- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 12
Nachmittag am Pool
„Schmeiß sie raus!“
Pascal meinte es durchaus ernst. Wütend schrubbte er seine Lammfilets unter dem fließenden Wasser im Spülbecken. Seine Aufforderung richtete sich an Jan, der zusammen mit seiner derzeitigen Freundin Claudia gekommen war, einer jungen Frau Mitte zwanzig, von einer unscheinbaren Eleganz, doch hochgradig zickig. Gerade hatte sie Pascal erklärt, er würde die Filets verwässern. Aber Grillen war von je her Männersache. Da ließ er sich nicht hineinreden.
Er warf die Fleischstücke Jan zu, der sie auf dem Küchenkrepp trocken tupfte. Die Gewürze standen bereit: Salz, Pfeffer, Majoran, Kümmel und eine Schüssel mit geriebener Zitronenschale.
Claudia kicherte, stieß Mia, Pascals Lebensgefährtin, mit dem Ellenbogen in die Seite, und verließ die Küche. Mia folgte ihr schweigend. Pascal kannte ihre Vorbehalte bezüglich Männern in Küchen. Er kannte ihre Vorbehalte ihm gegenüber. Bis heute hatte er nicht begriffen, warum sie ihn geheiratet hatte. Sie zeigte ihm selten, was sie an ihm mochte. Eine vertane Chance, dieses Leben.
Mit einem großen Messer hieb er auf die Petersilie ein und hinterließ dabei tiefe Kerben im Holzbrett. Jan sah ihn fragend an, während er das Fleisch würzte, doch Pascal schüttelte nur den Kopf.
„Weißt du“, sagte er. „Es könnte so ein schöner Nachmittag sein. Die Sonne brennt, am Pool ist es angenehm frisch, der Grill wartet. Aber Mia schafft es immer wieder, mir die Stimmung zu versauen.“
Die schrille Klingel der Haustür ließ Jan zusammenfahren.
„Das werden meine Nachbarn sein. Magst du aufmachen?“
Während Jan zur Tür ging, schob Pascal die Petersilie in eine kleine Schüssel und übergoss sie mit Olivenöl. Er hörte die Stimmen seiner Nachbarn: Rainer, Ende zwanzig, dessen Stimme tief und ruhig wie immer klang, so als habe er gerade einen Mantra-Workshop hinter sich. Und Susanne, ein paar Jahre jünger, die immer bemüht kultiviert klang, vielleicht eine Spur zu aufgeregt und schnell, um glaubhaft zu sein. Eine graue Maus, die meist in ein Business-Outfit gekleidet war, ihre Handtasche mit beiden Händen vor dem Bauch tragend. Die beiden zum Grillen am Pool eingeladen zu haben, wertete Pascal als seine gute Tat des Tages.
Er verteilte Petersilie und Öl gleichmäßig auf die Filets und stellte den Teller in den Kühlschrank, damit das Fleisch ziehen konnte.
„Ist noch Platz da drin?“
Pascal drehte sich um und lächelte seinen Nachbarn entgegen. Rainer war in einem kurzärmligen Hemd und Bundfaltenhose gekommen. Susanne hatte selbst heute nicht auf ihr helles Jackett verzichtet. Statt der Handtasche trug sie eine Flasche eisgekühlten Wodka, die sie ihm zögerlich lächelnd überreichte: Grey Goose, die beiden hatten Geschmack.
Pascal stellte die Flasche ins Eisfach und begleitete die beiden nach draußen. Claudia und Mia lagen inzwischen in ihren Liegestühlen am Pool. Beide hatten Badeanzüge angezogen und räkelten sich in der Sonne.
Als Susanne die beiden sah, wurde sie ein wenig rot.
„Kann ich mich hier irgendwo umziehen?“
Pascal zeigte ihr das Schlafzimmer mit dem Wäscheschrank. Doch Susanne zog einen Bikini aus ihrer Jackentasche und hielt das Oberteil am Träger in die Höhe:
„Ich habe schon gesehen, dass es etwas freizügiger werden könnte.“
Pascal versuchte ihren Blick zu deuten. Sie lächelte, leicht verlegen vielleicht, ohne jedoch seinem Blick auszuweichen. Langsam ließ sie ihr Jackett von den Schultern gleiten. Pascal drehte sich um und ging zur Tür, warf noch einen Blick zurück und sah, wie sie den Reißverschluss ihres Kleides öffnete.
„Bis gleich“, sagte er. Sie antwortete nicht.
Unten auf der Terrasse hatte Jan bereits den Grill angeworfen. Rainer stand mit einer Flasche Bier in der Hand neben ihm und redete unfassbaren Blödsinn über die Fussball-EM. Die Frauen starrten gelangweilt in die Luft. Das änderte sich, als Susanne auftauchte. Es war nicht ihre Figur, die Pascal überraschte. Tatsächlich hatte er sie nie anders als in ihren Business-Dress’ gesehen und war bisher nicht auf die Idee gekommen, sie könne weibliche Formen haben. Auch den Zweiteiler, den sie trug, konnte man nicht unbedingt als gewagt bezeichnen, wenn er auch gegen die Badeanzüge der anderen Frauen abstach. Was Pascal wirklich verblüffte, war die Tatsache, dass Susanne noch jetzt aussah, als könne sie in ihrem Aufzug aus einem Lift steigen und sich an einem runden Tisch mit der Geschäftsführung eines multinationalen Konzerns auf Augenhöhe auseinander setzen.
Die Vorstellung endete mit einem Platscher, als sie kopfüber in den Pool sprang und in ausgestreckter Haltung einmal durch das Becken tauchte. Alle Blicke waren auf sie gerichtet.
Am Beckenrand tauchte sie auf, stützte sich ab und setzte sich mit einer schnellen Drehung auf die Umrandung. Sie sah Pascal an, lächelte, schaute dann zu ihrem Mann, ohne die Frauen eines Blickes zu würdigen.
„Das tat gut.“
Ihr Körper glänzte vor Nässe, ihre langen Haare kräuselten sich im Rücken. Pascal sah zu seiner Frau, die tat, als hätte sie diese Szene gar nicht bemerkt. Er betrachtete ihren braungebrannten Körper, das leicht verhärmte Gesicht, die Orangenhaut, die sich am unteren Ansatz des Badeanzuges bemerkbar machte. Zwischen Anfang und Ende einer Liebe liegt ein langer Kampf, und er spürte, dass er diesen Kampf längst verloren hatte.
Susanne stand auf und ging zu Rainer, um sich in seine Arm zu schmiegen. Auch dabei ließ sie ihren Blick nicht von Pascal ab. Rainer umfing sie mit seinen Armen, ungeachtet der Wasserflecken, die sich unweigerlich auf seiner Kleidung ausbreiteten. Sein Blick hingegen war auf Mia gerichtet.
Für einen Moment kamen Pascal Zweifel, ob die ganze Situation von Mia inszeniert worden sein konnte. Um ihn eifersüchtig zu machen. Um ihn vorzuführen. Oder um seine Treue unter Beweis zu stellen. Aber er glaubte nicht, dass Susanne eine jener Frauen wäre, die sich auf ein solches Spiel einließen.
Um sich abzulenken, holte er ein Tablett aus der Küche, um die Kräuterbutter für die Lammfilets vorzubereiten. Er suchte nach dem Grilltöpfchen und fand es schließlich in einem anderen, größeren Topf, in den wohl Mia es gestellt haben musste. Die Zutaten für die Butter hatte er schon im Vorweg in eine Ecke der Arbeitsfläche gestellt: Weißwein, Knoblauch, Cayennepfeffer, den Zuckertopf, eine Zwiebel. Während er die Zwiebel klein schnitt, hörte er hinter sich die Küchentür.
„Kann ich helfen?“
Er drehte sich um. Susannes Haare waren noch immer tropfnass. Sie hinterließ kleine, glänzende Abdrücke auf dem Steinfußboden. Ihre leicht gebräunten Füße wurden zur Sohle hin heller. Sie trug einen dezenten Nagellack. Er sah an ihr hoch und er fand sie schön.
„Wie lange sind wir Nachbarn?“ fragte er.
Wieder lächelte sie unsicher.
„Jan und Rainer haben Lust auf den Wodka. Hast du Limetten im Haus?“
Sie ging zum Kühlschrank und holte die Flasche.
„Wenn du gerade da bist, kannst du mir auch die Butter bringen.“
Einen Moment suchte sie, vor der offenen Kühlschranktür kniend. Pascal sah sie von der Seite an, streichelte mit seinem Blick die Rundungen ihres Körpers, die der knappe gelbe Bikini kaum verhüllte. Ihm fiel auf, wie ihr Körper auf die Kälte des Kühlschranks reagierte und versuchte sich wieder auf die Zwiebel zu konzentrieren, die vor ihm auf dem Brett lag. Das Messer war etwas stumpf, seine Augen fingen an zu tränen.
„Sei vorsichtig, sie will die Scheidung“, sagte sie schließlich.
„Und du? Was willst du?“ fragte er.
Sie stand auf, die Flasche in der einen, die Butter in der anderen Hand.
„Wodka“, sagte sie. „Viel Wodka. – Und Lammfilet in Kräuterbutter.“