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Mr. Carpenter liebt Mücken
Mr. Carpenter liebt Mücken
„Scheiße, nein! Ich hasse diese Viecher. Ich hab sie noch nie gemocht, noch nicht einmal, als sie klein waren und man sie mit der Hand erschlagen konnte.“
„Aber Jesse Pork soll gesagt haben, dass Sie sie mögen, Mr. Carpenter.“
„Dieser unterbelichtete Vollidiot bemerkt doch noch nicht einmal, wenn ihm der Sarkasmus direkt ins Gesicht springt.“
„Man sagt, er hätte eine bei sich im Stall.“
„Wo hast du das denn gehört, Junge?“
„Man erzählt es sich im Dorf. Der alte John Guard hat´s gestern noch Reverend Hill erzählt.“
„Du willst mir doch nicht sagen, dass du glaubst, was diese alte Schnapsleiche von sich gibt, Junge.“
„Nun, es war nicht nur John Guard, der das erzählt hat, Mr. Carpenter.“
„Wenn du doch schon so viel weißt, Junge, warum bist du dann hier? Deine Zeitungsartikel kannst du dir dann doch auch anders zusammen suchen. Interviewe doch diesen alten Säufer Guard.“
„Das hab ich schon, Mr. Carpenter. Aber Sie sind der Einzige, der einen Angriff überlebt hat. Und Sie sind der Einzige, den Jesse Pork noch auf sein Grundstück lässt.“
„Scheiße, ja. Und glaubst du, dass ich darauf stolz bin?“
„Worauf, Mr. Carpenter?“
„Suchs dir aus.“
„Nun, Mr. Carpenter, ich würde gern erfahren, wie Sie den Angriff überlebt haben. Und ich würde gern mit ihnen zu Jesse Porks Farm fahren.“
„Du willst wissen, ob was dran ist an der Sache mit dem Viech? Du willst wissen, ob er wirklich eines im Stall hat?“
„Wenn ja, dann wird das der Artikel meines Lebens, Mr. Carpenter. Nicht nur, dass ich über jemanden schreibe, der überlebt hat, nein, ich würde sogar so einem Ding Auge in Auge gegenüber stehen.“
„Und warum sollte ich das tun, Junge?“
„Nun, mein Redakteur ist bereit, sie entsprechend zu entlohnen. Fünfhundert Dollar, Mr. Carpenter. Wenn Sie mich zu Jesse Pork bringen.“
„Sag deinem Redakteur, er soll noch mal Hundert drauflegen. Dann sind wir im Geschäft.“
„Abgemacht, Mr. Carpenter.“
„Hörst du das Rauschen, Junge?“
„Sie meinen, den Wind?“
„Ein sicheres Zeichen, dass sie bald kommen werden.“
„Man hat für Heute nichts vorausgesagt. Ich glaube, es ist nur der Wind.“
„Sie werden kommen, Junge. Heute.“
„Ich denke nicht, Mr. Carpenter. Aber wenn Sie da so sicher sind, sollten wir vielleicht sofort raus zur Pork-Farm fahren.“
„Leg die sechshundert Dollar dort drüben auf den Tisch, Junge. Dann können wir los.“
* * *
„Fahr bitte etwas langsamer, Junge. Mir kommt gleich die Galle hoch.“
„Oh, selbstverständlich, Mr. Carpenter. Wollen Sie mir von damals erzählen?“
„Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass ich nur Glück hatte?“
„Sie meinen, die ganze Geschichte, dass Sie sich durch einen ganzen Schwarm durchgekämpft haben, stimmt nicht?“
„Erzählt man sich das auch im Dorf?“
„Sie sind ein Held, Mr. Carpenter. Wenn Sie wüssten, was man sich alles erzählt. Haben sie ihren Arm und ihr Bein bei dem Angriff verloren?“
„Beide Beine, Junge. Beide! Das hier ist nur ne Attrappe.“
„Oh, entschuldigen Sie, Mr. Carpenter. Das habe ich nicht gewusst.“
„Ja, ich denke, das hat man sich nicht im Dorf erzählt. Außerdem habe ich sie nicht während des Angriffs verloren. Und weiterhin war es nur eine einzige.“
„Sie meinen, Sie haben nur gegen eine Mücke gekämpft?“
„Nicht gekämpft, Junge. Ich habe lediglich überlebt. Und denkst du, wenn unser gesamtes Militär nicht in der Lage ist, diese Viecher zu besiegen, könnte es ein Mann schaffen?“
„Peter Daniels hat erfahren, dass sie bald ein neues Mittel testen wollen.“
„Wer, zum Teufel, ist Peter Daniels?“
„Der Mann, der Ihnen die sechshundert Dollar spendiert, Mr. Carpenter.“
„Und du glaubst, sie hätten diesmal auch nur die geringste Chance? Diese ganze Chemiescheiße hat schon früher nichts gebracht. Als sie noch klein waren.“
„Ich denke, Mr. Carpenter, die sollten nichts unversucht lassen.“
„Die werden irgendwann noch die ganze Menschheit ausrotten mit ihrem Chemiescheiß. Falls die Mücken nicht schneller sind.“
„Irgendwann werden die was finden, Mr. Carpenter. Davon bin ich felsenfest überzeugt.“
„Der Wind wird stärker.“
„Seltsam, die haben auch nichts von einem Unwetter gesagt.“
„Es wird auch kein Unwetter geben, Junge. Vielleicht solltest du doch wieder etwas schneller fahren. Es dauert nicht mehr lange.“
„Der Weg ist schlimmer, als ich dachte, Mr. Carpenter. Sagen Sie mir einfach rechtzeitig Bescheid, wenn sich ihr Magen wieder meldet. Und jetzt erzählen Sie bitte, wie es zu dem Angriff gekommen ist.“
„Unvorsichtigkeit, Junge. Es war einfach Unvorsichtigkeit. Ich habe die Zeichen des Windes zu spät erkannt. Ich war auf dem Weg zu Jesse Pork, genau wie jetzt. Nur damals habe ich die Zeichen des Windes noch nicht deuten können.“
„Sie meinen, der Schwarm wurde nicht gemeldet?“
„Du hörst das Radio, Junge. Haben sie heute etwas gesagt?“
„Nein, Sir, deshalb glaube ich auch nicht, dass heute etwas passieren wird.“
„Siehst du, Junge. Und genauso war es damals bei mir. Keine Warnung im Radio. Nur der Wind. Und als ich meinen Wagen verlassen hatte, um zu Jesses Tür zu gehen, da war sie da.“
„Wie groß war sie, Mr. Carpenter?“
„Nun, sie hatte sich zwischen mich und der Tür gestellt. Und ich kann nur soviel sagen, dass ich diese nicht mehr sehen konnte.“
„Scheiße, Mr. Carpenter. Sie meinen, es war eine von den ganz Großen? Wow! Also ich meine… entschuldigen Sie meine Euphorie, Mr. Carpenter. Aber Sie erzählen mir gerade, Sie hätten den Angriff einer Großen überlebt. Wow!“
„Ich wusste, dass ich nicht an ihr vorbei konnte, also blieb nur der Wagen. Doch den hatte ich bestimmt zwanzig Meter hinter mir an der Koppel abgestellt. Ich sah, wie sie mich aus ihren Facettenaugen anstarrte. Der ekelhafte Rüssel, der vor dem Stachel lag, rollte sich hoch.“
„Oh mein Gott, Mr. Carpenter. Sie haben den Stachel gesehen? Wie sah er aus? Wie lang war er?“
„Junge, mein Magen. Etwas langsamer bitte. Er sieht aus, wie eine Holzfällersäge. Na ja, nur nicht platt. Ich hatte also überlegt, ob ich lieber rennen, oder mich langsam zurück bewegen sollte.“
„Ich habe gehört, dass das egal sein soll. Wenn sie einmal ihr Opfer gerochen haben, dann greifen sie an.“
„So ist es, Junge. Ich weiß nicht mehr, zu welchem Entschluss ich gekommen bin, da hatte sie sich schon vom Boden erhoben und kam auf mich zu. Der Wind, den ein Helikopter verursacht, ist nichts dagegen, Junge. Und sie sind schnell. Verdammt schnell. Ich hatte noch nicht einmal Zeit, mich umzudrehen.“
„Aber wie sind Sie dann entkommen, Mr. Carpenter?“
„Sie stinken! Beim Satan, diese Viecher stinken … Fahr langsam, Junge. Da vorne ist Jesse Porks Farm. Du musst da drüben an der Koppel halten. Sein Hof ist löchrig wie ein Schweizer Käse.“
„Denken Sie, dass er überhaupt da ist, Mr. Carpenter?“
„Jesse Pork ist immer da. Er war auch damals da, und das war mein Glück. Er hat dem Viech die Flügel weggeschossen, bevor sich der Stachel in meinen Körper sägen konnte.“
„Aber wie haben Sie dann ihren Arm und die Beine verloren, Mr. Carpenter?“
„Ich hatte den Stachel berührt, Junge. Das Sekret wirkt schnell; und wenn Jesse nicht sofort die Axt geholt hätte ...“
„Sie meinen, der alte Jesse Pork hat sie Ihnen abgehackt? Oh mein Gott, Mr. Carpenter…“
„Das Gift lässt die Haut anschwellen. Wie eine Melone. Der einzige Vorteil ist, dass man nichts spürt. Das infizierte Körperteil ist taub. Deshalb spürst du auch die Schläge nicht. Und Jesse musste oft zuschlagen, Junge. Verdammt oft. Wie ich schon sagte, das Zeug breitet sich verdammt schnell aus.“
„Ich glaube, jetzt rebelliert gleich mein Magen, Mr. Carpenter.“
„Halt mal an, Junge.“
„Direkt hier?“
„Verdammt halt an! Elende Scheiße, hörst du das nicht?“
„Was meinen Sie, Mr. Carpenter?“
„Das Heulen! Hörst du es nicht? Das verdammte Heulen im Wind.“
„Also ich kann nur den Wind hören, Mr. Carpenter.“
„Lass das Fenster oben, Junge! Bist du verrückt? Los, fahr da hinten zu dem Stall!“
„Aber Sie sagten doch, ich soll da neben der Koppel …“
„Fahr da hinten hin, Junge. Es ist zu spät. Sie sind jeden Augenblick hier!“
„Ich sehe sie nicht.“
„Fahr! Wenn wir sie erst sehen, haben wir keine Chance mehr. Also fahr! Halt so dicht wie möglich an der Stalltür. Du musst da rein, und die Waffe holen. Jesse hat seine Schrotflinte darin.“
„Mr. Carpenter, oh Gott, ich habe noch nie mit einer Waffe …“
„Du musst einfach nur draufhalten und abdrücken, Junge. Ich habe hier im Wagen keine Chance. Sie sägen einfach da durch. Also, wirst du das schaffen, Junge?“
„Können wir nicht einfach hupen, Mr. Carpenter? Der alte Mr. Pork könnte doch schießen.“
„Jesse Pork ist so taub wie ein Mückenschiss in der Mittagssonne. Wenn wir Glück haben, wird er den Schuss hören und uns dann helfen. Also, Junge, kriegst du das hin?“
„Ich werde es schaffen, Mr. Carpenter. Ich werde da rein gehen und die Waffe holen ...
Mr. Carpenter? Mr. Carpenter, was ist mit Ihnen?“
„Jesus! Da hinten kommen sie ... Lauf, Junge! Lauf und hol die Waffe!“
* * *
„Er ist einfach so da rein gegangen?“
„Nun, ich brauchte schon ein bisschen Überzeugungskraft. Hilf mir mal aus dem Wagen, Jesse.“
„Und ich dachte schon, du bringst uns gar kein Futter mehr vorbei.“
„Im Moment ist es nicht einfach. Es traut sich ja kaum noch einer vors Haus. Wie groß ist sie mittlerweile?“
„Komm mit, ich zeig sie dir. Keine Angst, die Kette hält. Außerdem ist sie jetzt erst mal satt.
Hast du ihm wieder die Geschichte, von den abgebissenen Armen und Beinen erzählt?“
„Besser! Viel besser. Er war ganz hin und weg von der Story. Wenn du ein kühles Budwiser springen lässt, werde ich sie dir erzählen.“
„Der Kühlschrank ist voll.“
„Ich denke, dass sie bald vorbeikommen werden. Die von der Zeitung. Sie werden nach ihm fragen, Jesse.“
„Schick sie einfach vorbei. Ich werde ihnen Rede und Antwort stehen.“
„Das werde ich, Jesse. Das werde ich. Aber jetzt bring mich zu unserem großen Schätzchen.“
„Sie wird bald Nachwuchs bekommen.“
„Herrlich! Los, zeig sie mir, Jesse. Ich liebe sie!“
„Ich weiß, Mortimer. Du hast sie ja schon immer geliebt.“