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Nenn mich bei meinem Namen

Challenge 3. Platz
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Nenn mich bei meinem Namen

Aufm Teller `n Rest Omelett. Das hat sie mir so beigebracht – drei große Eier, halbe Zwiebel, `ne zerdrückte Knoblauchzehe, alles in die Pfanne und `n Spritzer Chilisauce dazu. Sie kauft immer die richtig scharfe. Keine halben Sachen, sagt sie.

Ich seh aus dem Küchenfenster. Unten vor der Fabrikeinfahrt warten Lastwagen. Die meisten haben Chemikalien geladen. Ich weiß nicht genau, was sie in der Fabrik herstellen. An manchen Tagen riecht's nach verfaultem Fleisch. Vor ein paar Monaten war nachts die Feuerwehr da, aber nur falscher Alarm. Im Kabuff an der Einfahrt sitzt immer `n fetter Typ mit Glatze. Trinkt Kaffee und liest Express. Winkt Lastwagen durch. Zeichnet Frachtpapiere ab. Aber der bringt wenigstens was nach Hause. Ich lieg' seit zwei Monaten auf Eis. Den ganzen Sommer über hab‘ ich ordentlich Schotter gemacht. Kernbohrungen. Abriss. Schwarzkolonne. Mit den Maschinen war ich gut, ich hab‘ Kraft. Kann arbeiten bis zum Umfallen. Trotzdem hat der Chef mich weggeschickt. Ich solle im Frühjahr kommen, vielleicht gäb's dann wieder was. Davon kann ich mir aber nix kaufen, von dem Vielleicht. Keiner will mehr zu seinem Wort stehen. Gibt nur noch leere Versprechungen.

An guten Tagen, wenn genug Futter im Stall ist, mach‘ ich das Omelett mit Sardellen. Ich kipp `ne Handvoll direkt aus der Büchse in die heiße Pfanne. Der Körper braucht Salz. Der fette Typ öffnet eine Luke und nimmt ein Stück Papier von einem der Fahrer entgegen. Die meisten kommen aus dem Osten – Polen, Rumänien, Tschechei. Sieht man auf den ersten Blick. Ich hab' kein Problem mit Kanaken. Auf Baustelle gibt’s die reihenweise. Nur wenn sie alles für billiger machen wollen, reiß ich`s Maul auf. Würde jeder. Keiner lässt sich einfach so abservieren. Ich setz‘ mich an den Küchentisch. Der Tabak ist krümelig, aber `n neuer Beutel oder Aktive sind nicht drin. Sie schafft momentan die Kohle ran, und da will ich`s nicht einfach so verblasen. Mehr mache ich ja nicht zurzeit. Kippen und Kaffee. Wirste irre. Fettsack setzt sich wieder auf den Hocker und liest in seiner beschissenen Zeitung. Arschloch.

Ich mag`s nicht, dass meine Frau in dem Imbiss da arbeitet. Aber machst du nix. Kassiert von allen das meiste Trinkgeld. Liegt daran, dass sie nicht einfach nur ´n Teller vor dich hinstellt, die bietet dir `ne kleine Show, und das mögen die Leute eben. Den Ring, den ich ihr in Madeira gekauft hab‘, lässt sie vor ihrer Schicht in der Handtasche verschwinden. So zahlen sie mehr, sagt sie. Und ich solle mir nix dabei denken. Auf`m Bau war ich gut. Mit den Maschinen war ich gut. Da konnte mir keiner was. Immer saubere Arbeit abgeliefert. Im Wohnzimmer schalte ich den Fernseher an. Zappe durch die Kanäle. Tagesschau. Werbesendungen. Ich schalte aus. Manchmal, da hat sie mich mit `nem Mühlen geweckt. Hat die Bettdecke hoch genommen, mir die eiskalte Flasche gegen den Schenkel gedrückt. So `ne Frau, sag‘ ich dir, die findest du nicht oft.

Wenn mir die Bude zu eng wird, geh‘ ich rüber zu ihr. Zehn Minuten zu Fuß. Ich hab‘ jedes Recht dazu. Gucken können se alle. Hab‘ ich ihr auch gesagt: Die können dich ruhig angucken. Ich nehm‘ den Mantel von der Garderobe und schließ‘ die Wohnungstür ab. Beim Matratzengeschäft unten an der Ecke hängt `n Schild im Fenster: Fünfzig Prozent Rabatt. Vier oder fünf leerstehende Ladenlokale. Dann `n Nagelstudio, Miss Nails, da sitzt `ne Platinblonde, Mundschutz um'n Hals, und wartet auf Kunden. Paar Kanaken vor’m Kiosk, die lungern da immer rum. Ist keine schlechte Gegend. Bisschen runtergekommen, das ja, aber Miete günstig. Wenn du auf Eis liegst, kannst du `s eben nicht mit beiden Händen rauswerfen, das is‘ einfach nicht drin. Wenn ich manche von den Pissern sehe, die in der ersten Woche vom Monat direkt den NETTO stürmen, kann ich nur lachen. Die leben dann paar Tage wie die Könige, danach kommense angekrochen und wollen dich anpumpen. Nix, sag ich denen, ich geb‘ nix, ich krieg auch nix. Musste selber gucken. Muss ich auch. Muss jeder.

Die Frischluft auf Baustelle war gut. Warst immer draußen beim Malochen. Und konntest abends sehen, was de geschafft hast – `ne Mauer hochgezogen, paar dicke Löcher in‘ Beton gefräst, so was. `n Typ, wie der da im Kabuff, der mal `ne Unterschrift hier drauf und da drauf kritzelt, was hat der schon geschafft? `n Scheiß hat der geschafft, ich sag’s dir. Ich stell mich in den Hauseingang vor der Ampel. Da stinkt‘s immer nach Pisse, egal, wann du kommst. Von hier aus kann ich den ganzen Laden sehen. Wie sie dasteht, sich bewegt, hatt‘ ich schon gesagt - so `ne Frau findest du nicht oft. Ich wart‘ `n Moment, dann geh‘ ich rein. Abends, wenn sie von der Schicht kommt, kann ich das ranzige Fett in ihren Haaren riechen. Ich sag ihr, dass sie duschen gehen soll, sie soll sofort duschen gehen, kann ich nicht ertragen, den Gestank. Ist zu gut für die Arbeit, weiß ich ja, aber was soll ich machen?

Sind noch `n paar Plätze frei, an `nem Tisch vor einem der Spielautomaten. Ich setz‘ mich, das Geplärre vom Automaten im Ohr. Sind immer die gleichen Typen, die da dranhängen, stecken ihre letzten Euro rein ... du kannst nix gewinnen, die Dinger sind immer so eingestellt, dass die deine Kohle schlucken und das war‘s. So Wichser können sich nach meiner Meinung gleich einsargen lassen. Keiner gibt dir was ab. Im Leben gibt’s nix umsonst. Niemand schenkt dir was. Das muss man von klein auf verstehen, sonst isses zu spät. Und manche raffen das nie. Hab‘ ich dem Chef gleich gesagt – ich weiß, dass ich nix geschenkt krieg, deswegen reiß ich mir hier auch den Arsch auf. Chef war’n Guter. Hat gewusst, wann du genug Dreck gefressen hattest. Haben geschwitzt wie die Schweine, und `s war auch beschissen harte Arbeit. Wollteste nur Feierabend haben.

Sie schüttelt den Kopf, aber so, dass nur ich das sehen kann. Die anderen Typen haben’s nicht gerne, wenn ich hier rumhäng‘. Ich mach keinen Ärger, würd‘ ich nie tun, ich will nur meine Frau sehen. Wie gesagt, lieber wär`s mir, die würd‘ zuhause bleiben, `ne Frau gehört nach Hause. Aber was soll ich machen? Ich guck nach Arbeit, überall guck ich nach Arbeit. Ich sag‘ denen immer, dass ich auch Toiletten putz, ich putz die Toiletten mit `ner Zahnbürste, wenn`s sein muss. Aber nix. Weiß auch nicht, was los ist. Früher war einfacher. Sind die Zeiten. Früher brauchteste nur `s Maul aufmachen, solange du malochen konntest, war alles gut. Heute stellen die Kanaken ein, Schwule oder Sabberheinis.

Sie stellt mir `ne Tasse Kaffee hin. Ich rühr‘ Kondensmilch rein, bis er die richtige Farbe hat, dann sehe ich den Schein, `n Zwanni, zusammengefaltet unter’m Löffel … sie streicht mir über die Hand und schließt die Augen, wie sie das morgens immer macht, wenn ich noch liegenbleib‘, und ich weiß, wie sie das meint. Dann geht sie wieder nach hinten, bringt Teller raus, räumt Tische ab, und ich seh‘ das, ich seh‘, wie die Typen ihr auf die Kiste glotzen, alle würden da gerne mal ran, das weiß ich, aber die Sache ist die – ich nehm' die mit nach Hause, ich, und kein anderer.

Der Kaffee ist heiß und dünn. Ich trink’ langsam, will noch was von meiner Frau hab’n. Ihr Chef is‘ so `n schmieriger Affe vom Balkan, `n Jugo, und manchmal könnteste echt auf die Idee kommen, dass der noch was nebenbei am Laufen hat, stehen immer wieder Autos mit ausländischen Kennzeichen draußen auf’m Hof, da weißte nie, was Sache is‘ … aber ich sag‘, Hauptsache is‘, der zahlt pünktlich, wenn’s um die Moneten geht, dann werden se nämlich alle schnell komisch. Ich leg‘ meine Hand auf den Unterteller, klapp‘ den Schein zusammen, muss keiner sehen, muss nicht jeder mitkriegen. Bin nicht der Einzige, der auf Eis liegt, aber ich halt wenigstens mein Maul, ich jammer‘ nich‘ so wie die anderen, das sind alles Pisser, die nich‘ malochen wollen, die reden nur so als ob, in Wahrheit mögen die das, auf der faulen Haut rumliegen und fremden Weibern nachschauen.

Den Zwanni steck ich in meine Hemdtasche … für `n Zwanni krisste heute ja nix mehr, das is‘ ja fast schon lächerlich, früher haste da zwei volle Tüten aus’m ALDI rausgeholt, heute musste gucken, wo de bleibst. Ich weiß, ich weiß, ich beschwer mich nich‘, gibt genuch, die nix zu fressen hab’n, ich kenn‘ auch die Bilder aus Afrika, hier die ganzen abgemagerten Dachpappen mit ihren aufgeblähten Bäuchen, aber `s is‘ ja nich‘ so, dass wir uns jetzt mit den Kaffern aus der Dritten Welt vergleichen, oder? Ich hol‘ den Tabak raus, dreh‘ mir eine, trink den letzten Schluck Kaffee, dann geh‘ ich raus, um’s Gebäude, hinten, neben der Auffahrt is‘ `n schmaler Durchgang, wo die Mülltonnen stehen, hier hat‘s überall Ratten, dick und fett werden die Viecher, ich steck mir die Zigarette an, wisch mir die Krümel von den Lippen, da kommt sie, bleibt im Gang stehen, macht ihre Haare auf, ich will ihr `n Kuss geben, sie nimmt `n tiefen Zug aus der Zigarette, ich seh‘ den weißen Streifen an ihrem Ringfinger, und für `n Moment denk‘ ich, was `n verdammte Scheiße, `s geht irgendwie immer nur um Kohle, nur um die dreckige Kohle, und so war‘s schon immer und so wird‘s auch immer bleiben. Kohle, Kohle, Kohle.
„Wie lange musste heute?“, frag ich, und sie zuckt mit den Schultern. „Bis eben Ende is‘.“
„Jut, ja, da machste nix.“ Ich nehm‘ ihr die Kippe aus der Hand. „Brauchst sowieso bald mal was Neues.“
Sie sieht mich an. „Nich‘ so einfach, die guten Jobs liegen nich’ auf der Straße, weißte doch selbst.“
„Wenn der Winter vorbei is‘, im Frühjahr, wart’s ab.“
„Bleibt mir ja auch nix anderes übrig …“
„Krieg wieder was auf’m Bau, auf’m Bau, da war ich gut, da hab‘ ich Kohle verdient, Wahnsinn.“
Sie dreht sich um, sieht in den Gang und sagt: „Okay, Schatz, ich muss ma‘ wieder“, aber ich halt sie am Arm fest. „Nix Schatz, hier, ich bin nich‘ irgendwer, also nenn mich gefälligst bei meinen Namen.“
„Was is‘ denn los mit dir?“
„Nix is‘ los, ich bin nur nich‘ irgendwer.“
„Na dann ...“
Ich seh‘ ihr nach, wie sie in der Küche verschwindet, dann drück ich die Kippe auf‘m Geländer aus, ich kann das Fett riechen, die Fritten und das beschissene Cevapcici, und ich weiß, da muss bald mal was passieren, das geht so nicht weiter, das macht was im Kopf mit der, diese Arbeit, is‘ ja wie den wilden Tieren das Fressen servieren, und das will ich nich‘, sie is was Besseres, keine Nutte, der du auf den Arsch glotzen kannst, so wie’s dir grad‘ gefällt.

Ich halt am Kiosk, die Kanaken immer noch da, drinnen verkaufen die eiskaltes Bier, und `n Mann braucht sein Bier, ich kauf drei Sester, `n kleine Pulle Zinn 40, und `ne Schachtel Camel ohne. Den Zwanni aus der Hemdtasche. Der Wichser hinter’m Tresen grinst und gibt mir’s Rückgeld raus, ich denk‘, `s darf nicht wahr sein, paar Zerquetschte, das war’s, aber ich weiß ja, bald is‘ vorbei, bald is’ wieder Futter im Stall, da mach ich das Omelett wieder mit Sardellen, denn der Körper braucht Salz, vor allem, wenn du schwitzt wie `n Schwein, und der Fettsack sitzt immer noch da in seinem Kabuff und liest im Express, ich bleib auf der anderen Straßenseite stehen, mach mir mit‘m Feuerzeug `n Sester auf, trink `n großen Schluck, der Schaum läuft mir’s Kinn runter, und ich weiß, so soll das sein, so muss das, bald, bald hau ich wieder rein, bald bin ich wieder wer, nich’ so `n armseliger Wichser wie der, Unterschriften sammeln, nee, das is‘ nix, was für alte Männer vielleicht, für Schwache und Kranke, Schwule, Sabberheinis, aber bald, im Frühjahr, wenn’s wieder genug Stunden gibt, dann bin ich dabei, dann bring ich’s nach Hause, dann steck ich meiner Kleinen `n Hunni in die Bluse, keinen läppschen Zwanni, dann kauf ihr `n neuen Ring, einen, den sie nicht mehr auszieht, den sie nie wieder auszieht … auf’m Bau war ich gut, Mann, mit den Maschinen war ich gut.

 

Hi @jimmysalaryman

Auf'm Teller `n Rest Omelett.
Was ein Einstieg. Macht schon relativ klar in welche Richtung es geht.

Irgendwie stören mich die ganzen Apostrophe. Ich denke, du kannst auf einige verzichten. Hier ein paar Beispiele

Auf’m = Aufm
Riecht’s = riechts
nehm' = nehm
hab’ = hab
gibt’s = gibts
usw.

Macht das Lesen angenehmer.

Das hat sie mir so beigebracht – `n Omelett nach dem Rezept:
Vielleicht das dem streichen? Fänd ich flüssiger. Ist ja auch schon absurd genug, dass man fürn Omelette n Rezept braucht.

Unten vor der Fabrikeinfahrt warten Lastwagen.
Irgendwie dachte ich erst, dass der Typ in der Fabrik sitzt und da grade in der Mittagspause isst oder so. Dass das nicht passt, hab ich dann noch gemerkt. Weiß nicht, ob es Sinn macht ihn früher zu verorten.

Davon kann ich mir aber nix kaufen, von dem vielleicht.
Mit dem Satz hatte ich auch Probleme. Vielleicht „von diesem vielleicht“. Oder vielleicht kursiv setzen.

Ich nehm' `ne Handvoll direkt aus der Büchse,
Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, die sind doch voll winzig die Dosen und die Sardellen ganz schlabberig. Warum schüttet er die nicht einfach in die Pfanne?

Der Körper braucht Salz
.
Wo er den Satz wohl her hat.

Ich hab' kein Problem mit Kanaken.
Ich bin kein Nazi, aber ...

Fettsack setzt sich wieder auf den Hocker und liest in seiner beschissenen Zeitung. Arschloch.
Find ich gut. Wie der Fette sich erdreistet nen Job zu haben.

Aber machst du nix.
Ich kenne eher: Aber da machste nix.

So zahlen sie mehr, sagt sie. Und ich solle mir nix dabei denken. Auf`m Bau war ich gut. Mit den Maschinen war ich gut.
Gefällt mir auch. Er fühlt sich schlecht. Und redet sofort wieder von dem was er gut kann, um sich selbst aufzubauen. Eigentlich ziemlich lobenswert.

Wenn mir die Bude zu eng wird, geh‘ ich rüber.
Ich dachte erst, er geht zur Fabrik.

Musste selber gucken. Muss ich auch. Muss jeder.
Da hat er wohl Recht.

und das beschissene Cevapcici
Nur eins? Das hört sich merkwürdig an.

Dieser Typ ist interessant. Wie er versucht positiv zu bleiben, obwohl er merkt, dass ihm alles entgleitet. Wie er merkt, dass er sich nicht richtig verhält, sich in Gedanken ermahnt, und doch nicht aus seiner Haut kann. Was wohl aus ihm wird?

Also die Charakterzeichnung ist dir gelungen. Der Text an sich spricht mich nicht so an. Das ist mir zu sehr Alltag, das erscheint mir schon zu real. Ich brauch da einfach mehr Ungewöhnliches, mehr Action, aber das ist eben mein Geschmack. Wie wärs mal mit Fantasy? ;) Das wär bestimmt super interessant.

Liebe Grüße,
NGK

 

Hallo @Nichtgeburtstagskind

danke dir für deinen Kommentar.

Eins nach dem anderen. Rezept - kommt raus, hast Recht, der denkt nicht über Rezepte nach.

Fabrikeinfahrt - da hatte ich so ein Satz drin vorher, dass er aus dem Fenster sieht. Dann wird es klarer und besser verortet, kommt wieder rein.

Vielleicht setze ich kursiv.

Sardellen werden ab sofort in die Pfanne geschüttet.

Aber machst du nix - so sagen es die Leute hier.

Bude - ich sag, er geht rüber zu ihr, dann wird es klarer.

Das Cevapcici - ich weiß nicht, kann der das so auseinanderhalten, die, das?

Ich sehe den Erzähler etwas anders als du. Für mich ist das ein Relikt, einer der alten, weißen Männer, die im Grunde die Fehler immer bei Anderen suchen, sich selbst immer für etwas Besseres halten, nicht zu Selbstreflektion oder Kritik fähig sind, Arbeit und Verantwortung immer abgeben wollen, aber gleichzeitig das Heft des Handelns in der Hand behalten möchten. Zudem ist er ein Misogynist und Rassist, der das selbst aber auch für sich rechtfertigen kann, weil er es mit Arbeit verbindet, also mit einer Tätigkeit, die Geld bringt, was wichtig ist. Der steht mitten im Verdrängungswettbewerb, was diese Tendenzen sicher eher verstärkt. Er hat auch kein Problem damit, dass seine Frau malocht, was ihn stört, ist, dass andere ihre dabei auf den Arsch gucken. Für mich ist das ein unangenehmer Charakter, mit dem würde ich eher kein Bier trinken wollen. Ich kenne solche Menschen, die ja eigentlich auch von sich selbst glauben, Spitzenkerle zu sein, aber im Grunde verunsicherte, verzweifelte kleine Wichte, die mit ihrem Leben nicht klarkommen und sich dem auch nicht stellen, lieber im Alten verweilen. Deswegen kann ich auch hier nicht einfach einen anderen Winkel wählen, einen breiteren, der mehr mit einschließt - sicher kann man da hingehen und jetzt den irgendwo menschlicher, also freundlicher frisieren, aber dann würde es ein ganz anderer Text werden, dann würde der auf etwas anderes hinauswollen, dann würde der länger und auch mit anderen Strategien operieren.

Also, du guckst immer genau hin, das finde ich sehr gut, das bringt mir etwas, auch wenn der Text dir vielleicht insgesamt zu realistisch oder zu sehr Alltag war, dennoch hast du ja diese Arbeit in ihn investiert, dafür möchte ich dir danken. Und ja, mal einen Fantasy-Text schreiben, ich weiß nicht, ich habe mal William Gibson gelesen, das ist aber eher SF, und das wäre doch mal eine tolle Sache fürs Forum, ähnlich wie Maskenball, nach dem Motto, man muss eine Geschichte mit einem vorgegeben Sujet und Genre schreiben, was einem vielleicht gar nicht so liegt, das wäre eine gute Herausforderung.

Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @AWM

danke dir für deinen Kommentar. Bukowski, nee. Strunk, nee. Aber egal.

Finde ich unpassend, dass er da zuerst an die Sardellen und damit an sich denkt.

Nee, genau so muss der denken. Im Grunde ist der ein Egoist und verblendet, dem sein Selbstbild ist leider total gefestigt, dem geht es nicht darum, dass er seiner Frau nichts bieten kann.

In deinen Kommentaren hast du mich dann nicht mehr an Bukowski sondern an Stokowski erinnert. Der weiße unterprivilegierte Mann, der aber doch irgendwie privilegiert ist, weil ja weiß, kann sich keine Gedanken über toxische Maskulinität machen, weil er jeden Cent zweimal umdrehen muss; es langt nicht einmal für Sardellen. Man muss es sich leisten können ein guter Mensch zu sein.

Stokowski, hahaha, da musst ich echt lachen. Ich bin ja der Letzte, der auf white privilege rumreitet, weil ich das Konzept für ausgemachten Schwachsinn halte, aber mit Sicherheit ist es so, dass es diese Typen, die im Text oben sprechen, genau so gibt. Es geht gar nicht so sehr darum, ob es echte Rassisten sind, die auch genau wissen, was sie da reden, hier wird der Rassismus auch eher klassistisch gedacht, im Sinne von: die nehmen mir die Arbeit weg, und auch andersherum: die glotzen meine Frau an, diese Verknüpfungspunkte, die sind ja nicht ausgedacht oder eine Illusion, die sind tatsächlich so. Und toxische Maskulinität - darüber denken solche Männer nicht nach, weil sie es nie gelernt haben, und leider auch die Distanz zu Akademikern einfach viel zu groß ist, die haben bestenfalls ein Glaubwürdigkeitsproblem. Das ist eben das Tragische, dass beide Seiten so wenig voneinander wissen und auch irgendwie nicht bereit sind, voneinander zu lernen. Ich glaube, dass in einem so hierarchisch strukturieren System wie dem unsrigen vieles von der eigenen Produktivität abhängt, damit ein sozialer Status und auch ein Selbstwert mehr oder weniger gesichert wird, und so auch zum Habitus gehört, den status quo zu verteidigen, um nicht in einer gesichtslosen Masse unterzugehen. Nach oben buckeln, nach unten treten. Aber der Text soll eigentlich auch nichts lösen, keine Antworten liefern.

Ich habe mal eine Menge umgesetzt, von deinen Einwänden, das sind gute Sachen bei.

Gruss, Jimmy

PS: Hattest das mit dem Egoismus nachgetragen. Ich glaube das nicht. Für Egoismus muss man nicht reflektiert handeln oder sich großartig bewusst werden. Man ist es, oder man ist es eben nicht. Das hat nichts mit Zugeben zu tun - für Zugeben müsste ja erstmal ein Denkfeld eröffnet werden, in dem genau das reflektiert wird. Ich gebe etwas zu. Das ist eine gedankliche Kombination, für die es einiges an Sorgfalt benötigt. DAZU ist er wahrscheinlich viel weniger in der Lage. Hier schließt sich auch ein Kreis - das Rezept für das Omelett hat er von ihr. Das steht ja nicht unbewusst am Anfang. Zum Rest kann ich sagen: Dieser Mann leidet nicht an seinem ungerechten Selbstbild, er leidet an den Vorgaben seines eigenen Rollenbild, dass er nicht hinterfragt, weil er das nie gelernt hat.

 

Ich hab' kein Problem mit Kanaken.
Ich bin kein Nazi, aber ...
schreibt NGK

Ich nochma', ganz kurz - wenn ich darf.

Hallo @Nichtgeburtstagskind,

ich bin nicht mal näherungsweise rechte Mitte, muss aber doch was zu Dia- und Soziolekten, aber auch Jugendsprache sagen.

Als Ruhrpottgewächs kann ich an „Kanaken“ (Selbstbezeichnung von Südseeinsulanern) nix schlimmes mehr finden, „Kanak Sprak“ ist durch Feridun Zaimoglu ins Positive gewendet, zum geuzenaam „Geusenwort“ geworden, wie es schon die „Geusen/Geuzen“ (=„Bettler“) im niederländischen Freiheitskampf gegen die spanische Weltmacht schafften und im Widerstand gegen die Weltkriegsbesatzer (bis 1967 war ich übrigens „Geuse“ [einem Stamm des Bundes deutscher Pfadfinder]).

Im Pott ist Kanaksprak so was wie Jugendsprache (die ich hierorts je nach Sparsamkeit des Ausdrucks Pidgin oder Kreolisch nenne, was aber nix mit den Volksgruppen zu tun hat, die damit leben müssen, weil ein ehem. Kolonialherr seine Spuren hinterlassen hat). Die ist aber inzwischen durch die 140 Zeichenkultivierten auf die Listeder aussterbenden Arten geraten.

Böse werd ich erst, wenn jemand Kakerlak genannt wird, sach ich ma so.

Tschüss

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi @Friedrichard

es kommt ja immer darauf an, wer etwas wie sagt ...

Es macht ja auch einen Unterschied, ob sich Schwarze Nigger nennen oder ob das ein Weißer sagt.
Ob etwas verletzend ist, entscheidet am Ende der, der sich angegriffen fühlt - oder eben nicht.

Aber ich glaube das führt jetzt zu weit. ;)

Viele Grüße,
NGK

 

Hallo @jimmysalaryman,

Dein Text schmeckt nach klassischer Maloche, man riecht förmlich den Dunst heraus, den Rauch, den Kaffee. Sie Sprache hängt sich da dran, oder vielmehr hängt es von der Sprache ab, dass das Milieu intensiv wirkt, ganz dicht dran. Authentisch kann man den Text sicher nennen, es ist vielleicht die erste Qualität der Geschichte. Und ist es eine Geschichte? Eher empfinde ich den, der beim Namen genannt werden möchte, als Dauererzähler. Er sitzt mir gegenüber und redet in einem Fluss dahin. Und manches möchte ich hören und manches nicht. Warum das so ist, liegt am Stil, am konsequenten Naturalismus, der nichts verhüllt, nichts verwandelt, sondern gnadenlos zeigt, was ist. Und genau das ist es dann vielleicht, was unangenehm wirkt, weil einem der Typ so auf die Pelle rückt, als wäre es hier und jetzt und in Wirklichkeit wäre man längst weitergegangen oder hätte sich die a nach b Philosophie nicht angehört und spätestens abgewendet, wenn ihm der Bierschaum übers Kinn läuft. Aber, wie er sagt, das muss so.

Jetzt kann ich sagen, dass die Nachdrücklichkeit des Textes, die aus der authentischen Schilderung kommt, ein Kriterium ist, das ihn auszeichnet. Ja, das hängt sich ein, weil es stark ist, ungefiltert und direkt. Wenn ich an die Traditionslinie denke, auf die der Text zurückgreift, fällt mir der Neorealismo ein oder Reding und andere Leute in der naturalistischen Tradition, die das Arbeitermilieu genau beleuchtet haben. Die Beklemmung beim Lesen der Texte und bei den Filmen geht ähnlich wie bei Dir von der Direktheit aus, in der manchmal nicht klar ist, ob man jetzt in der Realität steckt oder in der Fiktion. Jetzt passiert dann aber in den Filmen und in der Schrift eine Transformation der Realität, die bei einem Text, wie Deinem, der im Grunde protokollarisch wirkt, da herkommt, dass er schwarz auf weiß daliegt. Dadurch, dass er Schrift ist, wird er Fiktion, auch wenn er ganz realistisch gezeichnet ist. Das ist es, was ich aus Deinem Text mitnehme. Dass Erzähltes sehr nahe an der Realität sein kann und sich dann doch irgendwie transformiert ins Literarische. Das liegt aber natürlich auch daran, dass bei Dir eine klare Struktur vorliegt, eine Dramaturgie in der Darstellung, die gespannten Linien zur Frau, zum Mann vor der Fabrik und so weiter. Aber das fällt wenig auf und das ist ja auch raffiniert gemacht. Dass es wie ein Protokoll wirkt, aber dann doch geplant und strukturiert ist. Und dann fragt man sich, wie es bei der scheinbaren Spontaneität dann doch geht und dann geht es durch die subkutane Ordnung, die von der Milieusprache überdeckt wird.

Was ich sagen kann, dass das ein eindrücklicher Text ist. Ich würde ihn eher als Portrait bezeichnen, als Charakteristik, konsequent und wie mir scheint auch kundig in der Sphäre, in der er spielt.

Beste Grüße

rieger

 

Dass Erzähltes sehr nahe an der Realität sein kann und sich dann doch irgendwie transformiert ins Literarische.

Hallo, @rieger ,

wow, toller Kommentar.

Die Frage, ob diese Art von Rollenprosa im Grunde überhaupt eine "Erzählung" im engen literarischen Sinne darstellt, also eine Geschichte, finde ich sehr berechtigt. Ich finde vor allem die Erzählposition interessant, bei einem "normalen" Ich-Erzähler ist es ja oft so, dass es da auch eine Grauzone gibt, wo aus dieser Perspektive heraus auch Spekulationen über andere an der Narration Beteiligte angestellt werden, es wird über andere Figuren nachgedacht bzw Wissen über diese dem Leser vermittelt, via Binnenerzählung oder Ähnlichem. Dann hat diese Art des Erzählers etwas von einem auktorialen, der aber mit der Handlung verbunden bleibt - ich find den oft schwieriger zu kaufen, weil du dann aktuelle Brüche, Geschehnisse kommentierst, und das kann sehr kompliziert werden, auch rein sprachlich gesehen. Bei dem Erzähler oben, der einfach so unverbindlich quasselt, hat man ja im Grunde nicht das Gefühl, dass der einem was erzählt, dass da eine Geschichte sich ausbreitet, das ist ja das Hinterhältige, der redet einfach, und man liest das mit, weil es im besten Falle eben flüssig zu lesen ist, man hört es sich an, und vieles fällt ja auch erstmal durch ein Sieb, da kriegt man gar nicht mit, was da gesagt wurde, das bemerkt man erst oft in der Retrospektive. Das finde ich insofern sehr interessant, weil der Anspruch, die "Echtheit" des Erzählers so rasch zu etablieren, relativ hoch ist. Der Text kann noch so dramaturgisch ausgefuchst sein, wenn ich den Sound nicht glaube, lese ich nicht weiter, dann spielt für mich die Dramaturgie und die erzählerische Strategie keine Rolle. Wie eine tighte Band mit einem schlechten Sänger, sag ich mal.

Ich denke bei dem o.g Text an Kitchen Sink, Angry young men, Kes, Ken Loach, aber auch an den Film "Angst" über den Arnsberger Prozess, weniger vom Sujet, aber von den Parametern, innerhalb derer dieser Text oder so ein "Sprecher" überhaupt entstehen kann. Man ist natürlich immer nah am Voyeurismus, näher als bei vielen anderen Textarten, aber ich finde das kommt mit der Gattung, und wenn du deinen Prot nicht ausschlachtest, finde ich es ethisch vertretbar. Ich hatte hier mal einen Text oben, der etwas krasser war, mit einem Prot der sich Kinderpornos besorgt und dann rauskommt, dass er seine Frau umgebracht hat. Das würde ich heute sicherlich nicht mehr so schreiben, weil das schon zu ausbeuterisch ist, da suchst du dir einen Prot aus und lässt ihn Dinge tun, um den Leser zu schocken. Ist natürlich schön, wenn du so nah dran bist am Leser und ihn manipulieren kannst, um den Effekt zu vergrößern, aber dann ist es auch eben nur ein Effekt, mehr nicht. Hier ist vielleicht der Naturalismus ein Effekt, also die größtmögliche Nähe herzustellen, damit der Leser diesen Erzähler fast körperlich spürt. Und deswegen ist es natürlich wichtig, trotzdem eine Dramaturgie zu haben, eine Strategie, welche das auch immer sein soll, um den Text nicht nur zu einem reinen Formalismus zu machen, sondern zu Literatur (hüstel).

Danke dir für deine Zeit und deinen Kommentar, rieger.

Gruss, Jimmy

 

Hej @jimmysalaryman ,

da redet also quasi den gesamten Text ein Typ; im einzigen Dialog der Titel, der das Gefühl für seine Minderwertigkeit auf den Punkt bringt.
Das Milieu ist schnell klar. Ich lass mich darauf ein und kenne solche Typen. Wer nicht? Nur: es ist offenbar selbst für dich nicht einfach, der du in deinen Texten die Sprache derer kulitvierst, die du hier zeigst, authentisch zu bleiben.
Und so holpere ich über einige Stellen und das Bild von „Schatz“ ;) verschwimmt.
Exemplarisch mal ein paar anfängliche Stellen:

Das hat sie mir so beigebracht

Da seh ich vor meinem geistigen Auge, einen mittelalten Mann im Unterhemd und der sagt das. Ich höre aber: so hats sies mir gezeigt.

Trotzdem hat der Chef mich weggeschickt. Ich solle im Frühjahr kommen, vielleicht gäb's dann wieder was.

Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Der und Konjunktiv.

Keiner will mehr zu seinem Wort stehen.

Auch die Fälle sind unvorstellbar.

Auf Baustelle gibt’s die reihenweise.

Reihenweise Kanaken. Ich höre haufenweise oder massenhaft.

Würde jeder.

selbst diese kleine e-Endung irritiert mich. Bin eben drin und höre ihm zu, sitze ihm gegenüber.

Ich setz‘ mich an den Küchentisch.

ich höre auch keinen Artikel

Sie schafft momentan die Kohle ran, und da will ich`s nicht einfach so verblasen.

Das ist schon ein spezieller Charakterzug und der Protagonist wird ein besonderer seiner Art

Ich mag`s nicht, dass meine Frau in dem Imbiss da arbeitet.

Ich höre: finds scheiße, dass meine Alte da malocht :D

Den Ring, den ich ihr in Madeira gekauft hab‘, lässt sie vor ihrer Schicht in der Handtasche verschwinden.

Eingeschobene Nebensätze ... Ich höre: den Ring aus Madeira bleibt inna Tasche, nich am Finger.

Nimm es bitte nicht so ernst. Ich wollte dir nur mal zeigen, was ich lese und was mich eben irritiert. Und außerdem wünsch ich dir viel Glück bei der Challenge, Kanji

 
Zuletzt bearbeitet:

Nimm es bitte nicht so ernst. Ich wollte dir nur mal zeigen, was ich lese und was mich eben irritiert.

"Ich wollte dir nur mal zeigen, wie scheiße dein Text eigentlich ist." Oder wie soll ich das verstehen. Und warum schreibst du dann zuerst, dass ich es nicht so ernst nehmen soll? Zuerst prophylaktisch besänftigen und dann hinterher groß das Maul aufreißen?
Macht man das heute so?

Zum Text.

Das hat sie mir beigebracht. Das hat sie mir gezeigt. Ich sehe da den feinen Unterschied, dass es bei beigebracht natürlich eine andere Ebene, die schon ganz am Anfang etwas über die Art der Beziehung sagt.

Keiner will mehr zu seinem Wort stehen. Verstehe ich nicht, warum sollte der das nicht sagen?

Reihenweise. Massenhaft. Haufenweise. Also, na ja. Das ist schon extremst subjektiv. Reihenweise, auf dem Bau völlig üblich. (Ich habe lange bei meinen Onkel, der Dachdecker ist, ausgeholfen.) Aber du sitzt auf dem Pritschenwagen in einer Reihe. Auf dem Bau steht man in einer Reihe beim Arbeiten. You get it?

Ich solle im Frühjahr kommen, vielleicht gäb's dann wieder was. Jo, hier ändere ich was, da haste wohl Recht.

Würde jeder. Nee. Gerade da, wo es ernst wird, verändert sich doch auch seine Sprache. Da wird er ruhiger und bedächtiger. Ich hatte das sogar in einer ersten, frühen Version so drin, ohne e, aber mich dagegen entschieden, weil dieses e auch etwas mit dem Klang macht, es klingt bedrohlicher, heftiger, entschlossener, eben nicht so dahingesagt.

Ich höre: finds scheiße, dass meine Alte da malocht. Das würde wahrscheinlich der Strunk in einem seiner klischeebeladenen Romane so schreiben. Und wenn ich das so geschrieben hätte, dann hätte ich diesen Satz eben mit genau derselben und vollkommen korrekten Bewertung um die Ohren gehauen bekommen. Der Typ soll eben kein Abziehbild eines Ruhrpottasis sein, den wir vielleicht alle aus einem schlechten 80er Jahre Film kennen. Das ist schon eine eigene Person. Und du musst auch mal genau lesen: Er findet es ja gar nicht scheiße, dass seine Frau da arbeitet, weil sie ja die Kohle ranbringt. Er mag es nur nicht, dass andere Typen ihr auf den Arsch glotzen. Im Grunde mag er es gar nicht, dass sie arbeitet.

Ich höre: den Ring aus Madeira bleibt inna Tasche, nich am Finger. Hier genau der gleiche Tenor. Du hast irgendein Klischee vor Augen, der spricht wie ein Typ mit Vokuhila aus dem Pott und dabei auch noch reichlich dumm ist. Mein Prot ist aber nicht dumm. Du scheinst da etwas ganz gründlich missverstanden zu haben. Und wenn ich den originalen Satz lese, dann steht da eine wichtige Info, nämlich dass er ihr den Ring gekauft hat. Das ist ja immens wichtig. Und wenn du den Satz mal laut liest, dann klingt der überhaupt nicht gestelzt, und auch überhaupt nicht artifziell. Der klingt richtig. Richtiger als dein Satz, den vielleicht ein schlechter Comedian so sagen würde. Sorry. Bei deinem Satz kräuseln sich mir die Nackenhaare. Ich komme aus dem Rheinland, nicht aus dem Pott. Hier sagt niemand: inna. Auch fehlt doch da die gesamte Komposition, die Intention, eben dass ER ihr den Ring gekauft hat. Würde ich den Satz so lesen, wüsste ich überhaupt nicht, was der meint, da stände ich total auf dem Schlauch. Muss man da einen Kompromiss machen, um seiner Geschichte Tiefe zu verleihen. Vielleicht ja.

im einzigen Dialog der Titel, der das Gefühl für seine Minderwertigkeit auf den Punkt bringt.

Äh, nee. Da haste aber was zu fix gelesen und dir wohl auch zu fix ein Urteil gebildet, wa? In dem Text geht es nicht um seine eigene Minderwertigkeit, sondern um die fehlende Fähigkeit, sein eigenes Rollenbild zu hinterfragen.

Nur: es ist offenbar selbst für dich nicht einfach, der du in deinen Texten die Sprache derer kulitvierst, die du hier zeigst, authentisch zu bleiben.

Man könnte da nachfragen, von wem du da eigentlich redest, wer die sind, "deren" Sprache ich hier kultiviere und die ich hier zeige? Vielleicht ist das größte Mißverständnis, dass du glaubst, die Sprache in diesem Text solle wie gesprochene Sprache klingen. Das ist natürlich ein Irrtum. Ein Text, auch wenn er in einer Rollenprosa verfasst ist, ist doch nie das gleiche wie echte gesprochene Sprache, das ist ja eine Binsenweisheit. Natürlich ist dieser Text eine Simulation, aufbereitet, komponiert, da wird eine zweite Ebene mitgedacht, eben weil es ja eine Erzählung ist, und nicht nur etwas Dahingesagtes. Vielleicht würde man es tatsächlich anders sprechen, mit mehr Pausen, mehr Ähs und Öhs, aber wenn man sich mit dem Dialog in der Literatur auseinandersetzt, wird man schnell fündig: alle großen Autoren, die den Dialog schreiben können, werden dir das Gleiche sagen: es sind alles verdichtete Kompostionen, Monologe, die zu einem Ziel führen, nie eine reale 1 zu 1 Übernahme, das würde überhaupt nicht funktionieren und wäre auch unsinnig. Als Autor ist man doch bestrebt, etwas Zielführendes herzustellen, eine Geschichte zu erzählen, überhaupt etwas zu erzählen, und nicht etwas mit dokumentarischem Charakter, was aber eventuell überhaupt keine Narrative beinhaltet, einfach nur Geschwätz.


Also, ein echt seltsamer Kommentar, Kanji, da schwingt irgendwie eine Menge persönliches Ressentiment mit habe ich so das Gefühl, aber ich bin ja selbst immer für klare Kante und auch keine Pussy, und vielleicht liegt es ja auch nur am Freitag und am nahenden Wochenende.

Gruss, Jimmy

 

Für deine Schwingungsaufnahme @jimmysalaryman bin ich nicht verantwortlich. Es ist immer möglich aus einem Text oder einem Kommentar zu lesen, was man will oder empfindet.
Ich kenne dich nicht persönlich und ich bin nicht interessiert an Persönlichem mit dir, also ich hab nicht mal Vorurteile.
Ich habe dir einen Leseeindruck vermittelt. Damit musst du wohl leben. Man kann sich seine Leser eben nicht aussuchen.

"Ich wollte dir nur mal zeigen, wie scheiße dein Text eigentlich ist."

Schon eine boshafte Unterstellung, aber ich kann ja mal übersetzen: Bitte verschone mich mit deinen negativen, latent aggressiven Antworten. Mehr so eine weiße Fahne/Besänftigung. Durchaus üblich unter Tier und Mensch. (Warum bist du bloß so misstrauisch?)

Zuerst prophylaktisch besänftigen und dann hinterher groß das Maul aufreißen?

Besänftigung ja, großes Maul: Nicht meine Natur. (immer diese persönlichen Attacken:hmm:)

Macht man das heute so?

Keine Ahnung. Mainstream interessiert mich nicht.

selbst für dich nicht einfach, der du in deinen Texten die Sprache derer kulitvierst

Mit ein bisschen gutem Willen, ohne Ressentiments gegen mich, hättest du es durchaus als Kompliment lesen können. But so. Und mir derer meine durchaus: dem Volk aufs Maul geschaut. Ich finde schon, dass deine Texte daraus bestehen.

Keiner will mehr zu seinem Wort stehen. Verstehe ich nicht, warum sollte der das nicht sagen?

Es ging nicht um den Inhalt. Nicht in einer meiner Anmerkungen, sondern um den Ton, um die Sprache, um den, nenn ichs mal Slang.

Das ist schon extremst subjektiv.

Na ja, meine gesamte verdammte Lesart ist extrem subjektiv.

Aber du sitzt auf dem Pritschenwagen in einer Reihe. Auf dem Bau steht man in einer Reihe beim Arbeiten. You get it?

Das Bild passt mir. Las ich nur nicht. Hab keinen Onkel aufm Bau. Bin da voll und ganz auf dich als Autoren angewiesen.

"weil dieses e auch etwas mit dem Klang macht, es klingt bedrohlicher, heftiger, entschlossener, eben nicht so dahingesagt.“ (Antwort-Funktion spackt)

Mit Erklärung und gutem Willen ja, gelesen nicht. Schwingt eben nicht für jeden mit.

Und du musst auch mal genau lesen: Er findet es ja gar nicht scheiße, dass seine Frau da arbeitet, weil sie ja die Kohle ranbringt. Er mag es nur nicht, dass andere Typen ihr auf den Arsch glotzen. Im Grunde mag er es gar nicht, dass sie arbeitet.

Ich lese sehr genau, bevor ich mich auf dein Eis wage. For sure. Guck:
Das ist schon ein spezieller Charakterzug und der Protagonist wird ein besonderer seiner Art

Hab schon geschnallt, dass er nicht der aus den 80er-Jahren Filmen ist (weiß gar nicht, ob ich einen kenne:hmm:) Und auch hier ging es mir nicht um en Inhalt. Wenn ich aber mich nicht an gängigen Bildern halten soll, dann musst du mir neue liefern, find ich. Ich find ihn ja schon irgendwie süß.

Und wenn ich den originalen Satz lese, dann steht da eine wichtige Info, nämlich dass er ihr den Ring gekauft hat. Das ist ja immens wichtig. Und wenn du den Satz mal laut liest, dann klingt der überhaupt nicht gestelzt, und auch überhaupt nicht artifziell. Der klingt richtig.

Weil du ihn kennst. Ich nicht. Könnte ja durchaus sein, dass mir da einige Informationen, die du im Kopf hast, verstellt sind. Ich sag ja, der Kerl verschwimmt vor meinen Augen und ich hätte wohl mehr gebraucht als ein Wort wie gekauft. Kannste mir vorwerfen, kannste auch mal drüber nachdenken.

Richtiger als dein Satz, den vielleicht ein schlechter Comedian so sagen würde. Sorry. Bei deinem Satz kräuseln sich mir die Nackenhaare.

Den hätte ich auch sicher nicht in einer Geschichte geschrieben, aber die Figur, die ich las, wirkte zum Teil eben so auf mich. Das wollte ich zeigen. Und dazu passte für mich auch seine Art zu reden nicht. Das war alles, was ich dir mitteilen wollte. Ich bekam den Typen eben nicht klar. Und mit Verlaub: Kann passieren, oder?

Ich komme aus dem Rheinland, nicht aus dem Pott. Hier sagt niemand: inna.

Dann kommt „Schatz“ auch ausm Rheinland? Wusstich nich. Sorry.

Äh, nee. Da haste aber was zu fix gelesen und dir wohl auch zu fix ein Urteil gebildet, wa? In dem Text geht es nicht um seine eigene Minderwertigkeit, sondern um die fehlende Fähigkeit, sein eigenes Rollenbild zu hinterfragen.

Rollenbild. Für mich ist er ein Saisonarbeiter. Seine Frau arbeitet in einem Imbiss. Wohl immer, oder zumindest wenn er nicht arbeitet. Er kommt mit der freien Zeit nicht klar, mit der Ungewissheit, mit der Tatsache, dass man seine Frau auf den Arsch guckt. Schon ein Zeichen von Minderwertigkeitsgefühlen.
Ich lese nie fix. Just for info.

alle großen Autoren, die den Dialog schreiben können, werden dir das Gleiche sagen: es sind alles verdichtete Kompostionen, Monologe, die zu einem Ziel führen, nie eine reale 1 zu 1 Übernahme, das würde überhaupt nicht funktionieren und wäre auch unsinnig.

Schon klar. Dann fehlt mir bei deinem wohl etwas anderes als Authentizität, denn er liest sich bei mir, gerade als ich ihn laut las, unrhythmisch. (Vielleicht hätte ich meine Stimme verstellen sollen: Vorsicht: Scherz)

Als Autor ist man doch bestrebt, etwas Zielführendes herzustellen, eine Geschichte zu erzählen, überhaupt etwas zu erzählen, und nicht etwas mit dokumentarischem Charakter, was aber eventuell überhaupt keine Narrative beinhaltet, einfach nur Geschwätz.

Schon klar. Und als dokumentarisch hab ichs auch nicht gelesen, mehr so unschlüssig in der Person. Der kann mit Maschinen umgehen, ist also kein Doofer, aber das festigt sein Selbstvertrauen nicht genug, um diese Durststrecke zu überstehen, ohne seiner Frau doof zu kommen.

Also, ein echt seltsamer Kommentar, Kanji, da schwingt irgendwie eine Menge persönliches Ressentiment mit habe ich so das Gefühl, aber ich bin ja selbst immer für klare Kante und auch keine Pussy, und vielleicht liegt es ja auch nur am Freitag und am nahenden Wochenende.

Seltsam kann ich. Und das mim Wochenende kannst nur du wissen. Machs gut, Kanji

 

Hey jimmysalaryman,

interessanter Text. Du hast den Teufelskreis in dem sich Deine Figur bewegt gut eingefangen. Ich finde nur, es wiederholt sich zuviel.

Auf`m Bau war ich gut. Mit den Maschinen war ich gut. Da konnte mir keiner was. Immer saubere Arbeit abgeliefert.

Mir ist klar, das ist sein Mantra, das gibt ihm Kraft. Dem Text nimmt es die aber, wenn es da einfach nur so steht, ohne Zusammenhang. Das passiert oft. Viele Informationen die Du bringst sind nur dazu da die Geisteshaltung Deiner Figur zu verdeutlichen, oder zu untermauern. Auf unterschiedliche Art lese ich immer wieder das gleiche. Speziell in diesem Fall, ist das auch Dein letzter Satz. Vielleicht wäre es eleganter, wenn sich der letzte an den ersten Satz anknüpfen ließe. Auf die Art würdest Du auch einen Kreislauf erzeugen und müsstest nicht mit so vielen Wiederholungen arbeiten.

Keiner gibt dir was ab. Im Leben gibt’s nix umsonst. Niemand schenkt dir was.

Auch eine sich im ganzen Text wiederholende Aussage. Als ob er es einem Kind erzählt. Dabei frage ich mich, wem erzählt er das jetzt überhaupt? Ich fühle mich nicht angesprochen. Es kommt mir wie ein Selbstgespräch vor. Ich fühle mich gefangen in der Innensicht Deiner Figur. Das kann natürlich gewünscht sein. Als Monolog auf der Bühne würde das eine ganz andere Wirkung entfalten. Als Kurzgeschichte ist es mir aber aufgrund der vielen Sprünge und Wiederholungen zu unklar und wirr.

Zur Figur. Du lässt ihn gleich zu Beginn sagen, er wüsste nicht was in der Fabrik hergestellt wird. Das halte ich für unglaubwürdig. Eine Person, die sich so stark über ihre Arbeit definiert und das was sie einbringt, interessiert sich für alles was damit verbunden ist und ist stolz auf dieses Wissen. In solchen Betrieben verschaffen sich die Niedrigsten in der Hierarchie ihr Ansehen mit Informationen. Ich weiß was, was du nicht weißt - das Mehr an Wissen erzeugt ein Machtgefälle, das sich wie´n Hunni gegenüber nem läppischen Zwanni verhält.

Will sagen: Wenn er zuhause drauf steht ein Macker zu sein, weil er Geld heimbringt, steht er auf Arbeit auch drauf der Macker zu sein und über alles Bescheid zu wissen. Inklusive welcher kanadischer Auftraggeber gerade seine Lieferbedingungen geändert hat (Faktenwissen) und ob die Sekretärin vom Chef dem Vorarbeiter XY einen geblasen hat (Gerüchteküche). Jede Information ist wertvoll. Sollte Deine Figur nicht so drauf sein, handelt es sich bei ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Banane - wahlweise Alkoholiker, dumm wie Brot, oder anders geschädigt - damit stünde die ganze Beziehung zu einer Frau, die Ihn in schweren Zeiten durchfüttert auf wackeligen Beinen.

Deine Grundidee finde ich super, ich stehe auch auf das Milieu und die Erzählstimme. Nur ist der Text meiner Meinung nach noch nicht ausgereift.

Schöne Grüße

Lem Pala

 

Hallo, @Lem Pala ,

danke dir für deinen Kommentar.

Wichtiger Punkt mit den Wiederholungen. Die stehen natürlich nicht umsonst da drin, die sind natürlich auch ein Ausdruck seiner Geisteshaltung, die sind wie ein Mantra, dass er sich selbst wiederholen muss.

Vielleicht wäre es eleganter, wenn sich der letzte an den ersten Satz anknüpfen ließe.
Da denke ich drüber nach! Sehr gute Idee.

Es kommt mir wie ein Selbstgespräch vor.
Im Grunde lese ich den auch so, ein dahingemurmeltes Selbstgespräch. Ich glaube, den muss man auch so lesen, da sind vielleicht die Kriterien einer straff durchgetakteten Kurzgeschichte gar nicht mal so sinnvoll. Ich weiß, was du meinst, und bin sonst auch für Straffung und Linearität, aber hier lasse den mal so stehen und strapaziere die Regeln etwas.

Du lässt ihn gleich zu Beginn sagen, er wüsste nicht was in der Fabrik hergestellt wird. Das halte ich für unglaubwürdig.
Wieso? Warum ist das unglaubwürdig?

Will sagen: Wenn er zuhause drauf steht ein Macker zu sein, weil er Geld heimbringt, steht er auf Arbeit auch drauf der Macker zu sein und über alles Bescheid zu wissen.
Das mit der Fabrik mag alles in sich alles richtig sein, nur was hat das mit dieser Figur zu tun? Wenn der jetzt mal in der Fabrik gearbeitet hätte, wäre das was anderes. Aber so? Das ist doch vollkommen abgetrennt von der Innenwelt des Protagonisten. Ich könnte auch hinschreiben: Da werden Kunststoffteile hergestellt, es würde an dem Text nichts ändern. Und er steht auch nicht darauf, ein Macker zu sein, im Grunde ist er eine ganz arme Wurst, was er auch insgeheim weiß deswegen wiederholt er nur sein Mantra, er glaubt aber offenbar noch daran, er müsse ein Macker sein, damit er seine Rolle erfüllt. Ich finde jetzt nicht, dass der über alles Bescheid wissen muss.

Eine Person, die sich so stark über ihre Arbeit definiert und das was sie einbringt, interessiert sich für alles was damit verbunden ist und ist stolz auf dieses Wissen.
Ich finde nicht, dass sich diese Person über Arbeit definiert. Der redet zwar so, als sei ihm das wichtig. So wie du lese ich die Figur überhaupt nicht. Ich lese den nicht als den ehrwürdigen Malocher. Er sagt ja sogar mal: Wollteste nur Feierabend haben. Das er vielleicht sogar wegen dieser laxen Einstellung gefeuert worden sein könnte, da ist nur noch niemand drauf gekommen, da verrät er sich selbst ein wenig. Dieser Typ ist eigentlich ein Lügner, ein Schwadroneur, der verzällt all die Weisheiten, die man so aufschnappen kann, die richtig klingen, aber er hat nicht mal so viel Stolz, die zwanzig Euro abzulehnen, die ihm seine Frau zusteckt.

Sollte Deine Figur nicht so drauf sein, handelt es sich bei ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Banane - wahlweise Alkoholiker, dumm wie Brot, oder anders geschädigt - damit stünde die ganze Beziehung zu einer Frau, die Ihn in schweren Zeiten durchfüttert auf wackeligen Beinen.
Wenn er nicht so drauf ist, dann ist er eine Banane? Wie kommst du zu diesem Entschluss, zu diesem Urteil, und was hat das dann mit der Beziehung zu seiner Frau zu tun? Ich verstehe das nicht.


Gruss, Jimmy

 

Hi Jimmy,

was hat das mit dieser Figur zu tun?

Für mich erschien das einfach nicht stimmig. Die Figur wirkte dadurch “ausgedacht”. Du hast mir aber gerade in einem anderen Punkt die Augen geöffnet. Du sagst ja selbst:
Er sagt ja sogar mal: Wollteste nur Feierabend haben. Das er vielleicht sogar wegen dieser laxen Einstellung gefeuert worden sein könnte, da ist nur noch niemand drauf gekommen, da verrät er sich selbst ein wenig.

Da ist die Banane. Ein Drückeberger und Blender. Tatsächlich habe ich das übersehen. Ich glaubte ihm, dachte an einen Arbeitertypen mit Stolz auf seine Kraft und Fähigkeiten. So unterschiedlich lesen wir gar nicht. Du als Autor weißt nur einfach mehr.

Wollteste nur Feierabend haben.

Das war für mich ein Hinweis darauf, wie hart sein Job war. Auch wer gerne ranklotzt ist irgendwann im Arsch und will nur Feierabend haben.

Du lässt ihn gleich zu Beginn sagen, er wüsste nicht was in der Fabrik hergestellt wird. Das halte ich für unglaubwürdig.

Wieso? Warum ist das unglaubwürdig?

Unter diesen neuen Voraussetzungen halte ich das nicht mehr für unglaubwürdig. Ich weiß ja jetzt, daß er eine Banane ist (ein krummer Typ, weißte wie ich das Meine -
ein Lügner, ein Schwadroneur
, wie Du sagst. Das Problem ist, dass er sich selbst was vormacht und die Aufgabe die Du Dir damit als Autor stellst ist ein Brocken. Vor allem, weil die Figur auch noch selbst erzählt. Müsste ich mich dieser Aufgabe stellen, würde ich es vermutlich über ein Missverhältnis zwischen Innensicht und Außensicht angehen. Irgendwie muss der Leser ja merken was da läuft. Momentan scheint mir das was außen passiert noch zu glaubwürdig. Das passt noch zu sehr zum Bild, das er von sich selber hat.

Der Zwanni war super, da dachte ich auch… Naja! Hatte den letztlich aber unter Liebe und Vertrauen verbucht. So in der Art: So ne Frau gibts nicht nochmal, da muss ich mich nicht verstellen, aber was besseres hat sie schon verdient.

was hat das dann mit der Beziehung zu seiner Frau zu tun? Ich verstehe das nicht.

Da sind wir jetzt. Alles spiegelt sich irgendwo wider. Also auch die arme Wurst in einer Beziehung. Ich sehe dieses Verhältnis zwischen Protagonist und Frau durch seine Augen, kriege sie sofort von ihm kommentiert - und selbst wenn ich ihm diesmal nicht glaube, sehe ich wie sie ihm die Hand auflegt, liebevoll; und sehe, wie sie ihn unterstützt. Im Titel der Story steckt das Dilemma. Er wäre gerne wer, aber Schatz ist er ja schon, das ist ihm nicht gut genug. Für mich wirkt es so, als wäre seine Frau diejenige für die seine meiste Blendkraft draufgeht. Ich wünsche mir, das Licht des Blenders würde an einigen Stellen nicht ganz ausreichen, sei es seiner Frau gegenüber, oder sich selbst gegenüber.

Dein Text gibt viel her und ich finde es reizvoll darüber nachzudenken. Trotzdem bin ich auch mit der neuen Lesart nicht glücklich. Falls Du weitere daran arbeitest, würde ich mich freuen und wenn ich es mitkriege, auch gerne wieder lesen.

Schöne Grüße

Lem Pala

 

@Kanji

Ich sag ja, der Kerl verschwimmt vor meinen Augen und ich hätte wohl mehr gebraucht als ein Wort wie gekauft.

Und du hast mir das hier vorgeschlagen: Den Ring aus Madeira bleibt inna Tasche, nich am Finger. Was soll ich da jetzt zu sagen. Es hätte für dich mehr gebraucht als ein Wort wie gekauft, und dann schlägst du mir diesen Halbsatz als Alternative vor, der noch viel weniger aussagt. Ist was widersprüchlich.

Es ging nicht um den Inhalt. Nicht in einer meiner Anmerkungen, sondern um den Ton, um die Sprache, um den, nenn ichs mal Slang.

War mir klar, dass du den Sound meinst. Aber warum genau sollte ein Mann wie oben im Text das nicht genau so sagen? Was würde er denn deiner Meinung nach sagen?

Dann kommt „Schatz“ auch ausm Rheinland?
Nee, aber den Slang, den du da im Sinn hast, der klingt für mich extremst nach Ruhrpott. Und so spricht hier niemand.

Gruss, Jimmy

 

@jimmysalaryman ,

Und du hast mir das hier vorgeschlagen:

das würde ich nie tun, dir etwas vorschlagen. Ich habe diesen halbgaren Satz lediglich genutzt, um zu versuchen, dir, auch mir selbst zu erklären, womit ich nicht klarkomme. Was ich lese und was ich „höre“. Ich kann sehr schlecht Dialoge schreiben.

Aber warum genau sollte ein Mann wie oben im Text das nicht genau so sagen? Was würde er denn deiner Meinung nach sagen?

Alles, was der Mann in deinem Text sagt, soll er sagen. Er lebt in deinem Text und wird zu dem, was du dort aus ihm machst. Und erneut kann ich dir nur sagen, dass es zwischen seinem Charakter und dem, wie er streckenweise artikuliert, eine Diskrepanz für mich gibt, und ich nicht genau weiß (wer bin, dass ich das könnte?) woran es liegt. Ich habe versucht, es an Stellen festzumachen. Ich hätte dir im Verlauf auch noch andere aufzeigen können. Ich sah es als Hinweis, als Merkmal, wie ein Leser es auffassen kann. Ich dachte, es wäre nicht uninteressant für den Autoren.
Das sollte dich wohl nicht derart stören, denn es ging scheinbar nur mir so.

Nee, aber den Slang, den du da im Sinn hast, der klingt für mich extremst nach Ruhrpott. Und so spricht hier niemand.

Wie gesagt, seine Herkunft war mir nicht klar. Im Grunde hätte er auch berlinern können. Das wäre mir wiederum geläufiger. Ich hörte einfach nur Unstimmigkeiten zwischen dem Charakter, den du geschaffen hast und der Art, wie er zeitweise spricht. Nicht mehr, nicht weniger.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Die Figur wirkte dadurch “ausgedacht”.

Hallo,

natürlich ist erstmal jede Figur der Fiktion ausgedacht. Ich glaube, das lässt sich nicht ändern. Aber du hast, denke ich. Recht. Er würde wissen wollen, was in der Fabrik hergestellt wird. Das war ein wunder Punkt, danke dafür.

Die Blendkraft geht ja von ihm aus, da mehr reinzubringen, aus der Umwelt, halte ich für unmöglich. Hier ist schon irgendwie der Leser gefragt, auch wenn es dann nicht alle verstehen, das gehe ich eben mit, das Risiko. Einfach machen kann jeder.

Danke dir jedenfalls.

Gruss, Jimmy.

 

Hallo @jimmysalaryman
Ich wollte dir auch noch ein paar Zeilen hinterlassen.
Mir hat der Text nicht so richtig zugesagt. Zunächst einmal finde ich ihn schwer zu lesen. All die Apostrophe, weggelassenen Endungen. Ich verstehe, dass es dir wohl darum ging, eine Art Gesamteindruck zu erzeugen, eine gewisse Atmosphäre. Ich kann leider Texten, die zu sehr in Dialekt, Mundart, Slang oder wie auch immer man es nennen möchte, nicht so viel abgewinnen. In Dialogen, hier und da, geht noch in Ordnung, aber über eine gewisse Länge finde ich das sowohl für das Auge als auch für den Kopf ermüdend. Aber gut, du wolltest es so anlegen.

Dann folge ich dem Typen durch die Geschichte und es passiert ... irgendwie gar nichts. Er jammert, hat eine Wut auf die anderen (Kanaken sowieso), seine Frau arbeitet im Imbiss, er holt sich Bier und Schnaps, jammert wieder. Fällt mir schwer, da etwas Interessantes herauszulesen. Ich zucke also mit den Achseln und denke: So what?

Ein paar Textstellen.

Wenn mir die Bude zu eng wird, geh‘ ich rüber zu ihr. Zehn Minuten zu Fuß.
"Rüber" würde ich nicht mit zehn Minuten Fußweg verbinden. In zehn Minuten komme ich ziemlich weit.

Beim Matratzengeschäft unten an der Ecke hängt `n Schild im Fenster: Fünfzig Prozent Rabatt.

Wir kennen doch alle die Matratzenmafia. 50% steht in jedem Matratzenladen, auch in den besseren Lagen.

Miss Nails, da sitzt `ne Platinblonde,
Ist das nicht alles in asiatischer Hand? Bei uns in Berlin zumindest schon.

Wie gesagt, lieber wär`s mir, die würd‘ zuhause bleiben, `ne Frau gehört nach Hause. Aber was soll ich machen?
Warum leben sie nicht von Transferleistungen? Dann müsste sie nicht in dem Laden stehen? Und ihm würde es besser gehen, oder?

sie streicht mir über die Hand und schließt die Augen, wie sie das morgens immer macht,
Wirklich? Ist da (unter diesen Bedingungen) Zärtlichkeit. Oder habe ich das falsch verstanden? Später im Hauseingang ist ja auch eher abweisend zu ihm.

Soweit von mir, Jimmy. Sorry, dass es nur ein paar Gedanken waren. Hab gerade nicht so viel Muße.

Beste Grüße,
Fraser

 

Dann folge ich dem Typen durch die Geschichte und es passiert ... irgendwie gar nichts.

Joah, passiert schon was, in dem Text, und auch sicher was Interessantes, aber muss ja nichts für dich sein, kann eben nicht immer jeder Text etwas für jeden sein.

Warum leben sie nicht von Transferleistungen? Dann müsste sie nicht in dem Laden stehen? Und ihm würde es besser gehen, oder?

Nee, so denkt der nicht. In dem Text geht es um was anderes.

Wirklich? Ist da (unter diesen Bedingungen) Zärtlichkeit. Oder habe ich das falsch verstanden? Später im Hauseingang ist ja auch eher abweisend zu ihm.

Ich weiß nicht, das Geld und die Geste, das bildet ja eine Einheit, da geht es weniger um Zärtlichkeit, das ist doch eher eine mitleidsvolle Geste. Und wichtig ist ja vor allem auch der zweite Teil des Satzes. Aber warum sollte unter diesen Bedingungen keine Zärtlichkeit möglich sein? Verstehe ich nicht.

Gruss, Jimmy

 

Hey jimmy,

ich mag den Text sehr, sehr, sehr. Und wenn ich so am lesen bin, und bei den Figuren, da guck ich nicht mehr nach Fehlern, und wenn ich einen Text gut fand, dann will ich auch anschließend nicht danach suchen. Also von mir bekommst du nix produktives, tut mir leid.

Im Kabuff an der Einfahrt sitzt immer `n fetter Typ mit Glatze. Trinkt Kaffee und liest Express. Winkt Lastwagen durch. Zeichnet Frachtpapiere ab. Aber der bringt wenigstens was nach Hause. Ich lieg' seit zwei Monaten auf Eis. Den ganzen Sommer über hab‘ ich ordentlich Schotter gemacht.
Das fand ich so gut, da steckt so viel Figur drin, da war ich schon neidisch auch.

Mit den Maschinen war ich gut, ich hab‘ Kraft. Kann arbeiten bis zum Umfallen. Trotzdem hat der Chef mich weggeschickt. Ich solle im Frühjahr kommen, vielleicht gäb's dann wieder was.
In dem trotzdem steckt echt viel drin, die ganze Negierung der selbstwahrnehmung kann man da hineininterpretieren. Ich mag es, wenn so kleine Worte so viel Gewicht stemmen können.

Mehr mache ich ja nicht zurzeit. Kippen und Kaffee. Wirste irre.
Ja, der definiert sich nur über das Mannbild - Kohle ranbringen, und wenn das nicht ist, ist das Mannbild kaputt. Darf aber nicht sein. Mann ist schließlich doch Mann!

Wenn mir die Bude zu eng wird, geh‘ ich rüber zu ihr. Zehn Minuten zu Fuß. Ich hab‘ jedes Recht dazu. Gucken können se alle. Hab‘ ich ihr auch gesagt: Die können dich ruhig angucken.

Aber gehört mir. Ist ja irgendwie auch schön, wenn alle gucken; nur nicht zu viel, kann mir vorstellen, dass zu viel oder gerade richtig sehr von der aktuellen Stimmung abhängt.

Die Frischluft auf Baustelle war gut. Warst immer draußen beim Malochen. Und konntest abends sehen, was de geschafft hast – `ne Mauer hochgezogen, paar dicke Löcher in‘ Beton gefräst, so was.
Ja, darum beneide ich die Leute vom Bau tatsächlich. Das ist positives Feedback, das gibt Befriedigung, fehlt in vielen Berufen heute. Also, da bin ich gerade ganz bei ihm.

Ich stell mich in den Hauseingang vor der Ampel. Da stinkt‘s immer nach Pisse, egal, wann du kommst. Von hier aus kann ich den ganzen Laden sehen. Wie sie dasteht, sich bewegt, hatt‘ ich schon gesagt - so `ne Frau findest du nicht oft.
Ich wette, der steht da ganz oft. Der hat so Schiß, dass sie abhaut, weil er weiß, dann hat er gar nichts mehr, dann ist auch der Stolz auf die Frau am Arsch und Ende. Da bleibt ihm nicht mehr viel fürs Selbstwertgefühl.

Hab‘ ich dem Chef gleich gesagt – ich weiß, dass ich nix geschenkt krieg, deswegen reiß ich mir hier auch den Arsch auf. Chef war’n Guter. Hat gewusst, wann du genug Dreck gefressen hattest.
Das ist schon echt gut gemacht, der rote Faden. Das bekommt immer mehr Gewicht, je mehr man über sein verkorkstes Leben erfährt. Ich mein, man gönnt es ihm ab irgendwann. Ich jedenfalls. Auch wenn man ihn sonst echt nicht liebhaben kann.

... alle würden da gerne mal ran, das weiß ich, aber die Sache ist die – ich nehm' die mit nach Hause, ich, und kein anderer.
Hab ich doch gesagt, dass es so Männer gibt! Frag du noch mal, warum der Lasse die Anna :D.

... aber ich halt wenigstens mein Maul, ich jammer‘ nich‘ so wie die anderen, das sind alles Pisser, die nich‘ malochen wollen, die reden nur so als ob, in Wahrheit mögen die das, auf der faulen Haut rumliegen und fremden Weibern nachschauen.
LOL - wie geil. Aber ja, genau so läuft das. Die anderen - da sieht man solche Dinge, bei sich nie.

„Nix is‘ los, ich bin nur nich‘ irgendwer.“
Ja. Genau. Ist ja auch das Thema der Geschichte.

Der Wichser hinter’m Tresen grinst und gibt mir’s Rückgeld raus, ich denk‘, `s darf nicht wahr sein, paar Zerquetschte, das war’s, aber ich weiß ja, bald is‘ vorbei, bald is’ wieder Futter im Stall, da mach ich das Omelett wieder mit Sardellen, denn der Körper braucht Salz, vor allem, wenn du schwitzt wie `n Schwein, und der Fettsack sitzt immer noch da in seinem Kabuff und liest im Express, ich bleib auf der anderen Straßenseite stehen, mach mir mit‘m Feuerzeug `n Sester auf, trink `n großen Schluck, der Schaum läuft mir’s Kinn runter, und ich weiß, so soll das sein, so muss das, bald, bald hau ich wieder rein, bald bin ich wieder wer, nich’ so `n armseliger Wichser wie der, Unterschriften sammeln, nee, das is‘ nix, was für alte Männer vielleicht, für Schwache und Kranke, Schwule, Sabberheinis, aber bald, im Frühjahr, wenn’s wieder genug Stunden gibt, dann bin ich dabei, dann bring ich’s nach Hause, dann steck ich meiner Kleinen `n Hunni in die Bluse, keinen läppschen Zwanni, dann kauf ihr `n neuen Ring, einen, den sie nicht mehr auszieht, den sie nie wieder auszieht … auf’m Bau war ich gut, Mann, mit den Maschinen war ich gut.
Was für ein Satz! Das kommt wie ein Kotzstrahl nach den ganzen Kurzen, ehrlich, bin schon wieder neidisch, wegen solcher stilistischen Finessen. Gut das jetzt zu Ende ist ...

Ich finde den Typen super echt. So, so klein seine Welt. Armer Kerl. Der wird nie glücklich, auch nicht im Sommer mit nem Job auf'm Bau. Glaub ich nicht. Geht ihm vielleicht bisschen besser, aber glücklich - nee.
Habe schon gesagt, ich finde die gut, oder? Finde ich gut.

Beste Grüße, Fliege

 

Hallo @Fliege,

natürlich ein toller Kommentar. Ich überarbeite den Text gerade, habe den jetzt so oft gelesen, mitgedacht, überdacht, da ist es jetzt echt eine Wohltat, wen den jemand so frisch liest und ihn dann auch noch mag. Ich finde das ja immer etwas anmaßend, wenn man einem Kommentatoren sagt, er habe die richtige Lesart für den Text, weil es die im Grunde ja nie gibt, und jeder findet da ja auch für sich was, aber du liest schon immer sehr nah an meiner eigenen Lesart, ist mir schon öfters aufgefallen, auch bei Texten wie damals "Neuware", das ist sehr interessant. In dem Text stecken ja viele Wörter, die für sich genommen nicht so wichtig sind, aber im Kontext plötzlich eine tiefere Bedeutung bekommen, einen ganzen Satz in Frage stellen können, den Sinn dramatisch verändern. Und ebenso kleine Beobachtungen, dass es die ganze Zeit nach Pisse stinkt in dem Hauseingang, da sind ja viele Dinge implementiert, ein ganzer Dispositiv, wie er den Tag verbringt etc, da liest du ser aufmerksam. Der Text wirkt natürlich so hingewichst, aber da stecken schon auch viele Kleinigkeiten drin, die eine Art doppelten Boden erzeugen sollen. Ich bin mir dann nie sicher, ob diese Doppelbödigkeit überhaupt jemandem auffällt, ist ja immer so die Frage. Gut, wenn es so ist.

Ja, danke dir sehr für deine Zeit und deinen Kommentar, Fliege.

Gruss, Jimmy

 

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