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Mo`s Fluch
Mo`s Fluch
Es war Mitternacht und ein heftiger Sturm wütete entlang den schwarzen Klippen, die das Land abrupt enden ließen und sich drohend dem Meer entgegen stellten. Die Gischt brodelte bedrohlich und krönte die tiefschwarzen Wellenberge, die sich immer wieder auftürmten, um endlich am Fels zu zerschellen. Die Luft war erfüllt von eisiger Kälte und das Lärmen des Meeres wurde nur noch übertönt vom Donner, der auf der Jagd nach Blitzen, die Küste entlang grollte.
Mo stand am Fenster seines Leuchtturms und sah dem Treiben der Naturgewalten, teils gebannt teils ängstlich, zu. Es faszinierte ihn, diese enorme Macht zu spüren, welche die Natur auf die Welt ausübte und von seinem Platz aus konnte er diesem eindrucksvollen Schauspiel aus nächster Nähe beiwohnen. Allerdings gab es da etwas, das ihn beunruhigte...
Der Leuchtturm thronte einsam auf den düsteren Klippen der gordischen Küste. Das Wasser hatte den Fels in Jahrtausenden zu skurrilen Figuren geformt und seinen Ehrgeiz ihn weiter zu malträtieren noch lange nicht verloren. Wenige Menschen besuchten diesen unwirtlichen Ort und jene die es taten, nur deshalb, weil sie sich dorthin verirrt hatten. Sie alle suchten nach einem angstvollen Blick über die Klippen, die selbst bei Tag gespenstisch wirkten, schnell das weite. Man erzählte sich so manche Mär von scheußlichen Dämonen, die diesen Ort bewohnen sollten, und denen man von Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden hatte. Von halsbrecherischer Flucht und mysteriösen Todesfällen war die Rede.
Doch Mo ließ das nur milde lächeln. Er wohnte gerne hier. Er hasste die Menschen und liebte sein Leben in Einsamkeit. In letzter Zeit allerdings überlegte er ernsthaft sein Leben in diesem Leuchtturm aufzugeben. Es passierten Dinge, die er schwerlich länger ertragen konnte.
Mo stand zitternd in seiner schäbigen Behausung. Er hatte dem Fenster den Rücken zugewandt und rieb sich seine Handgelenke. Die dicken Wände des Leuchtturms warfen die eisige Kälte trotzig in den Raum, statt ihn zu wärmen. Das frostige Klima sorgte dafür, dass die Gicht sich mehr und mehr in Mos Gliedern ausbreitete. Bei diesem Wetter war es so schlimm, dass schon die kleinste Bewegung ihn wahnsinnige Überwindung kostete. Die Gelenke schienen in Flammen zu stehen und er wurde schier wahnsinnig vor Schmerz.
Heute jedoch ließ ihn dieses fürchterliche Brennen gerade mal erzittern, wo er sonst heulend auf seinem Bett, einer alten schmutzigen Wolldecke, kauerte.
Heute war es wieder soweit. Er konnte es förmlich riechen. Es passierte immer bei diesem Wetter. Seine angstvoll geweiteten Augen suchten den ganzen Raum ab. Das Flackern des Kerzenstummels, der den Raum erleuchtete, zeichnete ihm das eine oder andere fürchterliche Bild eines Dämons, das sich schließlich aber als Schatten irgendeines normalen Gegenstandes herausstellte.
Langsam stieg eine warme Zuversicht in ihm auf. Vielleicht würde er heute verschont bleiben? Vielleicht hatte der Fluch endlich ein Ende? Hoffnungsvoll blickte er aus dem Fenster, um sich wieder dem gespenstischen Schauspiel, der Wassermassen unter ihm, hinzugeben. Im Rhythmus des Leuchtturmlichtes zuckten die Wellenberge grell auf, um gleich darauf wieder im Dunklen zu verschwinden. Ach hätte er doch das Licht und die Wärme dieser Lampe in seinem Zimmer. Doch thronte sie auf dem Dach des Turmes und ihm blieb nur seine lächerliche Kerze. Dieser aus alten Wachsresten gebastelte Stummel gaukelte ihm bei jedem Windhauch vor, für immer auszugehen und ihn einsam in Dunkelheit und Kälte sitzen zu lassen.
Mo stellte sich auf seine Zehenspitzen und zog sich am Fenstersims hoch, um auch die unter ihm liegenden Klippen erkennen zu können. Er stierte angestrengt nach unten. Nun raste sein Herz so wild, als würde es im nächsten Moment aus seiner Brust springen. Dort unten hatte sich etwas bewegt. Ein Schatten kam die Klippen heraufgeklettert. Im Schein der Leuchtturmlampe erkannte Mo, wie der Dämon suchend seine Klauen ausstreckte, um einen Felsvorsprung zu finden, an dem er sich sicher hinauf ziehen konnte, ohne wieder ins Meer hinab zu stürzen. Und er war erfolgreich. In beängstigender Geschwindigkeit, erklomm er einen Felsvorsprung nach dem anderen. Er war schon fast am Leuchtturm angelangt, als Mo ihn aus den Augen verlor.
Unfähig sich zu bewegen wandte Mo den Blick zur Tür, die zwischen ihm und dem Dämon lag. Sie war unverschlossen. Ihm wurde übel und er merkte, wie kalter Schweiß ihm den Rücken hinunterlief. Er musste diese Tür zuschließen! Doch gehorchten seine Beine ihm längst nicht mehr. Schlotternd stand er da und hörte, wie die untere Tür des Leuchtturms, mit einem kreischenden Quietschen, langsam geöffnet wurde. Nun suchte der Wind auch durch die Ritzen der oberen Eingangstür Einlass und löschte die Flamme der Kerze unbarmherzig aus. Was blieb, war ein verschmorter Wachsgeruch in Mos Nase und ein immer wiederkehrendes blechern kratzendes Geräusch, welches der Dämon bei jeder Berührung seiner Krallen mit den Eisenstufen der Treppe verursachte. Endlich schaffte Mo es sich aus seiner Starre zu befreien und sprang zur Tür.
Doch es war zu spät. Die Tür sprang auf und gab den Blick auf den nächtlichen Besucher frei. Drohend stand er da. Der Dämon hatte die Größe eines Mannes, doch das Aussehen eines Wolfes, dessen Fell aus Fischschuppen bestand und dessen Klauen zentimeterlange Krallen trugen, nur dafür geschaffen sich in das Fleisch eines Feindes zu schlagen, um ihn genussvoll aufzuschlitzen. Mo sah herauf in die blutroten Augen des Dämons. Er wusste was jetzt kam.
Der Dämon öffnete das Maul und der Raum versank in einem Gestank, als würde sein Bewohner verfault in der Ecke liegen.
„Will Mau-Mau spielen!!!“
Mo nahm sich zusammen um sich nicht übergeben zu müssen und nickte matt.
„Is`gut Wilson.“
Er erschauderte. Er hasste dieses Spiel! Hätte er es Wilson doch niemals beigebracht. Würde dieser Fluch denn niemals ein Ende haben?