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Minka (Gefühlvolle Schilderung)
Als es läutete, packte Tim seine Sachen zusammen, verstaute sie im Schulranzen und ging aus dem Schulgebäude, um sich auf den Nachhauseweg zu machen. Die erste Woche als Drittklässler war vorüber.
Tim freute sich nach Hause zu kommen, die Haustür zu öffnen und ins Essimmer zu gehen, wo seine Mutter bereits mit dem Essen auf ihn warten würde. Dann würde er, wie jeden Nachmittag in den Garten gehen und mit seinem besten Freund, seiner Katze, Minka spielen.
Schon immer hatte Tim sich eine Katze gewünscht, doch seine Eltern hatten es ihm nie erlaubt. „Die Wohnung ist viel zu klein für ein Haustier“, hatte sein Vater immer gesagt, als sie noch die schmale Wohnung in der Altstadt besaßen. Vor einem Jahr waren sie dann aufs Land gezogen. In ein renoviertes Bauernhaus mit einem schönen großen Garten. Dort konnte er mit Minka ungestört spielen und schmusen.
Einen Stein vor sich her kickend schlurfte Tim den Gehweg entlang. In seinen Gedanken hatte er schon zu Mittag gegessen und die Verandatür geöffnet. Minka kam aus dem Gebüsch auf ihn zu geschlichen. Ihre Augen waren ganz schmal und sie schien noch ein wenig schläfrig. Sie schmiegte ihr grau-schwarz getigertes Fell an sein Bein und begann zu schnurren. Tim streichelte sie, so wie ein Kind ein Tier streichelt. Zu tapsig und doch zärtlich. „Brave Minka. Ganz brav“, flüsterte er und nahm sie auf die Arme. So trug er sie eine Weile durch den Garten und lächelte glückselig.
Ein lautes Hupen riss ihn aus seinen Träumen. Dann quietschende Reifen und ein kurzes Poltern. Tim erschrak. Er erkannte einen orangen Müllwagen und ein blutendes Tier. Er wollte und konnte nicht hinsehen. Er hielt sich die Augen zu und drehte sich geschwind um.
Erst jetzt stellte er fest, dass er bereits zu Hause war und vorm Gartentor stand. Schnell öffnete er das Tor und trat ein.
„Hey Junge“, sagte der Fahrer, bevor Tim die Haustür erreicht hatte. „Ist das deine Katze?“
Von da an schien für Tim die Zeit still zu stehen. Unendlich langsam lief er den Weg zurück zum Tor. Alles um ihn herum bewegte sich in Zeitlupe. Die Vögel zwitscherten langsamer. Er ging weiter auf die Straße, bis er vor dem toten Körper Minkas stand. Apathisch starrte er auf ihren kleinen blutüberströmten Kopf.
„Ist das deine Katze, oder nicht?“, rief der Müllmann erneut.
„Nein. Nicht meine Katze“, antwortete Tim leise.
„Gut, dann schmeißen wir sie gerade hinten drauf. Sind ja eh mit ’nem Müllauto da“, sagte der Fahrer und lachte.
Tim nickte nur und ging schweigend Richtung Haustür. Seine Mutter öffnete ihm, gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
„Na, mein Engel, wie war die Schule?“
„Ich will nie mehr eine Katze“, war alles, was Tim an diesem Tag noch sagte.