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Nächtliche Begegnungen
Nächtliche Begegnungen
Susanne gähnte. "Zum Glück ist die Nachtschicht bald vorbei," sagte sie zu ihrer Kollegin, die mit ihr im Streifenwagen saß.
"Die letzte Stunde kriegen wir auch noch um," bemerkte Melanie, "hast du schon was zu Josephs Geburtstag gegeben?"
"Der Kerl kann mich mal. Der Schleimbolzen versucht dauernd mich anzugraben. Wenn der so weitermacht kriegt, er von mir eins auf die Schnauze."
"Du hast aber gute Laune."
Plötzlich rannte jemand knapp vor dem Wagen über die Straße, dicht gefolgt von einer schwarzen Gestalt, die mit einem Satz über das Fahrzeug sprang.
"Was war das denn?" Susanne trat auf die Bremse. Kaum stand der Wagen, stiegen die beiden Polizistinnen aus. Sie hörten jemanden um Hilfe schreien.
"Los, hin."
Der nächste Hilfeschrei endete mit einem gurgelnden Röcheln. Am Ort des Geschehens angekommen, sahen die beiden Beamtinnen einen Mann auf dem Boden knien. Er hielt sich die Kehle, vor ihm stand eine schlanke Gestalt, die gerade mit zwei Schwertern ausholte.
"He, lassen Sie ihre Waffen fallen." Melanie und Susanne zogen ihre Pistolen.
Die Gestalt reagierte nicht auf den Ruf, sondern schlug zu. Was dann geschah, brachte die Polizistinnen aus der Fassung: Der Sterbende begann zu dampfen. Die Kleidung zerfiel, das Fleisch löste sich von den Knochen. Die skelettierte Hand streckte sich noch einmal dem Angreifer entgegen. Dann verlor er entgültig das Gleichgewicht, und fiel vorne über. Nach wenigen Sekunden waren nur noch die Knochen über, die vor ihren Augen zu Staub zerfielen.
Melanie schluckte. 'Das ist unmöglich,' fuhr es der jungen Frau durch den Kopf, 'Wie kann jemand so schnell verwesen?'
Susanne musste sich zusammenreißen, um sich nicht angewidert abzuwenden. Nun wandte sich die Gestalt ihnen zu, es war eine Frau.
Beim Anblick der zwei Polizistinnen grinste sie breit. Die blonde Susanne war für eine Frau ungewöhnlich groß, mit breiten Schultern. Neben ihr wirkte die schwarzhaarige Melanie noch kleiner und zierlicher.
"Du bist es, Susanne. Wir haben uns lang nicht mehr gesehn," sagte sie.
"Vera? Was war das gerade? Warum hast du den Mann umgebracht?"
"Ganz ruhig Susanne, es ist nicht, was du denkst. Das war kein Mensch, sondern ein Nachtmahre. Normalerweise sind diese Viecher nur lästig. Aber dieser hat die Kinder in dem Waisenhaus dort so verängstigt, dass sie sich nicht mehr ins Bett trauten. Der hat sich benommen wie Freddy Krüger, nur dass er sie nicht körperlich verletzen konnte."
"Du sagst, das war ein Dämon?"
"Ja, aber nur von der unteren Kategorie. Nimm bitte die Waffe runter. Du weist doch, dass du mich nicht erschießen kannst." Die rothaarige Frau steckte ihre Schwerter in die Scheiden, die sie auf den Rücken trug.
"Es gibt keine Dämonen," mischte sich Melanie ein.
"Das sollt ihr Muggel auch glauben. Aber es gibt sie, sie sind überall." Vera ging langsam auf kleine Polizistin zu. Dabei entblößte sie ihre auffallend langen und spitzen Eckzähne.
"E – ein Vam... Vampir?" Melanie zitterte. Ihr fiel die Pistole aus den Händen.
Vera nahm Melanies Kinn in die Hand. "Du siehst zum Anbeißen aus." Die Lippen der Vampirin berührten den Hals der jungen Frau.
"Lass mich in Ruhe," wollte Melanie sagen, brachte aber vor Angst keinen vernünftigen Ton heraus.
"Aber für heute hab ich schon genug Blut, ich komm bestimmt ein anderes Mal auf dich zurück."
Vera ließ die beiden Polizistinnen einfach stehen, und ging. Melanie spürte, dass ihre Knie weich wurden, sie war einer Ohnmacht nahe.
Susanne half ihrer Kollegin ins Auto. "Das sollten wir in unserem Bericht besser nicht erwähnen," sagte sie dabei, "das glaubt uns sowieso keiner."
Nach kurzer Zeit hatte Melanie sich wieder beruhigt. "Ist sie wirklich ein Vampir?," fragte sie Susanne.
"Ja, sie ist wirklich ein Vampir. Außerdem gehört sie zu einer Spezialeinheit, die direkt dem Innenministerium unterstellt ist. Keine Ahnung, was sie da macht, und ich will es auch nicht wissen."
"Woher kennst du sie?," wollte Melanie wissen.
"Ich hab dir doch von meinem Unfall von vor zwei Jahren erzählt. Wo ich die Kontrolle über meinen Wagen verloren hatte."
"Ja, du hast gesagt, dass eine Frau dich und deine Tochter aus dem brennenden Wrack gezogen hatte. – Soll das heißen...?
"Ja, es war Vera, die mich und meine Tochter gerettet hatte. Mein Kind hatte nur einige Schrammen und Blaue Flecke. Ich hatte ein paar Verbrennungen, aber bis auf die Narbe auf meinem Arm ist davon nichts mehr zu sehen."
Einige Tage später war Melanie Abends alleine unterwegs. Sie war auf den Rückweg von einer Feier bei Freunden. Melanie atmete ein paar Mal tief durch. "Das war wohl doch ein Glas Wein zuviel. Zum Glück hab ich morgen frei, da ist es nicht so schlimm."
Die junge Frau war auf einer Seitenstraße. Als Polizistin war sie auch im Nahkampf ausgebildet, daher machte sie sich wenig Sorgen. Plötzlich trat ein Mann aus dem Schatten eines Hauses. Mit schnellen Schritten kam er auf Melanie zu und legte ihr eine Hand auf den Mund. Sein Griff war erstaunlich hart. Melanie wehrte sich, so gut sie konnte. 'Der Kerl ist verdammt stark,' fuhr es der jungen Frau durch den Kopf. Mit einem Fuß traf sie den Angreifer da, wo es einem Mann wirklich weh tut.
Der Griff lockerte sich, so dass die junge Frau von dem Mann wegkam. Sie wollte fliehen, doch nach wenigen Schritten hatte er sie wieder eingeholt. Er drückte sie gegen die Hauswand.
"Das machst du nicht noch mal, Schlampe," sagte er. Im Licht der Straßenlaterne konnte Melanie seine langen und spitzen Eckzähne deutlich sehen.
'Ein Vampir?' Sie machte sich vor Angst fast in die Hose.
"Lass sie los!," rief jemand vom Ende der Straße. Aus der Entfernung und in der Dunkelheit war nur die Silhouette zu erkennen. Dem Umriss und der Stimme nach war es eine Frau. Etwas ragte über ihre Schultern.
"Halt dich da raus, oder du bist der Nachtisch," blaffte der Vampir die Fremde an.
"Hilf mir," flehte Melanie.
Ein kurzes Rauschen. Plötzlich lag der Vampir auf dem Boden. Vera stand mit erhobenen Fäusten über ihm.
Die Polizistin sah mit großen Augen auf die beiden. 'Was war das jetzt,' wunderte sie sich, 'ist sie so schnell?'
"Du wilderst in meinem Revier," sagte Vera wütend.
Der Mann wischte sich mit dem Handrücken Blut aus dem Mundwinkel. "Das kriegst du wieder," sagte er dabei, "such dir deine eigene Beute. Es sind genug Menschen in dieser Stadt."
"Wenn du so weitermachst aber nicht mehr lange," antwortete Vera, "seit einer Woche bist du hier, und in jeder Nacht hast du mindestens einen Menschen getötet. Es gibt hier schon zwei Vampire, und einen wie dich können wir nicht brauchen. Sag mir noch eins, bevor ich dich zur Hölle schicke: Wer ist dein Meister? Wer hat dich zum Vampir gemacht."
"Da kannst du lange warten."
Vera zog einen schmalen Dolch, eine schnelle Bewegung aus dem Handgelenk, und das Messer steckte im Bein des Vampirs. Der Verletzte schrie, von der Wunde stieg Rauch auf.
Melanie starrte auf die Waffe. In den Griff war ein Drudenfuß eingraviert, auf dem noch herausstehenden Teil der Klinge konnte sie auf Hebräisch den Anfang eines Bibelverses lesen. 'Was ist das für eine Waffe?'
"Ich frag dich noch einmal: Wer ist dein Meister?" Mit einem Fuß stieß Vera den Dolch tiefer ins Bein ihres Gegners. Es knirschte, als die Klinge in den Knochen eindrang. Ein Zischen, die Wunde rauchte noch mehr.
Mit weit aufgerissenen Mund brüllte der Vampir seine Schmerzen hinaus.
Melanie drückte sich an die Hauswand, dabei biss sie sich auf die Unterlippe. 'Scheiße, ich muss hier weg, sonst saugt sie mich aus.' Sie schluckte. 'Das nennt man vom Regen in die Traufe.' Doch Melanie blieb, trotz der Angst hatte die Szene für sie auch etwas Faszinierendes.
"Er nennt sich Antonius, Antonius der Henker," quetschte der Verletzte zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.
"Den Namen kenn ich," stellte Vera fest, "ein alter Bekannter meines Meisters. Ist er in der Stadt?"
"Keine Ahnung wo er ist. Vor einer Woche sagte er mir, ich soll mich hier austoben. Seitdem hab ich ihn nicht mehr gesehen. Jetzt lass mich gehen."
"Kannst du haben." Vera zog grinsend ihre Schwerter. Die eine Waffe rammte sie ihm ins Herz, mit der andern schlug sie ihm den Kopf ab. In wenigen Sekunden zerfiel der Untote zu Staub. Leise klirrend fiel der Dolch aufs Pflaster.
"Den kann niemand wiederbeleben," stellte die Vampirin fest. "Bist du in Ordnung, Melanie? Soll ich dich nach Hause bringen?"
Die Polizisten war auffallend Blass geworden, sie zitterte am ganzen Körper. Als Vera ihr die Hand reichte, wandte sie sich mit einem Ruck ab und rannte zu ihrer Wohnung.
Die Vampirin sah der jungen Frau hinterher, dabei leckte sie sich genüsslich über die Lippen. "Irgendwann..."
Einige Wochen später, Melanie hatte gute Laune, sie war gerade aus ihrem Urlaub zurückgekehrt und hatte noch ein paar Tage frei. 'Schade, das meine Eltern nichts mehr mit mir zu tun haben wollen,' die junge Polizistin seufzte, 'aber wenigstens versteh ich mich noch mit den meisten meiner Geschwister. Es war schön mal wieder mit den alten Freunden einen draufzumachen.'
Nur im Schlafanzug stand sie auf dem Balkon ihrer Wohnung und genoss den warmen Sommerabend. Über Zuschauer machte sie sich keine Gedanken. Ihre Wohnung lag im obersten Stock und ihr Balkon ging zum Garten, an den sich ein Park anschloss. Vor kurzem war die Sonne untergegangen, es wurde merklich kühler.
Ein Flattern irritierte Melanie, sie sah sich um. Eine Taube hatte sich auf das Balkongeländer gesetzt. "Was machst du den hier?" Die junge Frau war in die Hocke gegangen, um mit dem Vogel auf einer Höhe zu sein. "Es gibt hier ein paar Leute die die Tauben füttern, aber von mir bekommst du nichts."
Sie ging in ihre Wohnung. Doch plötzlich hörte sie hinter sich Schritte. Erschrocken drehte sich Melanie um. Eine rothaarige Frau in einem engen schwarzen Dress stand auf dem Balkon.
Melanie schnappte nach Luft. "Vera? Aber wie...? Wir sind im fünften Stock."
Vera lächelte, dabei waren ihre langen, spitzen Eckzähne zu sehen. "Keine Fragen, keine Lügen," sagte sie dabei. "Ich hab ein paar Möglichkeiten mehr wie normale Menschen. Darf ich reinkommen?"
"Äh, ja," im dem Moment, als sie es aussprach bereute Melanie es schon. Sie wusste, Vera war ein Vampir, und sie hatte sie gerade eingeladen.
Die Vampirin kam näher, an der Schwelle zögerte sie. 'Funktioniert es?,' schoss es Melanie durch den Kopf.
Doch im nächsten Moment betrat Vera das Wohnzimmer. "Netter Versuch," mit diesen Worten nahm sie das Kreuz, das über der Tür hang. "Aber es konnte nicht klappen, weil du nicht daran glaubst."
Melanie stand vor Staunen der Mund offen. "Aber du bist ein Vampir, und das ist ein Kreuz. Es heißt doch, dass Vampire Angst vor Kreuzen haben."
Vera drehte das Kruzifix in ihren Händen. "Schlicht aber hübsch," stellte sie dabei fest, "war bestimmt nicht ganz billig. Wärst du eine Christin hätte es klappen können. Damit kannst du dir schon eher Vampire und andere Dämonen vom Leib halten." Mit einem Finger hob sie Melanies Halskette an, und zog damit einen Davidstern aus ihren Ausschnitt.
Melanie schluckte, das Amulett schien schwach zu leuchten. "Aber für mich brauchst du schon andere Kaliber," Vera beugte sich nach vorne, und küsste den Davidstern.
Die junge Polizistin fühlte, wie ihre Knie weich wurden. Schwer ließ sie sich in einen Sessel fallen. 'Wie kann das sein?,' überlegte sie, 'stimmte den nichts von dem, was man über Vampire sagt?'
"Einiges stimmt, einiges nicht," antwortete Vera, "und es gibt nicht nur eine Art Vampir. Deine Frage stand dir praktisch ins Gesicht geschrieben." Die rothaarige Frau lächelte breit.
"Was willst du von mir?," fragte Melanie.
Vera kam näher, sie beugte sich nach vorne. Ihre Lippen waren nur noch wenige Zentimeter von Melanies Hals entfernt. "Ich will dein Blut und deine Unschuld," sagte die Vampirin, "es gibt nicht viele in deinem Alter, die noch Jungfrau sind. Du solltest vorsichtig sein. Jemand wie du zieht Dämonen an, wie das Licht die Motten."
Die junge Polizistin zitterte, ihr brach kalter Schweiß aus. "B... Bitte nicht. Ich will kein Vampir werden."
"Warum den nicht?," fragte Vera scheinbar belustigt, "Nachtschichten werden doch besser bezahlt.
Nein, so leicht wird man nicht zum Vampir. Ich will nur ein paar Schluck. Wenn du willst kann ich dich auch vollständig aussaugen, dann stirbst du."
Vera ließ von Melanie ab und ging ein paar Schritte zurück. "Aber es ist für uns beide angenehmer, wenn du es mir freiwillig gibst," sagte sie dabei.
Die Polizistin wollte aufstehen, aber ihre Beine versagten, sie fiel wieder zurück in den Sessel.
Vera sah sich um. "Eine hübsche Wohnung," stellte sie fest, "auch wenn die Einrichtung etwas altmodisch wirkt." Die Vapirin ging in die Küche. "Zwei Kühlschränke und zwei Spülen?," wunderte sie sich. "Du scheinst ja sehr konsequent zu sein."
"Mein Vater ist Rabbiner," Melanie war ihrer Besucherin gefolgt. "Er ist sehr streng, und so was legt man nicht so schnell ab. Meine Familie lebt in einen Vorort von Jerusalem. Ich hab sie vor ein paar Jahren verlassen, weil sie mich mit einem Fremden verheiraten wollten. Meine Eltern haben seit dem kein Wort mehr mit mir gesprochen, nur mit meinen Geschwistern hab ich noch Kontakt."
'Warum erzähl ich ihr das überhaupt?' überlegte die junge Frau, 'sie ist doch keine Freundin von mir.'
Vera seufzte. "Du hast deine Eltern noch," sagte sie, "auch wenn sie nichts mehr von dir wissen wollen. Ich hab meine Eltern und meinen Bruder bei einem Unfall verloren. Ich war an dem Tag nicht zu Hause, sonst währ ich bestimmt auch tot."
Melanie sah Vera erstaunt an. "Aufgewachsen bin ich als Mensch," erklärte die Vampirin, "vor acht Jahren wurde ich zu dem, was ich jetzt bin. Ich wurde bei einem Unfall lebensgefährlich verletzt, mein Meister Longius sah nur eine Möglichkeit mich zu retten... Inzwischen hab ich mich daran gewöhnt. Vampir zu sein hat durchaus seine Vorteile. Auch wenn man ein paar Einschränkungen in Kauf nehmen muss."
Vera drehte sich um und drückte der überraschten Melanie einen Kuss auf den Mund. "Du bist wirklich zum Anbeißen, Mila-chan. Am liebsten würd ich dich sofort vernaschen."
Die junge Frau wich zurück. "Raus hier," brüllte sie die Vampirin an. "Verschwinde sonst,..."
"Sonst was?" Vera lächelte "Es gibt nicht viel, womit du mir drohen kannst. Ich werd trotzdem gehn, aber ich komme wieder."
Sie trat auf den Balkon und setzte sich rücklings auf Geländer. Von dort warf sie Melanie noch eine Kusshand zu, dann lies sie sich, wie ein Taucher, hintenüber fallen.
Die junge Polizistin rannte auf den Balkon und sah hinunter. Vera war verschwunden. Melanie fiel auf die Knie, ihr liefen Tränen über das Gesicht. "Scheiße, was soll ich machen? Bitte Gott hilf mir. Was soll ich machen, wenn sie wiederkommt?"