- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 12
Mondenkind
"Das alles hätte uns gehören können, Karin" sagte er mit einem resignierenden Tonfall und schaute traurig durch die verstärkte, goldbedampfte Visierscheibe seines Raumhelmes auf die öde Landschaft des Mondes. "Wir waren so nahe dran, der Überbevölkerung und der Rationierung von Lebensmitteln zu entkommen!" In der Ferne konnte er die Begrenzungslichter seines Grundstückes sehen und noch weiter dahinter glänzten die riesigen Kuppeln der Agrarstation 3.
Um exakt zu sein, es wären die Begrenzungslichter seines Grundstücks gewesen, wenn er es hätte bezahlen können. Friedhelm setzte sich neben seine Frau auf einen schroffen Mondfelsen und sah zur Erde hinauf, die wie ein blaues Juwel schwer im Samt des dunklen Weltraums lag.
"Wir wären hier glücklich gewesen, ich hatte das Geld zusammen, wir hätten hier neu anfangen können. Und was machst du? Du wirst schwanger! SCHWANGER! Warum ausgerechnet jetzt?" Karin schwieg. "Ja, sicher, ein KIND kann unsere Ehe retten. Hast du dir überhaupt Gedanken gemacht, warum nur reiche Leute Kinder bekommen können? Weil die Regierung die voraussichtlichen Lebenskosten kurz nach der Zeugung vom Konto der Eltern abbucht! Und warum hast du mir nichts gesagt?" Nun schaute er sie an, während ihre toten Augen leer durch das Visier in den Weltraum starrten. Die explosive Dekompression hatte in wenigen Sekunden ihr Blut zum Kochen gebracht und der Ausdruck des Erstaunens war noch immer auf ihrem nun gefrorenen Gesicht zu sehen. Er strich zärtlich über ihren Arm, der durch das große Loch in ihrem Anzug ungeschützt dem Vakuum des Raumes ausgesetzt war.
"Aber vielleicht hast du recht..." Er legte den Steinpickel zur Seite, an dessen scharfer Spitze noch immer ein Stück Stoff ihres Raumanzugs hing und griff nach dem Bolzenschussgerät, mit dem Arbeiter normalerweise Seilverbindungen in den Mondfelsen verankerten.
"Vielleicht hast du recht und ich sollte mir die Sache wirklich noch einmal durch den Kopf gehen lassen." Tränen liefen sein Gesicht hinab, als er sich mit einer eleganten, ruhigen Bewegung das Werkzeug an den Helm hielt und abdrückte.