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Metro Station 1
Станция Метро I
Mein Gott ist sie schön! Sie wird jeden Tag schöner, wenn das überhaupt möglich ist. Jeden Tag sehe ich sie aus ihrem Haus kommen und die Straße überqueren. Sie geht zur Petrogradskaya Metrostation - jeden Tag um die gleiche Uhrzeit! Seit ich sie gesehen habe, verlasse ich jeden Tag pünktlich mein Haus. Nun gut, es ist noch nicht sehr lange, gerade eine Woche. Ich weiß nicht, warum ich sie vorher noch nicht gesehen habe.
Heute hat sie eine blaue Bluse, einen kurzen Rock und ihre schwarzen Stiefel an. Wow, was für eine Figur! Ich gehe ihr immer hinterher, und habe dabei natürlich einen schönen Ausblick auf ihren Hintern – sie geht auf irgendeine besondere Weise, die ihn verführerisch, geradezu herausfordernd wackeln lässt. Sie hat lange, schwarze Haare und Gesichtszüge, die sie irgendwie nicht so ganz russisch aussehen lassen. Die Wangenknochen sind genauso hoch, doch es sieht irgendwie weicher aus – und ihre Lippen! Was für ein Traum. Es fehlen nur die glänzenden Augen – die hat sie nicht, sie sind grau und nicht so, wie man sie erwarten würde. Aber durchaus hübsch.
Gestern Morgen habe ich ihr die Tür an der Station aufgehalten, und sie hat mit mir gesprochen. Sie wollte erst nur Спасибо sagen, aber dann habe ich gemeint, dass sie sich anhöre, als sei sie heiser. Sie hat gelacht und geantwortet, das sagen alle, sei sie aber nicht und sie könne auch nichts dafür. In der Metro stand ich direkt neben ihr, und da es so voll war, hatte ich eine Ausrede, mich an sie zu drücken.
„Tut mir Leid“ sagte ich und es wirkte, sie lächelte zurück. Was für ein Lächeln!
Ich kam eine halbe Stunde zu spät zur Arbeit, weil ich erst an der Station Pushkinskaya mit ihr zusammen ausstieg und wieder zum Newskii Prospekt zurückmusste.
„Привет!“ grüße ich sie heute als ob ich sie rein zufällig entdeckt hätte. Sie freut sich, mich zu sehen! Wir reden ein wenig auf dem Weg zur Metro über belangloses Zeug. Ich erzähle ihr den Witz mit dem Mann in der Metro, den mir gestern ein Kollege erzählt hat. „Du bist lustig!“ lacht sie als ich laut überlege, wie ich mich in der Situation benehmen würde.
„Hast du heute Abend Lust auf einen Kaffe?“ frage ich während wir auf die Metro warten.
„Klar, warum nicht?“ fragt sie zurück und lächelt ihr wunderbares Lächeln. „Wohin gehen wir?“
„Entweder in das Idealnowo Tschaschka oder in das Plinirestaurant neben der Station. Ich vergesse immer wie es heißt.“ Schlage ich vor.
„Es heißt Plini Loschka.“ Kommt sie mir zu Hilfe. Der Lärm der Metro lässt mich gerade noch ein „Ich bin fürs Zweite“ verstehen.
Wir steigen ein. Ich habe mich noch nie so darüber gefreut, dass die Metro so voll ist. Verdammt, sie riecht so gut – irgendwie nach Maiglöckchen. Ach was, ich kenne mich doch gar nicht mit Blumen aus, und auf den Geruch von Blumen kann man bei diesem Wetter auch noch lange warten. Sie steht direkt vor mir und fragt mich etwas. „Hmm? Was?“ frage ich und schrecke aus meinen Gedanken auf.
„Was hältst du von dem Lenindenkmal in Krasnojarsk?“ wiederholt sie.
„Das musst du noch fragen? Die sind ja wohl total durchgedreht!“ antworte ich und wir reden ein wenig über das, was in den Nachrichten läuft. Sie hat in fast allem irgendwie die gleiche Meinung wie ich.
Meine Station ist da. „Ich muss raus.“ Sage ich. Sie fragt, ob ich woanders hin muss als gestern. Ob sie weiß, dass ich gestern wegen ihr drinnen geblieben bin? „Ich erkläre es heute Abend, ok?“ sage ich und sie nickt.
Die Metro hält. Plötzlich überkommt es mich und ich küsse sie direkt auf ihre vollen Lippen. Nicht lange natürlich. Ich drehe mich wieder zurück und lasse mich von der Menge raustreiben. Bin ich übergeschnappt, einfach diesem Impuls zu folgen? Hätte ich ihn nicht zurückhalten können? Ich sehe zurück und begegne ihrem Blick. Sie sieht überrascht aus. Kein Wunder. Bevor ich etwas anderes aus ihrem Blick lesen kann, schließt sich die Tür und ich werde von der Menge in Richtung der langen Rolltreppen geschoben.
Auf dem Weg nach oben vorbei an den Plakaten mit der Aufschrift „60 лет победи“ fällt mir ein, dass ich keine Zeit ausgemacht habe. Ab wann fängt der Abend an? Ich will sie auf keinen Fall auf mich warten lassen, sie ist doch immer so pünktlich. 8 Uhr? Was ist, wenn sie schon um 6 kommt? Wenn sie überhaupt kommt. Ich kann nicht mal nach ihr in ihrem Haus fragen, ich weiß ja noch nicht mal ihren Namen.
Abends um 10 vor 6 gehe ich zu etwas, von dem ich hoffe, dass es ein Date ist. Na, wer weiß. Das Plini Loschka ist nicht sehr voll, ich checke den hinteren Bereich, aber sie ist nicht da. Will sie mich vielleicht gar nicht sehen? Vielleicht wegen des unüberlegten Kusses. Verdammt, verdammt, ich vermassel aber auch immer alles. Immer mit der Ruhe. Der Abend ist noch lang, vielleicht kommt sie auch erst um 10. Ich hole mir einen Earl Grey Tee. Ich hasse Tee, aber er beruhigt mich auf jeden Fall mehr als Kaffe oder Cola, und Kakao haben sie hier nicht.
Ich setze mich an einen freien Tisch nah am Fenster, so kann ich sie direkt sehen, wenn sie kommt. Warum habe ich ihr bloß keine Blumen gekauft? Ich könnte noch schnell gehen, draußen auf dem Bolschoii Prospekt verkauft eine alte Frau doch immer welche. Aber wenn sie in der Zwischenzeit kommt?
Etliche von Leuten kommen rein und raus, nur sie nicht. Hin und her, mein Gott, was für ein Gewusel. Typisch Petersburg. Ich stelle mich an und hole mir einen Plini Sirom. Der Käse ist ein wenig zu zäh, aber er ist eigentlich ziemlich lecker. Als ich gerade damit fertig war, kam sie. Sie hatte sich besonders hübsch gemacht und trug ein leichtes, schwarzes Kleid, dass ein gutes Stück über den Knien endete. Sie ist so eine Schönheit!
Ich gab ihr einen aus und wir hatten viel Spaß. Sie erwähnte kein Mal den Kuss von heute Vormittag, und mir war es peinlich, von selbst darauf zurückzukommen. Wir hatten eine lustige Idee für einen Film, der hauptsächlich aus ein paar unzusammenhängenden Szenen bestand und sie erzählte mir, dass sie kitzelig ist, was ich natürlich sofort ausprobierte. Die anderen Besucher wurden weniger und setzten sich in andere Ecken, wo sie nicht von unserem ständigen Gelächter gestört wurden. Einmal brachte ich sie so zum lachen, dass sie sich an ihrer Ananasfanta verschluckte und ich wandte meinen Trick an, mit dem Daumen leicht auf das untere Ende der Luftröhre zu drücken. Er hatte schon ein paar Mal geholfen und auch jetzt wirkte er.
„Danke“ meinte sie erleichtert und trank einen weiteren Schluck, wobei sie mich beobachtete, damit ich auch ja nicht noch einen Witz riss.
Um halb 12 machten wir uns auf den Weg nach Hause, ich brachte sie bis zu ihrer Wohnung nach oben.
„Es war ein schöner Abend“, sagte sie zufrieden.
„Ja. Danke dass du gekommen bist“, erwiderte ich.
Einen Moment überlegten wir, wie wir uns verabschieden sollten. Ich beugte mich vor, um ihr so einen Kuss wie in der Metro zu geben, doch sie legte ihren Arm um mich und zog mich zu sich. Sie küsste mich mit ihren sanften, weichen Lippen. Ich legte den Arm um ihre Taille und erwiderte den Kuss mit aller Leidenschaft, die sich in mir angestaut hatte, seit meine letzte Freundin mich verlassen hatte. Ihre Hand schob sich unter mein Hemd und sie zog mich in ihr Apartment und schloss die Tür.
„Schlaf mit mir!“ sagte ich während ich begann ihr Kleid aufzuknöpfen.
Sie sagte nichts, doch sie drängte mich ins Schlafzimmer und zog erst mein Hemd aus und dann ihr Kleid.
Sie lässt sich auf das weite Bettfallen und wartet darauf, dass ich zu ihr komme. Nichts lieber als das. Ihr Haar ist schon stark verwuschelt, was sie noch attraktiver macht – wie sie so daliegt, ihre nackte, warme Haut so nah bei mir, ihr Atem an meinem Gesicht und ihre perfekten, runden Brüste in meinen Händen – sie macht mich verrückt! Was habe ich für ein Glück, dass ich mit solch einen Engel in einem Bett liege!
„Nur dass dir das klar ist, das ist nicht nur für eine Nacht.“ Flüstere ich und ein leichter, zufriedener Schauer geht durch ihren Körper. Ich liebe dieses Gefühl, ich liebe diese Frau! Wir hätten das Fenster aufmachen sollen. Verdammt ist sie heiß!
Ich wache auf und neben mir auf dem Nachttisch stehen Toast mit Honig und eine heiße Tasse Kaffe. Sie scheint sich ja wirklich um mich zu sorgen. Ich höre sie in der Küche werkeln. Soll ich aufstehen und zu ihr gehen? Oder soll ich einfach hier liegen bleiben bis sie wiederkommt Sie nimmt mir die Entscheidung ab und kommt mit einem Tablett in der Hand ins Zimmer. Sie trägt ein türkises, etwas durchsichtiges Nachthemd das locker um ihren Körper fällt. Allein ihr Anblick ist fast so gut wie letzte Nacht…
Wir müssen beide zur Arbeit, denn es ist Donnerstag und wir machen uns auf. Heute sieht, mein täglicher Weg zur Metrostation etwas anders aus als sonst. Ein ganzes Stück anders sogar.
Von nun an gingen wir jeden Tag gemeinsam zur Metro und trafen uns abends. Sie war tatsächlich noch nie in der Kunstkammer gewesen und so lud ich sie ein und wir erschauerten gemeinsam vor den konservierten zweiköpfigen Embryos. Zwei Wochen verbrachten wir so und ähnlich den Tag miteinander, gingen im Park an der Admiralität spazieren, und die Nächte waren noch ein ganzes Stück besser. Wahrscheinlich störte die Nachbarn unser Gestöhne, aber was machte das schon? In letzter Zeit kam sie sowieso immer öfter zu mir, weil sie meine Wohnung schöner fand.
Heute hat sie frei, weil ihr Bruder aus Nowgorod zu Besuch kommt. Ich habe sie gefragt, ob wir uns nicht alle zusammen treffen können, aber ihr Bruder hat irgendwelche Probleme bei denen sie ihm hilft und das könnte ich nicht, deshalb wäre es besser wenn ich nicht dabei bin. Deswegen habe ich heute nichts zu tun, sitze in meinem Wohnzimmer und gucke abwechselnd den Култура Kanal und auf die Straße. Heute ist wenig los, nur ab und zu ein Trolleybus und die übliche Menge Autos, aber nur überschaubar viele Fußgänger. Ich gucke, ob ich irgendwen kenne, der gerade nichts tuend dort entlang schlendert aber hier aus dem 3. Stock kann ich nicht ganz so viel sehen. Ich könnte schnell in den CD-Laden ЕисБERG um die Ecke gehen, mal schauen, ob es einen netten Film gibt. Habe ich meinen Schlüssel und mein Geld? Gut, also los. Ich gehe auf die Straße ins Getümmel. Eine Weile sah ich niemanden Bekannten, aber dafür kurz darauf jemanden, den ich nicht erwartet hatte. Sie war es tatsächlich. Doch ich überlegte keinen Moment, ob ich auf sie zugehen sollte. Stattdessen versteckte ich mich so unauffällig an dem Blumenstand und tat so, als ob ich mir die Blumen ansehen wollte; denn sie war nicht allein.
„Es ist nur ihr Bruder!“ sagte ich zu mir selbst während ich beobachtete, wie sie mit dem Mann in Marinekleidung in Richtung der Metrostation kam. War es normal dass er sie so streichelte, als ihr Bruder? Oh verdammt, das kann doch nicht wahr sein – er küsst sie auf den Mund! Schlag ihn, Liebling, los! Warum wehrt sie sich nicht? Das kann nicht ihr Bruder sein. Jetzt sind sie vorbei und ich stapfe wutentbrannt nach Hause. Kann sie mir das wirklich antun – schon nach zwei Wochen?
Ich stürme in mein Schlafzimmer und werfe mich auf mein Bett. Ich fange an zu heulen. Und ich dachte, ich wäre glücklich! Ich habe noch überall Zeug von ihr liegen. Letzte Nacht noch hat sie ihren Mantel vergessen. Ob sie da schon etwas mit ihm hatte? Konnte sie es dann noch wagen, mit mir zu schlafen? Ich durchsuche ihre Taschen.
Sie hat ihr Handy in der Innentasche vergessen, es ist sogar an. Wie kann ich da noch wiederstehen? Ich sehe im Nachrichteingang nach. Bingo! Nikolas heißt das Schwein, dieser dreckige Marinetyp. Verdammt. Ich öffne die Nachricht, die er gestern Nachmittag geschrieben hat.
„Hallo mein Schatz!Ich wollte nur kurz sagen, dass mein Zug Morgen um 8 kommt,falls du’s vergessen hast.Bin also rechtzeitig zu unserm 1-jährigen zurück.Liebe dich,Nik.