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Mutterliebe

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30.08.2005
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Mutterliebe

„Als Embryo der Abtreibung getrotzt, als Baby verleugnet, als Junge malträtiert aber noch immer am Leben und doch, oder vielleicht sogar gerade deswegen – eine gebrochene Existenz“, steht in verschmierten, blutroten Lettern über die Tür meines alten Zimmers gekritzelt. Sollte es, denke ich.
„Dein Vater hätte es so gewollt, dass sein einziger Sohn...“, ein raues, dennoch unwahrscheinlich zittriges Frauenstimmchen, das ich seit meiner Ankunft in diesem verfluchten Mausoleum,
beharrlich ausblende, dringt nun doch an mein Ohr.
„...trotz allem“, nur einzelne Wortfetzen ihrer Verniedlichungen und großen Reden dringen bis in mein Innerstes vor, selten glückt es ihnen die Barrieren zu überwinden, die mein Verstand errichtet hat um sich an diesem sterbenden Ort nicht selbst in den glatten, unpassierbaren Steilhängen der Selbstzerstörung zu verlieren.
Noch immer stehe ich vor einer geschlossenen Tür und plötzlich streifen meine Gedanken ein Bild, nur ein Foto in einem Politmagazin, eine zerbombte Stadt, irgendwo, ein pulverisierter Wohnhauskomplex, irgendwann, zerborstene Mauern, ausgebrannte Autos und vor diesem Szenario ein kleiner Junge, unschuldig dreinblickend und einen jungen Sprössling mit erdigen, deutlich hervorstehenden Wurzeln in die Kamera haltend, den er aus irgendeinem Grund aus der Erde gerissen hat und ich kann dieses Bild nicht vergessen weil ich einfach nicht verstehen will – wie kann ein einzelner Mensch nur so ignorant sein, wie mein Vater.
Keine dreizehn Stunden später fühle ich mich wieder soweit gefestigt, dass ich mir zutraue die Tür zu öffnen. Ich drücke die Klinke vorsichtig nach unten - als fürchte ich, das, was mich hinter dieser Tür erwartet durch eine unüberlegte, zu hastige Bewegung nervös machen zu können – schön wär’s, denke ich jetzt. Die Tür springt ruckartig aus dem Schloss und schwingt dann nach innen.
Ich wage es – ein Adrenalinstoss – und will die Türe hinter mir wieder schließen, lasse sie aber einen spaltbreit geöffnet – dann noch ein weiterer.
Eine beinahe geheimnisvolle Stille flutet die endlose Dunkelheit des Raumes und bereits nach wenigen, vorsichtigen Schritten durchdringt ein flüchtiger, aber ekelerregend-madiger Geruch meine Nüstern, der mich innerlich zum würgen bringt. Ich versuche meinen Blick die ehemals azurblauen Wände entlangfahren zu lassen, doch ausnahmslos alles hier ist in einer tiefschwarzen, konturlosen Masse versunken, gegen die auch der schmale Lichtkegel der noch durch den Türspalt dringt, nichts auszurichten vermag.
Eine Sekunde geht über in eine Minute, die langsam auf eine Stunde zukriecht und ich stehe noch immer regungslos inmitten dieses schwarzen Lochs, die peinigende Stille lässt mich meine eigenen tiefen, schwere Atemzüge hören. Gefesselt starre ich auf einen – scheinbar beliebigen – Punkt in der uneinsichtigen Ebene.
Hast du mich vermisst?, nur ein zartes Flüstern, das die dunkle Stille durchbricht.
Eine Linie brennender Schmerzen entfacht plötzlich quer über meinem Rücken, entwickeln sich zu einem erbarmungslosen Flächenbrand und ich weiche wieder einige Schritte zurück, in der instinktiven Hoffnung, den Schmerz dadurch abzuschütteln – als ob das irgendetwas lindern könnte.
Mit dem rechten Zeigefinger fahre ich mir über den Rücken, ziehe die Linie nach - der Schmerz ist schon erloschen. Ich setzte erneut an, diesmal fester, denn ich will die Rille fühlen, Einkerbungen, hinterlassen von aufgeriebener Haut und aufgeplatztem Fleisch, die sich wie der Grand Canyon quer über meine Rückseite erstrecken und schließlich bin ich mir sicher;
Sie hat mich nicht vergessen.
Zu irgendeinem undefinierbaren Zeitpunkt an diesem Tag trete ich rückwärts durch einen Türbogen, in einem geschmackvollen, gebrochenen weiß gehalten und eine raffinierte Schwingung aufweisend, sieht er dem gemauerten Bogen, der in die Küche meines Elternhaus führte, verblüffend ähnlich – ich weigere mich bestimmt, zu glauben, dass es derselbe ist – und schließlich halte ich inne, lege meinen Kopf in den Nacken um lesen zu können, was wohl über dieses Portal geschrieben stehen könnte.
Lass es hinter dir, verschwinde einfach – das stetig pochende Echo, das durch meinen Kopf hallt, der kümmerliche Rest Rationalität, den mein Hirn in der Lage war zu konservieren, denn alles andere in mir, von der bereits blut- und gallespeienden Leber, bis zum letzten sauerstoffreichen, zu allem bereiten roten Blutkörperchen, schreit nach Vendetta, erbarmungslose Blutrache für ihre geliebte Mutter – mein Herz – denn...
„Es gibt keine Katharsis“, ein unwahrscheinlich deutliches Flüstern dringt an mein Ohr, an sich nichts ungewöhnliches – erlebe ich stündlich – aber dieses weicht doch in mindestens zwei Punkten von dem ab, was ich als gewöhnlich bezeichnen würde;
Es war laut und deutlich, eher untypisch für ein Flüstern, was ich allerdings als noch viel beängstigender erachte: ich kenne diese Stimme.
Schnitt – und das unausweichliche passiert, ich stehe wieder vor meiner Türe, irgendjemand sagt etwas doch die Barriere hält noch. Es reißt die Tür fast aus den Angeln, als ich sie durch einen harten Tritt mit der Schuhsohle aus dem Schloss sprenge. Unverhofft stehe ich plötzlich auf der Schwelle eines lichtdurchfluteten Raumes, die Wände allesamt in einem idyllischem Azurblau strahlend.
„Eine Falle“, höre ich eine flatternde Stimme murmeln und es bleibt nur zu hoffen, dass es nicht meine eigene ist.
Zielsicher kreuze ich das Zimmer, steuere wie auf Autopilot auf das Bett am Ende des cremefarbenen Teppichs aus reiner neuseeländischer Schurwolle zu, mein rastloser Blick streift kurz einen Wandspiegel und die erste Diagnose lautet: manisch-depressiver Jedermann...
...dann muss ich meinen Blick abwenden, gedankenverloren suche ich ein Fenster.
Meine Schritte werden ungleichmäßiger und langsamer, den mit einem Mal zeichnet sich heute
– selbst hinter dieser, mir fast zufällig erschienen Randnotiz – so etwas wie ein Sinn&Zweck ab.
Ein Fenster bedeutet Hoffnung.
Deshalb durfte es hier keine Fenster geben, den wo es Hoffnung gibt, da gibt es auch Mut, und selbst bei einem äußerlich gebrochenen Jungen darf man den Wirkungsgrad eines hoffnungsvollen Mutes – sei es der furiose Mut zu körperlichem Widerstand oder einfach der Mut, es auszusprechen, es publik zu machen – niemals unterschätzen.
„Du warst schon ein verdammt cleveres Arschloch“, knurre ich beinahe lautlos, nehme Notiz von dem unerwartet kalkigen Geschmack meiner Lippen, den ich ohne groß darüber nachzudenken auf die Beruhigungstabletten zurückführe, die ich jetzt – grob geschätzt – seit knapp 200 Stunden wie Gummibärchen in den Mund schiebe, und schließlich komme ich – direkt vor meinem alten Bett stehend – wieder zu mir.
Unfähig meinen Blick zu heben – und ich will es auch gar nicht – starre ich auf das Bett und auf meine Taschenbuchausgabe des Easton Ellis Romans American Psycho, die noch immer neben dem in ein leicht blutiges rot getauchtem Kopfkissen liegt, so wie ich sie zurückgelassen habe, aufgeschlagen auf Seite – daran kann ich mich nicht erinnern – und die Worte flüsternd, die zum Inbegriff meines Lebens werden sollten;
Es gibt keine Katharsis, stimme ich ein und für einen kurzen Moment kann ich es übertönen, scheint der Abgrund nicht mehr unüberwindbar, bis es von neuem beginnt, die Intervalle noch kürzer aufeinanderfolgend, die Töne noch greller und durchdringender.
„...immer beschäftigt mit seiner Arbeit...“ die Barriere bröckelt, „...den Fotos...“, – ich habe nicht mehr viel Zeit. „...aber geliebt...“
Ein Foto an das ich denken muss: Ein kleiner schwarzer Junge auf einem großen Marktplatz irgendwo in Schwarzafrika, abgemagert bis auf die spitz hervorstehenden Rippenknochen, das Gesicht gezeichnet von Mangel & Krankheit - mit Schlägermütze und getönter D&G Sonnenbrille zum Schwerkriminellen stilisiert, umrundet von einem guten Dutzend empört dreinschauender, anklagend aufschreiender weißer Jungs, blond & blauäugig – so wie er sie gern hätte - in Nadelstreifanzügen mit dicken Büchern unter den Armen, auf die deutlich „Kreuzzüge“ geschrieben steht, beim Kauf einer Tafel weißer Schokolade.
Hast du mich vermisst?
Es gibt keine Katharsis.
wie kann ein einzelner Mensch nur so ignorant sein, wie mein Vater.
Erst einen halben Schritt vor dem endgültigen Abgrund kehrt ein letzter Rest Verstand und Lebenswillen, in reine Raserei getränkt, wieder in mich zurück und als ich mich wieder in den Raum einblende, komme ich schnell zu der Erkenntnis, dass ich meine Monatsration an Beruhigungsmitteln und Antidepressiva bereits vertilgt habe, den heutigen Tag aller Wahrscheinlichkeit nach nicht überleben werde und in diesem endgültigen Augenblick ertappe ich mich dabei, wie mein zuvor steinerner Blick die in ein dunkles rot getauchte Wand hinauffährt und schließlich blicke ich in ihre verschmierte Fratze.
Über dem Knecht thronend, das Symbol der perversen Lust eines Soziopathen und zugleich terroristische Drohgebärde, die jede Hoffnung und allen Widerstand im Keim erstickt hätte – hätte es sie je gegeben.
Sie ist alt geworden, denke ich jetzt. Noch immer klebt eingetrocknetes, braun gewordenes Blut an ihr, Roststreifen liegen längs über der Klinge, haben richtiggehend Löcher in sie hineingefressen und sie glänzt auch schon nicht mehr.
„Sieh dich doch an!“, würge ich versucht lässig hervor und imitiere ein abschätziges Lächeln.
Stille.
Wende mich endlich ab, meine Unterlippe bebt vor Erregung während ich die unerwartet salzige Note, die plötzlich meine Oberlippe tränkt, schmecke und als mein Oberkörper sich bereits eine Vierteldrehung weit vom Bett entfernt hat, schwenkt mein linker Arm eigenmächtig noch einmal zurück, reißt sie mit unzähmbarer Wucht von der Wand – ich höre abbröckelnden Putz, das stumpfe Klirren eines rostigen Eisennagels auf dem Bettrand, und dann: ein Schrei verhallt – stimmt wieder in die eigentliche Drehbewegung ein und noch bevor ich überhaupt halbwegs verstehen kann, was hier wirklich gerade passiert stehe ich wieder vor der Gestalt, die mich - zu irgendeinem fiktiven Zeitpunkt in der Vergangenheit – ins Haus gelassen hatte, die Frau, die meiner Mutter so verblüffend ähnlich sieht – ich weigere mich bestimmt, zu glauben, dass es sie ist...
...ganz einfach weil andere sich bestimmt weigern zu glauben, dass in diesem Haus Verbrechen geschehen sind.
„Jungchen, was ist bloß in dich gefahren? Sag doch endlich etwas!“, die Barriere bricht – ist nicht mehr wichtig, denke ich und meine bewaffnete Hand bereitet mich bereits auf das unvermeidliche vor.
„Kindchen, aber was ist bloß in...“, mit einer kurzen Handbewegung verbiete ich ihr den Mund.
„Ich habe keine Vergangenheit...“, beginne ich, „...weil alles, an das ich mich wirklich erinnern kann, nach Doktor van Weyden nichts als Projektionen einer phantastischen Welt sind, reflektiert durch den kranken Verstand eines hoffnungslosen Monsters, und es gibt für mich auch keine Hoffnung auf eine Zukunft, weil ich all das ungeschehene, einfach nicht vergessen kann. Alles was ich habe, ist das Jetzt.“, ich setzte das tote Eisen zwischen ihren Augen an, „Jetzt und meine Rache. Niemand kann mir diesen Augenblick nehmen!“
Es gibt keine Katharsis, hallt es noch immer, wie ein Gebet vom Bett zu mir herüber als ich die Klinge auf sie niedersausen lasse, ihr den Schädel sauber zu spalten, es gibt keine Katharsis, doch mit einem Mal stocke ich, denn ich bin mir nicht mehr sicher, ob diese Passage wirklich aus dem aufgeschlagenen Buch selbst stammt, oder es gerade nur seine eigene Verfilmung zitiert...
...Nicht einmal das kann ich mehr glauben.
Durch die sich auflösenden Grenzen zwischen Realität und Phantasie hindurch, über die verschwommenen Ebenen von Körper und Verstand, sinke ich schließlich in die Knie während ich sie, die tot und regungslos in meiner linken Hand ruht, in die Ecke schleudere – in tausend winzige Teile gesprengt, wirbelt sie die dicke Staubschicht, die über dem Parkettboden in der Ecke liegt, auf, die sich anschließend wie ein Schleier über die einzelnen Bruchstücke legt, nur für einen kurzen Moment zwar, aber lange genug für mich.
Meine Mutter kniet noch immer zusammengekauert, in grausiger Erwartung des Todesstoßes heuchlerisch winselnd, auf dem Boden, die Augen rot und tränenunterlaufen, das Kreuz gebeugt unter der Last ihrer schweren Schuld.
Und doch muss ich die Urteilsvollstreckung aussetzen weil äußere Umstände mich dazu veranlasst haben, den Fall neu aufzurollen, vielleicht alles etwas differenzierter zu sehen, aber, als auch sie endlich versteht und sich, unter glucksenden Geräuschen heftig atmend, mir dankend an den Hals wirft, kann ich das alles mit einem Mal nicht mehr ertragen und ich beginne bitterlich zu weinen.
Ich schreie einen falschen Schmerz heraus, weine noch heftiger, versuche es schließlich mit hysterischem Kreischen – in der stillen Hoffnung, dass dieser Moment vielleicht gar nicht existiert, oder, falls doch, ich ihn zumindest nicht überleben muss.
„Was ist bloß in dich gefahren, Brick?“
„Es ist einfach alles so überhaupt nicht...“, an dieser Stelle baue ich ein erneutes heftiges Schluchzen und weinen ein, „...so überhaupt nicht caliente.“, erwidere ich zum ersten und letzten Mal, ich sage das, weil jede andere Antwort bedeuten würde etwas meines Innersten preiszugeben, aber dazu bin ich, an diesem sterbenden Ort entschieden nicht geneigt und als ich nach einiger Zeit der Besinnung die Augen wieder öffne, erblicke ich ein gewaltiges The End?, an die beschlagenen Scheiben des Busses geschmiert, in einer Schrift, in der ich nur für einen Moment, meine eigene zu erkennen glaube.
Nur mühsam richte ich mich in meinem Sitz auf, dann blicke ich mich ein wenig in den Sitzreihen um – da kullert in jeder Kurve eine leere Jack Daniels Flasche durch den Fußraum, hier trällert der Busfahrer ein trauriges Lied, welches ich bald als Johnny Cashs „Cry Cry Cry“ ausmachen kann und bei manchen Versen stimme ich schließlich sogar mit ein weil ich glaube, sie verstanden zu haben, aber letztendlich muss ich doch erkennen, dass ich der einzige Fahrgast in einem leeren Bus bin, weil ich einen Ort suche, den wohl jeder andere Mensch ganz bestimmt zu meiden versucht.
In diesem Moment hebe ich meinen Blick ein wenig und die grellgelbe Neonanzeige neben dem
Fahrer beginnt jetzt stetig zu blinken und gegen Ende der geschwungenen Straße bestimmt sie das Ziel meiner Reise – Endstation: Vergangenheit

 

Hallo Hitch,

beim ersten Überfliegen auf der Suche nach einer Geschichte, die ich kommentieren könnte, dachte ich, ich würde vielleicht eine halbe Stunde brauchen.
Dann ging ich in die Tiefe und ich sitze schon wieder eine Stunde und bin noch lange nicht fertig.
Entsprechend gibt es auch noch keine inhaltliche Rezension sondern erstmal nur eine Liste mit stilistischen Dingen, die mir im ersten Drittel deines Textes aufgefallen sind.

"Dein Vater hätte es so gewollt, dass sein einziger Sohn...", ein
Sohn ..." Ein(Zwischen Wort und Auslassungszeichen gehört immer ein Leerzeichen, da du danach einen vollständigen Satz anfängst, muss Ein groß gesschrieben und auf das Komma verzichtet werden)
"...trotz allem", nur einzelne Wortfetzen
"... trotz allem." Nur
Nur einzelne Wortfetzen ihrer Verniedlichungen und großen Reden dringen bis in mein Innerstes vor, selten glückt es ihnen die Barrieren zu überwinden, die mein Verstand errichtet hat um sich an diesem sterbenden Ort nicht selbst in den glatten, unpassierbaren Steilhängen der Selbstzerstörung zu verlieren.
fehlende Kommas nach "ihnen" und nach "errichtet hat", "selbst" wird durch "Selbstzerstörung" überflüssig.
ich kann dieses Bild nicht vergessen weil ich einfach nicht verstehen will
vergessen, weil
Keine dreizehn Stunden später fühle ich mich wieder soweit gefestigt, dass ich mir zutraue die Tür zu öffnen.
Komma nach zutraue
ein Adrenalinstoss
Adrenalinstoß
lasse sie aber einen spaltbreit geöffnet
Spalt breit (durch den Artikel davor)
und bereits nach wenigen, vorsichtigen Schritten durchdringt ein flüchtiger, aber ekelerregend-madiger Geruch meine Nüstern, der mich innerlich zum würgen bringt.
- kein Bindestrich zwischen ekelerregend und madiger, einfach ein Leerzeichen.
- zum Würgen
- bei Nüstern denke ich immer an ein Pferd.
die peinigende Stille lässt mich meine eigenen tiefen, schwere Atemzüge hören.
schweren
Gefesselt starre ich auf einen - scheinbar beliebigen - Punkt in der uneinsichtigen Ebene.
was sollte die Ebene denn einsehen? Oder meinst du, sie ist schlecht einzusehen? Dann ist uneinsichtig falsch.
Hast du mich vermisst?, nur ein zartes Flüstern, das die dunkle Stille durchbricht.
"Hast du mich vermisst?" Nur ein ...
Eine Linie brennender Schmerzen entfacht plötzlich quer über meinem Rücken, entwickeln sich zu einem erbarmungslosen Flächenbrand
- entfachen ist ein passives Verb. Etwas kann also lediglich entfacht werden, etwa ein Feuer durch einen Funken. Wen oder was entfacht die Linie brennder Schmerzen?
- Da der Bezug von "entwickeln" noch auf der "Linie brennender Schmerzen" liegt, richtet sich der Numerus an Linie (Singular) aus, es muss also "entwickelt" heißen.
in der instinktiven Hoffnung, den Schmerz dadurch abzuschütteln
Da du die Schmerzen bisher im Plural hattest, solltest du sie auch hier dabei belassen.
quer über meine Rückseite erstrecken und schließlich bin ich mir sicher;
Sie hat mich nicht vergessen.
Die Rückseite oder die Kerbe?
Statt des Semikolons wolltest du sicher einen Doppelpunkt setzen. Damit erschiene es mir jedenfalls sinnvoller, eine Sie einzuführen, für die es im Moment noch keinen grammatischen Bezug gibt.
Zu irgendeinem undefinierbaren Zeitpunkt an diesem Tag trete ich rückwärts durch einen Türbogen, in einem geschmackvollem gebrochenen Weiß gehalten und eine raffinierte Schwingung aufweisend, sieht er dem gemauerten Bogen, der in die Küche meines Elternhaus führte, verblüffend ähnlich
- Der unbestimmte Artikel streckt unnötig und klingt sprachlich ungeschickt, deshalb würde ich ihn weglassen.
- Weiß muss groß geschrieben werden, da du es als Substantiv verwendest.
- Das Komma zwischen geschmackvollem und gebrochenen ist unnötig, da es sich hier um sich ergänzende Adjektive handelt, nicht um eine Aufzählung.
und schließlich halte ich inne, lege meinen Kopf in den Nacken um lesen zu können, was wohl über dieses Portal geschrieben stehen könnte.
Nacken, um
schreit nach Vendetta, erbarmungslose Blutrache für ihre geliebte Mutter
auf wen oder was bezieht sich hier "ihre"?
Wenn du es als Plural mit Bezug auf die aufgezählten Organe meinst, dann musst du diese auch schon vorher in den Plural setzen: alle in mir ... schreien nach Vendetta
"Es gibt keine Katharsis", ein unwahrscheinlich deutliches Flüstern
Dein Standardfehler: Katharsis." Ein
an sich nichts ungewöhnliches
Ungewöhnliches (groß, da es kein Satzobjekt oder kein Satzsubjekt gibt, auf dass es sich bezieht)
aber dieses weicht doch in mindestens zwei Punkten von dem ab, was ich als gewöhnlich bezeichnen würde;
wieder so ein merkwürdiges Semikolon, vielleicht doch Absicht? Welchen Inhalt möchtest du damit transportieren?
Es war laut und deutlich, eher untypisch für ein Flüstern, was ich allerdings als noch viel beängstigender erachte: ich kenne diese Stimme.
- nach dem Doppelpunkt ist ein Leerzeichen zu viel
- da "Ich kenne diese Stimme" ein vollständiger Satz ist, muss "Ich" groß geschrieben werden
Schnitt - und das unausweichliche passiert
das Unausweichliche

Lieben Gruß, sim

 

Tja Hitch,

nachdem sich sim ja schon einen Sack voller Lorbeeren verdient hat, was Formales betrifft, noch ein paar inhaltliche Anmerkungen.

Ich habe die Geschichte gelesen, weil mich der erste Satz mitgerissen hat. Der Einstieg ist vielversprechend. Auch sprachlich hast du einiges auf dem Kasten. Aber der Inhalt?

Man stolpert hier bei kg.de regelmäßig über Geschichten vom Typus: (Selbst)portrait eines Psychopathen.

Letztendlich wird beschreiben, wie kaputt irgendwelche Typen sein können. Wenn ich dich recht verstehe, reihst du dich in diese Tradition ein, allerdings in einer Art und Weise, die nicht leicht lesbar genannt werden kann. Der Text ist durchzogen von einer Reihe von Unverständlichkeiten, die sich vielleicht auflösen würden, hätte man den Nerv, alles mehrfach durchzuarbeiten ... Dabei bleibst du Antworten auf wesentliche Fragen aus der Vergangenheit des Protagonisten schuldig. Was war mit dem Vater? Ignoranz als Schuldzuweisung ist zu wenig.

Insgesamt fällt es schwer zu kapieren, worum es überhaupt geht, die wirre Abfolge des Geschehens, die Einschübe, die Mischung aus Gedanken und Handlungen ...

Deine Wortwahl lässt erahnen, dass du zu mehr fähig wärst, auch dass du dir Mühe gegeben hast mit der Geschichte. Schade, dass die vielen Versprechen des ersten Satzes nicht eingelöst werden.

LG,

N

 

Hey Nicole!
erst einmal danke, das du dir überhaupt zeit genommen hast meine Geschichte zu lesen.
Ich bin mir durchaus bewusst, dass die Geschichte nicht leicht zu lesen ist & Unverständlichkeiten sind bewusst in ihr enthalten, weil sie eben Fragment ist. Natürlich könnte man alles wissenswerte vordergründig in den Text einbauen, z.B. was genau mit den Eltern vorgefallen ist, aber nach meinem persönlichen Empfinden, sollte ein Text möglichst pointiert sein und seine Leser auch zum Denken auffordern.
Die Abfolge der Handlung ist bewusst etwas wirr konstruiert - nicht umsonst habe ich die "gebrochene Existenz" als subjektiven Ich Erzähler gewählt.

LG,
Hitch

 

Hallo Hitch,

ich schließe mich mehr oder weniger Nicoles Urteil an: Sprachlich zwar mit einigen Fehlern, insgesamt aber beeindruckend. Inhaltlich viel zu wirr.
Zwar verstehe ich, dass du nicht alles zu platt und direkt bringen wolltest, fürchte aber, deine absichtlich gestifete Verwirrung führt dazu, dass sich jeder Leser im Dickicht deiner Geschichte verirrt und selbige nach der Mitte einfach aufgibt.

Kein Leser ist bereit, deine Geschichte mit Stift und Block in der Hand viermal durchzuarbeiten, um vielleicht dahinter zu kommen, was du eigentlich meinst. Wer eine Geschichte liest, will emotional berührt werden, will mit den Figuren mitfühlen. Er will keine Rätsel lösen, wer dieser Prot eigentlich ist und warum er fühlt und handelt, wie er es tut. Bei deiner Geschichte habe ich noch nicht mal rausgefunden, was er eigentlich macht ... hab sie auch nur einmal gelesen. ;)

Du kennst deinen Prot, seine Vergangenheit, seine Motive. Wir kennen ihn nicht. Wir müssen erstmal dazu gebracht werden, uns für ihn zu interessieren. Bleibst du zu kryptisch, funktioniert das nicht, und dann funktioniert die ganze Geschichte nicht und bleibt ungelesen, und wenn du allesnoch so absichtlich konstruierst.

Lehnst du formale Kritik (die viel Arbeit macht) ab? Bisher hast du sie weder übernommen noch dich bei Sim dafür bedankt. Oder bist du noch nicht dazu gekommen?

Viele Grüße
Pischa

 

Hallo Hitch,

ein möglicherweise Psychisch Kranker erlebt in einer Art Kopf- oder realem Kindo die Vergangenheit, von der auch nicht ganz klar ist, ob sie nun grausam war oder er sie nur grausam erinnert.
Was immer schwierig ist an solchen Anklagetexten, ist, dass man als Leser so wenig Handhabe dafür hat. Man muss es einfach schlucken. Wenn der Icherzähler es sagt, wird er schon gemein gewesen sein, auch wenn er mir keinerlei Fakten dafür nennt.
Denken wird so blockiert, unterminiert und verhindert. Solch Text ist mir zu selbstmitleidig, um mich damit auseinanderzusetzen und die Verschleierung bewirkt, dass sich (so autobiografisch) der Autor selbst nicht damit auseinandersetzt und in jedem anderen Fall der Leser denkt, da hat ein Icherzähler etwas zu verbergen.
Immerhin hebt sich dein Text dabei dadurch ab, dass der Protagonist sich selbst so fern ist, dass er Manipulationen eingesteht. Die Echtheit seiner Tränen zieht er selbst in Zweifel, in einem Fall nutzt er das Weinen für "gutes Wetter" nach einem Mordversuch.
Egal, wie verwirrt dein Prot ist, die Grammatik sollte es meines Erachtens nicht sein. Da verhaspelst du dich ab und zu in der Länge deiner Sätze und findest den Anschluss nicht. Auch sonst hat der Text zu viele Fehler:

Eine Sekunde geht über in eine Minute, die langsam auf eine Stunde zukriecht
ich weiß nicht, ob ich das beim ersten Mal schon angemerkt habe, aber durch den Singular mit zählendem Pronomen wird es inhaltlich falsch, denn eine Sekunde muss erst 58 Mal in eine neue Sekunde übergegangen sein, bevor sie in eine Minute übergehen kann. Genauso verhält es sich mit dem Minuten.
ich stehe wieder vor meiner Türe
Türe ist zwar richtig, ich finde aber diese poetische Form passt irgendwie nicht in deine Sprache und klingt so etwas gezwungen.
die Wände allesamt in einem idyllischem Azurblau strahlend.
einem oder idyllischen
es bleibt nur zu hoffen, dass es nicht meine eigene ist.
naja, wenn es seine eigene ist, weiß er ja, wo sie ist, dann hat er sie nämlich ausgelegt. ;)
Ausdrücken wolltest du aber, dass zu hoffen bleibt, dass der Prot nicht in sie tappt oder sie ihm gilt.
die erste Diagnose lautet: manisch-depressiver Jedermann...
Jedermann ...
...dann muss ich meinen Blick abwenden
... dann
Meine Schritte werden ungleichmäßiger und langsamer, den mit einem Mal zeichnet sich heute
- selbst hinter dieser, mir fast zufällig erschienen Randnotiz - so etwas wie ein Sinn&Zweck ab.
Okay, den Sinn der Zeilenumbrüche kann ich erfassen, auch, wenn es verwirrend aussieht und die überflüssige Leerzeichen nach "Fenster (zwei)" und nach "heute" streichen solltest. Auch fehlt ein n bei "denn mit einem Mal" und da Sinn&Zweck nicht C&A ist, schreibe es in einer Geschichte bitte ohne Kürzel und mit Leerzeichen. Sonst sieht es aus wie ein Firmenname.
Ein Fenster bedeutet Hoffnung.
Hier würde ich im Plural allgemeiner bleiben. Fenster bedeutetn Hoffnung. Das schon deshalb, weil du die Verneinung im nächsten Satz auch im Plural verwendest. Obwohl ...
Deshalb durfte es hier keine Fenster geben, den wo es Hoffnung gibt, da gibt es auch Mut
... wenn es keine Fenster geben durfte, kann es ja vielleicht noch eines gegeben ...
Für Fehlendes wird normalerweise Singular verwendet. Deinem "denn" fehlt wieder ein "n"
und selbst bei einem äußerlich gebrochenen Jungen darf man den Wirkungsgrad eines hoffnungsvollen Mutes - sei es der furiose Mut zu körperlichem Widerstand oder einfach der Mut, es auszusprechen, es publik zu machen - niemals unterschätzen.
statt "Den Wirkungsgrad" würde ich hier einfach nur "die Wirkung" schreiben. Wirkungsgrad klingt so technisch.
die noch immer neben dem in ein leicht blutiges rot getauchtem Kopfkissen liegt
Mehrere Fehler. die noch immer neben dem in ein leicht blutiges Rot getauchten Kopfkissen liegt.
und die Worte flüsternd, die zum Inbegriff meines Lebens werden sollten;
stammen die Worte von der Taschenbuchausgabe, heißt es "und die Worte flüstert", stammen sie vom Erzähler, "die Worte flüstere".
Das Semikolon als Satzabschluss leuchtet mir nicht ein.
Ein Foto an das ich denken muss:
Komma nach Foto
das Gesicht gezeichnet von Mangel & Krankheit
auch Mangel und Krankheit sind keine Firma (in diesem Zusammenhang müssten sie dann ja Schminke herstellen)
Nach "Stilisiert" ist ein Leerzeichen zu viel.
umrundet von einem guten Dutzend empört dreinschauender, anklagend aufschreiender weißer Jungs, blond & blauäugig - so wie er sie gern hätte
im Satzzusammenhang hätte er gern die Jungs der Firma "Blond&Blauäugig" und nicht etwa, wie du es wohl ausdrücken möchtest, blondes Haar und blaue Augen.
in Nadelstreifanzügen mit dicken Büchern unter den Armen, auf die deutlich "Kreuzzüge" geschrieben steht
Im Satzzusammenhang haben die Nadelstreifenanzüge die Bücher unter den Armen auf denen deutlich "Kreuzzüge" geschrieben steht.
wie kann ein einzelner Mensch nur so ignorant sein, wie mein Vater.
überflüssiges Leerzeichen vor "wie". Wenn es klein geschrieben bleiben soll, bitte drei Punkte und dann das Leerzeichen davor.
Erst einen halben Schritt vor dem endgültigen Abgrund
Was wäre denn ein Abrgrund, der nicht eingültig wäre?
kehrt ein letzter Rest Verstand und Lebenswillen, in reine Raserei getränkt, wieder in mich zurück und als ich mich wieder in den Raum einblende
Wenn man es genau nimmt, sind Verstand und Lebenswille zwei Dinge, sie müssten also mit einem Plural eingeleitet werden. Letze Reste.
"in mich zurück" beinhaltet das "wieder" schon, darauf kannst du also verzichten, um die Wortwiederholung zu vermeiden.
in diesem endgültigen Augenblick ertappe ich mich dabei, wie mein zuvor steinerner Blick die in ein dunkles rot getauchte Wand hinauffährt und schließlich blicke ich in ihre verschmierte Fratze.
auch hier verhedderst du dich im Satz. Ich frage mal nicht, was diesen Augenblick endgültig macht, aber du wechselst von der passiven Betrachtung einer Tätigkeit ohne Übergang in aktives Tun und verwedest dafür noch die gleiche Vokabel (Blick).
bei "in ein dunkles Rot getauchte Wand" ist "ein" überflüsig, da die Wand ja nicht in zwei dunkle Rot getaucht ist.
Vorschlag: in diesem endgültigen Augenblick ertappe ich mich dabei, wie mein zuvor steinerner Blick die in dunkles Rot getauchte Wand hinauffährt und schließlich auf einer verschmierten Fratze verharrt.
Wende mich endlich ab, meine Unterlippe bebt vor Erregung während ich die unerwartet salzige Note, die plötzlich meine Oberlippe tränkt, schmecke und als mein Oberkörper sich bereits eine Vierteldrehung weit vom Bett entfernt hat, schwenkt mein linker Arm eigenmächtig noch einmal zurück, reißt sie mit unzähmbarer Wucht von der Wand
du hast natürlich im Kopf, wovon du schreibst, als Leser kann ich mir auch denken, dass er die Fratze von der Wand reißt, im grammatischen Bezug bist du aber schon lange bei der Lippe mit der unerwartet salzigen Note.
reißt sie mit unzähmbarer Wucht von der Wand - ich höre abbröckelnden Putz, das stumpfe Klirren eines rostigen Eisennagels auf dem Bettrand, und dann: ein Schrei verhallt - stimmt wieder in die eigentliche Drehbewegung ein
Ich nehme an, nach dem zweiten Gedankenstrich ist der Anschluss an die Stelle vor dem ersten gedacht, also: Wucht von der Wand, stimmt wieder in ...
Dann müsste es aber "und einen Schrei verhallen" heißen, da der Bezug auf "ich höre" liegt.
Sag doch endlich etwas!", die Barriere brich
etwa!" Die Barriere
meine bewaffnete Hand bereitet mich bereits auf das unvermeidliche vor.
Unvermeidliche (groß); die Verselbstständigung des Denkens von Körperteilen willst du sicherlich so.
weil ich all das ungeschehene, einfach nicht vergessen kann.
das Ungeschehene
Alles was ich habe, ist das Jetzt.", ich setzte das tote Eisen
das Jetzt." Ich setze
zwischen ihren Augen an, "Jetzt und meine Rache
ihren Augen an. "Das Jetzt (ich würde auch den Artiken wiederholen. Der Punkt ist Pflicht.
Es gibt keine Katharsis, hallt es noch immer, wie ein Gebet vom Bett zu mir herüber als ich die Klinge auf sie niedersausen lasse
Vor Vergleichs "wie" wird kein Komma gesetzt, dafür aber vor "als"
an dieser Stelle baue ich ein erneutes heftiges Schluchzen und weinen ein
"ein" vor erneutes streichen, da er zwei Dinge einbaut, "Weinen" groß schreiben.
"...so überhaupt nicht caliente.", erwidere
mal wieder das fehlende Leerzeichen vor den Auslassungspunkten (das habe ich nur noch erwähnt, wenn es auch andere Fehler gibt), caliente kenne ich nicht, der Punkt danach ist falsch.
ich sage das, weil jede andere Antwort bedeuten würde etwas meines Innersten preiszugeben
Komma nach würde
erblicke ich ein gewaltiges The End?
The End in Anführungszeichen, Komma nach dem Fragezeichen weg.
stimme ich schließlich sogar mit ein weil ich glaube, sie verstanden zu haben
Komma vor "weil"
In diesem Moment hebe ich meinen Blick ein wenig und die grellgelbe Neonanzeige neben dem
Fahrer beginnt jetzt stetig zu blinken
überflüssiger Zeilenumbruch.

Lieben Gruß, sim

 

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