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Nachtflug

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05.07.2003
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Nachtflug

Er schlief. Endlich. Die dünne Wolldecke bis zum Kinn hochgezogen, den Kopf zur Seite gelehnt, schmiegte er sich an die Rückenlehne. Er atmete ruhig und gleichmäßig, aber noch immer waren seine Gesichtszüge angespannt, die dichten Brauen zusammengezogen, als hätte er Schmerzen. Er brauchte sie nicht im Moment, und doch blieb sie neben seinem Platz am Mittelgang stehen und betrachtete ihn nachdenklich.

Er war ihr schon aufgefallen, als die Passagiere die Maschine betreten hatten: die breiten Schultern, die schmalen und trotzdem kräftigen Hände, deren helle Nägel sich gegen die leichte Bräune der Haut abhoben, das dunkle Haar und als Kontrast dazu das Graugrün seiner Augen, das an die See an einem Sturmtag denken ließ. Doch nicht seine Attraktivität hatte ihr Interesse geweckt; in den fast zwanzig Jahren Dienst an Bord eines Flugzeuges hatte sie gutaussehende Männer genug gesehen. Es war diese Aura von Hoffnungslosigkeit und abgrundtiefer Erschöpfung gewesen... „Willkommen an Bord“, hatte sie mit ihrem gewohnheitsmäßig strahlenden Lächeln gesagt, doch er hatte sie nur seltsam verloren angesehen und stumm genickt, bevor er im Ameisengewimmel der sich einnistenden Fluggäste verschwunden war.

Viel zu schnell hatte er den Begrüßungsdrink heruntergekippt, aber er wollte nicht nachgeschenkt haben. Sein Dinnertablett war fast unberührt, als sie es zwei Stunden später abräumte. Das Lifestyle-Magazin, das er wahllos aus dem Zeitschriftenständer am Ende des Kabinengangs gegriffen hatte, lag auf dem freien Nebensitz, erkennbar nicht aufgeblättert. Die Kopfhörer für den Filmempfang hatte er erst gar nicht eingestöpselt und auch die ältere Dame auf der anderen Seite des Ganges hatte es längst aufgegeben, einen Gesprächsfaden zu spinnen; zu einsilbig und abwesend reagierte er.

Es war still geworden in der Maschine, das ruhige, gleichmäßige Dröhnen der Turbinen das einzige Geräusch, das noch zu hören war. Langsam ging sie den Kabinengang entlang, hob eine zusammengeknüllte Serviette auf, schloss leise ein offenstehendes Gepäckfach. Die Passagiere schliefen, nur die Notbeleuchtung warf ein schwaches Licht auf den Gang. Zeit zum Atemholen.

Er war wach. Einen Augenblick lang zögerte sie, als sie seine Sitzreihe erreicht hatte. Sollte sie ihn ansprechen, ihn fragen, ob er etwas brauchte? Er war auf den unbesetzten Fensterplatz gerutscht. Ein Frauenname stand auf dem Sitzplan, sie hatte es vorhin unauffällig überprüft. Sie musste sich ganz kurzfristig entschlossen haben, nicht zu fliegen, wenn sie noch auf der Passagierliste stand... Er bemerkte sie nicht, sah aus dem kleinen Fenster in die Nacht hinaus. Nahm er die Sterne des südlichen Himmels überhaupt wahr, die auf dem Blauschwarz des Nachthimmels funkelten wie Diamanten auf dunklem Samt? Das Mondlicht ließ die schütteren Wolken unter ihnen leuchten wie Schnee in einer eisklaren Januarnacht und warf silbrige Reflexe auf die Wellenkämme des Pazifik, der sich tief unter ihnen bis in die scheinbare Unendlichkeit ausdehnte. Doch sie wusste es aus eigener Erfahrung: Die Schönheit des Anblicks würde ihm keinen Frieden schenken – genauso wenig wie das zusätzliche Kissen oder die Schmerztablette, die sie ihm anbieten konnte. Und so setzte sie ihren Weg in Richtung Bordküche fort, ohne das unsichtbare Gespinst, das ihn zu umgeben schien, angerissen zu haben.

Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie er sich aus seiner Sitzreihe schob, kurz Arme und Rücken streckte und dann näher kam, doch sie tat, als hätte sie ihn nicht bemerkt. Betont konzentriert ließ sie ihren Stift über die Bestandsliste der Duty-free-Waren wandern. Das Sprechen würde ihm leichter fallen, wenn er sich nicht erwartet fühlte...

„Kann ich noch einen Whisky haben?“
„Natürlich, gerne.“ Sie sah ihn nur kurz an und richtete dann ihren Blick auf das Glas. Die Eiswürfel knisterten leise, als die honigfarbene Flüssigkeit sie überspülte. Nur mit einem Kopfnicken dankte er ihr, nahm den Drink und wandte sich um. Aber er blieb stehen. Zögernd hob er das Glas an seine Lippen, um es wieder zu senken, ohne einen Schluck getrunken zu haben.
„Warum hat sie das getan?“ fragte er leise, fast wie zu sich selbst. „Warum lässt sie mich so leiden?“
Sie senkte den Kopf, schloss die Augen und seufzte unhörbar. Sie hätte es voraussagen können... „Meinen Sie nicht, dass sie auch leidet?“ Es war egal, was sie antwortete. Sie musste nur zeigen, dass da jemand war, der seinen Hilferuf hörte. Er lachte auf, aber es war ein bitteres, fast zynisches Lachen, das gerade deshalb seine ganze Hilflosigkeit und Verzweiflung ausdrückte.
„Oh ja! Sie leidet auch. Sie leidet so sehr, dass sie es noch nicht mal ertragen konnte, sich von mir zu verabschieden. Wenn ich sie wenigstens noch einmal hätte umarmen dürfen! Vielleicht hätte ich es verstanden, wenn ich in ihre Augen gesehen hätte...“ Seine Stimme wurde brüchig, er verstummte und barg das Gesicht in seiner Hand. Sie wandte sich ab, damit er ihre Betroffenheit nicht spürte. Wie gern hätte sie ihn berührt, die Hand auf seine Schulter gelegt, ihn einfach in den Arm genommen, doch es war unmöglich. Er war ein Passagier, um nichts in der Welt konnte sie die Grenze der professionellen Distanz überschreiten. Er würde es missverstehen. Ihr blieben nur Worte.

„Sie ist gegangen ohne ein Wort? Ohne Ihnen eine Erklärung zu geben?“
Müde schüttelte er den Kopf. „Ein Brief – sie hat mir einen Brief geschrieben. Ich kann ihn fast auswendig. ‚Das, was wir hatten, kann uns niemand nehmen, wir können immer wieder dahin zurückkehren in unseren Gedanken und Träumen’, schreibt sie. ‚In unseren Träumen’! Soll es mir ein Trost sein, dass sie vielleicht an mich denkt, wenn sie sich von ihrem Kerl vögeln lässt?“ Er brach ab und warf ihr einen schnellen Blick zu. „Entschuldigen Sie“, sagte er verlegen. „Ich bin sicher nicht zurechnungsfähig im Moment, ich sollte Sie nicht belästigen.“ Er senkte den Kopf und ließ die Reste der Eiswürfel in seinem Whisky klirren. Sie lächelte nur. Verstohlen warf sie einen Blick auf seine Hand, die das Glas hielt. Er trug keinen Ring, es schien nicht seine Ehefrau zu sein, die ihn verlassen hatte... aber machte es das weniger schlimm? Es gab keinen Trost für ihn, keine Worte konnten seinen Schmerz betäuben – nur die weise alte Heilkundige mit dem Namen „Zeit“ würde ihm Linderung verschaffen; irgendwann einmal; und vielleicht hätten die Höllenfeuer seiner Verlassenheit und Eifersucht bis dahin sein Herz so hart geschmiedet, dass es nie, nie wieder gebrochen werden konnte. Doch sie hoffte, dass die zweifelhafte Gnade der Fühllosigkeit ihm niemals gewährt werden würde.

„Mister...“ Es hatte keinen Zweck nachzudenken, sie erinnerte sich nicht an seinen Namen.
„Nennen Sie mich David.“
Sie zögerte einen Augenblick, doch ihre seltsame Intimität zehntausend Meter über dem Meer ließ sie die gewohnte Zurückhaltung ohne Fallschirm über Bord werfen. „David – auch wenn es Sie unendlich schmerzt, dass ein anderer Mann in Ihre Beziehung eingebrochen ist...“
„Sie irren.“ Wieder sprach er mehr zu sich selbst, den Blick träumerisch in Fernen gerichtet, in die sie ihm nicht folgen konnte. „Ich hatte sie ihm gestohlen. Ich bin der Dreckskerl in diesem billigen Film, der natürlich ein Happy-End hat, jedenfalls für den Helden. Sie kehrt zu ihm zurück, Geigenklänge, Sonnenuntergang, sie fallen sich in die Arme und während sie sich küssen, flimmert „The End“ über die Leinwand. Keiner fragt mehr nach dem Schurken. Aber auch ein Dreckskerl hat seine Gefühle...“ Er seufzte tief, schloss müde die Augen und lehnte den Kopf gegen die Wand der Bordküche. „Ich kann ihr keinen Vorwurf machen. Sie hat mir nie etwas versprochen. Ich habe mit dem Feuer gespielt und ich habe mich verbrannt.“
„Aber Sie werden eine neue Chance bekommen! Auch wenn es Ihnen jetzt unvorstellbar erscheint – irgendwann mal werden Sie wieder eine Frau treffen und alles in Ihnen wird lächeln. Sie müssen es nur zulassen! Auch wenn Sie Angst haben werden; Sie dürfen nicht fliehen vor der Liebe!“
„Liebe!“ Fast spie er das Wort aus und wieder lachte er verächtlich auf... und dann begann er zu singen – ganz leise, nur für sie hörbar, mit seiner schönen dunklen Stimme:

„...What's love got to do, got to do with it
What's love but a second hand emotion
What's love got to do, got to do with it
Who needs a heart when a heart can be broken…”

Sie erinnerte sich, als wäre es gestern gewesen... Er hatte seine Sachen schon gepackt gehabt, als sie nach einem Transatlantikflug heimkam. Wenigstens hatte er es ihr erspart, in die schreiende Stille einer leeren Wohnung zu kommen. „Warum...?“ Sie hatte die Frage nicht einmal zu Ende stellen können, bevor er sie unterbrach.
„Es war doch schon lange nicht mehr so zwischen uns wie zu Anfang. Und seit ich sie kenne...“ Sie hatte nie erfahren, wer diese Sie war; hatte es auch nicht wissen wollen, sondern nur stumm genickt und mit gesenktem Kopf gewartet, bis die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, bevor sie sich ihrem Schmerz ergab. Für Tage war die Stimme Tina Turners ihre einzige Gesellschaft gewesen, die so rau und hart klingen konnte und dennoch so viel Verletzbarkeit und tiefe Weisheit ausdrückte. Oh ja – wer brauchte schon ein Herz, wenn es doch nur gebrochen werden würde.

„Danke, dass Sie mir zugehört haben.“ Er stand ganz dicht vor ihr. Schweigend schauten sie sich an, sahen sich selbst in den Tränen gespiegelt, die in den Augen des Gegenübers schimmerten, bevor er sich abrupt umdrehte und im Halbdunkel der Kabine verschwand.

Er schlief. Endlich. Sie musste schon längst die Frühstückstabletts vorbereiten, aber es hatte ihr keine Ruhe gelassen. Still stand sie neben seinem Platz und sah auf ihn herab. Würde er zurückdenken an diesen Nachtflug? Würde er sich noch an ihr Gespräch erinnern, wenn seine Wunde vernarbt war? Vorsichtig zog sie seine Decke ein wenig höher, nahm das noch immer unberührte Glas aus dem Getränkehalter und drehte die Frischluftdüse, die ihren kalten Hauch direkt auf sein Gesicht blies, in eine andere Richtung. Und dann tat sie etwas, das sie in all den Jahren noch niemals gemacht hatte: Sie beugte sich über ihn und strich ihm ganz leicht über sein Haar.

 

Hi Chica,

in der zweiten Hälfte war Deine Geschichte leider nicht lesbar. Du musst in den Dialogen jedes Mal eine neue Zeile beginnen, wenn der Sprecher wechselt. Hier weiß man oft gar nicht wer gerade spricht.

Gruß
Jörg

 

Stimmt, Jörg, ich habe es editiert. Bisher hatte ich mit der neuen Zeile nur bei längeren Dialogen ohne beschreibende Kommentare zwischen den Textpassagen gearbeitet. Aber du hast recht, so entspricht es den optischen Gewohnheiten. Danke für den Hinweis!

 

Nochmal Hi,

teilweise gefällt mir die Geschichte ganz gut. Den ersten Absatz würde ich aber komplett streichen, da Du ihn am Ende praktisch noch einmal wiederholst. Gerade im Mittelteil wirkt die Story ein bischeb Oberflächlich. Ich finde Du solltest hier noch mehr auf die Gefühlswelt Deiner Darsteller eingehen. Eine Stewardess erlebt es bestimmt häufig, dass sie depremierte Fluggäste hat. Was ist an diesem so besonders?
Insgesamt kein schlechter Einstand bei kg.de, aber ausbaufähig.

Gruß
Jörg

 

Danke für deine zweite Antwort, Jörg.
Dass sich der erste Absatz am Ende wiederholt, hatte ich als eine Art Kunstgriff geplant, wie man es manchmal in Filmen sieht: Die Anfangsszene hinterlässt den Zuschauer/Leser zunächst verwirrt, weil er nicht weiß, um was es geht, im Mittelteil folgt die aufklärende Vorgeschichte und am Ende wird die Szene wiederholt, damit der Beobachter sie aufgrund der inzwischen erfahrenen Tatsachen richtig einordnen kann. Das nur zur Erklärung.

Gefühlswelt der Darsteller: Die Geschichte ist ein (modifizierter und erweiterter) Teil eines größeren "Werks", das von der Länge her den Rahmen einer Kurzgeschichte sprengt und in dem der männliche Protagonist eine der Hauptrollen besetzt. Wer das ganze Opus kennt, weiß natürlich alles über den Mann, seine Persönlichkeit, seine Geschichte. Da kann ich mich wahrscheinlich nicht gut genug in den nicht eingeweihten Leser reinversetzen. Aber lässt es sich wirklich nicht aus dem Text deuten, was gerade diesen Mann so besonders macht für die Stewardess? Durch das Liedfragment verschafft er ihr ein Flashback in ihre eigene Vergangenheit, zu einem abgeschobenen Erlebnis, das seiner Traumatisierung gleicht. Sie sieht ihn als Leidensgenossen.

Ich hoffe, du siehst das nicht als Kritikabwehr, so ist es nämlich nicht gemeint.

LG, Chica

 

Eine wunderschöne Geschichte ist dir da gelungen, Chica, eine Momentaufnahme, poetisch und romantisch, auch melancholisch, ein bisschen sentimental und doch fast nie kitschig, sie ist einem vertraut wie das Leben selbst.

Der Plot ist klassisch: ein Mann und eine Frau treffen sich, beide von ihren Partnern verlassen, kommen sich näher, und wenn du jetzt daraus eine Liebesgeschichte gemacht hättest, wäre sie trivial geworden, so aber passt alles, die Tränen schimmerten, flossen nicht, ein Kuss aufs Haar, das ist Rührung genug.

Na ja, die Singszene muss nicht unbedingt sein, irgendwelche Songtexte als Anlass für weitere Gedanken der Protagonisten sind immer ein bisschen problematisch, vor allem wenn sie so aus heiterem Himmel gesungen werden und seine dunkle Stimme auch noch schön ist.

Zwei, drei Sätze sind mir besonders aufgefallen:

… das dichte, dunkle Haar und als Kontrast dazu die graugrünen Augen, deren Farbe an die See an einem Sturmtag denken ließ.
Ich bin der Dreckskerl in diesem billigen Film
Vorsichtig zog sie seine Decke ein wenig höher, nahm das noch immer unberührte Glas aus dem Getränkehalter und drehte die Frischluftdüse, die ihren kalten Hauch direkt auf sein Gesicht blies, in eine andere Richtung. Und dann tat sie etwas, das sie in all den Jahren noch niemals gemacht hatte: Sie beugte sich über ihn und küsste ihn ganz sanft auf sein Haar.
Dieser Dreckskerl ist wirklich zu beneiden, Chica, warum bloß bin ich noch nie über den Atlantik geflogen!

Dion

 

Ich freue mich wirklich sehr über das Lob, das du mir aussprichst, Dion. Nach deinen Geschichten und Beiträgen, soweit ich sie gelesen habe, zu urteilen, hätte ich nicht unbedingt erwartet, dass dir ein solcher Plot zusagt.

Die Momentaufnahmen, die kleinen, eigentlich nebensächlichen Szenen finde ich schreibtechnisch oft eine größere Herausforderung als die Beschreibung dramatischer, actionreicher Handlung. Darum trainiere ich gerne damit.

Ja, Sentimentalität ist sicher enthalten in der Geschichte; auch das ein Training für mich, denn im realen Leben kann ich Romantik nur sehr schwer ertragen. Ich bin selbst überrascht, sie (mit Genuss!) schreiben zu können, es ist geradezu ein Stück Selbsterfahrung.

... irgendwelche Songtexte als Anlass für weitere Gedanken der Protagonisten sind immer ein bisschen problematisch,..

Du meinst, eine solche Wendung ist eine billige Lösung, sozusagen ein deus ex machina? Das kann gut sein. Ich bin da von mir selbst ausgegangen, denn mir passiert es oft, dass Passagen von Songtexten ganze Assoziationsketten auslösen.

Vielleicht hält das Leben ja noch einen nächtlichen Transatlantikflug für dich bereit, Dion - und wenn es die Götter gut mit dir meinen, dann sogar in der Business Class. ;)

 

Hallo Chica

Ich habe die Geschichte gerne gelesen. Gerade weil sie so unspektakulär war. Man muss nicht immer klotzen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Beide Personen sind glaubwürdig. Ich habe mit Spannung verfolgt, wie der Mann langsam herausrückte mit seiner Geschichte. Schön, auch mal die verletzten Gefühle des erfolglosen Eindringlings in eine Beziehung zu sehen. Die "Wiederholung" von erstem und letztem Abschnitt verstehe ich wie Du, sie rundet das Ganze ab. Wunderbar die Geste des Kusses am Ende. Ich finde auch, dass du einen schönen Schreibstil hast.

Danke, franck

 

Hej Chica,

mir gefallen die leisten Töne Deiner Geschichte. Es geht nicht um knallharten Sex in der Bordtoilette, den ich am anfang noch befürchtet hatte, obwohl ich Dich inzwischen besser kennen sollte. Es geht vielmehr um Sehnsucht und Trauer, und das hast du sehr gut rübergebracht.

Einen kleinen Fehler habe ich noch gefunden:

Die Kopfhörer für den Filmempfang hatte er erst gar nicht eingestöpsel
da fehtl ein t

Und hin und wieder setzt Du ein Semikolon, wo mein Sprachgefühl eher ein Komma erwartet, aber das überlasse ich Deiner schriftstellerischen Freiheit, Fehler sind es ja nicht.

Liebne Gruß

chaosqueen

 

Hallo, Chaosqueen,

nett, dass du dir Nachtflug vorgenommen hast, und danke für die anerkennenden Worte.

Sex in der Flugzeugtoilette: Dass der ersprießlich sein kann, ist meiner Ansicht nach eine der modernen urbanen Legenden - jedenfalls in der Economy Class. ;)

Danke für den Hinweis auf das fehlende t. Da guckt man x-mal auf einen Text und übersieht trotzdem oder gerade deswegen noch so was!

Das Semikolon ist mein Lieblingssatzzeichen, darum kommt es bei mir relativ oft zum Einsatz. Aber ich werde die Dosierung in Zukunft überdenken. ;)

read you!
Chica

 
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Hallo Chica,

Habe mir das Lesen deiner Geschichte gegönnt. Gefällt mir gut. Ich kann ja noch viel lernen ;-)

Was mir aufgefallen ist, das sind folgende Stellen. Weiß allerdings nicht, was Absicht oder Versehen ist. Dass es MICH störte, muss ja nicht jedem so gehen.


Sie musste sich ganz kurzfristig entschlossen haben, nicht zu fliegen, wenn sie noch auf der Passagierliste stand... Er bemerkte sie nicht, sah aus dem kleinen Fenster in die Nacht hinaus.

Ich habe jetzt mehrmals gelesen..ich komme einfach nicht auf den SINN dieser verwirrenden erneuten SIE-Anwendung im letzten Satz. Habe beim ersten Lesen auch (unnötigerweise) gegrübelt, ob die Stewardess vielleicht die Frau in seiner Geschichte sein könnte..
Irgendwie ärgert es mich dann, wenn das eine Sackgasse in meinem Denken war :rolleyes: (Obwohl DEINE Idee insgesamt ja treffend entrollt wurde)

Kann ich noch einen Whisky haben?“
„Natürlich, gerne.“ Sie sah ihn nur kurz an und richtete dann ihren Blick auf das Glas. Die Eiswürfel knisterten leise, als die honigfarbene Flüssigkeit sie überspülte. Nur mit einem Kopfnicken dankte er ihr, nahm den Dring und wandte sich um. Aber er blieb stehen. Zögernd hob er das Glas an seine Lippen, um es wieder zu senken, ohne einen Schluck getrunken zu haben.
„Warum hat sie das getan?“ fragte er leise, fast wie zu sich selbst. „Warum lässt sie mich so leiden?“

Drink statt Dring ist ja klaro, gell?

Zum Inhalt dieser zitierten Passage meine ich, dass der Mann als FREMDER für mein Empfinden etwas unverständlich schnell und ohne Übergang mit der Stewardess über seine Gefühle spricht. Ich halte das für unwahrscheinlich, es sei denn, es wäre zu lesen, dass sie sich KENNEN oder er bereits zuvor gezeigt hätte, dass es eine gewisse Vertrautheit ihr gegenüber gibt. Bei ihr ist das ja sehr gut erkennbar-:)
LG
ahino

 
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Hallo ahino!

Du liebe Güte! *Haarerauf* Du glaubst nicht, wie oft ich den Text auf Fehler hin gelesen habe und dann so was wie "Dring"! Ein Fall von kompletter Betriebsblindheit! Vielen Dank für den Hinweis!

Ich habe jetzt mehrmals gelesen..ich komme einfach nicht auf den SINN dieser verwirrenden erneuten SIE-Anwendung im letzten Satz.
Der Satz und das erste Personalpronomen bezieht sich auf den Satz davor: "Ein Frauenname stand auf dem Sitzplan, sie hatte es vorhin unauffällig überprüft." Das zweite "sie" bezieht sich natürlich auf die Stewardess. Ich konzediere eine gewisse Missverständlichkeit und werde darüber nachdenken. ;)

Zum Inhalt dieser zitierten Passage meine ich, dass der Mann als FREMDER für mein Empfinden etwas unverständlich schnell und ohne Übergang mit der Stewardess über seine Gefühle spricht.
Das ist sicher persönlichkeitsabhängig, aber ich halte es für durchaus plausibel, dass man einem Menschen, den man nur kurz und zufällig trifft, ohne dass ein enges Verhältnis daraus wird, sehr Persönliches anvertraut; schließlich kann dieser fast anonyme Zuhörer das Gesagte nicht für sich ausnutzen oder gegen den Geständigen einsetzen, was ja oft der Grund für Misstrauen und Verschlossenheit zwischen einander bekannten Menschen ist. Ein Paradebeispiel für solche "Beichtväter" sind Barkeeper, denen angeblich die intimsten Details aus dem Leben mancher Gäste anvertraut werden. :p

Danke auf jeden Fall für dein intensives Einleben in die Geschichte!

Liebe Grüße, Chica

 
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Hallo Chica,

Du liebe Güte! *Haarerauf* Du glaubst nicht, wie oft ich den Text auf Fehler hin gelesen habe und dann so was ...

Ich kann dich trösten.. Als ich kürzlich meine ERSTE KG 'Ein besonderer Morgen..' im 'Alltag' veröffentlichte, wurde mir gesagt, dass das völlig normal sei und dass man trotz genauer Prüfung Dinge überlese, die ein anderer auf den ersten Blick sehe. Denn mir waren auch Fehler unterlaufen, die ich imho hätte vermeiden können. :(

Das zweite "sie" bezieht sich natürlich auf die Stewardess. Ich konzediere eine gewisse Missverständlichkeit und werde darüber nachdenken.

Ja, Chita, eigentlich habe ich das dann auch gemerkt. Es war mir vielleicht deshalb sofort aufgefallen, weil ich besonders 'aufmerksam' las; im Grunde nur ein winziges Detail.

Das ist sicher persönlichkeitsabhängig, aber ich halte es für durchaus plausibel, dass man einem Menschen, den man nur kurz und zufällig trifft, ohne dass ein enges Verhältnis daraus wird, sehr Persönliches anvertraut;

Dazu habe ich mir auch nochmals Gedanken gemacht.
Ich denke, es kann schon sein, dass ein solch unvermitteltes Erzählen der eigenen Sorgen einem Fremden gegenüber möglich ist; dennoch fehlt/e mir irgendein Hinweis (Blick, Geste usw.), dass ein solches Gespräch gesucht wurde. Du verstehst?

Danke auf jeden Fall für dein intensives Einleben in die Geschichte!

:) Danke Chica, war mir doch ein Vergnügen. Nach dem Motto: Adios bis zum nächsten Lese-Termin:p

Grüßle von
ahino

 

CHIKA,
oft wissen wir nicht, wo der Reiz der Geschichte liegt, die wir geschrieben haben.

Im NACHTFLUG ist dir viel Atmosphärisches geglückt. Es ist die Situation, dass Menschen, die sich nicht kennen (und die sich nie wiedersehen werden) sich spontan gegeneinander aufschließen.

Gerade in den allbekannten, routinemässigen Dingen, die in einem Passagierflugzeug ablaufen, bringst du dem Leser etwas mit auf den Weg.

Deine Geschichte gewinnt einen eigenen Ton des Erzählens. Da sind viele Glanzpunkte und »Zauberstellen«. Viele Passagen stehen perfekt da. Kein Wunsch, es anders zu hören, wird wach. Ich fühlte mich sehr wohl, »hineingezogen« in deinen Text.

NACHTFLUG ist sehr ambitioniert. Als Teil einer größeren Prosa-Arbeit kann ich einiges im Text gewiß nicht adäquat würdigen.

Und doch gibt es einige weniger Ausreißer, nach meinem Sprachgefühl. Du wirst prüfen, ob was dran ist, oder ob ich total daneben liege (seufz!).

»schmiegte er sich an die Rückenlehne«
CHICA, der Mann ist «total fertig«, angespannt, - da wirkt sich anschmiegen für meine Begriffe etwas zu »weich«

»betrachtete ihn gedankenverloren«.
Ein Sprachklischee, der Ausdruck passt kaum für das, was ausgedrückt werden soll. Verzeih, aber in diesem Punkt ist das für mich Mildmädchenprosa. Zumal du diese Geheimwaffe ein zweites Mal einsetzt
«ließ gedankenverloren die Reste der Eiswürfel in seinem Whisky klirren«

Ähnlich wie «gedankenverloren« hat das Wort «verstohlen« einen leichten Anflug von Klischee.
»Verstohlen warf sie einen Blick auf seine schön geformte Hand«
Liegt da eine Art Gefühlsunsicherheit vor? Es gibt eine Erziehung der Gefühle, CHICA. Gerade bei dem gelungenen, überzeugenden Ton, den du in NACHTFLUG findest, gefährdet solche Stil-Unsicherheit die Wirkung des Ganzen.

Du liebst es, Adjektive zu häufen.
»das dichte, dunkle Haar«
«die dichten dunklen Brauen«

Überdeutlichkeit ist fragwürdig, besonders wenn sich das «dichte, dunkle« in der Wiederholung verbraucht.

»dem tiefen Blauschwarz des Nachthimmels«
Die Leser verstehen oft im Ausgesparten mehr als im Über-Deutlichen.
»die graugrünen Augen, deren Farbe an die See an einem Sturmtag denken ließ«
Ein schönes Bild. Solltest du den Satz nicht besser so auflösen, das jenes «deren Farbe« entbehrlich wird?

Du hast (wie wir alle) bestimmte Vorlieben. Einige finde ich etwas aufgedonnert und bombastisch, - «der Hilferuf aus der Wüste seiner Einsamkeit«
»Sterne - - funkelten wie Diamanten auf dunklem Samt«.

Natürlich sind es Kleinigkeiten, mit denen ich dir hier komme.
Beispiel -
»mit ihrem gewohnheitsmäßig strahlenden Profi-Lächeln«
Ich meine, das gewohnheitsmäßig steckt in etwa schon im Profi-Lächeln.

Aber natürlich sollst du deinem natürlichen Sprachfluß folgen.
Du hast offenbar stark an diesem Text gearbeitet. Insofern nimm meine Bemerkungen nur als «Seitengeflüster« vom Gangplatz, der bei dir putzigerweise ein «Sitz am Außenende der Reihe« ist, wenn ich es richtig verstanden habe.

Ich hoffe, meine Sätze treffen dich nicht wie eine kalte Dusche. Nein, du solltest auf dem mit NACHTFLUG eingeschlagenen Weg fortfahren. Der Drehpunkt im NACHTFLUG ist das Interessanteste an der Geschichte. Der Drehpunkt nämlich, dass es um entschwundene Liebe geht, um das WAS-BLEIBT-MIR. Es geht um den barmherzig-unbarmherzigen Faktor ZEIT und, vor allem, im NACHTFLUG zeigst du, was sich zwei Unbekannte über den Wolken, in einer Cabine des DAZWISCHEN, sagen können, nicht im obenhin, sondern wesentlich.

ciao + smile, CHICA
Funkenflug

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Funkenflug,

es freut mich sehr, dass du dir eine Geschichte von mir vorgenommen hast, und noch dazu eine, die tatsächlich nachgeschliffen werden sollte. Das sehe ich jetzt, nachdem zwei Monate seit dem Schreiben vergangen sind, deutlich.

Die von dir angeführten Kritikpunkte scheinen mir fast alle berechtigt und deine Gedanken hilfreich. Danke für die Hinweise ebenso wie für die Anerkennung. Das Verbum "schmiegen" finde ich passend, weil es das Bild eines Schutz und Wärme suchenden Kindes weckt.

Was die in deiner Diktion aufgedonnerten und bombastischen Textstellen angeht, weiß ich oft selbst beim Schreiben, dass ich eine solche formuliere. Aber manchmal gönne ich sie mir als kleinen Seitensprung vom Pfad der stilistischen Reinheit und Untadeligkeit, als bewussten schmuddeligen Kontrapunkt, so wie man eine Schneekugel auf einen aufgeräumten Designerschreibtisch platziert. Es tut der Seele gut, weißt du? Allerdings habe ich die Einsamkeitswüste gestrichen, die Diamanten auf Samt aber belassen, denn genau so ist das Bild, das sich bei einem nächtlichen Flug über der Wolkendecke bietet; da die Luft viel reiner ist in der Höhe, funkeln die Sonnen viel intensiver.

"Nachtflug" ist kein Teil einer längeren Prosaarbeit im eigentlichen Sinn, d.h. die Geschichte ist kein Ausschnitt, sondern eher ein Epilog. Mit der Geschichte nehme ich literarischen Abschied von der Figur des Mannes, der im Roman eine wichtige Rolle spielt und zu dem ich im Verlauf des Schreibens eine tiefe Liebe entwickelt habe. Ich hätte nie gedacht, dass man für eine selbst erfundenen Person so intensive Gefühle haben kann. Um so schöner für mich, dass du offenbar die Emotionalität der Geschichte wahrgenommen hast.

Liebe Grüße, Chica

 

hallo chica, habe mal eine deiner früheren geschichten ausgegraben - und bereue es nicht!

was mir besonders gut gefällt (auch auf die gefahr, aussagen von anderen kritikern zu wiederholen), ist dein natürlicher schreibstil, der auf sehr exakten beobachtungen aufbaut. hast du selbst mal einen (oder mehrere) langstreckenflüge absolviert? ich finde es klase gemacht. hauptsächlich der tanz zwischen menschlicher nähe und beruflicher distanz. ist dir bis zum letzten satz gut gelungen. ich würde allerdings den letzten kuss aufs haar weglassen - für ich geht der genau einen schritt zu weit!

danke für deine geschichte und herzliche grüße
ernst

 

Hallo Ernst,

du hast mir mit deinem Kommentar und deiner Anerkennung eine große Freude gemacht, denn "Nachtflug" ist für mich eine wichtige Geschichte. Ja, du liegst richtig mit deiner Vermutung, die Atmosphäre habe ich selbst während eines Langstreckenfluges eingefangen.

Dein Stirnrunzeln über den letzten Kuss kann ich mit der jetzigen Distanz zur Geschichte gut nachvollziehen, ich teile es sogar. Darum habe ich die "Grenzüberschreitung" der Prot ein wenig abgemildert.

Danke auch für diesen Hinweis und viele Grüße,

Chica

 

danke chica, so gefällt mir der schluss wesentlich besser!
einen schönen tag wünsch ich dir
ernst

 

hello chica,

eine schöne, emotionale Geschichte. Du hast es glänzend geschafft, diesseits jeglichen Kitschs zu bleiben, angesichts der nicht eben riesigen Story eine Leistung. Denn je kleiner die Welt einer Geschichte ist, desto grösser ist die Gefahr einer gefühlsmässigen Überzeichnung. An manchen Stellen fürchtete ich, jetzt, jetzt stürzt sie in den Kitscheimer, aber nein - fast alles glänzend umschifft.

Hier haust Du ein bisserl arg auf die Tonne:
'vielleicht hätten die Höllenfeuer seiner Verlassenheit und Eifersucht bis dahin sein Herz so hart geschmiedet, dass es nie, nie wieder gebrochen werden konnte. Doch sie hoffte, dass die zweifelhafte Gnade der Fühllosigkeit ihm niemals gewährt werden würde' - aber vielleicht empfinden Frauen in dieser Art und so sei es Dir gestattet. ;-)

Männer reden nicht gern über Gefühle, schon gar nicht freiwillig - aber ein bisschen Unglaubwürdigkeit steht jeder Story! ;-)

Viele Grüsse vom gox

 

Danke, dass du eines meiner "Frühwerke" ins Rampenlicht geholt hast, gox! Und danke für deine Anerkennung.

Ich kann deine Gequältheit an der zitierten Stelle gut nachempfinden und hätte sie aktuell sicher anders formuliert. Aber Geschichten dokumentieren immer auch Stadien der eigenen Befindlichkeit zu einer bestimmten Zeit und darum möchte ich die ein wenig prätentiöse Stelle als Erinnerung konservieren. :-)

Viele Grüße!
Chica

P.S.: Mir sind in der letzten Zeit diverse Männer begegnet, die sehr bereitwillig und offen von ihren Exkusionen in die eigene Gefühlswelt berichteten. Ein Hinweis, dass sich das Männeruniversum übergreifend um eine Dimension erweitert? ;-p

 

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