Was ist neu

Nie mehr Bolero

Seniors
Beitritt
31.10.2003
Beiträge
1.543
Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Nie mehr Bolero

Nie mehr Bolero


Die Detonation des Schusses erreicht mein Ohr bevor der Schmerz einsetzt. Ich sehe das grinsende Gesicht des Uniformierten, der nach guter alter John Wayne-Manier den Revolver zurück in den Halfter gleiten lässt. Meine Beine geben nach.
Real …

Eigentlich hatte es harmlos angefangen. Ein simpler Ausfall synaptischer Verknüpfungen.
Meine Frau Molly und ich hatten noch gelacht. Mir war in einem ganz lapidaren Satz das Wort für dieses hölzerne Ding mit den vier Beinen nicht mehr eingefallen.
„Hast du meinen Autoschlüssel gesehen?“, hatte Molly gefragt.
„Er liegt da drüben auf dem …“ Kurzes Schweigen. „Auf dem …“ Ich hatte die Stirn in Falten gelegt, ebenso wie Molly, die mich fragend angesehen hatte. Ich sah doch diesen Schlüssel auf diesem verdammten …
„Auf dem …“ Ich hatte es noch einmal versucht. Nichts. Das Wort war weg.
Ich deutete mit dem Finger auf das Ding, Mollys verwundertem Blick ausweichend.
„Du meinst den Tisch?“, fragte sie vorsichtig.
Ich sah sie an. Sie hätte mich auch fragen können: „Du meinst den Wrngsslw?“ Das von ihr genannte Wort sagte mir rein gar nichts. Ein Druck war in meinem Kopf entstanden, kein schmerzhafter, lediglich dieser verkrampfte Druck der Verzweifelung. So etwas gab es doch nicht! Ich wusste doch, dass ich dieses Ding, an dem man essen konnte, kannte. Ich wusste es!
Und Sekunden später war es wieder da. Tisch! Natürlich Tisch. Wie hatte ich das vergessen können? Wir hatten gelacht.

Ich höre den Uniformierten etwas brüllen. Mein Magen verkrampft sich. Schweiß steht auf meiner Stirn. Keine Vision …

Vision: ein im äußeren Raum anschaulich gesehenes Bild,
das für andere Betrachter nicht vorhanden ist.

Dann kam der Tag im Park. Und meine erste richtige Vision.
Ich schlenderte mit Molly über den Weg und hörte die Steine unter meinen Schuhen knirschen. Viel zu laut, wie ich fand.
„Ich finde es schön, dass wir mal wieder Zeit für uns haben“, sagte Molly und hakte sich fester bei mir ein.
„Ja schön“, sagte ich durch das Tosen der Steine hindurch. Ich sah nach unten. Ein ganz gewöhnlicher Weg durch einen ganz gewöhnlichen Park. Warum waren die Schritte so laut? Ich blickte zu Molly, doch sie hatte ihren Kopf an meine Schulter gelegt und schaute verträumt in den Himmel. Ich lächelte, sah das Meer von Rosen, die einen farbenprächtigen Kontrast zum tristen Grün der Wiese bildeten. Sie rochen nach gebratenen Würstchen, zumindest drang der einschneidende Geruch zu mir herüber. Mein Magen knurrte.
Ich sah mich um, allerdings konnte ich den Geruchsverursacher nirgends ausmachen. Lediglich unzählige Tauben befanden sich auf der großen Wiese neben uns. Ich runzelte die Stirn. Wo waren die Rosen?
Molly summte ein Lied. Ein Sperling neben uns flog gegen einen der Baumstämme und zerplatzte an der Rinde. Ich zuckte zusammen, verharrte erschrocken in der Bewegung und starrte mit offenem Mund auf den gekrümmten Kadaver im Moos.
Molly sah mich an: „Was hast du?“
Mein Herz donnerte, jedes Wesen im Park musste es hören können. Die Tauben sahen zu uns herüber, dann erhoben sie sich wie auf Kommando in die Luft und stoben auseinander. Der Würstchengeruch wurde stärker. Verbrannter.
„David, was ist mit dir?“
Ich blickte ungläubig in ihre Augen, konnte nicht nachvollziehen, was sie mich gerade gefragt hatte. War sie denn blind? War es ihr entgangen, wie dieser winzige Vogel sich den Schnabel durch seinen Schädel katapultiert hatte? Sah sie denn nicht die dünnen Beinchen, die steil nach oben gerichtet waren, als griffen sie nach der letzten Hoffnung, den Baum doch noch umfliegen zu können?
Meine Hand erhob sich zitternd, deutete auf den Boden, doch da war nur noch Moos. Der Vogel war verschwunden. Auch der Würstchengeruch.

Für einen Moment wird mir schwarz vor Augen. Der Uniformierte verschwimmt, die Geräusche um mich herum werden dumpfer. Ich höre Stimmen vereint mit einem stetigen Piepen direkt neben mir. In mir? …

Die Visionen kamen wieder, die Abstände wurden kürzer, die jeweiligen Sequenzen dafür umso länger. Erschreckender.
Hupende Autos, heulende Sirenen, direkt neben mir. Mein zuckender Körper, der daraufhin beinahe einem Infarkt erlegen wäre. Und wenn ich mich umsah, nur freie Straßen und kopfschüttelnde Passanten.
„Du solltest einen Arzt aufsuchen, David“, hatte Molly eines Morgens am Frühstückstisch gesagt, während sie sich den heißen Kaffee über die Hand schüttete und die verbrühte Haut mit dem Brötchenmesser abschälte.
Inzwischen hatte ich mich fast an solche Anblicke gewöhnt, und ich gab ihr Recht. Und während ich mit meinem Hausarzt telefonierte, hörte ich sie in der Küche grunzen wie ein Schwein bei der Fütterung. Die Geräusche, die sie dabei zusätzlich durch ihren Darmausgang erzeugte, verursachten einen Druck in meinem Magen.

Diagnose: Überarbeitung
Behandlung: Ruhe; zweimal täglich 6 mg Ambroxolhydrochlorid
Resultat: keine positiven Veränderungen
Diagnose: stressbedingte Wahrnehmungsstörungen
Behandlung: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung; 1,5 ml Ciprofloxacin, dreimal täglich
Resultat: keine positiven Veränderungen
Überweisung, neurologische Untersuchung

Das Ergebnis der darauf folgenden Tage. Und jeder wurde schlimmer.

Heute
Mein Ford Fiesta katapultierte mich über die linke Spur der Autobahn. Vorbei an welkenden Bäumen, deren Stämme träge gen Boden wiesen.
Ich schüttelte den Kopf. Die Leitplanke direkt neben mir schien näher zu rücken. Jetzt bloß nicht nach rechts ausweichen. Alles war unwirklich. Visionen! Ich kannte es ja bereits.
Ich befand mich auf dem Weg zur Klinik. Besprechung der Ergebnisse der neurologischen Untersuchung.
Mein Blick war starr nach vorn gerichtet. Der Lkw, den ich zum Überholen angesetzt hatte, schwankte leicht. Nur nicht ausweichen. Ich war inmitten einer Vision.
Jemand lachte hinter meinem Rücken, und erschrocken blickte ich in den Innenspiegel. In weiter Ferne folgte mir ein Wagen. Nichts weiter.
Ich erreichte den Lkw. Es war ein Viehtransporter. Die dünnen Lüftungsschlitze mit den fingerdicken Gitterstäben wirkten wie grinsende Münder mit unnatürlich geraden Zähnen. Gestank nach verängstigtem Kot drang zu mir herein.
Immer nach vorne schauen; gleich würde es vorbei sein.
Ich sah Hände, die sich bleich aus den lachenden Mündern des Viehtransporters wanden. Hände, deren Haut so blass war, als würde sie in diesem Moment zum ersten Mal das Sonnenlicht sehen. Finger zuckten, griffen nach etwas, das nicht da war; Schreie ersetzten den beißenden Gestank.

Institut für Neuropathologie; Zimmer 305; Prof. Dr. med Walter Brinkmann
Meine Finger hatten sich ineinander geschlungen, so dass die Kuppen einen lilafarbenen Kontrast zum Weiß der Knöchel abgaben.
Nachdem ich die Autobahnfahrt heil überstanden hatte, war ich vor gut fünf Minuten in der Klinik eingetroffen. Ich saß vor dem mächtigen Schreibtisch von Professor Brinkmann, grinste ein wenig aufgrund der Assoziation zu einer längst vergangenen Fernsehserie, und blickte in meinen Schoß.
Der Professor stand vor einer Wand mit leuchtend bunten Fotos der Kernspinuntersuchung meines Schädels, während seine Finger durch seinen Bart kraulten. Ich hörte ihn lautstark lachen, ohne dass er eine Miene verzog. Etwas surrte an meinem Ohr.
„Nun, Herr Riemschneider.“ Ich wusste, was jetzt kommen würde. Schließlich hatten die Wahrnehmungsstörungen, wie Professor Brinkmann sich so vortrefflich auszudrücken pflegte, in letzter Zeit an Intensität deutlich zugenommen.
Der Professor drückte auf einen Knopf an der Wand und die bunten Bilder verblassten. „Es ist leider so, wie wir es vermutet haben.“
Wir? Ich hatte nichts vermutet. Oder doch?
„Wir haben es mit einem Glioblastom zu tun.“ Er hatte hinter seinem Schreibtisch Platz genommen, schob die schmale Brille auf seinem Nasenrücken zurecht, stützte die Unterarme auf und verschränkte fachmännisch die Finger.
„Darf ich Ihnen einen Kaffee bringen?“, fragte eine weibliche Stimme hinter meinem Rücken. Der Professor reagierte nicht. Ich drehte mich herum und sah nur die Tür. Keine Person, kein Tablett mit dampfendem Kaffee darauf. Ich schluckte, blickte wieder auf den bärtigen Mann auf der anderen Seite des Schreibtisches. Der kleine Finger des Arztes wurde länger, wickelte sich schlangengleich um das Handgelenk. Eine winzige Öffnung bildete sich unter dem Nagel, und spitze Zähne fauchten mich an. Ich schloss die Augen.

„Wir dürfen die Operation auf keinen Fall länger hinauszögern.“
Ich zuckte zusammen, sah den Professor an, der jetzt in einem großen Buch blätterte. Die halbvertrocknete Pflanze im Hintergrund verströmte einen unangenehmen Geruch. Ich konnte ihn nicht zuordnen. Er war einfach nur unangenehm. Hatte der Professor gerade etwas von einer Operation gesagt? Mein Kopf schmerzte.
„Was habe ich?“ Meine Stimme klang so weit weg, so winzig. Zart.
Der Professor sah nicht auf. „Einen Tumor, Herr Riemschneider.“ Er blickte auf seinen Finger mit dem winzigen Mund, der jetzt damit begonnen hatte, die Kuppe seines Daumens zu fressen.
Ich nickte. Ein Tumor, logisch. Und ich dachte schon, ich würde verrückt werden.
„Eine äußerst seltene Art. Äußerst selten“, murmelte Professor Brinkmann andächtig. Es klang wie ein einstimmiger Choral unter göttlicher Kuppel.
„Wir sollten so schnell als möglich selektieren, Herr Riemschneider. Wirklich. So schnell als möglich. Irgendwie möglich. Ja, das sollten wir. Wir. Ich.“
Ich sah ihn an. Konnte dieser Mann keine vollständigen Sätze sprechen?
„Ich werde es selektieren, Herr Riemschneider. Mit meinen eigenen Zähnen werde ich diese böse Wucherung herausbeißen. Werde den Eiter lutschen, mich mit Ihrem Blute balmen.“ Er lachte laut und schallend, schlug sich dabei übertrieben die Schenkel und wischte den Speichel von den Lippen.
Ein schrilles Pfeifen platzte gegen mein Trommelfell. Ich presste die Hände gegen die Ohren, und genauso plötzlich, wie es gekommen war, verschwand es auch wieder. Das sollte der Tumor auch tun.
„Die Wahrnehmungsstörungen werden immer häufiger auftreten, Herr Riemschneider“, fuhr Professor Brinkmann fort. „Wie Sie ja bereits festgestellt haben, werden Sie Dinge sehen oder hören, die nicht der Realität entsprechen.“ Er blickte mich eindringlich an. Die Pflanze im Hintergrund sah völlig gesund aus. „Es wird Ihnen allerdings wie die Realität erscheinen. Wir müssen daher schnellstmöglich operieren.“
„Wieviel Zeit bleibt mir?“
„Passt es Ihnen morgen?“
„Was morgen?“ War ich schwer von Begriff?
„Wir werden morgen mit den letzten Vorbereitungen beginnen. Übermorgen entfernen.“
Ein Kloß breitete sich in meinem Hals aus, nahm mir die Luft. „Morgen?“
Hatte ich gewimmert?
Professor Brinkmann nahm die Brille ab. Sein linker Augapfel quoll hervor, löste sich zwischen den Lidern und fiel heraus. In Höhe des Mundwinkels blieb er schwingend hängen, gehalten durch den rotschimmernden Sehnerv.
„Oh, bitte entschuldigen Sie.“ Der Professor grinste verlegen und drückte die gallertartige Masse wieder zurück an ihren angestammten Platz.
„Ich werde morgen früh hier sein“, erwiderte ich und stand auf.

Wahrnehmungsstörungen. Unstimmigkeit der Akustik. Halluzinationen.
Die Worte des Professors hallten durch die Luft, erfüllten den Innenraum meines Fiestas mit ihrer Niedertracht. Ich blickte durch die Scheibe auf das Klinikgebäude, das ich vor zehn Minuten verlassen hatte.
Im Radio bekundete Bob Geldorf seine Abneigung gegen Montage. Wie Recht er doch hatte.
Kurz darauf ertönte Nie mehr Bolero in der deutschen Fassung von Karel Gott. Ich drehte am Lautstärkeregler, und die Musik erfüllte mich mit sanfter Gleichgültigkeit. Es tat gut.
Wie hieß mein Freund zwischen den Gehirnwindungen doch gleich? Die Bezeichnung fiel mir nicht mehr ein. Ich begann zu schwitzen. Auf jeden Fall war er bösartig. Wenn man es gelinde ausdrückte. Mittlere Überlebenszeit von weniger als einem halben Jahr. Es sei denn, ich stürzte mich vorher schon vor einen herannahenden Zug, den ich irrtümlich für eine nackte Frau hielt.

Ein Klopfen an der Seitenscheibe meines Wagens ließ mich aufblicken. Ich schaute in das grinsende Gesicht eines bärtigen Mannes mit schmalzigem Hut. Kannte ich ihn? Sein Grinsen wurde breiter, als wolle er mir stolz seinen letzten verbliebenen Zahn präsentieren. Er klopfte noch einmal. Er lachte. Woher kannte ich ihn? Ich drehte Karel die Stimme ab, wollte gerade das Fenster öffnen, als wieder dieses ohrenbetäubende Pfeifen ertönte. Ich schrie auf, gleichzeitig entstand ein spinnennetzartiges Gebilde auf der Windschutzscheibe. Dann war es still.
Der letzte Zahn des grinsenden Mannes löste sich aus dem Kiefer, fiel auf die Unterlippe. Der Bärtige schluckte ihn hinunter. Er winkte mir zu und ging davon.
Ich blickte ihm hinterher, sah den langen Mantel, der wallend seinem kräftigen Körper folgte. Noch einmal drehte er sich zu mir herum. Es war Professor Dr. med. Brinkmann.
Ich schlug die Hände vors Gesicht und weinte. Zum ersten Mal, seit es begonnen hatte, konnte ich weinen.

Nach einer Weile begann mein Kopf zu schmerzen. Ein dumpfer Druck entstand. Ich hatte das Gefühl, einen dieser Luftballons, der an den Gasflaschen auf dem Rummel angeschlossen war, unter der Schädeldecke zu haben. Hatte ich bisher jemals Schmerzen verspürt? War die Region, in der sich diese Geschwulst eingenistet hatte, überhaupt schmerzempfindlich? Die Gasflasche zischte; der Kirmesfritze mit dem Dreck unter den Fingernägeln drehte den Hahn weiter auf.
Professor Brinkmann hatte mir vorhin eine Tablette gegeben. „Nehmen Sie die, Herr Riemschneider. Sie wird Ihnen für eine gewisse Zeit. Ruhe geben. Fahren Sie nach Hause. Morgen früh. Nehmen Sie noch eine. Kommen Sie danach wieder. Sofort.“
Er konnte einfach keine vollständigen Sätze sprechen. Vielleicht lag es aber auch nur an meinen Wahrnehmungsstörungen. Mit Sicherheit lag es daran. Ich durfte auf jeden Fall nach Hause. Und übermorgen stand die Operation an. Ein Leben ohne Visionen. Ein Gefühl der Erleichterung breitete sich in meiner Brust aus. Ich würde wieder leben …

Die Stimmen dröhnen. Alles ist unscharf. Ich muss hier weg. Reiß dich zusammen, David! Meine Finger werden taub …

Ich stieg aus dem Wagen und schloss ihn ab. Die Tablette begann zu wirken. Ich merkte es an einem tauben Gefühl auf meiner Kopfhaut. Irgendwie hatte ich auch das Gefühl, klarer denken zu können. Ich würde trotzdem zu Fuß gehen. Vielleicht tat mir die Luft ja ganz gut. Es war kalt. Ich knöpfte den Mantel zu, sah die anderen Passanten, die in T-Shirts und kurzen Hosen der strahlenden Sonne trotzten.
Warum hatte ich eigentlich keine Angst? Ein bösartiges Geschwür wucherte zwischen meinen Hirnwindungen, übermorgen stand mir die neurochirurgische Entfernung bevor. Müsste ich nicht vor lauter Panik heulend zusammenbrechen? Was würde sein, wenn etwas schief ging? Ein winziger Schnitt zuviel. Würde ich als sabbernder Grinser in einem metallischen Stuhl mit Rädern enden? All das malte ich mir aus, doch ich verspürte keinerlei Regung. War mir alles egal? Ich könnte mich doch zumindest freuen, dass es bald vorbei sein würde. Keine Regung. Setzte der Tumor meine Gefühle außer Kraft?
Ein junges Mädchen kam mir entgegen. Sie lächelte mich an, hauchte mir im Vorbeigehen einen schemenhaften Kuss zu. Ich blieb stehen und blickte ihr nach. Sie war höchstens zehn, doch ihr schwingender Gang stand dem von Marilyn Monroe in „Manche mögen´s heiß“ in nichts nach.
„Hey, bist du ein Kinderficker?“
Ich riss meinen Kopf herum. Vor mir hatte sich ein kleiner, kahlköpfiger Kerl aufgebaut. Seine Hand schlug gegen meine Schulter.
„Bist du ein Kinderficker?“ Er brüllte es laut. Einige Passanten blickten beschämt herüber, andere überhörten auffällig.
Ich steckte die Hände in die Manteltasche und wollte an Mister Zivilcourage vorbeigehen. Ich fragte mich, was er mich wirklich gefragt hatte. Sein schaler Atem, der nach knoblauchüberdeckter Vanille roch, stand in der Luft. Der schleichende Druck in meinem Kopf war immer noch nicht ganz verschwunden, oder er war wieder neu entstanden. Was waren das für scheiß Tabletten? Der Vanillegeruch nahm eine exkrementebehaftete Nuance an. Ein würgender Kloß breitete sich in meinem Hals aus.
Die Glatze packte mich am Oberarm und hielt mich fest. „Ich hab dich etwas gefragt.“
Sollte ich antworten? Doch worauf?
Ich blickte hinab, sah das hohlwangige Gesicht, sah die herausgefallenen Augäpfel an ihrem Sehnerv vor der Stirn schweben. Die geäderten Pupillen hatten sich gedreht und starrten mich an.
„Pack deine Augen rein!“, brüllte ich. Der Griff um meinen Arm lockerte sich. Ich stieß die Finger beiseite und ging.
„Kinderficker!“, tönte es hinter meinem Rücken. Ich ignorierte es. Es war nicht echt.

Das gleichmäßige Pfeifen wird lauter, mein Blick wieder klar. Der Uniformierte zielt …

Fünf Minuten später sah ich, wie auf der anderen Straßenseite einer älteren Dame von einem Herrn in Uniform in den Kopf geschossen wurde. Ein Mann im Nadelstreifenanzug beschwerte sich, als ein roter Strahl seine Hose beschmutzte. Der Uniformierte, ein wahrhafter Hüne, sah ihn eindringlich an. Er war mit Sicherheit zwei Meter groß, mindestens.
Der Nadelstreifenmann begann zu schreien, ohrenbetäubend und eindringlich. Das Gesicht verzerrte sich zu einer grotesken Maske, das Kreischen wurde schriller. Ich wich unwillkürlich einen Schritt zurück, obwohl ich mich auf der anderen Straßenseite befand.
Urplötzlich verstummte der Mann, der Schrei war weiterhin in seinem Gesicht eingebrannt, und es begann zu einer zähflüssigen Masse zu zerschmelzen. Augen, Nase und Mund flossen ineinander, bildeten eine verwirrende Einheit. Der Körper tat es dem Gesicht gleich, der Stoff des Anzugs vereinte sich auf molekularer Ebene mit dem Fleisch, zerlief zu einer breiigen Pfütze auf dem Asphalt.
Wahrnehmungsstörungen. Wie sollte ich so etwas mit der Realität verwechseln, Herr Professor? Gab es überhaupt noch eine reale Realität? Keiner der übrigen Passanten zeigte eine Reaktion, niemand unterbrach sein geschäftiges Treiben. Nichts war real.
Als der Uniformierte zu mir herüberblickte, merkte ich erst, dass ich stehen geblieben war und ihn mit offenem Mund fixierte.
Schwerer Kotgeruch drang in meine Nase. Der Uniformierte grinste, richtete seine Waffe auf mich und schoss.
Ein harter Schlag an meiner Schulter schleuderte mich gegen die Häuserwand. Ich schrie und presste die Hand gegen den Schmerz. Blut quoll zwischen meinen Fingern hindurch. Meine Knie knickten ein. Ich schwankte, hatte Mühe, nicht den Halt zu verlieren.

Oh mein Gott! Wie eine Explosion dringt die Erkenntnis in meinen Schädel. Es ist real! Keine Wahrnehmungsstörungen! Dort drüben auf der anderen Straßenseite steht tatsächlich ein Irrer, der auf mich geschossen hat. Ich schreie erneut, spüre, wie sich mein Magen zusammenzieht. Trotz der für mich kalten Hitze beginne ich zu schwitzen.
Eine Frau geht an mir vorbei, sieht kurz herüber und lächelt.
Der Polizist richtet erneut seine Waffe auf mich. Durch seine Größe hat er keine Mühe über die anderen Passanten hinwegzuzielen. Ich stürme los, höre die Kugel, die in die Häuserwand einschlägt, vor der ich eben noch gestanden hatte. Ein weiterer Schuss folgt.
Der Kerl ist verrückt. Was zum Teufel geht hier vor? Ich stürme durch die Figuren, die träge den Gehsteig entlang schleichen, stoße gegen einige von ihnen, schreie auf, wenn meine Schulter gegen diese menschlichen Barrikaden schlägt. Sie machen nichts, sie scheinen mich nicht einmal wahr zu nehmen.
Hektisch blicke ich zurück, sehe den Polizisten, der mit strammen Schritten die Straße überquert. Ist er noch größer geworden? Wie ein Berserker stößt er die Leute beiseite, die seinen Weg kreuzen. Wieder dringt ein kurzer Schmerzensschrei an meine Ohren, als ein kleiner Junge neben mir in den flüssigen Aggregatzustand wechselt. Diese Realität kann nicht real sein.
Der zersetzende Fäkaliengestank nimmt an Intensität zu, legt sich auf meinen Verstand; gibt mir das unbändige Verlangen, ihn hinauskotzen zu wollen. Was ist mit diesen scheiß Tabletten? Sie scheinen alles schlimmer zu machen. Oder wirklicher? Der schießende Idiot ist existent. Eindeutig! Oder etwa nicht? Während des Laufens blicke ich auf meine Schulter. Der Mantel hat sich rot gefärbt. Real! Der Schmerz dringt durch den Stoff hindurch, schreit mich zur Bestätigung an. Ich stoße gegen eine alte Frau, fasse ihre eingefallenen Schultern.
„Hey!“, schreie ich sie an. „Was ist hier los?“ Ich schüttle sie. Sie sieht mich nur an, lächelt. Ihre Augen werden größer, beginnen hervorzuquellen. Ich lasse sie los und renne weiter.
Wieder donnert ein Schuss durch die träge Luft, wieder reagiert keiner der Passanten, nur mein Herz macht einen beängstigenden Sprung.
Wolken ziehen auf. Dicht und undurchdringlich. Die Sonne sticht hell durch ein winziges Loch. Sie brennt in meinen Augen. Ich renne und meine Schulter explodiert mit jedem Atemzug. Ich höre den Polizisten hinter mir durch die Menge brüllen. Seine Waffe brüllt ebenfalls, die Schädeldecke der Frau neben mir mit den beiden Alditüten, platzt weg. Sie geht noch einige Schritte, bis die Tüten sie zu Boden ziehen.
Ein VW-Kombi rast auf mich zu. Ich reiße die Augen auf, sehe den Fahrer, der ohne Augen und jegliche Regung das Lenkrad umklammert. Der Motor heult auf. Ich kenne den Fahrer. Es ist Molly, meine Frau.
Ich springe zur Seite, schaffe es gerade noch, in einer kleinen Gasse zu verschwinden, bevor ich den Aufprall des Wagens in einem Schaufenster vernehme. Eine gewaltige Detonation fräst sich hinter meinem Rücken über die Straße. Ich höre Schreie, sehe brennende Menschen durcheinander laufen. Jetzt reagieren sie endlich.
Und trotz allem höre ich immer noch das tosende Brüllen des Polizisten. Es durchdringt die Symphonie des Chaos wie die prägnante Disharmonie eines unpassenden Solos.
Warum laufe ich eigentlich davon? Es sind doch lediglich Visionen. Ich flüchte vor unechten Erscheinungsformen! Etwas sticht in meinem Schädel, tief drin.
Ich bleibe stehen, keuchend, kurz davor, meinen Mageninhalt über meine Schuhe zu verteilen. Der penetrante Fäkaliengestank, der unverändert in der Luft hängt, hilft nicht gerade dabei, dieses zu verhindern.
Auf dem von hohen Häuserwänden gesäumten Weg vor mir liegen zwei Personen. Es sind das zehnjährige Mädchen mit dem Marilyn-Monroe-Gang und der kleine, kahlköpfige Kerl. Das Mädchen liegt nackt auf dem Rücken, hat die Beine bis zu den Wangen angewinkelt. Der Kerl liegt über ihr mit herabgelassenen Hosen. Sie blicken mich an und grinsen breit. Ihre Münder sind rund, ebenso wie die kreisförmig angeordnete, doppelte Zahnreihe. Die Reihe unzähliger, nadelspitzer Zähne des Kahlköpfigen beginnen zu rotieren, werden immer schneller, erzeugten sogar ein surrendes Geräusch. Er drückt sie auf den Brustkorb des Mädchens und fräst sich durch spritzende Knochensplitter bis sein Gesicht in ihrem Innern verschwunden ist. Das Mädchen grinst mich weiterhin an. Die rhythmischen Bewegungen des Mannes werden heftiger.
Ich spüre den Ekel tief aus mir emporsteigen, wie das heiße Blut aus meiner zerschossenen Schulter.

„Los, kommen Sie hier herein!“, schreit ein gedrungener Kerl in einem der Häusereingänge, unterstrichen durch wildes Gestikulieren mit den Armen. Er reißt mich aus meiner Vision. Oder holt er mich in eine hinein? Das Licht, das hinter seinem Rücken aus dem Türrahmen auf die Straße fällt, ist so grell, dass es in den Augen sticht. Für einen Augenblick vergesse ich die Schmerzen in der Schulter.
Sekunden später schließt sich die Tür hinter mir.
„Das war knapp“, sagt der Mann.
Ich kann sein Gesicht nicht erkennen. Es wirkt unscharf. Meine Augen brennen weiter, obwohl das Licht nicht mehr so grell ist.
„Kommen Sie hier herüber. Setzen Sie sich erst einmal.“
Der Schemenhafte deutet auf einen Stuhl in einem angrenzenden Zimmer, den ich klar erkennen kann.
„Ich hole etwas für Ihre Schulter. Ziehen Sie schon mal den Mantel aus.“
Er verschwindet aus dem Raum. Ich höre polternde Geräusche. Sie klingen metallisch. Vorsichtig befreie ich mich von meinem Mantel und sehe mich um. Eine unordentliche Küche, Kochtöpfe türmen sich aus einer Spüle heraus, der Herd steht offen, und Reste der letzten Pizza leben auf einem schmierigen Blech. Meine Schulter stößt einen spitzen Schmerz hervor, mein Schädel ebenfalls. Ich habe das Gefühl, nicht mehr klar denken zu können. Die Mikrowelle fiept gleichmäßig. Es nervt.
„Sie müssen in ein Krankenhaus. Als Laie würde ich sagen, die Kugel steckt noch drin.“ Der Mann hockt sich vor mich und knöpft mein Hemd auf. Ich bin verwirrt, habe gar nicht bemerkt, wie er wieder den Raum betreten hat. Eine Schüssel mit Wasser steht auf den Tisch. Eine Mullbinde liegt daneben.
„Ich kann das hier nur notdürftig versorgen. Sie müssen in ein Krankenhaus.“
Etwas surrt in meinem Schädel. Spricht Kumpel Tumor zu mir? Immer noch ist der Mann unscharf. Wenn ich ihn ansehe, beginnen meine Augen zu brennen. Und je länger ich es versuche, umso schlimmer wird es.
Ich will ihn fragen, ob er real ist, doch was wird er sagen, wenn er es ist? Warum fragt er mich eigentlich nicht, was passiert ist? Warum will er nicht wissen, weshalb ich verfolgt wurde?
„Ich … ich kann Sie nicht richtig erkennen“, sage ich. Das Sprechen tut weh. Augenblicklich steigt mir wieder dieser Kotgeruch in die Nase. Habe ich etwa extremen Mundgeruch?
Der unscharfe Mann hat mein Hemd entfernt. Er säubert vorsichtig die Wunde.
„Mein Name ist Martin Bechtel.“ Er hat eine sehr beruhigende Stimme. Sein Atem weht ein leichtes Zitronenaroma in den Kot.
„David Riemschneider.“ Ich versuche mir vorzustellen, wie alt er wohl ist, doch seine Stimme kann sowohl einem Mittzwanziger als auch einem Fünfzigjährigen gehören.
„Sie müssen in ein Krankenhaus, David“, sagt Herr Wie-alt-auch-immer-Bechtel noch einmal. Er hat meine Schulter verbunden. Irgendetwas zischt unter dem Verband. Der Kotgeruch wird stärker, das Brennen meiner Augen auch.
Ein lautes Klopfen an der Tür lässt mich zusammenzucken.
„Warten Sie hier, und verhalten Sie sich ruhig“, sagt Martin. Er verlässt den Raum.
Ich atme schwer, spüre kalten Schweiß, der auf meiner Stirn entsteht. Er rinnt mir in die Augen. Ich wische ihn nicht fort. Mein Kopf ist leer; ich versuche, die aufkeimende Lethargie zu verdrängen. Wer ist dieser Martin Bechtel? Wer ist dieser irre Polizist? Wo bin ich und warum quäle ich mich mit diesen dummen Fragen?
„Die Wahrnehmungsstörungen werden immer häufiger auftreten, Herr Riemschneider. Sie werden dazu führen, dass sie Dinge sehen oder hören, die nicht der Realität entsprechen. Es wird Ihnen allerdings wie die Realität erscheinen.“ Professor Brinkmanns Stimme in meinem Kopf verstärkt meine Gleichgültigkeit.
Eigentlich ist es doch auch egal. Ich kann nicht mehr zwischen Realität und Vision unterscheiden. Was soll´s also? Ich weiß weder, ob Martin Bechtel real ist, noch die Sache mit der Schießerei. Ist das Loch in meiner Schulter echt? Bilde ich mir den Schmerz nur ein? Hat sich mein Kumpel im Kopf sosehr in den Nervenstrukturen verankert, dass er über sie bestimmen kann wie ein Dirigent über seine zuckenden Statuen?
Ich höre leise Stimmen hinter der angelehnten Küchentür, erkenne die beruhigende Stimme von Herrn Bechtel und dazwischen eine tiefere, dumpfe, die kurz lauter wird.
„… eliminieren!“, meine ich zu hören. Oder war es intubieren?
Ein „Pscht“ dämpfte sie. Dumpfe Detonationen dringen von außen herein. Es herrscht das Chaos.
„Es ist doch einerlei“, sagt die tiefe Stimme. Sie erzeugt in mir ein Gefühl, das mir den Brustkorb zu zerdrücken scheint. Ich habe das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Blitze zucken vor meinen Augen.
Durch den grellen Spalt der Küchentür sehe ich zwei Personen im Halbdunkel des Flurs. Die eine trägt Polizeiuniform, die andere einen weißen Kittel. Die Kittelperson steht mit dem Rücken zu mir gewandt. Ich blicke auf behaarte Beine, die in hornigen Hufen enden. Martin Bechtel erkenne ich nicht, höre ihn aber jetzt.
„Ich werde ihn rüberbringen!“, zischt er unsichtbar.
Der weiße Kittel schabt mit den Hufen über den Holzboden. Als er sich kurz umdreht, erkenne ich das Gesicht von Professor Brinkmann. „Er ist ein Seher!“, keucht er als hätte er einen Hundertmetersprint hinter sich.
„Ich werde ihn rüberbringen“, wiederholt die beruhigende Stimme von Martin Bechtel.
„Er hat schon viel zu viel gesehen“, dröhnte jetzt der Polizist. „Wir müssen es hier und jetzt erledigen!“
Der Druck auf meiner Brust nimmt zu. Mein Atem erzeugt einen pfeifenden Ton. Mein Hals brennt. Ich ersticke, doch meine Hände verweilen ruhig in meinem Schoß.
„Er hat sich bereits“, kreischt Brinkmann, „mit meiner Version des Hirntumors abgefunden. Sie hätten daher nicht auf ihn schießen müssen, mein Lord.“
Ich lächle, atme flach.
„Er hat mich gesehen!“ Der Polizist brüllt so laut, dass die Küchentür leicht vibriert. „Ihr wagt es, mich in Frage zu stellen?“
Brinkmann wimmert, hebt seinen Kittel, dreht sich und streckt dem Uniformierten sein mit dichtem Fell überwuchertes Hinterteil entgegen.
Der Polizist grunzt zufrieden. Ich erkenne einen etwa unterarmgroßen Penis, der gewandt in den Professor eindringt. Brinkmann grinst, die Zunge hängt hechelnd aus seinem geifernden Maul. Die Augen fallen heraus. Hüpfen wie Flummis über den Boden. Eines verfängt sich in einem Nagel und platzt auf. Es knallt.
„Wir werden es sofort erledigen, Diener“, dröhnt der Uniformierte.
Ich lege meinen Kopf zurück, blicke zur Decke, grinse. Die Lampe ist grell. Es ist doch alles egal. Spätestens übermorgen wird es vorbei sein. Übermorgen werden sie dieses Ding aus meinem Schädel schneiden. Ich schließe die Augen. Nichts ist real. Auch nicht dieser beißende Gestank.
Die Haustür fällt ins Schloss. Ich höre Schritte. Es sind eindeutig mehr als eine Person, die jetzt die Küche betreten. Ich öffne die Augen nicht. Es ist nicht real …

 

Hi forsakingmax.

Schön, dass es dir gefallen hat.

Das Ende: Naja, ehrlichgesagt...hab ich's glaub ich nicht ganz gecheckt: Ist das jetzt der Tumor, der dem Prot. die Vision einer Vision vom Tumor beschafft?
Ja, das ist hier die Frage ...:Pfeif:
Ich habe, glaube ich, schon mal erwähnt, dass ich einige Passagen gestreut habe, die auf die Lösung hindeuten. Aber du liegts mit deiner Vermutung schon ganz recht; oder ist es doch eine Verschwörung des Bösen?

Vielen Dank für dein Lesen und den Kommentar. Hat mich gefreut!

Gruß! Salem

 

Liebe Susi!!!!!!!!

Habe jetzt endlich deine Vorschläge vom 5.3.2005:shy: eingebaut; die meisten zumindest.
Recht herzlichen Dank nochmal für deine Mühe, und entschuldige die lange Wartezeit. Irgendwie hatte ich wohl damals die Distanz verloren, und dann ist es mir durchgegangen. Sorry ...

Lieben Gruß! Salem

 

Hi salem,
Deine Geschichten heben sich immer wieder wohltuend ab, obwohl ich diese nicht ganz so loben kann, wie andere:
Sprachlich tatsächlich nicht schlecht - stilistisch kann ich nur den Hut vor dir ziehen. Allerdings kommt mir die Geschichte so vor, als würde jemand einen Ferrari verwenden, um einen Wohnwagen zu ziehen:
Ich hatte das Gefühl, dass du sehr an den grauslichen Effekten gearbeitet hast, aber die einbettende Logik kommt mir zu kurz. Das wirkt dann unglaubwürdig, überzogen grauslich und verliert damit seinen Schrecken. Im Sinne der Geschichte mag es gut sein, wenn er seltsame Halluzinationen hat, nur wird zum Ende hin - das hast du gut verschachtelt- die Wahnidee zur Wirklichkeit. Ab hier hast du die Kurve mMn nicht gekriegt. Wenn er einen Teufel oder Dämon sieht, warum hat er dann Wahnvorstellungen, von alltäglichen Grausamkeiten an anderen Menschen? Da beginnt sich die Geschichte zu wiedersprechen: Wenn er einfach Wahnvorstellungen hat, dann darf der Schuß nicht realität sein. Wenn er aber doch Realität ist, dann sind die umgebenden Wahnvorstellungen viel zu dick aufgetragen.
Ich habe ein Buch auf dem gleichen Plot aufbauend gelesen. Dort sieht der Held natürlich auch die Bösewichter, die der Rest nicht sieht, aber die Bösewichter haben was vor, haben einen Zweck, wärend deine Bösewichter einfach um der Grausamkeit willen Böse zu sein scheinen.
Ich hab die anderen Postings alle überflogen. Wenn ich recht gelesen habe, dann magst du die Auflösung nicht bekannt geben.
Allerdings solltest du versuchen, am Ende doch irgendwie klarer herausarbeiten, was nun wirklich war - ich war mir sicher, dass er im OP liegt und dass sie ihm einfach den Teil des Gehirns herausschneiden, mit dem er sie sehen kann.
Vieleicht läßt du sie mir ja in einer PM zukommen, damit ich weiß, ob ich die Geschichte einfach nicht kapiert habe

Ach ja: Den Titel fand ich etwas irreführend. Da findest du noch was bessers...

L.G.
Bernhard

 

Moin Bernhard.

Schön, mal wieder von dir zu hören.

Deine Geschichten heben sich immer wieder wohltuend ab
Den darauffolgenden Nachsatz lass ich mal weg, da dieser hier so gut klingt ...:D

Ich hatte das Gefühl, dass du sehr an den grauslichen Effekten gearbeitet hast,
Es gibt Geschichten, in denen reitet mich diesbezüglich der Teufel ("Wettschulden sind Ehrenschulden", "Amputation 1" und natürlich auch besonders "Teil 2", und "Nie mehr Bolero") T´schuldige die Eigenwerbung.
Ich versuche dann, den Splatter nicht platt darzustellen, aber durchaus detailiert (okay, ersteres gelingt mir nicht immer :shy: )


Allerdings solltest du versuchen, am Ende doch irgendwie klarer herausarbeiten, was nun wirklich war
Gerade das wollte ich ja nicht. Der Leser soll ebenso verwirrt sein, wie der Prot. Was ist nun real?
Allerdings habe ich Dinge eingefügt, die einen Hinweis geben könnten. Doch könnten diese auch anders gedeutet werden ...

Die fehlende "Motivation" der Wesen ist ein guter Einwand, aber wenn keine Motivation vorhanden ist, könnte doch vielleicht ...;)


Ach ja: Den Titel fand ich etwas irreführend. Da findest du noch was bessers...
Und ich war sooo stolz.

Vielen herzlichen Dank für deinen Kommentar. Vielleicht sollte ich mich beizeiten mal wieder mit dieser Story beschäftigen ...

Gruß! Salem

 

Hey Salem,
es lohnt sich doch tatsächlich ab und an in die Empfehlungen zu schauen, sonst wäre mir diese Perle entgangen.
Das Aneinanderreihen von Visionen ist dir wirklich geglückt, obwohl es mir -im Mittelteil- dann auch zu viel wurde. Der Strudel der Bilder nutzt sich da ein wenig ab und taucht erst wieder am Ende richtig auf.
Also versteh mich nicht falsch: Am Anfang ist es toll, wenn die Häufigkeit der Bidler zunimmt, wenn ein Frühstück oder eine Fahrt ins Krankenhaus zu Höllentrips werden, aber gerade an der Stelle, wenn er auf der Straße ist - und die Schießerei anfängt und kopulierende Spitzköpfe aufeinander losgehen, da wurde es mir einfach zu viel.
Die Pointe (der eigentlich Irre sieht nur die Wahrheit) hat mir gefallen, obwohl ich das schon relativ häufig gesehen habe (in so einem durchgeknallten australischen TV-Movie vor allem, Aurora oder wie der heißt, kA).
Aber es könnte halt -meiner Ansicht nach - schon ein bisschen weniger sein.
Nichtsdestotrotz war das wirklich ein sehr interessantes Leseerlebnis, hat mir sehr gut gefallen.

Gruß
Quinn

 

Tagchen Quinn!

Da hast du ja ein "altes" Stück hervorgekramt.
Das Teil ist sogar auf der Hörbuch-CD "Bibliothek der Albträume 1" erschienen.

Zu deinem Hauptkritikpunkt:
Ich habe versucht, gemäß des Titels (jaha, der Salem hat sich diesmal bei der Titelwahl was gedacht :D ) einen stetigen Anstieg der Instrumente... ups der Halluzinationen zu erzeugen.
Das sich das abnutzen kann, da gebe ich dir Recht, daher sollten die Bilder immer irrer (abwechslungsreicher) erscheinen.

Die Pointe (der eigentlich Irre sieht nur die Wahrheit) hat mir gefallen,
Ist das denn auch wirklich die Pointe? :naughty:

Schön, dass es dir aber Spaß gemacht hat :D

Gruß! Salem

 

Hi Pistole.

Da ist dieses Ding schon so alt, und es gibt immer noch Sachen, die ich nicht gesehen habe.

Zitat:
? Gab es überhaupt noch eine reale Realität?
Deinen Einwand diesbezüglich verstehe ich und kann ihn absolut nachvollziehen. Werde ihn auf jeden Fall bei der Überarbeitung berücksichtigen. Danke hierfür!


Zitat:
Es durchdringt die Symphonie des Chaos wie die prägnante Disharmonie eines unpassenden Solos.
Junge, Salem: noch mehr 'Schau dir diese geistreiche Formulierung an!' geht wohl nicht mehr?!
:D Ich finde, ab und kann darf doch ruhig ein wenig geprotzt werden, oder? Natürlich hast du recht, ich habe auch lang an dem Ungetüm gebastelt, aber irgendwie gefiel er mir (in dem Hörbuch wird dieser Satz auch besonders schön betont :D)

Davon bitte mehr, und möglichst schnell.
Vielleicht Teil 2???

Dank dir auf jeden Fall für den hilfreichen Kommentar. Hat mich sehr gefreut.

Gruß! Salem

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom