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Mir ist kalt

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29.05.2015
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Mir ist kalt

Mir ist kalt.

Ich schlafe gerne. Das tut aber gerade nichts zur Sache. Ich bin auf einer Beerdigung. In einem Wohnzimmer. Es sieht aus wie das Haus einer alten Dame. Es sind auch viele alte Menschen anwesend. Ich sitze auf einer Couch. Ich falle nicht besonders auf. Ich fühle mich aber unpassend. Vielleicht bin ich unpassend gekleidet. Vielleicht hat es auch nur damit zu tun, dass ich den Verstorbenen nicht kenne. Oder es geht mir einfach nicht so nahe, wie all den anderen. Vielleicht bin ich vergleichsweise auch nur zu jung. Auf jeden Fall bin ich anwesend.
Ein Mädchen betritt das Zimmer. Sie scheint hübsch zu schein. Sie hat nach mir gesucht. Sie setzt sich dicht neben mich. Erst ist mir nicht eingefallen, wer sie ist. Aber selbstverständlich kenne ich sie. Ich kenne sie seit Jahren. Ich bin in diesem Haus keiner Person näher. Sie weiß, wie ich mich hier fühle. Sie weiß, was ich über diese Situation denke. Ich weiß, dass sie jemanden sehr wichtiges verloren hat. Ich lege meinen Kopf auf ihre Schulter. Ich spüre ihre Knochen unter ihrer dünnen Haut. Sie ist insgesamt sehr dünn. Sie lässt meinen Kopf selbstverständlich an dem gewohnten Platz. Wir reden nicht miteinander. Wir müssen nichts sagen. Sie ist sehr traurig, und will mir trotzdem Gesellschaft leisten, damit ich nicht so alleine bin. Sie ist sehr traurig, und will mir deswegen Gesellschaft leisten, damit sie nicht so alleine ist.
Sie will mit mir zu der Musik tanzen. Wir tanzen keinen üblichen Tanz. Sie drückt mich einfach nur fest. Ich schaukle sie ein wenig zum Rhythmus. Ich spüre besonders ihre Hände. Sie hat die Augen geschlossen und den Kopf an meine Brust gelehnt. Ich bin ihre Stütze. Sie braucht diese Stütze. Ich merke, wie zittrig sie atmet. Sie wirkt so zerbrechlich. Ich muss mich nicht anstrengen, mit ihr sorgfältig umzugehen. Es fühlt sich so natürlich an. Meine Nase streift über ihre Haare. Ich rieche ihr Shampoo. Es riecht nach nichts bestimmten. Es riecht nur gut. Ich könnte nicht sagen, wie lange diese Situation zeitlich gesehen schon anhält. Ich bin mir auch nicht sicher, was davor passiert ist, wie ich hier her gekommen bin. Ich denke aber auch nicht daran. Ich denke auch nicht an das, was darauf passieren wird. Ich mache mir deswegen keine Sorgen. Ich habe gerade nur die Aufgabe anwesend zu sein. Das ist sehr wichtig. Es gibt im Moment auch keine anderen Personen. Ich denke jedenfalls nicht an sie. Es gibt sie nicht. Es gibt dieses Mädchen. Dieses Mädchen gehört zu mir. Oder vielleicht gehört sie mir. Vielleicht gehöre auch ich ihr. Darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich weiß ja, wie es ist.

Ich liege in meinem Bett. Es ist dunkel. Ich drehe mich zur Seite. Da ist niemand. Wo ist sie. Sie hatte mich doch gern. Ich bin allein. Ich wohne allein. Ich habe geschlafen. Ich schlafe gerne. Ich bin immer allein. Es gibt keine Person, die ich zu dieser Uhrzeit anrufen könnte. Ich bin wach. Ich versuche mich an meinen Traum zu erinnern. Ich habe ihn vergessen als ich wach wurde. Ich fühle mich trotzdem komisch. Ich weiß, dass ich geträumt habe. Ich weiß, dass es wichtig war. Ich weiß, dass es mir wichtig war. Mir ist schlecht. Mir ist, als wollte ich kotzen, um nichts mehr zu fühlen. Um mich besser zu fühlen. Ich habe jemanden wichtigen verloren. Ich strenge mich an, mich zu erinnern. Ich versuche mich an ihre Hände an meinem Rücken zu erinnern. Ich will ihre Schulter spüren. Kurz kann ich mich an alles erinnern, und dann wieder nicht. Ich will so tun, als würde ich noch schlafen. Ich will so tun, als wüsste ich nichts davon, dass ich gerade im Bett liege. Es fehlt mir, von Nutzen zu sein. Ich war ihr so gerne nützlich. Ich will nicht, dass das nie passiert ist. Ich will das nicht vergessen. Ich werde es vergessen. Ich will noch mal träumen. Irgendetwas. Ich will nicht an heute denken. Ich muss mein Leben ignorieren. Ich darf das nicht vergessen. Ich weiß, dass ich schon mal vergessen habe. Ich kann mich nur nicht erinnern. Ich will nicht noch mal aufwachen. Ich will nicht. Ich kann nicht. Ich sehe meine Schlaftabletten. Selbstverständlich stehen sie da. Ich habe schon immer Schaftabletten genommen. Das ist normal. Ich bin traurig. Ich bin traurig darüber, dass es niemanden interessiert, dass ich traurig bin. Ich bin traurig darüber, dass es niemanden interessieren kann, dass ich traurig bin. Ich habe sehr viele Schlaftabletten in der Hand. Ich nehme sie alle. Ich weine. Ich bin wirklich traurig.

Ich liege in meinem Bett. Es ist bereits hell. Ich weiß, dass ich gerade geschlafen habe. Ich habe keine Schlaftabletten. Ich bin auf keiner Beerdigung. Es gibt keine Person, die ich gerne anrufen würde. Es gibt keine Person, die mich heute anrufen wird. Ich bin nicht traurig. Ich bin auch nicht wütend. Ich sehne mich nach nichts. Ich warte nur. Ich warte aber auf nichts. Ich warte nur. Ich werde mich nicht umbringen. Ich werde mein leben nicht in die Hand nehmen. Ich werde meine Träume nicht ernst nehmen. Ich weiß, warum ich sie geträumt habe, glaube aber nicht daran. Ich werde bald aufstehen. Ich muss nicht arbeiten. Ich werde mich irgendwie ablenken. Immerhin muss ich ja warten. Es kommt mir so vor, als würde ich alles klar sehen. Nicht weil alles schön geordnet ist, sondern weil es nichts gibt, das geordnet werden müsste. Glaube ich, vielleicht. Ich weiß nicht genau. Ich weiß auch nicht warum ich aufstehen sollte. Ebenfalls weiß ich nicht, warum ich liegen bleiben sollte. Ich hoffe auf nichts. Ich wüsste nicht, auf was ich hoffen sollte. Ich fühle mich nicht schlecht. Ich fühle nur nicht. Das ist ein Unterschied. Ich weiß nicht, was ich fühlen soll. Ich könnte so tun, als wäre mir etwas bestimmtes wichtig. Ich muss mich ja ablenken. Vielleicht. Ich weiß nicht.
Ich schaue viel Fernsehen. Viele Wissenschaftssendungen. Null Kelvin entsprechen in etwa
-273° Celsius. Das ist der absolute Null-Punkt. An diesem Punkt gibt es keinerlei Bewegung mehr. Die Materie gibt es aber immer noch. Man kann diesen Punkt nicht erreichen. Man kann ihm aber sehr nahe kommen. Mir ist kalt.

 
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Hallo Stawrogin,
herzlcih Willkommen.
Leider hab ich es nicht geschafft, deine Geschichte fertig zu lesen. Das wird dir nicht gefallen, aber ich schreib dir das mal trotzdem, denn auch negative Kritken können einem nützen. Und nützen soll sie dir.
Es gab zwei Gründe. Der eine ist der Stil. Der zweite die Zusammenhanglosigkeit des Erzählten.

Du baust sehr sehr viele Sätze nach dem Prinzip Subjekt - Prädikat usw. auf. Und jeder Satz (soweit ich gelesen habe) ist ein ganz normaler Hauptsatz, kein Satzgefüge, nichts. Das klingt wahnsinnig ermüdend. Zudem beginnen allzuviel Sätze mit dem gleichen Wort: es, sie, ich. Vor allem mit dem Wort ich. Und da komme ich auch schon zum Inhaltlichen. Das Problem in deinem Text ist, dass der Protagonist, dieses "ich" nicht vorstellbar wird, er dreht sich nur um sich, das ist sehr sehr eintönig.

Noch was ganz anderes:
Verwundert war ich ein wenig, dass du die Kommentare zu deiner Mai-Geschichte gar nicht beantwortet hast. Man muss ja nicht viel schreiben, aber so eine kleine Reaktion wenigstens? Jedenfalls hat mich das dann, da will ich ehrlich sein, dazu veranlasst, mir nicht so ganz genau anzuschauen, warum deine Geschichte nicht funktionieren will. Das kostet nämlich Arbeit. Und klar, die meisten Kommentatoren schreiben ihren Komm durchaus auch für sich selbst, weil man durch das Kommentieren Klarheit für sich selbst bekommt, aber so ein kleines Gespräch, ein kleines Gegenüber, irgendwie gehört das für mich schon dazu.
Viele Grüße von Novak

 

Hi Novak,

ich hab leider nur so nen aldi internetstick und dementsprechend hab ich entweder kein oder gedrosseltes Internet, deswegen konnte ich letzten Monat auch nichts schreiben. Ich hab mir die Kommentare aber schon alle durchgelesen und hab damit natürlich auch kein Problem, immerhin sind die meisten viel erfahrener als ich. Ich bin schon dankbar dafür.
Hauptsächlich will ich hier aber nur ein paar Geschichten veröffentlichen und hoffe, dass sie jemandem gefallen. Ich bin nun mal nicht so aktiv hinter diesem professionellen Verbessern der Texte, was man vlt. auch an meinen Kommentaren unter anderen Kurzgeschichten merkt.
Wegen mir muss sich also wirklich keiner extra Arbeit machen um alles zu verbessern, aber wenn doch, bin ich sehr froh drum.

Vielen Dank!
Stawrogin

 

Hallo Stawrogin,

wenn ich Deinen Kommentar richtig lese, dann bist Du weniger an der Arbeit an den Text und mehr an dem 'Veröffentlichen' interessiert, sprich; dass halt wer Deinen Text liest.

Im Wortkrieger-Forum bin ich noch nicht so lange, habe aber festgestellt, dass hier wirklich die
Arbeit am Text im Vordergrund steht und vielleicht ist für Dich eine andere Plattform interessanter? Es gibt z.B. die www.schreibwerkstatt.de, da werden sehr viele Geschichten veröffentlicht, aber bei weitem nicht so ausführlich besprochen und kommentiert. Vielleicht ist das was für Dich?

Grüße, Nina

p.s.: Ich habe mich dann nicht mehr durch Deinen Text gewühlt :Pfeif: Denn wieso soll ich mir die Arbeit machen, wenn Du sie gar nicht schätzt?!

 
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Die Nina

Ich habe mich dann nicht mehr durch Deinen Text gewühlt Denn wieso soll ich mir die Arbeit machen, wenn Du sie gar nicht schätzt?!
Doch, schätzen tut Stawrogin die Kommentare schon, er verbessert nur nicht so gerne seine Texte. :D
Hallo noch mal, Stawrogin, ich hab deine Antwort zu meinem ersten Komm gelesen und naja, ich akzeptier deine Haltung, dass du nicht verbessern magst, irgendwie (die Mensche sin halt anners wie die Leut). Aber denk mal dran, so eine winzige Reaktion auf einen Kommentar, das wär nicht schlecht, du verprellst dir sonst auch die Kommi-Schreiber.
Und ja, auch deinen Kommentaren kann man das ansehen, dass du nicht der große "Nachgucker" bist, aber immerhin kommentierst du, und das hat mich dann auch wieder ein bisschen duldsamer gemacht und ich habe deine Geschichte auch doch noch fertig gelesen.

So, ohne jetzt in Details zu gehen, als ich mich dann mal drauf einlassen konnte, hab ich verstanden und gesehen, was du machst. Und das fand ich im Prinzip gar nicht mal schlecht. Besonders im dritten Teil.
Es hat schon eine Wirkung auf den Leser, dass man die Verlorenheit des Icherzählers, seine zunehmende Verzweiflung und Depression, in der er sich befindet, seine zunehmende Isolation von sich selbst und allen anderen wahrnehmen kann, das probierst du auch stilistisch durch das Distanzierte, Wiederholende deiner Sätze zu unterstreichen.
Im dritten Absatz kommt das für mich besonders zur Geltung, im gesamten Absatz, besonders aber am Ende. Da kann man deine Absicht auch richtig fassen. Aber erst da entpuppt sich das Erlebte vorher als Traum, auch das Wahnhafte des zweiten Abschnittes kommt erst hier zum Tragen.

Die größte Schwieirgkeit für mich ist der Anfang, denn dadurch, dass das so assoziativ und zusammenhanglos ist, verlierst du gleich den Leser. Ich weiß, dass du diesen Traum willst oder brauchst, um die zunehmende Steigerung seiner "Gefühllosigkeit" sich selbst gegenüber zu zeigen, aber wie soll das gehen, wenn man nicht in irgendeiner Weise einen Haken schafft, mit dem man des Lesers Interesse entweder an der Person oder an der Situation einfängt.
So liest man, wundert sich, wird rausgeworfen, buckelt sich durch die Sätze, wird wieder rausgeworfen, denkt, da gehört ja gar nichts zusammen, was soll das denn, und hört halt wieder auf, weil es x andere Geschichten gibt, die diesen berühmten Haken eben setzen.
Ich weiß nicht, wie man es hinkriegt, trotz dieser Traumverlorenheit, Interesse zu wecken. Ich stocher da nur müde rum, aber ich glaube, ich würde in diesem Falle die Situation bizarrer, aber logischer gestalten und viel mehr kürzen, streichen und verdichten. Und ich würde nicht so furchtbar furchtbar allgemein bleiben. Als Beispiel, schreibe nicht, dass er unpassend angezogen ist, sondern schreibe auf, was er denn da genau Unpassendes trägt. Spiele im ersten Abschnitt mit den Sinnen, mit dem, was man tasten, sehen, hören und riechen kann. In den weiteren Abschnitten könntest du das dann langsam abwandeln zugunsten der von dir gewählten Schreibweise. Dann wird die Entwicklung, die Verlorenheit deines Icherzählers möglicherweise auch durch die Sprache viel mehr verdeutlicht.
Denn im 1. Abschnitt, in dem echten Traum hat er ja zumindest noch Kontakt zu einem Menschen, der ihm sogar etwas bedeutet, ist also näher am Leben, an der Sinnlichkeit dran. Im zweiten hat er diesen Kontakt verloren, ist verzweifelt. Im dritten Abschnitt ist er vor Traurigkeit gefühllos. Aber du beschreibst alles gleich. Verstehst du, was ich meine?
Nicht ganz so, wie im ersten Abschnitt, aber ähnlich würde ich also auch im zweiten Abschnitt verdichten, und noch ein bisschen mehr am Fühlen dranbleiben. Und was die Wiederholungen betrifft, wirklich nur noch Wiederholungen drinbehalten, von denen ich ganz genau weiß, die brauche ich, weil sie die Seele meines Textes sind und nicht nur einfach irgendwie "klingen".
Den dritten Teil fand ich ganz gut, besonders das Ende, aber auch da denke ich, könnt ein nochmalges Durchforsten nicht schaden.
Du merkst es, ich tu mich schwer mit deinem Text. Da ist kein Konflikt drin, es passiert nichts, an dem ich Anteil nehmen könnte, weil es völlig distanziert ist. Und zwar alles. Der Icherzähler ergibt sich ja völlig und von vorneherein seinem Schicksal. Es wird eigentlich nur eine Situation, ein Gefühlszustand beschreiben, eine Geschichte im eigentlichen Sinne ist das dann kaum, auch keine innere Entwicklung. Ich glaube, du willst eine zeigen, aber das würde ich dann eben auch durch die gewählten Stilmittel erzeugen.
Trotzdem gings mir so, du schaffst du es immer wieder mal (besonders am Ende) eine gewisse Anteilnahme, einen Nachvollzug des Zustands, in dem sich dein Icherzähler befindet, zu erzeugen.

Was gibts ansonsten? Naja, Kommafehler und Rechtschreiberpickelchen hast du da auch drin. Aber die such ich jetzt echt nicht raus, wollts dir nur sagen, dass dus weißt.

Viele Grüße von Novak

 

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