Nerze im Dreck
Nerze im Dreck
Fyll fluchte. Seine Füsse waren nass. Als er sich umdrehte, sah er gerade noch, wie der Zug aus Kopenhagen die Station verliess. Rechts von ihm schlich Florian Leuenberger über die Wiese. Er war grösser und kräftiger gebaut als Fyll. Links von ihm ging Monika Leuthard. Sie hatte halblanges, hellbraunes Haar, welches sie wie die andere zwei unter einer schwarzen Sturmmaske verbarg. Sie kam wie Florian aus der Schweiz. Fyll, Florian und Monika hatten sich vor drei Jahren im Internet kennen gelernt, da sie alle beim WWF Mitglied waren. Fyll fing kurz vor ihrer Begegnung beim WWF an zu arbeiten. Heute wollten sie zum zweiten Mal Tiere befreien.
Alle drei schritten schnell voran. Sie leuchteten mit den Taschenlampen die Umgebung ab. Es war die Nacht auf den elften Oktober 2007 und der erste Tau lag wie eine dünne Eisschicht auf dem Gras. Die drei waren mit Jacken, die Fyll ihnen aus seiner Wohnung geliehen hatte, verpackt. Langsam näherten sie sich der Fabrik. Es war kurz nach Mitternacht. Sie waren nun nur noch fünfzig Meter von der Mauer entfernt, die die Fabrik umgab. Sie rochen den grässlichen Gestank von Urin und toten Nerzen. Die Wachhunde bellten. Nun standen sie vor der Mauer. Florian nahm aus seinem Reiserucksack eine Metallsäge hervor und sägte den Stacheldraht, der auf die Mauer gespannt worden war in zwei Teile. Schnell warfen sie noch Fleischstücke, welche mit starkem Schlafmittel versehen hatten, über die Mauer. Sie hörten, wie die hungrigen Hunde die Fleischstücke verschlangen.
Fünf Minuten später schliefen die Hunde. Mit Hilfe der Räuberleiter kletterten sie über die Mauer. Hinter der Mauer war es abscheulich. Die Hunde schliefen am Boden. Alles war verschmutzt. Schnell rannten sie zum Tor. Monika zog einen dünnen Draht hervor. Mühsam schob sie den Draht hin und her. Ihr Herz klopfte wie wild. Immer wieder verbog der Draht und sie musste ihn zurückbiegen. Da knackte es endlich und das Schloss fiel mit einem dumpfen Aufprall auf den dreckigen Boden. Rechts waren die Büros, geradeaus die scheusslichen Schlachträume und links die Lagerräume, welche mit winzigen Nerzkäfigen vollgestopft waren. Monika kamen die Tränen als sie mit Fyll die Lagerräume betrat. Das Licht flackerte. In einem Käfig waren mindestens zehn Nerze, welche in ihrer eigene Kacke und in ihrem eigene Urin ihr Leben verbringen mussten. Schnell machten sie sich daran, die armen Tiere zu befreien, während dem Florian die Büros durchsuchte. Sie rannten hin und her. Florian riss jede einzelne Schublade heraus. Das Papier sammelte sich am Boden. Monika und Fyll schlossen die kleinen Käfige auf und trugen sie hinaus.
Plötzlich hörten sie Sirenen. Schnell packten sie die letzten Nerze und rannten los. Monika stolperte. Sofort hob Florian sie hoch. Alle stanken fürchterlich. Hinter dem Stationshäuschen wechselten sie ihre Kleider. Weit hinter ihnen konnten sie noch die Polizeiautos sehen, doch sie waren gerettet. Sie stiegen in den nächsten Zug nach Kopenhagen. Erleichtert setzten sie sich in ein schäbiges, altes Abteil und hofften, dass viele dieser armen Tiere die Freiheit fanden.
Am Tag darauf stand in einer dänischen Tageszeitung:
Nerze befreit
KOPENHAGEN. Von einer Nerzfarm in Dänemark sind in der Nacht auf gestern rund 5000 Tiere entkommen. Die Polizei vermutet radikale Tierschützer hinter der Aktion.