. Ich hatte die Heizung etwas runter gedreht. Meine Topfpflanze ist verwelkt. Ich bring meine Sachen in die Küche, der Kühlschrank ist leer wie mein Magen. Ich drehe die Heizung auf, packe alles aus, und kümmere mich um die Wäsche. Ich mache meine Musik an, und meine Duftkerzen, die, die ich so liebe.

 

Vielen Dank für die Anregungen. Diese kurze Geschichte ist sozusagen mein Erstversuch.

Und ja, das "schnappen" ist tatsächlich mit Eile verbunden. So eine Reise ist ganz schön lange und anstrengend.

Wünsche ebenfalls ein gutes neues Jahr

 

hallo estranha,

habe dein Geschichte gern gelesen, finde die Idee der sehnsüchtigen Projektion gut. Auch die eigentliche Geschichte, also ihre äußere Reise ist an sich gut. Ich finde nur, dass du in die Zugfahrt etc. noch mehr Liebe einarbeiten kannst. Vielleicht nimmst du dir den Text in 2 Wochen noch mal vor (so mach ichs) und versetzt dich noch einmal richtig rein in deinen Protagonisten. Wenn dir hier und da noch kleine Details auffallen, die ihre Beobachtungen realistischer oder von der sprachlichen Komposition her schöner wirken lassen füge sie ein. So bildet sich bei mir dann aus einem Rohgerüst ein mit Schnörkeln und Facetten ausgeschmücktes Geschichtshaus :).
aber: Don't over do it!

Nur so ein paar Gedanken,

Grüße,

nikonotiz

 

Ich bin immer neugierig, auf das warum. Du verrätst mit keiner Silbe, ob es "ihn" wirklich gibt, oder ob er nur eine Wunschvorstellung ist. Vielleicht auch nur ein Dödel-Freund, der nichts auf die Reihe bekommt, den sie in ihrer Wunschvorstellung aber dementsprechend umformt?

 
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Hallo Estranha,
Deine Geschichte hat mich sehr interessant , denn auch im Leben ist es so, dass man sowohl die Traurige als auch die erfreuliche Vergangenheit , nicht immer einfach vergessen kann.
Uebrigens, die Sprache in der Geschichte ist relativ leicht und errinnert mich an Lehrwerktexte im Kurs Deutsch als Fremde Sprache .
Deshalb eine kleine Frage . Bist du auch ( wie ich ) nicht Muttersprachler?

 

Zum Schreibstil will ich nur sagen, er ist absichtlich so einfach gewählt. Gedanken sind kurz und klar. Ich finde auch, so kann man sich eher wiederfinden

 

Hallo estranha,

für den Erstversuch finde ich diesen - sagen wir mal Schnippsel - sehr gelungen! Du hast eine gute Sprache und es gelingt Dir, Bilder im Kopf des Lesers hervorzurufen, schonmal ziemlich gut!

Es ist allerdings wirklich eine Ultra-Kurzgeschichte. :) Eine Geschichte is es m.E. trotzdem, denn es gibt eine Art Micro-Dramaturgie, nämlich die der zwei voneinander getrennten Teile.

Schön finde ich, wie Du den drohenden Bruch andeutest mit dem Satz:
"Langsam rollt der Zug in den Bahnhof ein. Hier ist es grau."
Durch das Graue beginnt sich etwas zu ändern, Du vertiefst es durch hetzende Menschen, ein schreiendes Kind etc. Die schöne Phantasie wird also von der Realität eingeholt.
Allerdings muss ich auch sagen, dass ich durch genau Dieses "Hier ist es grau." eigentlich schon geahnt habe was kommt...

Bezugnehmend auf Yulivees posting möchte ich sagen, dass ich nicht glaube, dass es sich um einen "realen Dödel-Freund" handelt, dafür gibt es eigentlich kein Indiz. Den realen Freund hätte man ja mit sowas wie "Du bist natürlich nicht da" oder so andeuten können, was allerdings auch ziemlich direkt wäre.
Für mich klingt es eher nach Sehnsucht. Der Mensch der das beschreibt hätte gern wieder eine funktionierende Liebe in seinem Leben, vielleicht ist er/sie auch melancholisch wegen kurz zurückliegender Trennung.

Alles in Allem aber ein schöner Text. :)

 

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