Nach hause
Mein zweiter Sci-Fi-Beitrag.
Das Schiff war zum einen hoffnungslos überladen und zum anderen schon lange nicht mehr für Überlichtreisen zugelassen. Wenn man bedenkt, daß die Höchstgeschwindigkeit zur Indienststellung mit 6000c angegeben wurde so sind die hier erreichten 50c nur noch ein Schatten. Die Mannschaft hatte alle Hände voll zu tun, damit der Kahn sich nicht während des Fluges auflöste. Alles dröhnte. Die Decksplatten vibrierten. Die beiden noch funktionsfähigen Reaktoren, derer es einst sechs waren, kreischten um die Wette und die Triebwerke sahen so aus als ob sie gleich in einem magnetischen Feuer verdampfen würden.
„Maschinenraum, ist denn nicht noch mehr Geschwindigkeit drin?“
„Nein Captain, auf gar keinen Fall. Ohne die Transformatoren kommt zu viel Ampere in die Leitung. Vom Verdichter ganz zu schweigen.“
„Wenn wir in knapp 4 Stunden unser Sonnensystem nicht erreicht haben gehen wir alle in Kriegsgefangenschaft.“
„Könnt ihr die Transformatoren nicht während des Fluges reparieren.“
„Bei der Strahlung im Reaktorenraum kann kein Mensch arbeiten.“
„Ist denn keine Drohne an Bord.“
„Negativ Captain.“
„Dann suchen sie einen Freiwilligen, oder wir kommen alle nicht wieder.“
Das war der Augenblick in dem ich ins Spiel kam.
„Noram, sie können die Strahlung am längsten aushalten. Sie arbeiten maximal 10 Minuten und dann scheren sie sich da raus.“
„Jawohl, Sir.“
Ich zog einen Schutzanzug an, nahm das Schweißgerät an mich und ging zur Schleuse. Der Chefingenieur rief mir nocheinmal hinterher.
„10 Minuten.“
Trotz des schweren Schutzanzuges merkte ich die Strahlung schon sehr stark. Mir wurde ein wenig übel. Ich mußte eine sehr steile Treppe hinaufklettern. Sie führte auf die obere Zugriffsplattform der Reaktoren. Das war gar nicht so einfach. Mich überkam ein Schwindelgefühl, wie ich es noch nicht erlebt hatte. Dennoch schaffte ich es. Ich begann quer über die Plattform zu laufen. Reaktor 1 hatte ich erreicht. Schon 2 Minuten weg. Das laufen wurde mir immer mühseliger. Vorbei an Reaktor 2 und 3 erreichte ich den Protonenstromverdichter unter dem die Transformatoren ruhten. Hier mußte ich eine Rampe hinab welche genau zu einer Gitterplattform zwischen Verdichter und Transformatoren führte. Zu der Strahlung kam jetzt noch die enorme Hitze. Ich stolperte und fiel hin. Zufällig sah ich dadurch wo einer der Transformatoren durchgebrannt war: eines der armdicken Kabel, welche als Spulenwicklung verwendet wurden, war einfach geplatzt. Wahrscheinlich durch den viel zu überhasteten Start. Wie sollte ich das in einer Minute schweißen? Ich mußte es versuchen. Schließlich kletterte ich inzwischen schweißgebadet auf die Spule des Transformatoren und setzte mit zittriger Hand das Gerät an.
„Verdammt, verdammt, verdammt,“ fluchte ich atemlos.
Die Lücke zwischen den beiden Bruchstücken war mit ca. 12 bis 14 Zentimetern einfach zu groß zum Schweißen. Ich brauchte etwas Metall. Eine Alarmsirene unterbrach meine Gedanken. Die Uhr zeigte bereits 10 Minuten an. Ich versuchte aufzustehen. Es gelang mir nicht mehr. Was sollte ich tun?
„Die Sohlen!“
Ich erinnerte mich Schlagartig daran, daß die Anzugsstiefel eine magnetische Sohle hatten. Es war mir nicht weiter aufgefallen auf der Kupferwicklung. Unter größten körperlichen Anstrengungen zog ich sie aus und steckte sie so in den Spalt, daß sie diesen überbrücken. Ich verlor das Bewußtsein und blieb an meinem letzten Arbeitsplatz liegen.
Heute war ich der erste, der nach hause fand ...
ENDE ©9/2001