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Mozart

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15.04.2007
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Mozart

Als ich klein war, hatte ich einen Freund, Mozart. Wir waren unzertrennlich, teilten unsere Kleidung, Mittagessen, einfach alles. Klingt bis hierhin ganz schön, aber die Sache hatte einen Haken: Nur ich konnte ihn sehen.
Diese Tatsache machte es ihm schwer von anderen, insbesondere von meinen Eltern, akzeptiert zu werden. In vielen Gesprächen versuchte zunächst meine Mutter, und als diese schließlich aufgegeben hatte, auch mein Vater, mich von der Idee abzubringen einen „imaginären“ Freund, wie sie es nannten, zu haben. Ich jedoch konnte mit dieser Beschreibung nicht viel anfangen, verstand ihre Sorge um mich nicht, wollte Mozart auch nicht verlassen und pflegte unsere Beziehung weiterhin mit einer –für manch Außenstehenden -erschreckenden Hingabe. So vergingen die Jahre. Ich feierte meinen vierten, meinen fünften und schließlich auch meinen sechsten Geburtstag kurz vor der Einschulung. Meine Eltern hatten sich allmählich damit abgefunden, hofften wohl, dass diese Phase von selbst vorbei ginge und zum ersten Schultag bastelte meine Mutter sogar eine zweite, etwas kleinere Schultüte für Mozart, der sich sichtlich darüber freute, als ich sie ihm zeigte.
Von da an gingen wir also jeden Morgen zusammen zur Schule und mittags zurück. Da er keine eigenen Hefte besaß, schauten wir zusammen rein und manchmal half er mir sogar beim Rechnen, wenn ich nicht weiter wusste. In der Klasse galt ich jedoch ziemlich schnell als Außenseiter, die anderen Kinder mieden mich und auch den Lehrern war ich als Sonderling bekannt. Zwar hatte ich gelernt, mich nicht mehr laut mit Mozart zu unterhalten und auch er hatte sich wohl damit abgefunden, in der Klasse stehen zu müssen, weil der Platz neben mir belegt war, doch gab ich mir nie sonderlich Mühe mich mit den anderen anzufreunden, ferner war ich froh, wenn sie mich in Ruhe ließen. Nur manchmal lud ich andere Kinder zum spielen zu mir nach Hause ein, doch nur aus dem Grund, dass ich meine Eltern dadurch etwas beruhigen konnte und so ihren lästigen Fragen entkam.
Das Leben ging weiter, die Schule fiel mir nicht allzu schwer und da ich gute Noten schrieb, waren sowohl die Lehrer als auch meine Eltern zufrieden. Besonders in Deutsch wurde ich gelobt, als ich in einem Aufsatz von den kleinen Abenteuern von mir und Mozart berichtete. Ich hätte eine herausragende Fantasie, so hieß es.
Eigentlich hätte es noch lange so bleiben können, ich war glücklich und wollte gar keine Veränderung. Da traf ich zum ersten Mal auf Titus. Er kam neu in die Klasse, ich erinnere mich noch genau, es war Ende Oktober. Da an diesem Tag, meine Sitznachbarin, an dessen Namen ich mich noch nicht einmal wirklich erinnern kann, fehlte, wurde er aufgefordert neben mir Platz zu nehmen. Ich weiß bis heute nicht was es war, aber irgendetwas faszinierte mich an ihm. Er war weder besonders groß, noch klein, weder dünn, noch dick, aber er hatte strahlende Augen und wirkte, obwohl er noch etwas schüchtern war, selbstsicher. Erst später ist mir aufgefallen, dass er wohl das genaue Gegenteil von mir darstellte und wir uns vielleicht gerade deshalb so gut ergänzten.
Doch am Anfang, war ich lediglich verwirrt, zeigte ich mich gewohnt abweisend, ging auf seine Erzählungen nicht wirklich ein und glaubte, dass sich sein Interesse an mir schnell verlieren würde. Ich sage es gleich voraus: Dem war nicht so. Ganz im Gegenteil ließ er sich von mir nicht beirren und als sich herausstellte, dass wir denselben Heimweg hatten, lief er wie selbstverständlich neben mir. Diese Art von Aufmerksamkeit schmeichelte mir und allmählich verlor ich meine Scheu. Natürlich hatte ich Mozart nicht vergessen, er ging, wie gewohnt neben mir, doch als wir schließlich vor meinem Haus waren und Titus und ich uns für den nächsten Tag verabredeten, sah er irgendwie geknickt aus. Den ganzen Nachmittag sprachen Mozart und ich nicht viel, obwohl ich wirklich mein Bestes gab ihn aufzumuntern.
In den folgenden Wochen unternahm ich schließlich immer mehr mit Titus und da ich ihm nicht von Mozart erzählen konnte, blieb dieser lieber zu Hause. Eines morgens dann, es war an meinem 8. Geburtstag, eröffnete mir Mozart, er wolle lieber nicht mit in die Schule kommen, fühle sich krank. Zwar war dies eine ungewohnte Situation für mich und doch war ich insgeheim sogar ein bisschen froh darum. Schließlich schlug er vor sich nach der Schule an unserem Lieblingsbaum im Garten zu treffen, wo ich ihn auch vor Jahren das erste Mal gesehen hatte. Ich willigte ein. Doch als es dann Nachmittag war, ging ich direkt in mein Zimmer, erledigte meine Hausaufgaben gewissenhafter als sonst und traute mich nicht hinunter zu gehen, ja noch nicht einmal aus dem Fenster in den Garten zu schauen. Je dunkler es draußen wurde, je mehr die Zeit verging, umso schlechter fühlte ich mich.
Des Öfteren stand ich kurz davor meinen Entschluss zu ändern, wollte nur noch hinausrennen, um ihn zu treffen, an dessen Anwesenheit ich mich doch so gewöhnt hatte, doch tat ich es nicht, sondern blieb, wo ich war.
Lange lag ich abends wach im Bett, den Blick starr in die Dunkelheit gerichtet, bemüht nicht an ihn zu denken und schließlich, es war wohl schon nach Mitternacht, schlief ich zugleich erschöpft und traurig ein. Denn während Mozart auf mich wartete, ein letztes Mal und vergeblich draußen, am Kirschbaum auf mich wartete, war ich, trotz meiner gerade mal acht Jahren, ein stückweit erwachsen geworden.

 

Hallo tigris,

Als ich klein war hatte ich einen Freund, Mozart.
Als ich klein war (Temporalsatz mit „als) Komma

Klingt bis hierhin ganz schön, die Sache hatte nur einen Haken. Nämlich den, dass nur ich ihn sehen konnte.
Warum denn so umständlich? , aber die Sache hatte einen Haken: Nur ich konnte ihn sehen.
Ist doch eine schöne Idee und so klingt es gleich direkter.

mich von der Idee abzubringen einen „imaginären“ Freund, wie sie es sagten, zu haben.
„wie sie es sagten“ klingt ein wenig steif: „wie sie ihn nannten“ vielleicht?

Ich jedoch, konnte mit dieser Beschreibung nicht viel anfangen
Das Komma ist überflüssig.

Ich feierte meinen 4., meinen 5. und schließlich auch meinen 6. Geburtstag kurz vor der Einschulung.
Zahlen bis … uhm zwölf (oder so) schreibt man aus: vierten, fünften, sechsten.
Eigentlich sollte man Zahlen immer ausschreiben, solange die ausgeschriebenen Zahlen dann noch auf einen Blick verständlich sind.

Ich sage es gleich voraus, dem war nicht so.
Ich sage es gleich voraus: Dem war nicht so.

erledigte meine Hausaufgaben gewissenvoller als sonst
Sorgfältiger oder gewissenhafter

Hallo tigris,

das ist eine schöne Geschichte, finde ich. Sie liest sich schön runter und behandelt ein Thema, dass sicher viele anspricht. Im Stil verstehst du es, kleine Pointen zu setzen. Ein leiser, netter Humor blitzt da an einigen Stellen durch.
Aber ich glaube fast, dass es sich bei der Geschichte hier, eher um eine für die Rubrik „Jugend“ handeln könnte. Vielleicht würdest du dort mehr Leser finden? Wobei ich schon verstehe, warum du dich mit der Einordnung schwer tun könntest.

Gruß
Quinn

 
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Hallo tigris,

wirklich eine schöne Geschichte. Ich würde Teile etwas lebendiger gestalten, also noch mehr zeigen, wie dein/e Prot mit Mozart spielt, was er zum Beispiel auch einmal erwidert, ein wenig mehr wörtliche Rede zwischen den beiden einbauen und ein paar längere Sätze etwas entflechten. Und dann ist das mMn eine Geschichte für die Rubrik Kinder. Vielleicht nicht für drei- aber doch für siebenjährige Kinder. In Jugend geht es dann doch schon um ganz andere Themen, denke ich.

Die Umsetzung hat mir recht gut gefallen. Die Geschichte ist nicht zu lang und nicht zu kurz, du bringst ein paar nette Details (Beispiel zweite Schultüte). Ich würde aber dennoch die oben angesprochenen Änderungen vornehmen. Dann kann die Geschichte statt einfach "nett" vielleicht "sehr gut" werden. :)

Viele Grüße
Kerstin

 
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Hallo Quinn,

ich habe alle von dir aufgezeigten Fehler verbessert und hoffe, dass manche Sätze jetzt besser klingen. Ansonsten freue ich mich, dass dir meine Geschichte im Großen und Ganzen gefallen hat. So etwas hört man natürlich immer gerne. :)
Mit der Einordnung hatte ich mich auch schwer getan, doch da ich eigentlich keine Rubrik 100% passend fand, hatte ich mich letztendlich für "Sonstige" entschieden. Allein vom Alter des Prot. ausgehend, gehört die Geschichte wohl eher in „Kinder“ als in „Jugend“, aber irgendwie finde ich auch diese Einordnung nicht wirklich gelungen.
Vielleicht warte ich einfach auf weitere Vorschläge und lasse die Kg. solange hier stehen.
Also danke für deine Kritik und das du dir die Zeit genommen hast, dich mit dem Text zu beschäftigen.

Gruß,
tigris


Hallo Kerstin,

auch dir danke für deine Rückmeldung. Das von dir angesprochene „show don’t tell“, werde ich versuchen noch einzubauen. Wobei es mir im Nachhinein immer schwer fällt weitere Teile in eine eigentlich fertige Geschichte einzufügen. Ich hoffe jedoch es wird mir gelingen ;)
Ansonsten freue ich mich auch bei deiner Kritik, dass du den Text „nett“ fandest, auf das „sehr gut“ werde ich hinarbeiten. Trotzdem macht einem die positive Resonanz erst einmal Mut :)
Die Einordnung bereitet mir jedoch immer noch Schwierigkeiten, ich werde erst einmal - wie bei bereits oben geschrieben - weitere Vorschläge abwarten.

Viele Grüße,
tigris

 

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