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Nenn mich bei meinem Namen

Challenge 3. Platz
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Nenn mich bei meinem Namen

Aufm Teller `n Rest Omelett. Das hat sie mir so beigebracht – drei große Eier, halbe Zwiebel, `ne zerdrückte Knoblauchzehe, alles in die Pfanne und `n Spritzer Chilisauce dazu. Sie kauft immer die richtig scharfe. Keine halben Sachen, sagt sie.

Ich seh aus dem Küchenfenster. Unten vor der Fabrikeinfahrt warten Lastwagen. Die meisten haben Chemikalien geladen. Ich weiß nicht genau, was sie in der Fabrik herstellen. An manchen Tagen riecht's nach verfaultem Fleisch. Vor ein paar Monaten war nachts die Feuerwehr da, aber nur falscher Alarm. Im Kabuff an der Einfahrt sitzt immer `n fetter Typ mit Glatze. Trinkt Kaffee und liest Express. Winkt Lastwagen durch. Zeichnet Frachtpapiere ab. Aber der bringt wenigstens was nach Hause. Ich lieg' seit zwei Monaten auf Eis. Den ganzen Sommer über hab‘ ich ordentlich Schotter gemacht. Kernbohrungen. Abriss. Schwarzkolonne. Mit den Maschinen war ich gut, ich hab‘ Kraft. Kann arbeiten bis zum Umfallen. Trotzdem hat der Chef mich weggeschickt. Ich solle im Frühjahr kommen, vielleicht gäb's dann wieder was. Davon kann ich mir aber nix kaufen, von dem Vielleicht. Keiner will mehr zu seinem Wort stehen. Gibt nur noch leere Versprechungen.

An guten Tagen, wenn genug Futter im Stall ist, mach‘ ich das Omelett mit Sardellen. Ich kipp `ne Handvoll direkt aus der Büchse in die heiße Pfanne. Der Körper braucht Salz. Der fette Typ öffnet eine Luke und nimmt ein Stück Papier von einem der Fahrer entgegen. Die meisten kommen aus dem Osten – Polen, Rumänien, Tschechei. Sieht man auf den ersten Blick. Ich hab' kein Problem mit Kanaken. Auf Baustelle gibt’s die reihenweise. Nur wenn sie alles für billiger machen wollen, reiß ich`s Maul auf. Würde jeder. Keiner lässt sich einfach so abservieren. Ich setz‘ mich an den Küchentisch. Der Tabak ist krümelig, aber `n neuer Beutel oder Aktive sind nicht drin. Sie schafft momentan die Kohle ran, und da will ich`s nicht einfach so verblasen. Mehr mache ich ja nicht zurzeit. Kippen und Kaffee. Wirste irre. Fettsack setzt sich wieder auf den Hocker und liest in seiner beschissenen Zeitung. Arschloch.

Ich mag`s nicht, dass meine Frau in dem Imbiss da arbeitet. Aber machst du nix. Kassiert von allen das meiste Trinkgeld. Liegt daran, dass sie nicht einfach nur ´n Teller vor dich hinstellt, die bietet dir `ne kleine Show, und das mögen die Leute eben. Den Ring, den ich ihr in Madeira gekauft hab‘, lässt sie vor ihrer Schicht in der Handtasche verschwinden. So zahlen sie mehr, sagt sie. Und ich solle mir nix dabei denken. Auf`m Bau war ich gut. Mit den Maschinen war ich gut. Da konnte mir keiner was. Immer saubere Arbeit abgeliefert. Im Wohnzimmer schalte ich den Fernseher an. Zappe durch die Kanäle. Tagesschau. Werbesendungen. Ich schalte aus. Manchmal, da hat sie mich mit `nem Mühlen geweckt. Hat die Bettdecke hoch genommen, mir die eiskalte Flasche gegen den Schenkel gedrückt. So `ne Frau, sag‘ ich dir, die findest du nicht oft.

Wenn mir die Bude zu eng wird, geh‘ ich rüber zu ihr. Zehn Minuten zu Fuß. Ich hab‘ jedes Recht dazu. Gucken können se alle. Hab‘ ich ihr auch gesagt: Die können dich ruhig angucken. Ich nehm‘ den Mantel von der Garderobe und schließ‘ die Wohnungstür ab. Beim Matratzengeschäft unten an der Ecke hängt `n Schild im Fenster: Fünfzig Prozent Rabatt. Vier oder fünf leerstehende Ladenlokale. Dann `n Nagelstudio, Miss Nails, da sitzt `ne Platinblonde, Mundschutz um'n Hals, und wartet auf Kunden. Paar Kanaken vor’m Kiosk, die lungern da immer rum. Ist keine schlechte Gegend. Bisschen runtergekommen, das ja, aber Miete günstig. Wenn du auf Eis liegst, kannst du `s eben nicht mit beiden Händen rauswerfen, das is‘ einfach nicht drin. Wenn ich manche von den Pissern sehe, die in der ersten Woche vom Monat direkt den NETTO stürmen, kann ich nur lachen. Die leben dann paar Tage wie die Könige, danach kommense angekrochen und wollen dich anpumpen. Nix, sag ich denen, ich geb‘ nix, ich krieg auch nix. Musste selber gucken. Muss ich auch. Muss jeder.

Die Frischluft auf Baustelle war gut. Warst immer draußen beim Malochen. Und konntest abends sehen, was de geschafft hast – `ne Mauer hochgezogen, paar dicke Löcher in‘ Beton gefräst, so was. `n Typ, wie der da im Kabuff, der mal `ne Unterschrift hier drauf und da drauf kritzelt, was hat der schon geschafft? `n Scheiß hat der geschafft, ich sag’s dir. Ich stell mich in den Hauseingang vor der Ampel. Da stinkt‘s immer nach Pisse, egal, wann du kommst. Von hier aus kann ich den ganzen Laden sehen. Wie sie dasteht, sich bewegt, hatt‘ ich schon gesagt - so `ne Frau findest du nicht oft. Ich wart‘ `n Moment, dann geh‘ ich rein. Abends, wenn sie von der Schicht kommt, kann ich das ranzige Fett in ihren Haaren riechen. Ich sag ihr, dass sie duschen gehen soll, sie soll sofort duschen gehen, kann ich nicht ertragen, den Gestank. Ist zu gut für die Arbeit, weiß ich ja, aber was soll ich machen?

Sind noch `n paar Plätze frei, an `nem Tisch vor einem der Spielautomaten. Ich setz‘ mich, das Geplärre vom Automaten im Ohr. Sind immer die gleichen Typen, die da dranhängen, stecken ihre letzten Euro rein ... du kannst nix gewinnen, die Dinger sind immer so eingestellt, dass die deine Kohle schlucken und das war‘s. So Wichser können sich nach meiner Meinung gleich einsargen lassen. Keiner gibt dir was ab. Im Leben gibt’s nix umsonst. Niemand schenkt dir was. Das muss man von klein auf verstehen, sonst isses zu spät. Und manche raffen das nie. Hab‘ ich dem Chef gleich gesagt – ich weiß, dass ich nix geschenkt krieg, deswegen reiß ich mir hier auch den Arsch auf. Chef war’n Guter. Hat gewusst, wann du genug Dreck gefressen hattest. Haben geschwitzt wie die Schweine, und `s war auch beschissen harte Arbeit. Wollteste nur Feierabend haben.

Sie schüttelt den Kopf, aber so, dass nur ich das sehen kann. Die anderen Typen haben’s nicht gerne, wenn ich hier rumhäng‘. Ich mach keinen Ärger, würd‘ ich nie tun, ich will nur meine Frau sehen. Wie gesagt, lieber wär`s mir, die würd‘ zuhause bleiben, `ne Frau gehört nach Hause. Aber was soll ich machen? Ich guck nach Arbeit, überall guck ich nach Arbeit. Ich sag‘ denen immer, dass ich auch Toiletten putz, ich putz die Toiletten mit `ner Zahnbürste, wenn`s sein muss. Aber nix. Weiß auch nicht, was los ist. Früher war einfacher. Sind die Zeiten. Früher brauchteste nur `s Maul aufmachen, solange du malochen konntest, war alles gut. Heute stellen die Kanaken ein, Schwule oder Sabberheinis.

Sie stellt mir `ne Tasse Kaffee hin. Ich rühr‘ Kondensmilch rein, bis er die richtige Farbe hat, dann sehe ich den Schein, `n Zwanni, zusammengefaltet unter’m Löffel … sie streicht mir über die Hand und schließt die Augen, wie sie das morgens immer macht, wenn ich noch liegenbleib‘, und ich weiß, wie sie das meint. Dann geht sie wieder nach hinten, bringt Teller raus, räumt Tische ab, und ich seh‘ das, ich seh‘, wie die Typen ihr auf die Kiste glotzen, alle würden da gerne mal ran, das weiß ich, aber die Sache ist die – ich nehm' die mit nach Hause, ich, und kein anderer.

Der Kaffee ist heiß und dünn. Ich trink’ langsam, will noch was von meiner Frau hab’n. Ihr Chef is‘ so `n schmieriger Affe vom Balkan, `n Jugo, und manchmal könnteste echt auf die Idee kommen, dass der noch was nebenbei am Laufen hat, stehen immer wieder Autos mit ausländischen Kennzeichen draußen auf’m Hof, da weißte nie, was Sache is‘ … aber ich sag‘, Hauptsache is‘, der zahlt pünktlich, wenn’s um die Moneten geht, dann werden se nämlich alle schnell komisch. Ich leg‘ meine Hand auf den Unterteller, klapp‘ den Schein zusammen, muss keiner sehen, muss nicht jeder mitkriegen. Bin nicht der Einzige, der auf Eis liegt, aber ich halt wenigstens mein Maul, ich jammer‘ nich‘ so wie die anderen, das sind alles Pisser, die nich‘ malochen wollen, die reden nur so als ob, in Wahrheit mögen die das, auf der faulen Haut rumliegen und fremden Weibern nachschauen.

Den Zwanni steck ich in meine Hemdtasche … für `n Zwanni krisste heute ja nix mehr, das is‘ ja fast schon lächerlich, früher haste da zwei volle Tüten aus’m ALDI rausgeholt, heute musste gucken, wo de bleibst. Ich weiß, ich weiß, ich beschwer mich nich‘, gibt genuch, die nix zu fressen hab’n, ich kenn‘ auch die Bilder aus Afrika, hier die ganzen abgemagerten Dachpappen mit ihren aufgeblähten Bäuchen, aber `s is‘ ja nich‘ so, dass wir uns jetzt mit den Kaffern aus der Dritten Welt vergleichen, oder? Ich hol‘ den Tabak raus, dreh‘ mir eine, trink den letzten Schluck Kaffee, dann geh‘ ich raus, um’s Gebäude, hinten, neben der Auffahrt is‘ `n schmaler Durchgang, wo die Mülltonnen stehen, hier hat‘s überall Ratten, dick und fett werden die Viecher, ich steck mir die Zigarette an, wisch mir die Krümel von den Lippen, da kommt sie, bleibt im Gang stehen, macht ihre Haare auf, ich will ihr `n Kuss geben, sie nimmt `n tiefen Zug aus der Zigarette, ich seh‘ den weißen Streifen an ihrem Ringfinger, und für `n Moment denk‘ ich, was `n verdammte Scheiße, `s geht irgendwie immer nur um Kohle, nur um die dreckige Kohle, und so war‘s schon immer und so wird‘s auch immer bleiben. Kohle, Kohle, Kohle.
„Wie lange musste heute?“, frag ich, und sie zuckt mit den Schultern. „Bis eben Ende is‘.“
„Jut, ja, da machste nix.“ Ich nehm‘ ihr die Kippe aus der Hand. „Brauchst sowieso bald mal was Neues.“
Sie sieht mich an. „Nich‘ so einfach, die guten Jobs liegen nich’ auf der Straße, weißte doch selbst.“
„Wenn der Winter vorbei is‘, im Frühjahr, wart’s ab.“
„Bleibt mir ja auch nix anderes übrig …“
„Krieg wieder was auf’m Bau, auf’m Bau, da war ich gut, da hab‘ ich Kohle verdient, Wahnsinn.“
Sie dreht sich um, sieht in den Gang und sagt: „Okay, Schatz, ich muss ma‘ wieder“, aber ich halt sie am Arm fest. „Nix Schatz, hier, ich bin nich‘ irgendwer, also nenn mich gefälligst bei meinen Namen.“
„Was is‘ denn los mit dir?“
„Nix is‘ los, ich bin nur nich‘ irgendwer.“
„Na dann ...“
Ich seh‘ ihr nach, wie sie in der Küche verschwindet, dann drück ich die Kippe auf‘m Geländer aus, ich kann das Fett riechen, die Fritten und das beschissene Cevapcici, und ich weiß, da muss bald mal was passieren, das geht so nicht weiter, das macht was im Kopf mit der, diese Arbeit, is‘ ja wie den wilden Tieren das Fressen servieren, und das will ich nich‘, sie is was Besseres, keine Nutte, der du auf den Arsch glotzen kannst, so wie’s dir grad‘ gefällt.

Ich halt am Kiosk, die Kanaken immer noch da, drinnen verkaufen die eiskaltes Bier, und `n Mann braucht sein Bier, ich kauf drei Sester, `n kleine Pulle Zinn 40, und `ne Schachtel Camel ohne. Den Zwanni aus der Hemdtasche. Der Wichser hinter’m Tresen grinst und gibt mir’s Rückgeld raus, ich denk‘, `s darf nicht wahr sein, paar Zerquetschte, das war’s, aber ich weiß ja, bald is‘ vorbei, bald is’ wieder Futter im Stall, da mach ich das Omelett wieder mit Sardellen, denn der Körper braucht Salz, vor allem, wenn du schwitzt wie `n Schwein, und der Fettsack sitzt immer noch da in seinem Kabuff und liest im Express, ich bleib auf der anderen Straßenseite stehen, mach mir mit‘m Feuerzeug `n Sester auf, trink `n großen Schluck, der Schaum läuft mir’s Kinn runter, und ich weiß, so soll das sein, so muss das, bald, bald hau ich wieder rein, bald bin ich wieder wer, nich’ so `n armseliger Wichser wie der, Unterschriften sammeln, nee, das is‘ nix, was für alte Männer vielleicht, für Schwache und Kranke, Schwule, Sabberheinis, aber bald, im Frühjahr, wenn’s wieder genug Stunden gibt, dann bin ich dabei, dann bring ich’s nach Hause, dann steck ich meiner Kleinen `n Hunni in die Bluse, keinen läppschen Zwanni, dann kauf ihr `n neuen Ring, einen, den sie nicht mehr auszieht, den sie nie wieder auszieht … auf’m Bau war ich gut, Mann, mit den Maschinen war ich gut.

 

Hallo @jimmysalaryman,

du lieferst mit der Geschichte glaubhafte Einblicke in das verdrehte Selbstbild deines Protagonisten. Er lebt seinen Alltag in einer Schleife, mindestens bis zum Frühling, in seiner Welt zwischen Hofeinfahrt, Miss Nails (Sehr schön. Ich habe hier um die Ecke „Smiling Nails“ :D) und Balkangrill. Geld und Respekt gehen über alles. Sich einen Namen machen, in der Nachbarschaft. Keine Schwäche zeigen. Rumheulen tun nur Mädchen. Und Schwuchtelt. Hat schon der Vater gesagt.

Wie er in seiner Selbstdarstellung rotiert, seine Situation und sein Handeln verteidigt, bringst du für mich gut rüber. Er fühlt sich ungerecht behandelt, verdient Besseres. Und auch die Abgeklärtheit seiner Frau – bezeichnend, dass er auch sie nicht beim Namen nennt – mag ich.

Klar, der Mein-Block-Slang gehört zu deiner Figur. Ich überlege, ob der Fluss der Geschichte die Ausdrucksweise bedingt oder von ihr z.T. behindert wird. Es liegt vllt auch am (für mich) fremden Dialekt, dass ich an manchen Sätzen hängen bleib. Das kannst du natürlich nicht jedem Leser recht machen. Mir kam aber auch das Niveau der Ausdrucksweise teilweise etwas unbeständig vor.

Beispiele:

Keiner will mehr zu seinem Wort stehen.

Und ich solle mir nix dabei denken.
Vs.
Mehr mache ich ja nicht zurzeit. Kippen und Kaffee. Wirste irre. Fettsack setzt sich wieder auf den Hocker und liest in seiner beschissenen Zeitung. Arschloch.

Das als kurzes Feedback.

Gern gelesen.
Viele Grüße
wegen


PS:

Hat die Bettdecke hoch genommen,

hochgenommen, kannst du zusammenschreiben.

 

Hola @jimmysalaryman,

wie ich gerade Deinen guten Komm an Tadita lese, in dem Du genau das sagst, was ich auch meine (außer: ... ihr Sprechen oszillieren:eek: und Simulacrum:Pfeif:...), denke ich, ich sollte mal Deine gelobte Geschichte lesen – die vom Malocher. Und, ganz klar, da erwarte ich schon ein bisschen was. Kennst Dich ja aus im Genre. Also tue ich’s.

Am Ende angekommen, muss ich erst einmal kräftig sortieren. Ich kann vieles nicht verstehen – nein, nicht das seichte Gerede Deines Prota, denn der brabbelt ja immerfort im Kreis, labert in Endlosschleife. Anderes ist mir unverständlich: Wie kann das denn sein, dass Du wie einen Rosenkranz seit Jahren das ‚Show, don’t tell’ herunterbetest (Du an @Tadita: ... und vor allem mit deutlich mehr show, denn dein tell hier, das wirkt fürchterlich hermetisch ...), und hier einen Text einstellst, der so viel tellt, dass sich Tisch und Bänke biegen?

Mehr ‚tell’ geht gar nicht. ‚Show’ findet nicht statt – echt nicht!
Da kann ich auch Ditsche zuhören (was ich mir nicht antun würde), denn der beschissene Originalton (an dem Du unschuldig:)bist) wird auch aus Künstlermund nicht zum Erlebnis.

Mit Deinem Text geht es mir ebenso: Das ist kein Spaß, diesem Prota zuzuhören. Es bleibt auf diesem unterirdischen Niveau auf dieser unterirdischen Ebene und fängt bald an, wegen der Gleichförmigkeit des Textes, weh zu tun. Die unnötige Länge wird mir, dem Leser, besonders zum Ende hin, schmerzlich bewusst.

Es gibt weder Höhen noch Tiefen; stumpfsinnig wie der Prota schlurft der Text dahin.
Ich glaube, Du wärest besser beraten, dieses Gesabbel einzudämmen, ihn in ‚Gänsefüßchen’ schwadronieren zu lassen und auktoriale Unterbrechungen zur Erholung des Lesers einzubauen.

Ich habe beim Lesen das Gefühl, dieser Typ hört einfach nicht auf, zu sülzen – Du quälst mich unnütz. Im wahren Leben wäre ich schon auf und davon.

Es passiert ja nix, nur Stumpfsinn und dummes Zeug. Und wie der Sester-Mann über Nicht-Deutsche redet, lässt nur müde abwinken. Kennen mer scho – oder gibt’s Publikum, das sich über so einen Stuss noch genüsslich ereifern kann?

Tja, Jimmy, das hat mir nicht, aber wirklich überhaupt nicht gefallen. Flach bleibt flach, einen umgesetzten künstlerisch-handwerklichen Anspruch konnte ich nicht ausmachen. Wäre doch zumindest eine Stelle mit ’Show’, z. B. auf dem Weg zur Kneipe wird ein Hund überfahren und er kümmert sich um den – als herzensguter Mensch, der er ja auch ist. So rückt mir Dein Prota näher und ich könnte viel geduldiger seine einfältigen Gedanken ertragen.

Oder er hat trotz Suff und Nikotin eisern gespart und seinem Schatz ein Kettchen geschenkt, damit sie für ihn noch schöner (nach dem Duschen:dozey:) ist. Dann hätt’ ich ihn fast lieb gewonnen.

Blöd finde ich auch das Rumgemache mit dem Ring: Dein Traumpaar weiß, dass die männl. Kundschaft einer Kellnerin, die anscheinend noch zu haben ist, mehr Tipp gibt, aber der Blödmann setzt sich groß in Positur, dass beinahe jeder mitkriegt, dass er ihr Macker ist – und bewirkt das glatte Gegenteil. Willst Du die tatsächlich so doof abbilden?

Wie auch immer: Nächste Woche kommt der Schreiner, um Tisch und Bänke wieder zu richten. Leider erst nach Weihnachten – wir werden die Gans im Stehen essen müssen. Dir aber wünsche ich ein Festmahl vom Feinsten!

José
PS:
Ich hab ja schon Deinen Komm an Tadita erwähnt. Nachdem ich nun Deine Kg gelesen habe, werde ich stutzig: Könnte man nicht einiges, was Du ihr schreibst, auf Deinen Text übertragen:

jimmysalaryman schrieb:
Hier in diesem Text passiert aber gar nichts zwischen den Zeilen.
Stimmt.
jimmysalaryman schrieb:
Du hast eine quasselnde Erzählerin auf einer Ebene, ...
Ja, wir haben zwei Quasselstrippen: bei Tadita eine weibliche, bei Dir eine männliche:cool:.

Zuletzt noch eine Fundsache aus Deinem Komm zum Einrahmen:

... sonst wirkt das schnell wie ein eitles Autorenego, dass eigentlich nur gestreichelt werden möchte.
Und noch PSPS:
Um Dir und Deinem Text kein Unrecht zu tun mit meiner Kritik, hab ich noch einige Komms dazu gelesen. Okay, was immer man hinein- oder herausinterpretieren kann oder will – für mich kommt dieser Text nicht aus den Puschen: Ein Bild-Leser macht’s Maul auf und nicht wieder zu. Mir fehlen Einsicht, Erkenntnis, Veränderung, Überraschung, mir fehlt alles, was einen Text lesenswert macht. Zum Abschied nehm ich Deine Worte an Tadita:

Sorry, dass ich da nichts positives zu sagen kann. Aber so ist es eben.

 

@wegen

danke dir für deinen Komm. Schon viel gesagt worden zum Text.

Er fühlt sich ungerecht behandelt, verdient Besseres.

Er fühlt sich ungerecht behandelt, weil er eben immer noch in diesem Rollenbild gefangen ist. Wird ja viel debattiert, zur Zeit, was ist Männlichkeit, was bedeutet das, gibt es das überhaupt noch? Natürlich habe ich auch eine persönliche Einstellung und Vorstellung zu dem, was Männlichkeit für mich bedeutet, und die setze ich auch literarisch um. Für mich sind viele dieser Parameter, wie Lohnarbeit, die Beziehung zu einer Frau, überhaupt eine Beziehung haben, das Heruntersehen auf Andere, das sind alles Dinge, die passieren, die geschehen, die ich selber so erlebt habe. Bei diesem Prot hier, da schwankt schon einiges, da ist einiges in Bewegung geraten, er verrät sich ja auch selbst, nur merkt er das nicht, im Grunde ist er sich selbst ein unzuverlässiger Erzähler.

Überarbeite den Text gerade, ich hoffe, dann wird der etwas flüssiger lesbar, vielleicht habe ich es echt übertrieben mit dem Dialekt, ich dämme das ein.

Vielen Dank für deine Zeit!

@josefelipe

aaaah, da springt der weise alte Mann der neuen Kollegin ritterlich zur Seite und verteidigt sie, in dem er den Text des kritisierenden Autoren mutwillig und willkürlich zerpflückt! Oldschool-WK sozusagen. Ich würde das auch wirklich sehr und zutiefst respektieren, da es soviel Anstand in der heutigen, modernen Gesellschaft ja nicht mehr oft gibt, wenn es nur nicht so durchsichtig wäre ...

Nun denn: dieser Text ist reines Show, mehr Show geht nicht, denn es ist nichts weiter als das Zeigen des Innenleben, hier war ja nur gezeigt, andauernd, es ist ein fortlaufendes Psychogramm, wie eine Rolle, ein Effekt der Wirklichkeit. Hier gehen diese theoretischen Ansätze nicht so ganz auf, da dies eine andere Sorte Text ist, da kannst du es nicht so einfach kategorisieren.

Dein Traumpaar weiß, dass die männl. Kundschaft einer Kellnerin, die anscheinend noch zu haben ist, mehr Tipp gibt, aber der Blödmann setzt sich groß in Positur, dass beinahe jeder mitkriegt, dass er ihr Macker ist – und bewirkt das glatte Gegenteil.

Sieh mal, hier hast du dir in deinem Eifer aber mal selbst widersprochen. Du bemerkst ja selbst diese Tendenz des Erzählers, im Grunde zweifelhaft zu agieren, eine Außenwirkung einzukalkulieren, aber dem Leser, oder besser: Zuhörer, etwas ganz anderes zu berichten. Dass da nun nichts zwischen den Zeilen steht, kann also nicht so ganz stimmen, denn selbst du mit deinem 220er Puls hast das ja erkannt.

Wäre doch zumindest eine Stelle mit ’Show’, z. B. auf dem Weg zur Kneipe wird ein Hund überfahren und er kümmert sich um den – als herzensguter Mensch, der er ja auch ist

Auch hier, du behauptest, das sei dann Show, aber im Grunde macht das der Prot doch: Er beobachtet und kommentiert, zum Beispiel als er sich Gedanken über den fetten Typen macht, der nur auf dem Stuhl rumsitzt und Express liest. Es ist vielleicht nicht das Show, dass du dir hier wünscht, aber die Struktur ist die gleiche, oder wäre die gleiche. Nur ist das eben nicht deine Geschichte, bzw so, wie du dir das vorstellst. Das ist ungefähr so, wie wenn ich sage, ich bestelle mir Vanilleeis, hätte aber viel lieber Schokolade. Beides geht nicht, aber beides ist Eis.

.. sonst wirkt das schnell wie ein eitles Autorenego, dass eigentlich nur gestreichelt werden möchte.

Weißt du, lieber jose felipe, mir ist das wirklich egal, ob du auf dem Text hier rumtrampelst, weil es ein Text ist, und der muss nicht jedem gefallen. Dass du mir hier aber auf einer persönlichen Ebene unterstellst, ein besonders großes Ego zu haben, bzw dass dies der Textarbeit im Weg steht, finde ich, gelinde gesagt, zum Kotzen. Ich bin sicher streitbar und manchmal auch kontrovers, deswegen habe ich auch kein Problem mit deiner jovial nassforschen Art, aber mit Sicherheit lässt sich eines über mich sagen, nämlich dass man mit mir ganz einwandfrei über Texte diskutieren kann. Ich sehe Fehler ein, ich kann mich korrigieren, ich bin wirklich der Letzte, der kein Feedback annimmt und sich selbst für unfehlbar hält. Und wenn du nur mal diesen Strang hier her nimmst und dich mal für einen kurzen, nüchternen Moment in die Kommentare vertiefst, wird dir das auch sicher auffallen. Die o.g Aussage so dermaßen aus dem Kontext zu reißen, weil es geht ja darum, dass ich mich hier nie als der Autor präsentiert habe, der keine einfachen Sachen kann und nur den absolut tiefgründigen shit produziert, das ist schon einen Relotius wert.

Bist ja schon ein älteres Semester, könntest sicher mein Vater sein, deswegen nehme ich diese kleine Aufwiegelei hier mal ganz sportlich, obwohl ich mit meinem Vater seit zwanzig Jahren kein Wort geredet habe, aber deine Intention ehrt dich sicherlich. Darauf erstmal einen Gamay!

Gruss, Jimmy

 

Moin @jimmysalaryman ,

fällt Euch erfahrenen Autoren und Kommentatoren es eigentlich auch so schwer, etwas sinnvolles, eigenes zu hinterlassen, wenn schon soviel gesagt ist? Andererseits, jeder von uns liest anders, empfindet anders, und das ist ja irgendwie immer spannend. Und auch bei dieser "Arbeit" geht es um Anerkennung, Wahrnehmung und Selbstbild/Fremdbild.

Deine Geschichte wirkt nach mehrmaligem Lesen jedesmal anders und vor allem nach. Ich finde es toll, das Du ständig an irgendeinem Schräubchen drehst, noch ein Detail setzt, etwas straffst. Spontan würde ich sagen, mich widert dieser sabbelnde, auf sich fixierte Typ an und ich verdrücke mich. Aber ich bin mir ziemlich sicher, das ich auch im wahren Leben noch etwas stehen geblieben wäre (okay, ich hätte ihm wahrscheinlich nicht nur zugenickt, der reizt auch), aber er hat viele Seiten, ich hab mit solchen Männern auf dem Bau zusammengearbeitet und weiß, das steckt mehr hinter. Es ist also eine Klasse Menschenstudie, aber ist es auch eine Geschichte?

Spring mir bitte nicht gleich ins Gesicht, die Frage hat sich mir jedesmal nach dem Lesen gestellt, dazu "zwingt" ein das analytische Lesen hier geradezu.
Ich hadere, natürlich ist es eine Geschichte, denn er erzählt mir ganz viel über sich, seine Frau, sein Weltbild, seine Ängste und seinen Hoffnungen. Ich sehe ihn vor mir, kann ihn "verstehen". Und dann steht er denke ich auch stellvertretend für viele, für die Masse, für all die, die um einen kleinen Ball kreisen, für die Wichtigen.
Also ja, es ist eine Geschichte, eine wichtige.
Trotzdem kriege ich die Frage nicht aus dem Kopf, warum schreibt der Autor diese Geschichte, was will er mir zeigen. Und die Antwort ist, zumindest für mich, bei klassischer Ausgangssituation, Handlung, Veränderung, Ende einfacher. Also einfach soll es hier nicht sein, das sehe ich ...
Sorry, ich kriegs nicht sortiert raus, lass es jetzt aber mal stehen, vielleicht kannst Du erahnen, woran ich kaue.

Gerne gelesen ist nicht richtig, der Typ nervt, aber es interessiert aufgesogen und nun im Grübelmodus passt ziemlich gut.

Beste Wünsche
witch

 
Zuletzt bearbeitet:

Trotzdem kriege ich die Frage nicht aus dem Kopf, warum schreibt der Autor diese Geschichte, was will er mir zeigen

Du WAGST es den Autoren nach dem Sinn seiner Geschichte zu fragen? :D Frevel! Nein, im Ernst. Natürlich ist das nicht so der Maßstab, also dieser Text, wo man jetzt diese Parameter messen kann, Exposition, Entwicklung, Veränderung. Das bleibt mehr oder weniger auf einem Niveau, das fließt so runter, weil es auch unfassbar schwer ist, da in diesen Redefluss eine tatsächliche Dramaturgie hineinzubekommen, da sind halt viele Versatzstücke, die sich nach und nach zusammensetzen, über die man nachdenken kann. Das ist ja nur ein Angebot. Man kann den Text als ein Stück Voyeurismus lesen, das ist mir klar, und ich verstehe das auch so: man ist immer gerne bei diesen Momenten dabei, wenn es sich Menschen seelisch nackt machen, das macht auch ein wenig den Reiz aus, aber es darf eben nicht nur das sein, es muss noch etwas hinter dieser Ebene sein, und wenn es nur eine vage Idee ist, etwas was sein könnte.

Also, das ist natürlich eine total berechtige Frage: Ist das eine Geschichte? Ich weiß es nicht. Es wird im Grunde nichts erzählt, aber es ist doch auf eine Art eine Erzählung. Ja, sind gute Punkte, muss man immer wieder drüber nachdenken, ich kann es dir hier nicht beantworten.

Danke für deine Zeit und deinen Kommentar, @greenwitch

PS: Ich habe da noch mal drüber nachgedacht, ob man das Geschichte nennen kann. Ich fürchte, das kann man nicht. Es ist jedenfalls keine Geschichte, wie ich sie sonst auch verfassen würde - tatsächlich habe ich noch einen anderen Text vorbereitet für die Challenge, aber da fehlte mir einfach ein wirklich gelungenes Ende, und die hier war einfach weiter, fortgeschrittener, präsentierbarer. Vielleicht im Nachhinein ein Fehler. Nein, also eine klassische KG ist das nicht, vermutlich eher eine Erzählung, denn ich nehme das Wort Milieustudie so ungerne in den Mund, und Psychogramm klingt immer gleich so vermessen. Ist sicher einer der wunden Punkte, bei so Rollenprosasachen, wie man die einsortierten will, und ich finde es unfassbar schwer, gleichzeitig eine Dramaturgie zu wahren, im neuen Roman, an dem ich gerade arbeite, ist auch ein Stück Rollenprosa, das im Präsens geschrieben ist, das eher eine wirkliche Geschichte ist, also da passieren Dinge, Dialoge werden wiedergegeben, es gibt eine Handlung, und da finde ich die Erzählposition schwierig, man muss das schon kaufen wollen, ein sich ständig reflektierter Erzähler, der aktuell beschreibt, was er denkt und tut, so ein stream of consciousness, das kann auch voll nach hinten losgehen. Hier war ja das Konzept, den einfach mal reden zu lassen, und hier und da ein paar Zweifel und Widersprüchlichkeiten einzubauen, um das Ganze absichtlich ein wenig unrund zu machen, und eigentlich nicht, um eine Art Spannung oder Handlung aufzubauen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Jimmy,

nachdem ich mich in die Apostrophe eingelesen habe, gab es in deiner Geschichte nur noch eines, was mir als evtl. verbesserungswürdig auffiel (ich habe keine Kommentare gelesen, also sorry, falls das schon angesprochen worden ist). Dein Protagonist sagt: in Madeira, obwohl es auf Madeira heißen müsste. Kann aber auch sein, dass du ihn das absichtlich hast sagen lassen.

Ansonsten war mir der Protagonist sympathisch in dem Sinne, dass ich ihm "gerne" zugehört habe, fast hat man ja etwas Mitleid mit ihm. Seine Wahrnehmungen "plätschern" für mich so vor sich hin, das meine ich aber nicht negativ. Die Resignation, aber auch die Reflexion seiner Situation scheint ihn mir sehr leidenschaftslos im Alltag haben werden lassen. Mit konservativen Werten behaftet (die Frau darf daheimbleiben, wenn er Geld verdient) und Scham (die Frau muss arbeiten, wenn er keine Stelle hat), macht er sich das Leben auch nicht einfach.
Und dann nennt sie ihn nicht mal beim Namen, nur Schatz. Er ist nicht nur in der Gesellschaft ein Niemand, auch seine Frau neutralisiert ihn. Dabei meint sie es vielleicht doch gerade besonders lieb? Das weiß ich aber nicht.

Gegen Ende, als er den Zwanni ausgibt, kommt mir der Gedanke, dass seine mir vorgespielte Wahrnehmung jedoch eine Täuschung für mich sein soll. Bekommt er regelmäßig sein Taschengeld, um sich dann gleich mit drei Bieren zu belohnen (und sie in Ruhe zu lassen? - und auch noch Filterzigaretten kauft (entgegen seiner früheren Behauptung, zu sparen, wenn nix da ist).

Ein für mich sehr interessanter Text, weil er für mich mehrere Interpretationen zuläßt. Das mit der Erzählstimme hast du ja sowieso gut drauf, man spürt immer wieder, dass du da viel Zeit investierst.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hi.
Ich habe schon mehrere deiner Geschichten über die Jahre hier gelesen (oder in sie reingelesen), aber habe nie kommentiert.
Diese Geschichte hier mochte ich wohl am meisten. Ich mag diese Art, die Geschichte zu erzählen, die passende Sprache.
Kritikpunkte habe ich nicht wirklich. Außer dass du einen Akzent anstatt Apostroph nutzt. Glaube ich. Sieht jedenfalls falsch aus, das Zeichen. ' wäre das passende Zeichen imo.

Beim Matratzengeschäft unten an der Ecke hängt `n Schild im Fenster: Fünfzig Prozent Rabatt. Vier oder fünf leerstehende Ladenlokale. Dann `n Nagelstudio, Miss Nails, da sitzt `ne Platinblonde, Mundschutz um'n Hals, und wartet auf Kunden.
Generell mag ich dieses Einbringen von Werbeslogans, Plakaten, Schildern etc., in solchen Kontexten.

Die Person selbst finde ich auch glaubhaft.
Finde solche Personen "in echt" auch oft zwiespältig, da man zwar oft ihre Ansichten, ihre Äußerungen, die abfälligen Bezeichnungen für Personen, die sie verwenden, ja, ihr ganzes Weltbild, das man dahinter vermutet, ablehnt, sie im persönlichen Kontakt aber oft relativ in Ordnung sind und dich auch mehr oder weniger korrekt behandeln.
Weiß nicht, ob die Person in der Geschichte auch so einer wäre. Könnte aber imo sein.

Gruß

 

Hallo Jimmy, befragt man eine Gruppe junger Männer nach ihren beruflichen Aspirationen, fallen ihre Antworten signifikant ambitionierter aus, wenn sich einige Frauen in der Nähe befinden. Vollkommen unabhängig davon, ob diese Frauen den Befragten bekannt sind, genügt den Männern allein ihre Anwesenheit, um ein vergleichsweise höheres Einkommen anzustreben, eine steilere Karriere, einen prestigeträchtigeren Job.

Unbewusst zeigt sich hier ein Muster, das ein Dominanz- und Konkurrenzstreben widerspiegelt: Der Mann, der materiell etwas zu bieten hat, gewinnt bei den Frauen das Rennen. Und so kreisen die Gedanken Deines Protagonisten immer wieder um die Frage, was er der Frau zu bieten hat, die er liebt. Nicht viel, im Moment, und das ist ein Problem.

José hat nach dem künstlerischen Wert des Textes gefragt und somit nach seiner Qualität. Ein erster Gedanke dazu geht in die Richtung zu fragen, wie wertvoll authentische Darstellungen von Innenwelten und Sichtweisen innerhalb von Kurzgeschichten überhaupt sind. Wir sehen (auch) in diesem Forum so viele Geschichten, deren Innenwelten bestenfalls sehr allgemeinen Mustern entsprechen. Wir sind ja überhaupt schon froh, wenn diese Muster so ungefähr realen menschlichen Wahrnehmungs-, Denk- und Reaktionsweisen entsprechen. Im Fall dieser Geschichte haben wir es aber mit einer Person zu tun, die man sich so als wirklichen Menschen vorstellen kann.

Das ist ein Resultat all dieser gut beobachteten Details, die schon von verschiedenen Kommentatoren angesprochen wurden. Ich denke, das ist eben ein Wert, wenn wir hier eine Geschichte lesen, die so authentisch wirkt, dass sie eine Gelegenheit darstellt, für einen Moment in den Kopf eines Menschen schauen zu können.

Ich glaube, dass nicht allen ohne weiteres klar ist, wie wertvoll das ist. Vielleicht, weil wir nach einer »schönen« Geschichte suchen. Eine solche Suche ist legitim, auch dafür ist Literatur da. Darüber darf man aber eben nicht vergessen, dass schöne Geschichten und angenehme Gefühle während der Lektüre keine objektiven Kriterien darstellen. José störte sich an dem Inhalt der Meinungsäußerung der Figur, wenn ich ihn richtig verstanden habe.

Gut, die meisten von uns würden sich nicht auf ein Bier zu jemandem an den Tresen setzen, der sagt: Ich hab' kein Problem mit Kanaken. Um so wertvoller ist hier die Chance, es doch zu tun, zumindest in der Form einer Geschichte. Es sind ja nicht einfach nur aneinandergereihte Vorurteile, die hier zur Sprache kommen. Es ist ein Mix aus verschiedenen Einflüssen, Wertvorstellungen, Glaubenssätzen, Erfahrungen, Beobachtungen und Schlussfolgerungen, die der Ich-Erzähler vorträgt, so als würde er dabei gleichsam deren Plausibilität prüfen. In unseren Selbstgesprächen überprüfen wir unsere Sicht der Welt und ich finde, einige Probleme, die dabei auftauchen, sieht man in diesem Text sehr gut.

Mit den Maschinen war ich gut, ich hab‘ Kraft. Kann arbeiten bis zum Umfallen. Trotzdem hat der Chef mich weggeschickt. Ich solle im Frühjahr kommen, vielleicht gäb's dann wieder was. Davon kann ich mir aber nix kaufen, von dem Vielleicht. Keiner will mehr zu seinem Wort stehen. Gibt nur noch leere Versprechungen.

Ein Aspekt beispielsweise, der die meisten unserer Selbstgespräche prägt, wird hier besonders deutlich: Selbstwertdienlichkeit. Wir tendieren dazu, die Welt auf eine Weise wahrzunehmen, die im Einklang mit unserer Vorstellung unserer eigenen Fähigkeiten und Qualitäten steht. Kaum jemand ist frei davon.

Hier tauchen aber viel mehr Dinge auf, die spannend sind, wenn wir uns grundsätzlich für das Wesen des Menschen interessieren: Vorstellungen von Ehre, Treue, Partnerschaft, Fairness, Tapferkeit, Männlichkeit. So, wie der Protagonist sie äußert, wirken sie anachronistisch und sind sie es auch bestimmt. Doch genau so ticken eine Menge Leute. Ich finde es aufschlussreich, das so nachempfinden zu können.

In der Theorie lassen sich bei Kurzgeschichten Ereignisgeschichten von Situationsgeschichten unterscheiden. Ereignisgeschichten stellen im Grund verkürzte Novellen dar, bei denen eine Ereigniskette einer pointierten Auflösung zustrebt. Demgegenüber ist eine Situationsgeschichte die verdichtete Darstellung eines bestimmten Moments, bei dem ein Fokus (beispielsweise eine psychische Krise) das Ganze zu einer Einheit verschmilzt. Ich finde, dass Du genau das hier sehr gut gelöst hast. Der Ich-Erzähler ist ein Mann in der Krise. Seine Wertvorstellungen kollidieren mit den Tatsachen der Wirklichkeit und nun betrachten wir als Leser seine Versuche, den inneren Kompass zu justieren, was natürlich nicht gelingt, denn dazu mangelt es der Figur an Offenheit. Mich überzeugt das.

Ich finde solche Diskussionen wie die mit José wichtig. Ich weiß nicht, wie es Dir damit geht, aber mich bringen solche Kontroversen weiter.

Gruß aus dem verregneten Berlin
Achillus

 

Ein starker Text, der mich sofort mitgenommen hat: Ein Prolet, der sich einbildet, er wäre was Besseres – und ist doch nur ein Hilfsarbeiter am Bau, der im Winter keine Arbeit hat. Schimpft auf Leute, die am Monatsanfang zu viel Geld ausgeben und dann den Rest des Monats darben müssen – und wird selbst auch, sobald er wieder was verdient, seiner Frau einen neuen Ring kaufen, den sie wieder nicht wird tragen können, weil ...

Seine Beziehung zu dem Wärter am Fabriktor, den er immer wieder erwähnt, sprich Bände: Er wertet den ab, sagt, das sei keine richtige Arbeit, dabei ist aber nur neidisch auf ihn.

Andererseits: Er redet sich seine Welt schön, aber wer tut das nicht? Wir alle definieren Sachen, die wir nicht erreichen können, zu sauren Trauben, um nicht an uns selbst zu zweifeln. Warum lesen so viele Frauen Zeitschriften, in denen von „Problemen“ der Reichen und Schönen berichtet wird? Damit sie sich sagen können: Die haben’s auch nicht leicht.

Es ist sicher sehr schwierig, die Balance zwischen Slang und Schriftdeutsch zu treffen. Du, Jimmy, hast schon eine gute Mischung gefunden, wenn auch ich mich mehr da und dort mehr Slang wünschte: Ein fehlerfreier Satz ist bei so einem Menschen kaum zu erwarten, finde ich, deshalb dürften im Text noch mehr Artikel fehlen und Wortenden verschluckt werden, ohne dass die Verständlichkeit darunter litte. Aber das ist wohl mehr ein Gefühl oder Geschmacksfrage, denn voll glaubhaft ist diese Geschichte auch jetzt.

Mit dieser Geschichte hast du dein Talent, Menschen zu beobachten und sich in sie versetzen zu können, wieder einmal bewiesen. Besonders wenn die Geschichten im Milieu der unteren sozialen Schichten angesiedelt sind, bringst du es mitunter zu wahrer Meisterschaft: Diese Geschichte ist eine von jenen, auf die dieses Prädikat zutrifft.

 

Bekommt er regelmäßig sein Taschengeld, um sich dann gleich mit drei Bieren zu belohnen (und sie in Ruhe zu lassen? - und auch noch Filterzigaretten kauft (entgegen seiner früheren Behauptung, zu sparen, wenn nix da ist).

Hallo @bernadette

Hast du sehr aufmerksam gelesen. Das ist es auch, was für mich persönlich in dem Text am Wichtigsten war, diese Widersprüchlichkeit - Behauptungen, schnell Dahingesagtes, dieser Fluss der Gedanken, die da aus ihm herausströmen, da steckt eben vieles drin, was nicht deckungsgleich ist mit seinem Handeln, oder wo er sich später eventuell selbst revidiert. Das kann man natürlich nicht so dahinschreiben, das muss im Text selbst stecken, und das ist halt nicht immer so einfach. Toll, wenn es dann funktioniert. Danke für deine Zeit und deinen Kommentar.

Hallo, @Tadita,

Der Kerl ist also Rheinländer?

Auf jeden Fall ist er nicht aus dem Pott. Ich hätte da auch viel mehr Kolorit reinbauen können, nur dann hätte es keine Sau mehr verstanden, wenn der spricht wie Gerd Köster. Das ist ja so die Krux an solchen Texten, dass man es immer noch etwas mehr frei Schnauze machen kann, aber das geht eben zu Lasten der Dramaturgie, wenn man das so nennen kann. Ich finde es sehr schwierig, da genau diese Gratwanderung hinzulegen, wo der Leser sagt, das kann ich lesen und verstehen, vielleicht auch wenn ich nur erahne, worum es geht, jedoch ich bekomme ein Gefühl für das Sujet, für die Person, die Sprache, aber es ist eben nicht so weit draußen, dass ich nichts mehr verstehe.

Ich glaube, der Typ im Text hat vielleicht auch einen weichen Kern, aber was er zeigt, ist im Grunde eine heuchlerische Doppelmoral, und vor allem ist er in einem Rollenbild verhaftet, dem er ja selbst nicht folgt, das hält er nur hoch, weil man(n) das eben so macht, weil es richtig war und deswegen immer noch richtig sein muss. Im Grunde, finde ich, ist der eine sehr tragische Figur.

Ja, danke auch dir für deine Zeit und deinen Kommentar.

wird fortgesetzt, bin leider etwas kränklich zur Zeit, sorry.

 

Die Person selbst finde ich auch glaubhaft.

Hallo @Superfant ,

sorry, dass ich mich jetzt erst melde. Glaubhaftigkeit, Glaubwürdigkeit, das sind so Themen, da beschäfte ich mich total viel mit in der letzten Zeit. Es gibt eine Bezeichnung, die die Amis benutzen, und die heißt: verisimilitude , im Deutschen wäre das Wirklichkeitsnähe, und was gemeint ist, ist dass ich als Leser der Fiktion ihre eigenen Regeln abkaufe. Jeder kennt Anton Chigurh, aus No country for old men, und das ist ja auch keine "echte" Figur, niemand würde sagen, natürlich, der ist aber TOTAL realistisch, Killer laufen mit Bolzenschussapparaten durch die Gegend. Das ist ja ein Archetyp, eine Verkörperung, unstoppable evil, der muss nicht deckungsgleich mit unserer Realität sein, aber er muss innerhalb der Fiktion funktionieren. Ich arbeite an einem ähnlichen Charakter im Moment, und der Leser wird dann oft erstmal abgeschreckt, weil er denkt, dass kann aber jetzt nicht sein, dann kriegt das auch oft so eine metaphyische Ebene, davon sind wir hier in dem Text natürlich weit entfernt.

Dass man eben oft mit solchen Menschen zu tun hat, die dann weniger politisch korrekt sind, aber ansonsten okay, ist zwiespältig. In den Staaten kenne ich einen Typen, der ist so 60, total guter Gitarrist, Blueser, Southern Rock, er sieht aus wie ein Waldschrat, ellenlanger Bart, wasserblaue Augen, den totalen drawl, wenn er spricht, sympathisch ohne Ende, aber leider auch ein totaler Rassist, der auf seiner Brust ein Tattoo von General Lee hat. Wie geht man damit um? Das ist nicht so einfach zu beantworten, in Deutschland ist es gerade en vogue, das alles plattzubügeln und solche Menschen ganz grundsätzlich zu verachten, aber der Deutsche mag eben auch leichte Lösungen.

Danke für deinen Kommentar.

@Achillus

habe mich sehr gefreut über deinen Komm, ich habe deine Geschichte gelesen, ausgedruckt und mir Notizen gemacht, ich werde ausführlich am WE kommentieren. Du stellst in deinem Text viele Fragen, die ich absolut richtig und wichtig finde. Dein Textverständnis ist einfach sehr reif, da bin ich manchmal ein bisschen neidisch, weil ich viele Texte noch zu sehr aus meiner eigenen Nische betrachte, du bist da schon weiter, du siehst die Texte als das, was sie sein sollen, eher aus dem Auge des Erschaffers, und bist damit zwar kritisch und auch hart, aber eben immer mit dem Auge des Autoren, auf seiner Seite. Das ist total spannend. Natürlich ist das kein schöner Text in dem Sinne, dass er sprachliche Kapriolen schlägt. Es ist eher auch nicht der Inhalt, sondern eben die Leerstellen im Text bzw des Denkens dieses Mannes. Es ist ja alles auf ein Prinzip heruntergeschmolzen, du nennst das sehr schön Selbstwertdienlichkeit, ein Begriff, den ich noch nicht kannte, ich dachte an Selbsterwartung, im ganz klassischen Sinn, er erwartet sich selbst in einer gewissen Rolle, die natürlich in bestimmten Traditionen verhaftet ist, ich finde das auch nicht schlimm, es soll gar nicht wertend sein, sondern einen Ist-Zustand beschreiben, viele Männer wissen nicht, was sie sein wollen, wie sie Männlichkeit definieren, und dann gibt es eben die, für die das total klar ist, die das auch nie hinterfragt haben, und denen dann der Boden unter den Füßen weggezogen wird. So einer ist der Prot im Grunde.

Ja, Diskussionen sind immer wichtig, auch wenn sie mit harten Bandagen geführt werden, es geht ja um was, und manchmal gehen dann auch die Gäule durch, meine Güte, wir sind nicht aus Zucker, so etwas bringt einen weiter.

Also, vielen Dank und bis demnächst.

Hallo @Dion ,

Mit dieser Geschichte hast du dein Talent, Menschen zu beobachten und sich in sie versetzen zu können, wieder einmal bewiesen.

Danke dir. Du hast natürlich Recht, man könnte den Text noch mehr zersetzen, da bin ich auch gerade dran, ich will halt nur nicht, dass es komödiantisch wirkt, alle fanden Strunk so gut und ich dachte beim Lesen aber, der führt die vor, der sitzt da, hört zu und grinst dämlich, und dann schreibt er das nieder und dokumentiert eben diese verfallenen Typen mit braunen Stummeln in der Fresse, Unterschichtenkasperletheater, und das wollte ich vermeiden, man soll den Prot schon auch ernst nehmen, der will gehört werden. Ja, auch dir vielen Dank für deine Zeit und deinen Kommentar. Freut mich zu hören, wenn der Text dir was geben konnte.

Gruss, Jimmy

 

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