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Milo und Franziska und Lucie

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14.08.2012
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Milo und Franziska und Lucie

Milo starrte auf seine Hände. An der Linken eine Brandwunde auf dem Handrücken, da und dort kleine Kratzer, der Daumennagel blauschwarz und am Handgelenk der Rechten eine kaum verheilte Abschürfung. Ziemlich zerschunden, die armen Pfoten. Ganz zu schweigen von dem traurigen Stummel des rechten Ringfingers. Er drehte die Hände und betrachtete die schwieligen Handflächen. Für einen Augenblick war er von einer verrückten Vorstellung fasziniert: Was wäre, fragte er sich, hätte er die unzähligen kleinen Verletzungen, die er sich im Laufe des Lebens zugezogen hatte, jetzt alle auf einmal? Von den aufgeschlagenen Knien der Kindheit über die blutigen Lippen nach den jugendlichen Raufereien bis zu dem abgerissenen Finger im vorletzten Winter. Wie sähe er aus? Wohl kaum wie ein Held der Arbeit, vermutlich eher wie das Folteropfer eines Irren, wie ein lebender Toter aus einem Zombiefilm. Wäre die Summe aller je erlittenen Schmerzen überhaupt zu ertragen? Oder würde er brüllen wie am Spieß?
Milo mochte seine Hände. Sie sähen aus, wie von Egon Schiele gezeichnet, hatte Franziska oft gesagt und war dabei mit ihren Fingern sanft die Venen auf seinem Handrücken nachgefahren. Und Lucie hatte als kleines Kind gemeint, seine Fingerkuppen fühlten sich an wie Baumrinde.
„Du bist so kratzig wie ein Baum, Milo“, hatte sie gesagt.
Aber war er auch so stark wie ein Baum, so standhaft?
Mal sehen, wie stark er wirklich war. Noch könnte er einfach aufstehen und sich aus dem Staub machen, sich in den Fiat setzen und weiß Gott wohin verschwinden. Im Kofferraum hatte er seine Schweißgeräte und in der Hosentasche gut viertausend Euro. Arbeit fände er überall, Männer wie er wurden immer gebraucht. Er starrte in die Baumkronen.
In dem Eisenkäfig neben der Parkbank kickten ein paar Türkenbuben, sie droschen einen Fußball gegen die Gitterstäbe, als ginge es um ihr Leben, und das höllische Scheppern jagte Milo Schauer über den Rücken. Ein Geräusch …
… wie das eines schleudernden Wagens, der sich funkenstiebend unter den Motorblock eines Fernlasters schiebt …
… ein Geräusch wie aus einem Alptraum.
Der Tormann, ein höchstens zwölfjähriges Bürschchen, qualmte eine Zigarette und blickte Milo herausfordernd an.
„'s guckst‘n deppat, Alda, he?“
„Warum soll ich nicht dumm gucken, wenn ich in so einer Welt leben muss, du Klugscheißer, ha?“
Außerdem hängt an allem ein Preiszettel dran in dieser Welt, wirst früh genug draufkommen, kleiner Blödmann. Das sagte Milo nicht mehr laut, es lohnte sich nicht. Er steckte sich eine Zigarette an und sah auf die Uhr. Jetzt müsste sie jeden Augenblick auftauchen. Er rauchte und beobachtete nervös den Hauseingang.
Als er endlich den struppigen Blondschopf entdeckte, stockte ihm für einen Moment der Atem. Verhalten pfiff er ihre Melodie. Lucie hob den Kopf, sah verwirrt um sich und erblickte ihn. Sie ließ den Geigenkoffer fallen, rannte auf ihn zu und flog ihm in die Arme.
„Milo!“ Tränen liefen ihr übers Gesicht und sie klammerte sich an ihn, als wolle sie ihn nie mehr loslassen.
„Wo warst du so lange?“, schluchzte sie.
„Da und dort. Aber jetzt bin ich ja da.“
„Und wie lange?“
„Ganz kurz nur …“
Sie blickte ihn entsetzt an.
„… wir fahren nämlich weg, wir zwei.“
„Was? Wohin? … Zum Opa nach Wien?“
„Willst du?“
„Na ja … weiß nicht. Müssen wir?“
„Nein. Du sagst mir, wo du hin willst.“
„Und wie lange fahren wir weg?“
„Solange du willst.“
Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und versuchte zu grinsen.
„Aber ich muss doch zur Schule.“
„Ach mein Schatz, Schulen gibt’s doch überall.“


Eine Spazierfahrt waren die siebenhundert Kilometer wahrhaftig nicht. Noch bevor sie die slowenische Grenze erreichten, setzte Regen ein. Und dann goss es in Strömen, Stunde um Stunde ohne Unterbrechung, eine wahre Sintflut, als stünde das Ende der Welt bevor.
Milo schlich dahin wie ein Fahrschüler, konzentriert und mit zusammengekniffenen Augen, und der kleine Fiat schlingerte durch die Gischt wie ein Boot, mehr als achtzig Sachen waren beim besten Willen nicht drin. Manchmal hielten ihn Fernlaster auf, und Milo hasste es, sie zu überholen. Hätte Lucie nicht pausenlos gequasselt und ihn mit ihren Späßen abgelenkt, wäre er übergeschnappt, er hätte eine Kippe an der anderen angesteckt und an den Fingernägeln gekaut oder sich die Lippen blutig gebissen.
Andererseits, wenn er es recht besah, rettete ihnen dieses Hundewetter womöglich das Leben, bei trockener Straße hätte es kein Halten für ihn gegeben, vermutlich wäre er gerast wie ein Irrer, als säßen ihm alle Dämonen der Hölle im Nacken. Der Wagen wäre vielleicht schon längst aus einer Kurve geflogen, wäre in einem Abgrund zerschellt oder hätte sich unter den Motorblock eines entgegenkommenden 36-Tonners gebohrt …
… und sich mit dem zu einer untrennbaren Einheit vermählt, eine bizarre Metallskulptur erschaffend in einem winzigen Augenblick, in so lächerlich kurzer Zeit, wie eine Haselmaus braucht, um mit der Wimper zu zucken. Sekundenbruchteile nur. Franziska aus dem Wrack zu schneiden, hatte beinahe eine Stunde gedauert, eine halbe Ewigkeit, die Feuerwehrmänner fuhrwerkten mit der Bergeschere herum und fluchten leise vor sich hin, während er die ganze Zeit ihre Hand hielt und sie ihn anschaute. „Du passt mir auf Lucie auf“, sagte sie, „immer, versprich mir das.“ Und das war keine Bitte, kein flehentlicher letzter Wunsch, das war eine Feststellung. Bis zuletzt hatte sie ihn angeschaut …
… Milo strich sich die Haare aus der Stirn und kaute auf der Zigarette, die seit Stunden zwischen seinen Lippen baumelte. Eine Rauchpause war längst fällig, aber er fühlte sich, als säße er auf glühenden Kohlen. Die Sache war nun mal kein Ladendiebstahl, da gab es nichts zu beschönigen. Entführung wäre wohl das Mindeste, das sie ihm vorwerfen würden. Wenn nicht gar Schlimmeres, da konnte ihn Lucie hundertmal Papa nennen, sich an ihn klammern und heiße Tränen vergießen. Er wusste nur zu gut, dass mit Franziskas Vater nicht zu spaßen war, dass man sich nicht ungestraft mit Leuten wie ihm anlegte. Herr Ministerialrat Hofinger, diese Säule der Gesellschaft, ein Kavalier alter Schule, in Wahrheit ein Pharisäer wie aus dem Buche, ein erbärmliches, seelenloses Arschloch, und derart arrogant, dass er Milo das Du-Wort entzogen hatte, kaum dass Franziskas Grab zugeschaufelt war. Und der ihm kurzerhand Lucie weggenommen hatte und sie ins Internat steckte, nicht weil ihm ihr Wohlergehen am Herzen lag, sondern einzig, um Milo zu quälen, diesen dahergelaufenen kroatischen Handwerker, diesen langhaarigen Tunichtgut, der sich erfrechte, sich Lucies Ziehvater zu nennen. Der alte Hofinger konnte einem wie ihm das Leben zur Hölle machen, ohne auch nur einen Fuß vor die Türe seines Büros zu setzen, der brauchte nur zum Telefon zu greifen und die Kavallerie setzte sich in Marsch. Nein, das war keine Spazierfahrt, die ganze Sache war wirklich kein Witz.
Sie erreichten den kilometerlangen Tunnel unter dem Velebit und Lucie war ganz aufgeregt, weil sie in einer Viertelstunde das Meer sehen würde. Als sie die andere Seite des Gebirges erreichten, schlief sie tief und fest. Vor ihm lag das Meer, honigfarben und glitzernd.


Onkel Josip war vollkommen aus dem Häuschen, als sie plötzlich vor seiner Bude standen. Erst starrte er sie an wie Gespenster, dann fiel er Milo um den Hals, drückte Lucie und wollte sie nicht mehr loslassen. Tränen kullerten ihm übers Gesicht wie einem Kind, er wischte sie lachend weg und holte eine Flasche Travarica aus dem Bootsschuppen.
„Milo, Milo, heiliger Strohsack, heiliger Himmel! Und Lucie, mein kleiner Liebling, Lucie! Jessas, was bist du groß geworden, und so hübsch, noch hübscher als deine Mama, das gibt’s ja nicht!“
Der alte Zausel tanzte umher und führte sich auf wie ein Verrückter, dann füllte er die Gläser. Entschlossenen Widerstand vermochte er, Milo, ihm nicht entgegen zu setzen, nicht nach so einem Tag, nicht an solch einem Abend. Der Abend war außergewöhnlich schön, die Wolken hatten sich verzogen und der Himmel dehnte sich endlos. Lucie jagte die Katzen durch den Garten und Josip grillte Lammkeulen, goss den Travarica über die Dinger und bespritzte sie mit Öl und der Himmel wurde rot wie das Feuer. Milo tat nichts anderes, als im Liegestuhl zu lümmeln, selig vor sich hin zu grinsen und Josips Geschimpfe über Franziskas Vater, diesen gottverfluchten Hurensohn, den vermaledeiten, zu lauschen. Das Feuer knisterte hinter Josip und sein Kopf schien in Flammen zu stehen.


Ob sie mit Josip aufs Meer rausfahren dürfe, fragte sie, kaum dass sie ihn wachgerüttelt hatte.
„Hmm? Was?“, knurrte er.
„Darf ich? Wir wollen angeln, hat er mir versprochen gestern.“
„Was? Mitten in der Nacht? Seid ihr verrückt?“
Milo vergrub das Gesicht im Kissen. Er wollte zurück in seinen Traum, er wollte Franziska noch ein wenig festhalten.
„He, wach auf, du Schlafmütze!“
„Ja ja … äh, was wollt ihr machen?“
Er streckte sich und rieb sich die Augen fast aus dem Kopf.
„Krebse fangen. Perlenmuscheln, Seesterne, solche Sachen halt.“
„Mit der Angel, soso.“
„Hat Josip gesagt, ja … Borgst du mir deinen Pullover?“
Milo setzte sich auf und blinzelte ins Sonnenlicht. Lucie stand neben dem Bett und hatte seinen grauen Pullover an. Das alte Ding reichte ihr bis zu den Knien, die Ärmel hatte sie hochgekrempelt und auf dem Kopf trug sie Josips Wollmütze. Sie grinste ihn an, nein, sie lächelte, sie strahlte. Ein Anblick von herzzerreißender Schönheit. Milo betrachtete sie, fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und biss sich auf die Lippe. Er schluckte und schloss für einen Moment die Augen. Mit jedem Tag sah sie Franziska ähnlicher.
„Schau ich nicht aus wie ein richtiger Matrose, Milo?“
„Na ja, mehr wie ein kleiner Landstreicher. Komm her.“
Lucie hüpfte aufs Bett, schlang die Arme um ihn und rieb das Gesicht an seiner Wange.
„Milo Stoppelbart, mmh.“ Sie kicherte.
„Schau mal.“ Sie drehte ihm die linke Schulter zu und schob den Ärmel hoch. Auf ihrem Oberarm prangte ein dunkelblauer Anker.
„Teufel, du hast ja eine Tätowierung! Wie ein echter Seemann.“
„Nur Kugelschreiber. Komm doch mit, Papa. Bitte.“
„Meinst du etwa, ich bin auf Urlaub, mein Schatz?“
Sie packte ihn an den Ohren und drückte ihre Nase an seine. „Bitte bitte bitte!“
„Mal sehen, du kleine Nervensäge. Jetzt machst du dem dummen Milo erst mal einen Kaffee, einen richtig starken.“
„Ay ay, Käpt’n Stoppelbart.“ Sie sprang vom Bett und flitzte aus dem Zimmer.
„Squornhöllischvierstark!“, rief er ihr nach und ließ sich wieder auf die Matratze sinken.
Er schnappte sich die Sonnenbrille vom Nachtkästchen, setzte sie auf die Nase und machte sich eine Zigarette an. Er stieß eine Rauchwolke unter die Decke, kratzte sich über die Bartstoppeln und gähnte, dass er den Kiefer knacken hörte. Er hustete und grinste in die Luft.
„Wir sind nicht auf Urlaub, mein Schatz", murmelte er, „wir sind zu Hause.“

 

@ bernadette & JuJu & Rick

bernadette schrieb:
… aber wie soll man am Anfang aus deinem jetzigen Text herauslesen, dass [der Opa] eigentlich der Erziehungsberechtigte ist? Da würde ich den Leser nicht so lange im Unklaren lassen, das verwirrt nur unnötig.

Äh, ist das wirklich so wichtig, bernadette? Also ich mein, wie lange kann man bei einem ohnehin so kurzen Text denn verwirrt sein? Andererseits sagt auch Juju

JuJu schrieb:
Mir war übrigens auch nicht ganz klar, wie genau Milo mit Lucie und dann Franziska in Verbindung steht. So was kann man auch deutlicher machen, find ich.

Na ja, jetzt bin ich schon ein wenig verunsichert. Meint ihr echt, es steht zu wenig drin in der Geschichte? Also für mein Gefühl ist doch spätestens mit dem Ende alles entschlüsselt, oder nicht?

bernadette schrieb:
weil diese Abholaktion von der Schule so aussieht, als ginge sie in eine normale Tagesschule. (Da musst du was ändern, unbedingt).

Es steht nirgends, dass Milo Lucie von der Schule abholt, ich schrieb absichtlich Hauseingang und nicht z.B. Schultor. Ich würd mal sagen, sie kommt halt vom Geigenunterricht, oder so …

Schwierig. Verdammt, ich glaub, ich geh lieber wieder an die Werkbank.


Nein, erst will ich mich noch bei Rick bedanken:

Tja, dein Text schafft etwas Erstaunliches. Er steckt voller Konfliktpotential und du lässt das völlig ungenutzt. Es ist eine (fast zu) liebenswerte Geschichte, die sich (fast zu) glatt und reibungslos auf ihren Schluss zubewegt, der kein Ende ist, sondern ein Anfang von Etwas, das mich noch viel mehr interessiert, als das, was du bereits erzählt hast.
Mir ist das zu wenig

Verdammt, verdammt, verdammt!

… Und das soll ein Kompliment sein, denn ich fühle mich gut beim Lesen deiner Texte und folge deinen Worten gern.

Pff.

Aus Feigheit und/oder Faulheit opfern wir so manche Romanidee und beschneiden sie so stark, bis sie mehr oder weniger in das Kurzgeschichtenformat passen.

Ach Rick, meinst du denn, ich dächte im Ernst daran, einen Roman zu schreiben?
Ich.Wollte.Eine.Kleine.Schöne.Story.Schreiben.
Mehr nicht, echt nicht. Ist das zu wenig? Verdammt, ich bin doch kein Autor, ich bin nur ein dusseliger offshore, frag bernadette.

So, ich bin eh schon wieder ernst.

an deinem Stil ist - wie immer - nichts auszusetzen.

Natürlich freue ich mich über dein Lob, Rick, vor allem, dass dir mein Stil gefällt, ist mir wichtig. Über die zwei, drei Stellen, die du bemängelst, werde ich nochmal nachdenken, auch wenn‘s mir schwer fällt, aber du begründest deine Einwände so zwingend nachvollziehbar, dass mir kaum anderes überbleibt, als die Textstellen zu ändern. Auch wenn’s weh tut …

Über die ganze Geschichte will ich noch ein wenig nachdenken, lasst mir einfach noch ein wenig Zeit.

Vielen Dank, Rick.

 

Hallo Ernst,

Sie erreichten den kilometerlangen Tunnel unter dem Velebit und Lucie war ganz aufgeregt, weil sie in einer Viertelstunde das Meer sehen könne. Als sie die andere Seite des Gebirges erreichten, schlief sie tief und fest. Vor ihm lag das Meer, honigfarben und glitzernd.

Dieser Satz hat mich rausgehauen.

Auf den Schwingen der Poesie hinaus in die Freiheit ... das Meer, fast haselmausbraun, aber gelungernerweise doch lieber honigfarben, fest im Blick !

Und mag es alles Illusion sein, hoffnungsloses Trachten und Wunschbild - dieser Moment wurde gelebt, und all das Sehnen erfuhr Wirklichkeit, jenseits des Tunnels. Und Hofinger, und all die Hofinger dieser Welt, die noch nicht mal Sehnsucht kennen, sondern mit Bauplänen zur Internierung von Träumen ihr Geld verdienen, all diese Hofinger werden zu Dir strömen, ihre Börsen öffnen und Dich zu kaufen trachten: "Schreib weiter, Ernst! Einen Roman! Wie wir übers Gebirge fliegen mit unseren Turboprops! Die Kleine retten, ihre *Ausbildung..."

Haltet ein, rufe ich ihnen zu! Verschwindet, weltverheerendes Gesindel! Er wird es nicht tun, denn er ist wissend!

Sehr schön insceniertes, überaus herzliches (mit dem Wort "menschlich" komm ich irgendwie nicht zurecht) road movie.

(*Manch ein Kommentar verzagt mich hier, aber ich beruhig mich schon wieder.)

Eines noch:

einem winzigen Augenblick, in so lächerlich kurzer Zeit, wie eine Haselmaus braucht, um mit der Wimper

Hehe, die Haselmaus macht kaum etwas kaputt am Textganzen, wenn sie ihre Wimpern schlägt. Als sie noch eine Amsel war, da machte sie sogar gar nichts kaputt. Ich frage mich allerdings, weshalb du hier unbedingt den Griff ins Tierreich tatest, zumal z.B. ein einfaches "für die Dauer eines Wimpernschlages" bereitstünde.

Gruß
7miles

 
Zuletzt bearbeitet:

7miles schrieb:
Auf den Schwingen der Poesie hinaus in die Freiheit ...
Haltet ein, rufe ich ihnen zu! Verschwindet, weltverheerendes Gesindel! Er wird es nicht tun, denn er ist wissend!

Ach, 7miles!
Seit deiner Geschichte vom Lichterhannes ahnte ich, mit dir einen Seelenverwandten im Forum zu haben, einen hoffnungslos anachronistischen Spinner, einen Träumer im besten Sinne, und fühle mich nach diesem Kommentar einmal mehr in meinem Verdacht bestätigt.

7miles schrieb:
Ich frage mich allerdings, weshalb du hier unbedingt den Griff ins Tierreich tatest, zumal z.B. ein einfaches "für die Dauer eines Wimpernschlages" bereitstünde.

Ausgerechnet du fragst dich das, 7miles, der so ungemein poetische Schöpfer des Lichterhannes? Du, dessen wohl nicht zufällig gewählter Nick schon bei unserer ersten Begegnung, wenn auch auf assoziativen Umwegen, mich an Marshall Bruce Mathers III denken ließ, einen nicht minder großartigen Poeten? Du, den ich bei einer weiteren Begegnung ob seines schillernden, selbstironischen, an Heine gemahnenden Sprachwitzes gar des Konsums fragwürdiger Dingsbums verdächtigte und das allemal als Kompliment verstand?

Du fragst dich und mich allen Ernstes, ob es wirklich metaphernder Amseln, Haselmäuse, gar Zeisige bedürfe?

Tja, eigentlich eine gute Frage, wenn ich‘s mir recht überlege …

Vielen Dank, 7miles, für deine wahrlich funkenschlagenden Worte.

offshore

 

Ich habe nicht alle Kommentare gelesen, aber jemand hat gesagt, dass es ein Roman sein könnte ... Das war auch mein erster Gedanke, nachdem ich die Geschichte gelesen habe. Man könnte einen guten Roman oder Film daraus machen :) Es wäre interessant zu erfahren, wie solch unterschiedliche Menschen wie Milo und Franziska zusammen gekommen sind, wie sie sich überhaupt kennen gelernt haben. (Ob sie unterschiedlich waren, weiß man nicht, aber sie stammen aus verschiedenen sozialen schichten. Ich glaube nicht, dass Milo wusste, wer Egon Schiele ist, bovor er Franziska traf) Es wäre interessant zu wissen, wie es weitergeht, man kann sich denken, dass diese Situation nicht gut enden kann.
Dass Franziskas Vater ein Arschloch ist, ist Milos naive Ansicht. Er war sicher ein spießiger alter Mann, aber es ist objektiv verständlich, dass er seine Enkelin behalten will. Und den Freund der verstorbenen Tochter muss er auch nicht unbedingt mögen. Was ich damit sagen will- alle Beteiligten sind bemitleidenswert. Ich finde, Du musst unbedingt mehr daraus machen! :)
Und ja, es ist sehr schön geschrieben, rührend und poetisch!

LG, Schenja

 

Hallo offshore,
ich will mich mal an meinen ersten Kommentar wagen, der auch kritische Töne enthält. Hab zunächst die anderen Anmerkungen nicht gelesen, um mein Urteil nicht zu trüben, werde es im Anschluss aber nachholen.
Also vorab, ich finde die Geschichte einfach und zärtlich. Ich konnte mich reinfühlen, obwohl mir das Thema total fremd ist. Viele gute Bilder sind dabei, der Spannungsbogen stimmt, keine Längen. Aber ja, ich würde tatsächlich erwarten, dass es weitergeht.
Was mir nicht so gut gefallen hat, war dieses einen Ticken zu Melodramatische, was an manchen Stellen durchschimmert. So vor allem das Gespräch, als Franziska stirbt. Irgendwie drückte es so auf die Tränendrüse.
Dann der Schwiegervater. Ich fand ihn etwas überzeichnet. Die Beschreibung ist sehr direkt, schwarz/weiß, sie lässt mir als Leser keine andere Möglichkeit, als ihn zu hassen.
Der Satz mit dem Preiszettel. Eine schöne Beobachtung, keine Frage. Aber wieso an dieser Stelle? Wieso musste er ihn in dieser Situation denken? Das hat sich bei mir irgendwie nicht gefügt.
So, das war´s, glaube ich.
Die zärtlichen Momente mochte ich wirklich gerne.
Lieben Gruß
HT

 

@ Schenja

Ich habe nicht alle Kommentare gelesen,
kennst du einen, kennst du alle, liebe Schenja, will ich jetzt nicht gerade behaupten, …

aber jemand hat gesagt, dass es ein Roman sein könnte ...
… in der Tat: Jimmy, Fliege, JuJu, Rick, und jetzt auch du. Alle sagt ihr das. Schön langsam glaub ich’s selbst …

Es wäre interessant zu wissen, wie es weitergeht, man kann sich denken, dass diese Situation nicht gut enden kann.
Ist halt die Frage, für wen sie nicht gut endet …

Dass Franziskas Vater ein Arschloch ist, ist Milos naive Ansicht.
Na ja, ich würde es eher so sehen, dass sich Milos Ansicht durchaus auf einschlägige Erfahrungen gründet.

Er war sicher ein spießiger alter Mann, aber es ist objektiv verständlich, dass er seine Enkelin behalten will.
… ganz recht, weil er, obzwar ein bürokratischer Sturschädel, in Wahrheit wirklich nur das Beste für Lucie will, bzw. das, was er als das Beste für sie erachtet. Was sich halt nicht unbedingt mit Milos Wertvorstellungen deckt.

Und den Freund der verstorbenen Tochter muss er auch nicht unbedingt mögen.
Richtig, so wie auch umgekehrt der Freund der verstorbenen Tochter ihn nicht mögen muss, ach was sag ich, nicht mögen kann, weil er, also der Freund, also Milo, doch weiß, was dieser Hofinger nicht nur seiner Tochter, sondern überhaupt allen Menschen anzutun imstande ist und sich nicht scheut, das auch zu tun. Ohne sich dabei irgendeiner Schuld bewusst zu sein. Skrupellos halt …

Was ich damit sagen will- alle Beteiligten sind bemitleidenswert.
Na ja, Franziska eigentlich nicht, die ist ja tot, hat dieses Jammertal sozusagen schon durchschritten.

Ich finde, Du musst unbedingt mehr daraus machen!
Das sehe ich mittlerweile genauso und Ich will mich bemühen, versprochen.

Und ja, es ist sehr schön geschrieben, rührend und poetisch!
Ja, das sehe ich genauso.

Ich danke dir ehrlich für deine Einschätzung, Schenja, und ja, auch für deine Aufmunterung. Das meine ich jetzt ganz ernst, also eure Anstöße motivieren mich mehr und mehr, mir das Ding wirklich noch mal vorzunehmen
(und tatsächlich hab ich schon eine weitere Szene beinahe fertig (Arbeitstitel: „Hofinger im Büro oder Psychogramm eines ehrenwerten Mannes“)

Servus HerrTaktlos,

Also vorab, ich finde die Geschichte einfach und zärtlich. Ich konnte mich reinfühlen, obwohl mir das Thema total fremd ist. Viele gute Bilder sind dabei, der Spannungsbogen stimmt, keine Längen. Aber ja, ich würde tatsächlich erwarten, dass es weitergeht.

Damit reihst du dich in die Schar derer ein, denen meine Geschichte offenbar Neugierde am weiteren Schicksal von Milo und Lucie zu wecken vermochte, und das fasse ich allemal als Kompliment auf.

Was mir nicht so gut gefallen hat, war dieses einen Ticken zu Melodramatische,

Ich kann mich nicht einmal mit dem Hinweis darauf rechtfertigen, sowas in Hinkunft vermeiden zu wollen, weil es mir wahrscheinlich nicht gelingen wird. Dieser Hang zu sentimentaler Gefühlsduselei scheint tief in meiner Persönlichkeitsstruktur verankert zu sein, aber solange niemand meine Texte elenden Kitsch nennt, kann ich damit leben.

Eine schöne Beobachtung, keine Frage. Aber wieso an dieser Stelle? Wieso musste er ihn in dieser Situation denken?
Tja, ich weiß, ich als Autor sollte dir diese Frage eigentlich beantworten können, wer sonst? Ich werde mich mit Milo zusammensetzen und die Frage eingehend mit ihm erörtern …

Die zärtlichen Momente mochte ich wirklich gerne.

Vielen Dank, Herr Taktlos

 

Hallo ernst

Ich bin um diesen Titel mehrfach etwas herumgestreunt, mal ein paar Zeilen des Textes oder auch der Kommentare gelesen, doch ein vertieftes Eindringen immer wieder auf die Wartebank geschickt. Dein Hang, dich in deinen Geschichten auf Jugendliche zu kaprizieren, dämpfte mir etwas den Reiz. Dies spricht nicht gegen die Qualität deiner Geschichten, sondern reflektiert mehr eigene Interessen. Heute gab ich mir nun doch einen Ruck, der Neugierde gehorchend.

Was wäre, fragte er sich, hätte er die unzähligen kleinen Verletzungen, die er sich im Laufe des Lebens zugezogen hatte, jetzt alle auf einmal?

Mein erster Eindruck zum Einstieg war, etwas eigenwillig, dieser konzentrierte Blick eines Handwerkers auf seine Vernarbungen. Wer fixiert real ein solches Sammelsurium? Welches Motiv leitet ihn da? Dann obenstehender Satz! Ein masochistischer Gedanke, der sich offeriert? Oder ist es ein kaschierter Anfall von Angst, etwa ob seiner Lebensbilanz?

Noch könnte er einfach aufstehen und sich aus dem Staub machen, sich in den Fiat setzen und weiß Gott wohin verschwinden.

Ha, also doch symptomatisch zuordnungsbar?

… wie das eines schleudernden Wagens, der sich funkenstiebend unter den Motorblock eines Lasters schiebt …

Und es nimmt schon beinah manische Züge an.
Doch später rückt es das Bild in eine Schablone von „Normalität“, als Ausdruck einer Erinnerung an traumatisch erlebte Wirklichkeit.

Zuweilen zeigen sich verbale Übertreibungen, wie etwa die Gischt des Regens bei der Fahrt noch nördlich des Gebirges. Wären sie bereits am Meer, wo Wassermengen sich kaum mehr durchblickbar absetzen können, hätte ich, ohne mit der Wimper zu zucken darüber hinweggelesen. Doch schluckte ich diese enthusiastischen Formulierungen im Kontext der ganzen Geschichte, die mir diesmal als sehr feinfühlig und spannend dargelegt erschien. Eine wirklich sehr schöne Erzählung.

Plastisch erschien mir die Erwähnung von Egon Schiele. In der Erinnerung eröffneten sich mir ein paar langgliedrige Hände, die er malte. So stellte ich mir die schwieligen Hände von Milo zwar nicht vor, aber du schafftest es, mir ein Bild zu erzeugen.
Nur eines noch. Mit deinem wienerischen Jessas, es tritt manchmal auch in deinen Kommentaren auf, erinnerst du mich stets wieder an die Rudolfine Steindling, die rote Fini, die ihr Büro in einer Seitenstrasse nahe der Spanischen Hofreitschule hatte. Freud assoziiere ich damit eigenartigerweise nicht. Ob er dies auch drauf hatte? :D

Meine wirklich ungebührliche Skepsis hat sich in Wohlgefallen aufgelöst, und es bleibt mir nur anzumerken, dass ich die Geschichte mit Vergnügen gelesen habe.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo ernst offshore,


eigentlich kommt mir deine Geschichte wie ein Romananfang vor.

Es ist bereits alles an Zutaten enthalten: Stiefvater und Tochter, die jetzt in einem anderen Land leben wird mit ihm, aber bevor sich das wirklich als ihr endgültiges Zuhause entpuppen wird, wird noch jede Menge Gewitter in Form des Großvaters auf die beiden runter donnern.


Das sag ich jetzt, da ich die Geschichte ja bis zum Ende kenne.

Kurz vor Schluss dachte ich jedoch, dass jetzt die nächste Katastrophe kommt. Das Kind fährt raus auf das Meer und wird dort durch ein Unglück ins Wasser fallen und ertrinken, während er sich noch an Land dösend und träumend befindet. Auf solch ein Ende war ich gefasst, weil ich davon ausging, es käme noch ein spannendes Ende, alles baut sich in Richtung einer Katastrophe auf.
Du kannst dir sicherlich vorstellen, dass ich dann ein wenig blöd geguckt habe, als dein Schlusssatz kam.

Wäre vielleicht auch ein anderes Ende möglich? Z.B., dass beide sich sehr wohl fühlen, aber aufgespürt werden und nun erneut fliehen müssen?
Ein Drama könnte diese Geschichte durchaus verkraften.

Gefallen hat mir deine Art, die Dinge zu erzählen. Das lief gut wie ein Film vor meinen Augen ab. Insoweit eine runde Erzählung, die beim Leser auch viel Empathie für die Protagonisten hervorruft.

Zwei Dinge haben mich etwas gestört:

1. Während der Autofahrt denkt er an den Unfall und für meine Begriffe geht er zu beiläufig mit der Gefahr um, dass ihn so etwas auch treffen könnte.
Er für sich allein, da könnte ich seine Gedanken ja noch verstehen, aber nun hat er die Kleine dabei, da müsste doch sein Beschützerwillen viel kräftiger hervorkommen. Ich fand diese Stelle nicht so glaubwürdig. Vielleicht reichen ein, zwei zusätzliche Sätze, um es in Ordnung zu bringen.


2.) Der Titel.
Ich erspare dir einen Vortrag über den Sinn und Zweck eines Titels.
Ich räume ein, mir fällt im Moment auch nichts ein, was ich 100% besser fände. So etwas wie "Lucie's Zukunft" "Lucie's Freiheit", am ehesten würde mir " Ein Meer für Lucie" gefallen. Meer bedeutet Freiheit und genau das verschafft sich der Protagonist zusammen mit ihr. Ich finde Titel dürfen ruhig mehrdeutig sein, solange wenigstens eine der Deutungen mit dem Inhalt der Geschichte harmonisch ist.

An dieser Stelle würde ich diesen Satz rausnehmen. Der Text erklärt sich selbst.

Das sagte Milo nicht mehr laut, es lohnte sich nicht

Am Ende möchte ich wiederholen: ich habe diese Geschichte gern gelesen und sie hat mir gefallen.


Lieben Gruß

lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Anakreon schrieb:
Mein erster Eindruck zum Einstieg war, etwas eigenwillig, dieser konzentrierte Blick eines Handwerkers auf seine Vernarbungen. Wer fixiert real ein solches Sammelsurium? Welches Motiv leitet ihn da?

Gar kein Motiv, lieber Anakreon, oder, ich will’s mal so sagen, vielleicht ist es doch das Leben, das die besseren Geschichten schreibt.
Am Tag, bevor ich meine Geschichte endlich fertig bekam, saß ich nach einer Montage in einem Gasthausgarten, zufrieden, erschöpft und erledigt, rauchte, trank Bier, dachte an gar nichts und starrte auf meine Hände. Das tat ich sicher nicht zum erstenmal in meinem Leben.
Und plötzlich machte es „Ploing“ in meinem Kopf! „Verdammt, offshore, das ist der Anfang für deine Geschichte!“, erkannte ich, genau, der Anfang, um den ich mich wochenlang so vergeblich bemüht hatte. Kein Witz, Anakreon, für die Authentizität der ersten zehn Zeilen kann ich mich verbürgen.

Dann obenstehender Satz! Ein masochistischer Gedanke, der sich offeriert? Oder ist es ein kaschierter Anfall von Angst, etwa ob seiner Lebensbilanz?

Na ja, Milos Nachdenken über „die Summe aller je erlittenen physischen Schmerzen“ sah ich schon irgendwie auch als eine Art Gleichnis, also was ist einem Menschenleben, mal abgesehen von körperlichen Qualen, an Kummer und seelischem Leid überhaupt zumutbar, sowas in der Art halt.
Nicht, dass ich den ersten Absatz als hingeschludert empfände, ich mag ihn wirklich gerne, aber gleichzeitig ist mir bewusst, dass der durchaus noch die eine oder andere Korrektur vertrüge, also den könnte man für mein Gefühl schon noch ein wenig ausarbeiten. Andererseits sagt z.B. bernadette „… dass mir der Anfang zu viel Detail ist, zu viel erzählt. Es geht schon etwas lang, bis die Chose in Fahrt (sprichwörtlich) kommt.
Na ja, mal sehen (Solltest du die anderen Kommentare gelesen haben, wirst du ohnehin schon wissen, dass die undankbare Meute einen Roman von mir verlangt …)

Zuweilen zeigen sich verbale Übertreibungen, wie etwa die Gischt des Regens bei der Fahrt noch nördlich des Gebirges.

Mal abgesehen davon, dass ich sowieso eine Tätowierung auf meiner Stirne trage: „Vorsicht, offshore neigt zu verbalen Amokläufen“ - in der Erstfassung ließ ich den Fiat noch wie einen Lachs durch Stromschnellen preschen …- finde ich das Bild mit der Gischt in diesem Falle wirklich angemessen. Du bist doch sicherlich schon einmal bei strömendem Regen auf der Autobahn hinter Lastern hergefahren. Was, wenn nicht Gischtfahnen ziehen die hinter sich her?

Doch schluckte ich diese enthusiastischen Formulierungen

Es war keine wirklich bittere Medizin, oder?

Plastisch erschien mir die Erwähnung von Egon Schiele. In der Erinnerung eröffneten sich mir ein paar langgliedrige Hände, die er malte. So stellte ich mir die schwieligen Hände von Milo zwar nicht vor, aber du schafftest es, mir ein Bild zu erzeugen.

Obendrein setzen schwielige Handflächen ja nicht unbedingt Wurstfinger voraus.

Nur eines noch. Mit deinem wienerischen Jessas, es tritt manchmal auch in deinen Kommentaren auf, erinnerst du mich stets wieder an die Rudolfine Steindling, die rote Fini, die ihr Büro in einer Seitenstrasse nahe der Spanischen Hofreitschule hatte.

Jetzt wüsste ich natürlich wahnsinnig gerne, was du, Anakreon, mit der legendären Roten Fini zu schaffen hattest. Sag bloß, du warst ihr Vermögensberater, oder gar ihr Schweizer Bankier, du Schelm …

… der ganzen Geschichte, die mir diesmal als sehr feinfühlig und spannend dargelegt erschien. Eine wirklich sehr schöne Erzählung

Du hast mir mit deinem Kommentar eine große Freude gemacht, ehrlich.
Vielen Dank, Anakreon.

Servus lakita,

lakita schrieb:
Kurz vor Schluss dachte ich jedoch, dass jetzt die nächste Katastrophe kommt. Das Kind fährt raus auf das Meer und wird dort durch ein Unglück ins Wasser fallen und ertrinken, während er sich noch an Land dösend und träumend befindet. Auf solch ein Ende war ich gefasst, weil ich davon ausging, es käme noch ein spannendes Ende, alles baut sich in Richtung einer Katastrophe auf.

B. schrieb:
Lässt du es mit Grauen enden? (Pullover bleibt, an Klippen geschwemmt, als traurige Erinnerung)
Soll es der Graue zum Guten wenden? (Kälteschutz in Not)
Trost und Sicherheit spenden? (da gefertigt in Liebe von ....)

Tja, liebe lakita, das schrieb mir im April meine Jugendfreundin B., der ich einige Fragmente zu lesen gegeben hatte, die trugen damals noch den Arbeitstitel „Der graue Pullover“. Und tatsächlich schwebte mir damals ein wahrhaft tragisches Ende vor. Genau, Lucie ertrinkt, womöglich eh nur wegen des blöden Wollpullovers, den natürlich vor Jahren Franziska gestrickt hat. Und beim Versuch, sie zu retten, kommt auch noch der alte Josip ums Leben. Milo dreht daraufhin völlig durch, packt sein Werkzeug ein und begibt sich, vollkommen zerrüttet und verblendet von seinem Gram, auf einen grauenvollen Rachefeldzug nach Wien, an dessen Ende der alte Hofinger …
Heilige Scheiße, ich darf gar nicht daran denken. Im Ernst, lakita, würdest du sowas lesen wollen?
Sag einfach ja, und ich setzt mich noch mal an die Geschichte.

Ganz im Ernst, lakita, mittlerweile bin ich durch die vielen diesbezüglichen Kommentare wirklich motiviert, die Geschichte auszuarbeiten, tendiere allerdings zu einem nicht ganz so furchtbaren Ende. Milo, Lucie und Josip werden es überleben, den alten Hofinger hingegen wird wohl oder übel die gerechte … Na, ja, ich möchte nicht zu viel verraten, gebt mir einfach ein wenig viel Zeit.
Und womöglich hat das Ding dann auch einen anderen Titel, mal sehen. Obwohl ich mir über den jetzigen Titel natürlich schon auch den Kopf zerbrochen hatte, mit dieser ungewöhnlichen, zweimaligen Verwendung der Konjunktion und (bernadette nannte sie gar „deutschmäßig sehr KC-bedürftig“) wollte ich die starke Beziehung, die tiefe Verbundenheit der drei darstellen, und ja, auch dass nach wie vor Franziska sehr präsent ist für Milo und Lucie. Ja, sehr verkopft wahrscheinlich.
Deine Vorschläge ("Lucie's Zukunft", "Lucie's Freiheit", "Ein Meer für Lucie") in Ehren lakita, aber die sind mir irgendwie zu, äh, ja, beinahe zu penetrant irgendwie, die klingen ja beinahe wie die Titel von so Groschenheft-Herzschmerz-Torten. (Und für diesen Seitenhieb bist du mir jetzt bitte nicht böse.)


Vielen Dank für deine Anregungen und dein Lob, lakita.

 

Hallo ernst, nichts gegen einen Roman, der wird bestimmt schön, und ich kauf den auch, versprochen. Dann steht halt der Konflikt zwischen Milo und Hofinger im Vordergrund.
Man kann deine Geschichte aber auch anders lesen, also mir ging das jedenfalls so, nämlich als die Geschichte der Entscheidungsfindung eines Mannes. Das beginnt schon mit dem wunderbaren ersten Absatz, wenn er auf seine Hände schaut und die Verletzungen anschaut. Dann das Abholen am Haus, die lange Fahrt durch den Regen, seine Erinnerungen, das alles steigt wie ei Bild in ihm empor, nicht nur die Hände, der ganze Milo ist doch zerschunden und hat verlieren müssen und trotzdem ist er irgendwie ganz geblieben. Ich hab mich halt gefragt, wohin fährt man denn, wenn alles so ein bisschen wund ist und man noch nicht weiß, wie die Fahrt des Lebens (ich weiß klingt schwülstelig, mir fällt aber grad nicht anderes ein) denn weitergehen soll. Man fährt dorthin, wo es einem gut geht, wo Freunde sind, hier der Onkel, wo die Landschaft ist, die einen wieder beruhigt, und auf der Fahrt und als er dort ist, wo er seine Wunden lecken will, dort fällt ihm dann auf, dass die Entschedung längst gefallen ist, er will Lucie behalten. Sein Körper hat die Entscheidung schon längst getroffen und der Kopf fährt ein bisschen hinterher. Von daher ja, stimmt, was 7miles, da sagt, das ist ein roadmovie. Es ist für mich die Geschichte eines Mannes, der zu einem Entschluss, einer Entscheidung kommt, der hat selbst noch nicht das völlig klare Bewusstsein davon gehabt, was das alles wird, wenn er mit Lucie flieht. Als er dann aber bei Josip ist, da wird es ihm so richtig klar, er will/wird Lucie behalten, auch wenn da ein Hofinger im Hintergrund mit seiner Knete manipuliert. Milo hat seine Heimat wiederentdeckt. Für sich und Lucie. Und ja, das ist natürlich furchtbar romantisch, vielleicht sogar melodramatisch. Und klar, da ist es gut, ein Korrektiv wie Proof zu haben. Aber insgesamt was solls. Jimmy nannte es oldschool und fand es toll. Mir geht das ähnlich. Hab gestern mal in einem anderen Forum Kurzgeschichten und Gedichte gelesen und uahhh, die waren alle so geschrieben, als müssten sie den Modernitätspreis gewinnen, so abgeklärt und voller Entschlossenheit zur Sprachoriginalität und dadurch so furchtbar gleichförmig. Langweilig. Zur Erholung hab ich schnell noch mal Flieges Arscheier und dein kleines roadmovie gelesen. Ja.

Also deine Geschichte hat es mir angetan. Ich find sie wehmütig und traurig und trotzdem hoffnungsvoll. Sehr berührend. Und klar, alles was die anderen einwenden, das kann man so natürlich sehen, es ist berechtigt. Liegt vielleicht daran, dass du diese Entscheidungsfindung nicht allzu sehr betonst. Man kann die Geschichte locker auch so verstehen, dass ihm von vorneherein klar ist, weshalb er zu Josip fährt. Ich verstehe es halt so, dass erst dort alles wirklich klar für ihn wird.
Das wäre aus meiner Sicht also das einzige, was du vielleicht machen könntest, nämlich die KG stärker in diese Richtung betonen. Irgendwo schriebst du mal, dass du Milo ein bisschen hast rumüberlegen lassen, ob er das jetzt für sich tut oder für Lucie. Also so in diese Richtung, aber eben gar nicht als geistiges Räsonnement, sondern es anderes in den Text einfließen lassen. Eher als Bilder, die bei ihm auftauchen während der Fahrt. Hab keine Ahnung ider Idee, wie man sowas gut macht. Es ist ja auch in der Realität so, dass Entscheidungen, wie etwas weitergehen soll, wie man sich zu einer Sache stellen will, nicht als geistige Plus- Minus-List ablaufen, sondern das geschieht eher unbewusst. Und hier der Milo, den zeichnest du ja auch eher als einen Mann der Tat.
Und jetzt komm ich zu deiner Charakterisierung von Milo.
Mensch, dieser erste Absatz, der ist wirklich großartig. Man liest das und man weiß sofort, was Milo für ein Kerl ist. Der arbeitet, formt mit seinen Händen. Für den sind die Hände sein Werkzeug und sie sind das Lebensbuch, in das sich alles eingegraben hat, jede Verletzung, jeder kleine Riss, das tut weh, und wenn alles gleichzeitig passieren würde, wäre das gar nicht zum Aushalten, und obwohl du das nur über das Physische machst, also die Kratzer und Wunden und tiefen Verletzungen der Hände, denkt man sofort auch an seelische Verletzungen, an Trauer. Du hast Milo damit sofort als einen Mann beschrieben, der eine Menge erlebt und erfahren hat, der ganz schön verwundet worden ist und der trotz seiner Wunden ganz geblieben ist, weil er sehr intensiv geliebt hat und immer noch liebt. Denn die schrundigen Hände, die mag er ja, er steht dazu, sie sind sein Leben, die wurden von seiner Franziska geliebt, und sie sind das Band, das ihn mit Lucie verbindet.
Also ganz ganz dickes, fettes Kompliment für diesen Abschnitt. Ich fand das richtig richtig schön.

Hier noch ein paar Spezialstellen:

Der Tormann, ein höchstens zwölfjähriges Bürschchen, qualmte eine Zigarette und blickte Milo herausfordernd an.
„‘s guckst‘n deppat, Alda, he?“
„Warum soll ich nicht dumm gucken, wenn ich in so einer Welt leben muss, du Klugscheißer, ha?“
Außerdem hängt an allem ein Preiszettel dran in dieser Welt, wirst früh genug draufkommen, kleiner Blödmann.
Schön!

Jetzt müsste jeden Moment der Unterricht aus sein. Er rauchte und beobachtete nervös den Hauseingang.
Hier gab es ja Probleme, weil man zu sehr verstehen könne, dass sie aus der Schule käme und das zwickt sich mit Internat. Warum schreibst du nicht einfach:
Jetzt musste sie jeden Augenblick kommen.
Dann kann er sie duirekt vor dem Internat weggeklaut haben und sie kann einfach aus der Geigenstunde kommen. Bzw. der Leser identifiziert das so über den Geigenkasten, den Lucie fallen lässt.

Milo schlich dahin wie ein Fahrschüler, konzentriert und mit zusammengekniffenen Augen, und der kleine Fiat schlingerte durch die Gischt wie ein Boot, mehr als achtzig Sachen waren beim besten Willen nicht drin.
Schön

wenn er es recht besah, rettete ihnen dieses Hundewetter womöglich das Leben, bei trockener Straße hätte es kein Halten für ihn gegeben, vermutlich wäre er gerast wie ein Irrer, als säßen ihm alle Dämonen der Hölle im Nacken.
naja ist doch eher der Hofinger

… und sich mit dem zu einer untrennbaren Einheit vermählt, eine bizarre Metallskulptur erschaffend in einem winzigen Augenblick, in so lächerlich kurzer Zeit, wie eine Haselmaus braucht, um mit der Wimper zu zucken.
Ja - Haselmaus versus Amsel.
und nein - ich sag jetzt nichts dazu. Außer: Bist du sicher, dass Amseln überhaupt Wimpern haben und Haselmäuse überhaupt mit den Augen klimpern? Kennst du Klippschliefer? Die machen das nämlich nie. Man wird irre, wenn man die anguckt. Und am Ende ist das bei Haselmäusen auch so.

Als sie die andere Seite des Gebirges erreichten, schlief sie tief und fest. Vor ihm lag das Meer, honigfarben und glitzernd.
Genau

Wie du dann den Josip und das Haus und die Gegend zeichnest, so in seiner Herzlichkeit als Gegenpol zu Hofinger, das ist auch sehr sehr schön. Stellvertretend diese eine Stelle:

Das Feuer knisterte hinter Josip und sein Kopf schien in Flammen zu stehen.
Ich glaube das ist einfach so, dass das Geschmackssache ist, jemand anderes schrieb, das sei ja nur Atmosphäre, und das stimmt auch, aber für die Geschichte , bzw. wie ich die Geschichte lese, da hat es Atmosphäre gebraucht. Er kommt ja heim. Nach dieser Fahrt und der Angst, die er vor dem Hofinger empfindet und der Angst vor der eigenen Courage. Und das kann man ja nicht einfach so direkt hinschreiben.

Sie grinste ihn an, nein, sie lächelte, sie strahlte. Ein Anblick von herzzerreißender Schönheit. Milo betrachtete sie, fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und biss sich auf die Lippe.
Das ist zuviel. Guck, ihr Strahlen zerreißt ihm das Herz doch sowieso schon, merkt man an seiner Reaktion, dass ihm das tief reingeht. Da ist das Fette überflüssig. Ich würds raustun.

Und ich beiß mir jetzt auch auf die Lippen und fahr mir durch die Haare, weil deine Geschichte so herzzerreißend ist.
Einen schönen Gruß nach Wien von Novak

 

Servus ernst

Nur kurz, da in deiner Antwort zwei Fragen steckten, und ich auf solche immer brav eingehe, auch wenn meine einte Bemerkung, die sie auslösten, halbwegs offtopic war und ist. Dies zu meiner Selbstermahnung. Doch vorab noch ein anderer Punkt, zu dem ich mich in Schweigen hüllte.

Na ja, mal sehen (Solltest du die anderen Kommentare gelesen haben, wirst du ohnehin schon wissen, dass die undankbare Meute einen Roman von mir verlangt …)

Die Einwendungen, es wirke wie ein Romanausschnitt, hatte ich wahrgenommen. Der Stoff lässt es zu, dass man sich am Schluss eine Fortsetzung hätte vorstellen können, da es offen und sehr beschaulich endet. Eine der möglichen Faustregeln für eine Kurzgeschichte bildet, dass am Ende etwas Wesentliches anders ist als zu Beginn. Dennoch erkannte ich darin einen markanten Ausschnitt eines Lebens, und wenn man dies als solches fokussiert, kann es m. E. für sich stehen. Allerdings bleiben dabei erhebliche Fragen offen. Von der Rechtslage her ist es nicht einfach Kindesentzug, er hat keine Rechte an dem Kind, sondern eine klassische Entführung. Es gäbe m. E. da verschieden denkbare Abschlussszenen, die es als KG fixieren, ohne gleich im Schlimmsten auszuarten oder alle Fragen zu lösen. Doch ich sah, du hast da schon Ideen dazu und ich greife nicht gern in die Intention anderer Autoren ein, es sei denn, ihre Quelle der Inspiration wäre versiegt.

Es war keine wirklich bittere Medizin, oder?

Keinesfalls! :D Nur war es meine dunkle Seite, diese poetische Überschwänglichkeit, welche mir ein Schmunzeln entlockte, nicht einfach zu übergehen. Zu meiner Entzückung gabst du dafür die Vorversion preis:

„Vorsicht, offshore neigt zu verbalen Amokläufen“ - in der Erstfassung ließ ich den Fiat noch wie einen Lachs durch Stromschnellen preschen …- finde ich das Bild mit der Gischt in diesem Falle wirklich angemessen.

Da ist die Gischt wirklich realitätsnäher, auch wenn mich die Wortwahl nicht ganz überzeugt. Dieser schauerlich nasse Vorhang den Lastwagen erzeugen, ist aber auch wahrlich schwer zu fassen.

Jetzt wüsste ich natürlich wahnsinnig gerne, was du, Anakreon, mit der legendären Roten Fini zu schaffen hattest. Sag bloß, du warst ihr Vermögensberater, oder gar ihr Schweizer Bankier, du Schelm …

Es gibt kein Grund zum Hintersinnen, dass mir die Fini seit einigen Jahrzehnten nicht unbekannt war. Manchmal hat man gemeinsame Bekannte, gibt sich die gleiche Klinke in die Hand, ohne sie gleich abzuwaschen. Da mich zu Finanzen immer ein unverfängliches Verhältnis begleitete, man hat es oder hat es nicht, und Politik mir seit jeher am ehesten noch in platonischem Sinne nachdenkend entsprach, lag es nahe, Menschen nie beratend auf diesen Ebenen zu begegnen. ;) Das Schelmische will ich dennoch nicht Abrede stellen, allerdings sind es mehr die Namen jener, welche meinen Lebensweg kreuzten, um als Assoziationen manchmal unverhofft wieder aufzublinken.

Im Nachhall gefällt mir die Geschichte unvermindert, bin zugleich aber gespannt, ob sie dereinst eine stärkere Abrundung erfährt, ohne ihren Reiz zu verlieren.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo ernst offshore!

Milo starrte auf seine Hände. An der Linken waren eine Brandwunde auf dem Handrücken, da und dort kleine Kratzer, der Daumennagel blauschwarz und am Handgelenk der Rechten eine kaum verheilte Abschürfung. Ziemlich zerschunden, die armen Pfoten. Ganz zu schweigen von dem traurigen Stummel des rechten Ringfingers. Er drehte die Hände und betrachtete die schwieligen Handflächen. Für einen Augenblick war er von einer verrückten Vorstellung f

Ich finde den Anfang nicht flüssig genug, nicht interessant genug, und überhaupt nicht einladend.
Erst einmal sind die Beschreibungen zu abgehackt, da ein Krater, hier eine Brandwunde. Und die Erwähnung, dass die Brandwunde auf dem linken Handrücken ist? Braucht man das? Und muss man wissen, dass es links war? Kann man da nicht wenigstens das "rechts, links" weglassen?
Die einzig relevante Info war für mich (beim zweiten Mal lesen fällts auf, dass er vorletzten Winter seinen Finger verloren hat, und das ist eine Andeutung auf den Unfall)

Mir hat allerdings die Idee gefallen, wie er sich vorstellt, er hätte alle erlittenen Verletzungen in seinen Leben auf einmal. Das ist ein sehr starkes Bild. Und ich frage mich, ob man dann den Vergleich mit den Zombiefilmen braucht? Vermutlich nicht.

Milo gefielen seine Hände. Sie sähen aus, wie von Egon Schiele gezeichnet, hatte Franziska oft gesagt und war dabei mit ihren Fingern sanft die Venen auf seinem Handrücken nachgefahren. Und Lucie hatte als kleines Kind gemeint, seine Fingerkuppen fühlten sich an wie Baumrinde.
Ich finde es schade, dass man nicht so viel über Franziska weiß - man kann nur ahnen, was zwischen ihnen war - er der kroatische Handwerker und sie kommt aus "gutem Hause", wahrscinelich dem Bildungsbürgertum - der Vater hat für seine Tochter mehr vorgesehen als den kroatischen Handwerker. Ich finde diese "Schichtenprobleme" immer noch aktuell - und da hätte man vielleicht etwas weiter drin rumbohren können? (Nur so ne Idee) Und die Lucie wird wahrscheinlich genau wie Fransizka erzogen, Internat, Geigenunterricht - keine Liebe von Zuhause - höhestens von Milo.
Der ihr biologischer Vater ist? Sie nennt ihn Milo, deswegen hat mich das verwirrt - aber manchmal tun das Kinder - vor allem wenn der Vater nicht immer präsent ist.
In dem Eisenkäfig neben der Parkbank kickten ein paar Türkenbuben, sie droschen einen Fußball gegen die Gitterstäbe, als ginge es um ihr Leben, und das höllische Scheppern jagte Milo Schauer über den Rücken. Ein Geräusch …
… wie das eines schleudernden Wagens, der sich funkenstiebend unter den Motorblock eines Lasters schiebt …
… ein Geräusch wie aus einem Alptraum.
Der Tormann, ein höchstens zwölfjähriges Bürschchen, qualmte eine Zigarette und blickte Milo herausfordernd an.
„‘s guckst‘n deppat, Alda, he?“
„Warum soll ich nicht dumm gucken, wenn ich in so einer Welt leben muss, du Klugscheißer, ha?“
Außerdem hängt an allem ein Preiszettel dran in dieser Welt, wirst früh genug draufkommen, kleiner Blödmann.

Ich verstehe auch nicht, was diese Szene soll - vorallem mit dem letzten Satz, dass alle Dinge ihren Preis hätten.
Kann natürlich sein, dass Milo der Kroate sich in diesen türkischen Jungs projiziert, die gerade nicht in der Schule sind und lieber kicken und rauchen - so wie er früher - während die anderen Kinder (Lucie) in der Schule sitzen.
Aber das mit dem Preis bleibt trotzdem unklar.
Und handwerklich wird hier natürlich wieder der Unfall eingeführt.
Der Wagen wäre vielleicht schon längst aus einer Kurve geflogen, wäre in einem Abgrund zerschellt oder hätte sich unter den Motorblock eines entgegenkommenden 36-Tonners gebohrt …
… und sich mit dem zu einer untrennbaren Einheit vermählt, eine bizarre Metallskulptur erschaffend in einem winzigen Augenblick, in so lächerlich kurzer Zeit, wie eine Haselmaus braucht, um mit der Wimper zu zucken. Sekundenbruchteile nur.
fand ich gut. Und was ultrafies ist, ist dieses "Franziska aus dem Wrack schneiden" aua. ABER:
Und das war keine Bitte, kein flehentlicher letzter Wunsch, das war eine Feststellung. Bis zuletzt hatte sie gelächelt …
Die muss leiden - ich mag dieses Heroisch-Romantische an Alltagsfiguren überhaupt nicht. Warum lächelt sie, wenn sie gerade an den Unfallfolgen stirbt. Man kann sich das natürlich so erklären - ja, die steht unter Schock, die bekommt alles gar nicht so richtig mit - ist in einem trance-artigen Zustand. Aber naja, ich finds auch immer so eine Verharmlosung/Romantisierung der Realität - bin da kein Fan von.

Der Teil im Ausland - das gefällt mir gut - das ist alles schön beschrieben, geschrieben und es herrscht dann so eine entspannte Stimmung, mit dem Sonnenaufgang, dem honigfarbenen Meer, keine Probleme, keine Konflikte, ein liebenswürdiger alter Onkel, ein paradiesischer Zustand, ein Neuanfang. Das ist ein starker Kontrast zu dem Anfang - wo er ständig an seine Alpträume erinnert wird, an seine Verletzungen und an Franziska. Und In Kroatien (?) wird er zwar auch an Franziska erinnert, aber an die schönen Erinnerungen.


JoBlack

p.s. Hab die anderen Kritiken aufgrund von Zeitmangel nicht gelesen, mache ich jetzt. Ich hab also bestimmt viel wiederholt. Egal. :p

 
Zuletzt bearbeitet:

@ Novak, Anakreon, JoBlack


Novak schrieb:
Und ich beiß mir jetzt auch auf die Lippen und fahr mir durch die Haare, weil deine Geschichte so herzzerreißend ist.

Und ich beiß mir jetzt auch auf die Lippen und fahr mir durch die Haare, weil dein Kommentar so … pff, echt keine Ahnung, was ich jetzt sagen soll …
Doch, liebe Novak, ich weiß es eh. Also dass auch du hier vorbeischaust, ist natürlich eine ganz besondere Freude für mich (Konrad Lorenz und so, du weißt schon …), und noch dazu mit so einem enthusiastischen Kommentar …
Ich war einen halben Tag lang sprachlos, ich schwör‘s dir, und dass es offshore mal die Rede verschlägt, kommt ähnlich häufig vor wie eine totale Sonnenfinsternis …
Dass dir die Geschichte nahezu vorbehaltlos gefällt, ich weiß nicht, vielleicht liegt’s ja daran, dass wir derselben Generation angehören, oder du einfach ein ähnlich romantischer Kindskopf bist wie ich. Ja, und mit deiner Meinung, die Geschichte genüge in ihrer jetzigen Form, sie sei mehr oder weniger eh in sich fertig, setzt du ein für mich beruhigendes Korrektiv zu der Ansicht vieler anderer Kommies („Roman, offshore, Roman!!!“)
Ich habe ja schon weiter oben geschrieben, dass die Geschichte vollkommen konzeptlos entstanden ist (Plotting? Hä?), aber mehr als ein kurzer, atmosphärisch dichter Wohlfühltext sollte sie ja wirklich nicht werden. (Sommergeschichte nannte sie Fliege, und mit diesem Urteil war ich durchaus zufrieden.) Und meine ursprünglichen Zweifel an der Tauglichkeit der Geschichte, die von einigen Kommentaren wieder verstärkt wurden, hast du nun zerstreut. Dafür vielen Dank. Ja, und vielen Dank auch für diesen Verbesserungsvorschlag:

Warum schreibst du nicht einfach: Jetzt musste sie jeden Augenblick kommen.

Das ist so genial einfach und löst wirklich das Dilemma in Luft auf. So werde ich das schreiben, Novak, genau so.
Und meinen Darling, die herzzerreißende Schönheit, soll ich rausschmeißen? Ächz, ich glaube, auch damit hast du recht. Gib mir noch ein paar Tage Bedenkzeit.

Tja, Novak, das ist so ein Kommentar, nach dem ich am liebsten den Thread schließen lassen würde, danke, mehr will ich gar nicht mehr hören, ach was sag ich, ich könnte mich glatt abmelden morgen von KG.de, weil, was will ich denn noch mehr?

Du hast mir mit deinem Lob eine wirkliche Freude gemacht, Novak, ganz ehrlich, dankeschön.


Und auch bei dir, Anakreon, möchte ich mich bedanken für dein nochmaliges, bestätigendes, quasi redundantes Lob.


Servus JoBlack,

Ich finde den Anfang nicht flüssig genug, nicht interessant genug, und überhaupt nicht einladend.

Schwups: „Mir haben da viele Stellen gut gefallen, gleich der Anfang zum Beispiel, …“
harrytherobot: „Bereits die ersten zehn Zeilen fand ich grandios.
Novak: „Mensch, dieser erste Absatz, der ist wirklich großartig.

… und sich mit dem zu einer untrennbaren Einheit vermählt, eine bizarre Metallskulptur erschaffend in einem winzigen Augenblick, in so lächerlich kurzer Zeit, wie eine Haselmaus braucht, um mit der Wimper zu zucken. Sekundenbruchteile nur.

fand ich gut.

Und ja, diese verdammte Haselmaus vulgo Amsel vulgo Zeisig, die spaltete ja auch die Leserschaft.
Tja, und so geht’s hin und her.
Fliege z.B. bemängelte den Schluss („Und im letzten Absatz verbreitest Du eigentlich nur noch Atmosphäre, da wird kaum noch was erzählt, …“) und gerade dieses Ende gefällt wiederum dir, JoBlack:

Der Teil im Ausland - das gefällt mir gut - das ist alles schön beschrieben, geschrieben und es herrscht dann so eine entspannte Stimmung, mit dem Sonnenaufgang, dem honigfarbenen Meer, keine Probleme, keine Konflikte, ein liebenswürdiger alter Onkel, ein paradiesischer Zustand, ein Neuanfang. Das ist ein starker Kontrast zu dem Anfang

Beinahe zu jeder Formulierung, zu jeder Szene, ja eigentlich zu wirklich jeder Kleinigkeit, die ein Kommentator kritisiert, findet sich ein anderer, dem just diese besonders gefallen …
Na ja, so ist das halt, jeder liest und empfindet und interpretiert eine Geschichte anders, seinen ganz persönlichen Vorlieben und Erwartungen gemäß und ja, das ist eine Binsenweisheit und, seien wir uns ehrlich, das ist gut so. Selten jedoch ist mir das so auffällig vor Augen geführt worden, wie mit den Kommentaren zu dieser doch sehr kurzen Geschichte.
Aber mir als dem Autor nimmt das jetzt natürlich irgendwie die Last von den Schultern, über eine eventuelle Verbesserung dieser Story mir den Kopf zerbrechen zu müssen. Das scheint mir mittlerweile nämlich ein schier aussichtsloses Unterfangen zu sein, ich werde niemals alle zufrieden stellen können.
Und sollte mich deshalb ganz entspannt auf den ohnehin so reichlich geernteten Lorbeeren räkeln und lieber über eine neue Geschichte nachdenken. Ich glaube, das wäre im Sinne aller, oder?

Die muss leiden - ich mag dieses Heroisch-Romantische an Alltagsfiguren überhaupt nicht.

Tja, was soll ich dazu sagen, JoBlack, außer vielleicht: „Werde mal fünfzig, meine Liebe, dann reden wir weiter.“
(„Werde mal fünfzig, dann musst du schon wieder pinkeln, während du noch pinkelst“, sagt Charlie in „Two and a half man“, wenn du weißt was ich meine …)

Warum lächelt sie, wenn sie gerade an den Unfallfolgen stirbt. Man kann sich das natürlich so erklären - ja, die steht unter Schock, die bekommt alles gar nicht so richtig mit - ist in einem trance-artigen Zustand.

Ja, so stellte ich mir das vor, die Arme ist quasi halbtot schon.

Aber naja, ich finds auch immer so eine Verharmlosung/Romantisierung der Realität - bin da kein Fan von.

Also ich weiß schon, dass ich da bedenklich an der Kitschgrenze entlangschramme, sie vielleicht sogar überschreite, aber, ach, was weiß ich, ich kann wohl wirklich nicht anders. Nenne es meinetwegen sentimentalen Altersromantizismusstarrsinn.

Deine Ermunterung und dein Lob, deine Kritik und deine Anregungen bedeuten mir wirklich viel, JoBlack, ich wollte schon immer einen Kommentar von dir, ehrlich. Vielen Dank dafür.


offshore

 

Hallo ernst,

wollte mich kurz für deinen Kommentar revanchieren, also habe ich mir einmal deine aktuellste Geschichte zu Gemüte geführt.

Ich kann verstehen, warum du bei meiner Geschichte so sehr auf's kürzen gepocht hast. Du lässt hier auf ganz wenigen Seiten im Kopf des Lesers eine ungleich größere Welt entstehen.
Es haben hier ja schon mehrere angesprochen, dass die Geschichte Potential für einen großen Roman bietet. Das ist richtig, aber ich stelle mir auch die Frage, ob eine ausführlichere Bearbeitung wirklich sein muss.

Du entwirfst auf diesen drei Seiten sehr lebensnahe, greifbare Charaktere. Diese verknüpfst du mit einer konfliktbeladenen, dramatischen Handlung und baust sogar noch eine Rückblende ein.
Da kann man sich natürlich darüber streiten, ob man dass nicht weiter ausführen möchte. Aber wenn man das in dieser kurzen Form so gut hinbekommt, sollte man es auch stehen lassen dürfen. Meine Meinung ;)

Auch das offene Ende ist treffend. Bei mir hat die Geschichte gestern Abend noch lange nachgewirkt. Wenn man einen Leser emotional so packen kann, beherrscht man sein Handwerk perfekt!

Stil, aber auch Thematik (Verlust, Gesellschaftliche Vorurteile, familiäre Konflikte etc.) erinnerte mich die Geschichte an Böll. Und da ich den gerne lese, hat mir auch deine Geschichte sehr gut gefallen.

Viele Grüße
Unbeliever

 

Hallo Ernst,

ist schon sehr viel gesagt worden, ich will dennoch nicht verhehlen, das mir die Geschichte gefällt. Das meiste lief wie in einem Roadmovie für mich ab, liegt zu 50% an der Story, zum Rest wahrscheinlich daran, das ich selbst verdammt gern durch das (den?) Velebit in eine mir auch beim fünftem Mal noch immer fremde, geheimnisvolle Welt fahre, welche ich in gleich mehreren meiner Geschichten ebenfalls verewigt habe.

Das Thema wäre eine längere Story/einen Roman wert. Dieses Reisen lese ich eh gern, ein ganzes starkes Buch fand ich zuletzt Michael Ebmeyers "Der Neuling", in welchem es durch Sibirien geht.

Und Schiele, ganz klar - Du bist ja Wiener, wie ich lese, habe mich letzten Sommer da rumgedrückt und viel, viel Schiele udn Klimt geguckt.

Zurück zur Story: Ganz starker Beginn mit den Händen, zum Schluß kommst Du mir ein wenig kraftlos daher. das Ding hat Potential zu einem Roman, ich sags nochmal - und muss jetzt weiterarbeiten,

Ciao nastro.

 

Unbeliever schrieb:
Stil, aber auch Thematik (Verlust, Gesellschaftliche Vorurteile, familiäre Konflikte etc.) erinnerte mich die Geschichte an Böll.
Wenn man einen Leser emotional so packen kann, beherrscht man sein Handwerk perfekt!

Du weißt aber schon, Unbeliever, dass Böll den Nobelpreis bekam?
Und perfekt? Jessas, ich wünschte mir, ich beherrschte das Schreibhandwerk nur annähernd so gut wie mein Broterwerbshandwerk. Dann könnte ich eventuell auch über den Nobelpreis nachdenken.
Spaß beiseite, Unbeliever, ich freue mich ungemein über dein uneingeschränktes Lob.

Und auch du, nastro, hattest ja nicht wirklich viel zu bekritteln an der Geschichte, auch das freut mich und ich danke dir für deinen Kommentar.

offshore

 

Hallo ernst offshore,

ich möchte an dieser Stelle auch einmal ein Feedback abgeben. Ich finde zunächst einmal, die Geschichte ist sehr gut geschrieben. Ein paar Anmerkungen habe ich allerdings dazu.

Als erstes bin ich über die "armen Pfoten" gestolpert. Es gefiel mir nicht. Dann habe ich aus den Kommentaren entnommen, dass dort zuerst "arme Dinger" gestanden hat. Gefällt mir auch nicht besonders. Wenn ich darüber nachdenke, passt es aus meiner Sicht einfach nicht so ganz, dass ein Mann wie Milo, der aus vielen Verletzungen stark herausgegangen ist, so larmoyant über seine Hände sinniert. Und falls doch: "Arme Pfoten"? Irgendwie kenne ich "Pfoten" nur aus dem Kontext "Nimm deine Pfoten weg". Dass jemand seine eigenen Hände als "Pfoten" bezeichnet, finde ich irritierend.

Was das Inhaltliche angeht: Die Unfallszene, zu der Du meiner Meinung nach sehr geschickt überleitest: Ist sie nicht ein bisschen zu viel? Ein wenig bekommt man das Gefühl, im Freitagabendfilm der ARD zu sein: Die sterbende, bis zuletzt lächelnde Mutter gibt ihr Kind in die Hände ihres Lebensgefährten.

Und so ein wenig freitagabendfilmmäßig fand ich auch die Charakterisierung des Großvaters. Der Milo scheint ja nun einmal nicht der leibliche Vater zu sein. Ich denke, die Rechtslage ist einfach so, dass in derartigen Fällen der Lebensgefährte nicht das Sorgerecht bekommt. Wie oben in den Kommentaren schon anklang, ist Internat heute nicht unbedingt eine Strafe. Also der Großvater mag ja ein ... sein, aber wahrscheinlich hat er nur getan, wozu er sowieso verpflichtet ist.

Was das Mädchen betrifft: Mir wurde das Alter des Kindes nicht so ganz klar. Ich vermute, Grundschulalter. Aber selbst im Grundschulalter hängen Kinder an ihren Freunden/Freundinnen, so ganz leicht und unbeschwert kann man sie nicht aus ihrer Umgebung herausreißen. Sollte es wirklich ein Grundschulkind sein, kann es doch wahrscheinlich gar nicht verstehen, warum sein "Vater" es im Stich gelassen hat, nachdem es bereits die Mutter verloren hat. Es müsste ja eigentlich doch ein wenig traumatisiert sein, meinst du nicht? Also die heile Welt am Meer, unbeschwertes Katzenjagen und Angeln, ohne das Kind überhaupt nach seinem eigenen Willen befragt zu haben, kaufe ich der Geschichte nicht wirklich ab.
Ich hätte es möglicherweise interessanter gefunden, wenn etwas von der Brüchigkeit dieses Traumbildes von Milo, denn es ist ja doch nur ein Wunschtraum, der sich ganz schnell in auflösen kann, in der Idylle aufscheinen würde.

Aber trotzdem finde ich die Geschichte gelungen, ich bewerte so etwas letztendlich einzig danach, ob es mir schwer gefallen ist, bis zum Ende zu lesen. Was mich nicht auf irgendeiner Ebene interessiert, das lese ich nicht unbedingt zu Ende und noch weniger würde ich mir darüber Gedanken machen und dazu kommentieren. Ein Pluspunkt des Textes ist aus meiner Sicht auch, dass er kurz ist und den formalen Ansprüchen an eine Kurzgeschichte entspricht, immerhin ist das ein Kurzgeschichten-Forum, kein Novellen-, Erzählungs- oder Romanfragmentforum. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es sein kann, Sachverhalte/Handlungen kurz und prägnant darzustellen, d. h. auf seitenlange Elaborate über was, wann, wo,wie und warum zu verzichten. Es ist dann eben manchmal schwierig, Holzschnittartiges oder Klischeehaftes zu vermeiden.

Also mir hat's insgesamt sehr gut gefallen.

Grüße
erinnye

 

Servus erinnye

Also mir hat's insgesamt sehr gut gefallen.

Weil du dich davor sehr eingehend und differenziert zu meiner Geschichte äußerst, betrachte ich dein Resümee nicht als eine Art Friedenspfeifenangebot nach unserem Geplänkel unter deiner Debütgeschichte, sondern als ehrliches Kompliment. Vielen Dank dafür.
Und vielen Dank auch für die vielen Gedanken, die du dir zur Geschichte gemacht hast.

Als erstes bin ich über die "armen Pfoten" gestolpert. Es gefiel mir nicht. Dann habe ich aus den Kommentaren entnommen, dass dort zuerst "arme Dinger" gestanden hat. Gefällt mir auch nicht besonders.

Na ja, ich stand beim Schreiben vor dem Dilemma, dass es im gesamten ersten Absatz fast ausschließlich um Milos Hände geht. Und hätte ich nicht bisweilen einen anderen Begriff für Hände verwendet, wäre es zu einem regelrechten Wortwiederholungs-Overkill gekommen. Und so viele Synonyme gibt’s da halt leider nicht. Pfoten? Ich finde das nicht wirklich unpassend, hat irgendwie sowas kuscheltiermäßig Vertrauliches an sich. Und das schien mir schon deshalb angemessen, weil es für mein Gefühl auch Milos Zuneigung für und Achtung vor seinen wichtigsten Werkzeugen ausdrückt.

Ein Pluspunkt des Textes ist aus meiner Sicht auch, dass er kurz ist und den formalen Ansprüchen an eine Kurzgeschichte entspricht, immerhin ist das ein Kurzgeschichten-Forum, kein Novellen-, Erzählungs- oder Romanfragmentforum. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es sein kann, Sachverhalte/Handlungen kurz und prägnant darzustellen, d. h. auf seitenlange Elaborate über was, wann, wo,wie und warum zu verzichten. Es ist dann eben manchmal schwierig, Holzschnittartiges oder Klischeehaftes zu vermeiden.

Und damit sprichst du die eigentlichen Schwächen des Textes an, die mir nach wie vor auch selbst bewusst sind. In meinem Bemühen um größtmögliche Kürze und Prägnanz bei gleichzeitig ganz viel Gefühl (jessas ja, Franziskas Sterbeszene …), bin ich vermutlich wirklich in die eine oder andere Klischeefalle getappt.

Wie oben in den Kommentaren schon anklang, ist Internat heute nicht unbedingt eine Strafe. Also der Großvater mag ja ein ... sein, aber wahrscheinlich hat er nur getan, wozu er sowieso verpflichtet ist.
Was das Mädchen betrifft: Mir wurde das Alter des Kindes nicht so ganz klar. Ich vermute, Grundschulalter. Aber selbst im Grundschulalter hängen Kinder an ihren Freunden/Freundinnen, so ganz leicht und unbeschwert kann man sie nicht aus ihrer Umgebung herausreißen. Sollte es wirklich ein Grundschulkind sein, kann es doch wahrscheinlich gar nicht verstehen, warum sein "Vater" es im Stich gelassen hat, nachdem es bereits die Mutter verloren hat.
usw.

Du scheinst ja einige Kommentare zur Geschichte gelesen zu haben und vielleicht auch die eine oder andere meiner Antworten (Rechtfertigungen?) darauf. In denen gehe ich nämlich auch auf diese Sachen ein. Also mir ist schon klar, dass gerade das Verhältnis zwischen Milo und Lucie, sowie zwischen Milo und Franziskas Vater, durchaus eine gehörige Ausarbeitung vertrüge.

Das eigentliche Problem der Geschichte liegt für mich nach wie vor darin, dass ich sie quasi von hinten zu schreiben begann. Zuerst die letzte Szene, bei der ich ehrlich keine Ahnung hatte, über wen zum Henker ich da eigentlich schreibe, und so ging‘s weiter. Na ja, und im Drang, das Ding endlich fertig zu bekommen, hab ich dann möglicherweise bei einigen Dingen, die durchaus mehr Tiefe und Hintergrund bräuchten, wirklich zu sehr geschludert.

Aber vielleicht kann ich mich ja wirklich irgendwann zu einer Überarbeitung der Geschichte aufraffen. Dein Kommentar ist dafür jedenfalls eine weitere Motivation.

Vielen Dank dafür, erinnye

offshore

 

Hallo Offshore,
ich möchte gar nicht auf deinen Schreibstil, Grammatik... eingehen.
Die Geschichte ist einfach unglaublich geschrieben.
Du beschreibst eine Beziehung zwischen Vater und Tochter die ich mir immer gewünscht habe, bzw. noch immer wünsche. Deshalb macht sie mich zugleich unheimlich glücklich, aber auch traurig. Ich vermute mal ich bin ein bisschen eifersüchtig :D
lg, zoejoe

 

joezoe schrieb:
Du beschreibst eine Beziehung zwischen Vater und Tochter die ich mir immer gewünscht habe, bzw. noch immer wünsche. Deshalb macht sie mich zugleich unheimlich glücklich, aber auch traurig. Ich vermute mal ich bin ein bisschen eifersüchtig.

Verdammt, joezoe, ich mußte echt schlucken, als ich deinen Kommentar gelesen hab, kein Witz. Ich weiß jetzt gar nicht so recht, was ich dir darauf antworten soll …
Klar wünscht sich ein Autor nichts sehnlicher, als dass seine Geschichten nicht nur gelesen werden, sondern dass sie auch berühren und im allerbesten Fall dem Leser einen Pfahl ins Herz rammen können.
Das ist mir bei dir offenbar gelungen, und das macht mich glücklich, aber auch ein bisschen traurig …

Ich danke dir, joezoe, für dein wunderschönes Kompliment.

offshore

 

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