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Nie wieder
Der grobe, schmutzige Sand knirschte unter Keas Füßen, als sie schnellen Schrittes in den Trampelpfad in Richtung der Bahngleise einbog. Angestrengt versuchte sie in der zunehmenden Dämmerung den Weg genau zu erkennen, denn sie hatte Angst, sich an einer der zahllos herumliegenden grünen Scherben zu schneiden.
Dass sie wie gewöhnlich nur Flip-Flops an ihren nackten Füßen trug, machte die Sache nicht leichter. Zweifelnd blickte sie an sich herunter. Ein knapper, kurzer Jeansrock und ein noch knapperes Top mit Leopardenmuster komplettierten ihre Kleidung. An ihren Ohren klimperten große, elfenbeinfarbene Scheiben und ihre Handgelenke zierten dicke Armbänder aus bunten, fremdländisch wirkenden Perlen.
„Doch“, dachte sie, „er wird zufrieden mit mir sein, vielleicht sogar so zufrieden, dass ich ihn heute endlich fragen kann.“ Gewohnt exotisch, wie es abgemacht war. „Dass ich Deutschland noch nie verlassen habe, ist natürlich egal.“, dachte Kea bitter und schluckte den leichten Anflug von Trotz hinunter. „Du hast Glück, diesen einen Stammfreier zu haben, verpatz es dir nicht, Mädel!“, warnte sich Kea insgeheim. Unterwäsche trug sie natürlich nicht, auch das war Teil ihrer Abmachung. Aber doch, irgendwie war ihr dieser Kerl besonders zuwider, er war ungepflegt und beschimpfte sie wegen ihrer Hautfarbe und Herkunft. Anfangs hatte sie sich noch geekelt, vor der Nacktheit und auch vor dem Akt selbst, aber die Routine hatte sie mittlerweile abgestumpft, wie eine Maschine erledigte sie ihre Arbeit, empfand weder Ekel, noch Abscheu oder Angst. Es war eben so.
Endlich erreichte Kea ihren Treffpunkt, einen ausrangierten Bauwagen am Rande eines Gewerbegebiets, direkt neben den Bahngleisen. Suchend blickte sie sich um. Nein, er war wohl noch nicht da. Halb enttäuscht, wegen der kostbaren Zeit die sie dadurch verlor, und halb erleichtert, setzte sie sich auf eine alte, zerbröckelte Mauer und wartete, während es immer dunkler wurde. Sie hörte nur das ferne Rauschen der Autobahn, ansonsten war es still, bis auf die Züge, die ab und zu donnernd vorbeifuhren, was die Ruhe, die wieder darauf folgte, nur noch verstärkte.
Kea malte mit den Zehen Muster in den ausgekühlten Sand, ihre Fußnägel schimmerten in einem blassen Goldton und betonten ihre kaffeefarbene Haut. Überall Zigarettenkippen, noch mehr grüne Glasscherben, leere Kondomverpackungen und alte Kaugummis. An den Kaugummis klebte Sand und Kea rollte mit ihren nackten Zehen kleine, runde Kügelchen daraus. Eine milde Sommerwindbrise umschmeichelte ihre Beine und ihr Gesicht.
Gedankenverloren zupfte sie sich Strähnen aus ihrem dichten, dunklen Haar. Afroamerikanisches Haar. Wieder stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Es gab nicht viel, auf das sie stolz sein konnte, besser gesagt: fast nichts. Aber ihre Haare fand Kea schon immer schön. Kraus und wallend fielen sie ungebändigt über ihre Schultern und ihren Rücken bis hinunter zum Po. Mal wieder dachte sie daran wie alles angefangen hatte. Eine Freundin hatte ihr erzählt, wie sie ihr Taschengeld aufbesserte. Anfangs hatte sie das abgestoßen, und wie sie an den Punkt gelangte dass ihr der erste Mann Geld für ihre erbrachten Leistungen in die Hand drückte, war ihr nur noch verschwommen in Erinnerung geblieben.
Da, war da nicht was? Aufmerksam hob sie den Kopf und spähte in die mittlerweile vollständige Dunkelheit, bis sie einen Schemen ausmachen konnte, der sich ihr rasch näherte.
Schnell stand sie auf, zupfte ihren Rock glatt und sah ihm entgegen, senkte jedoch schnell den Blick als er schließlich dicklich und schwitzend vor ihr stand. Er roch nach Schweiß und trug einen viel zu kleinen grauen Anzug. Sie konnte seine taxierenden Blicke fühlen, während sie quälend langsam über ihren Körper glitten und sich förmlich an ihren zarten Rundungen festsaugten.
Endlich sah sie aus den Augenwinkeln, wie er zögerlich nickte.
„Okay, Baby", sagte er, „dann wollen wir mal.“
Kea rührte sich nicht von der Stelle.
„Was ist,“, blaffte er sie an, „ hörst du schlecht oder was? Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit...“
Kea nahm ihren ganzen Mut zusammen und stammelte: „Ich... ich will mehr... mehr Geld.“
„Was willst du?“, seine Stimme klang bedrohlich leise.
„Ich will...“, setzte Kea an, doch sofort wurde sie wieder unterbrochen:
„Ich hab dich schon verstanden du kleine Niggerbraut, ich kann nur nicht so richtig glauben was ich da hören muss. Bin ich nicht gut genug zu dir? Jetzt mach keinen Quatsch und schwing deinen Arsch in den Bauwagen.“
„Ich will 50 anstatt 40!“, platzte es aus Kea heraus. Erschrocken zuckte sie zusammen als der Mann einen schnellen Schritt nach vorn machte und sie hart am Kinn packte.
„Ich sag’s dir jetzt zum letzten Mal, du Niggebraut, sei lieb und lass uns anfangen.“ Hart stieß er sie zu der kleinen Treppe, die in den Bauwagen führte. Resigniert und den Tränen nahe leistete Kea keinen Widerstand mehr. Sie brauchte das Geld, vielleicht würde sie ihn ein anderes Mal umstimmen können. Erschrocken zuckte sie vor Schmerz zusammen, als er ihr von hinten ohne Vorwarnung hart zwischen die Beine griff, worauf er nur dreckig lachte.
Im Bauwagen gab es nur eine Lichtquelle, eine schmutzige, gelbe Glühbirne die an einem dünnen Draht von der Decke baumelte.
Hart stieß er sie zu den paar alten, fleckigen und durchgelegenen Matratzen in der Ecke. Abwesend, wie immer, ließ Kea alles über sich ergehen. Sie spürte keinen Schmerz, während er sich wild und rücksichtslos über sie hermachte, und es war ihr auch egal, dass er sie ein paar mal fest ins Gesicht schlug. Endlich sackte er über ihr zusammen. Es war vorbei. Nachdem er sich von ihr heruntergerollt, hatte sah er sie mit einem selbstgefälligen Grinsen an.
„Na, geht doch, oder Niggerbraut? Hier...“ Er zog zwei Scheine aus seiner Hemdtasche und hielt sie ihr hin. „Obwohl...“, er hielt in der Bewegung inne. Dann zog er blitzschnell ein Feuerzeug aus der Tasche und zündete die Scheine an. Wie in Zeitlupe sah Kea wie die Scheine erschreckend schnell Feuer fingen und auf den dreckigen Boden des Bauwagens fielen. Mit einem Aufschrei griff Kea danach, doch es war zu spät. Ihr Lohn, ihre 40 Euro, waren vernichtet. Sie blickte entsetzt zu dem Mann auf, der bereits auf dem Weg zur Tür war. Plötzlich stockte er noch einmal kurz :„Ach ja, und nicht dass du mir nächstes Mal wieder so frech wirst. Ich hoffe wir haben uns da verstanden.“
Wutentbrannt griff Kea nach einer der zahlreich herumstehenden leeren Flaschen und hieb dann mit so viel Kraft wie sie aufbringen konnte auf den Schädel des Mannes ein.
Es kam ihr so vor als, passierte eine endlos lange Zeit einfach gar nichts, er stand weiterhin einfach da, im Türrahmen. Doch dann kippte er um, fiel der Länge nach in den grauen Staub und blieb einfach so liegen. So schlimm sah es eigentlich gar nicht aus, noch nicht einmal Blut war zu erkennen. Aber trotzdem bewegte er sich nicht mehr...
Panisch blickte Kea auf die Flasche in ihrer Hand. Auf einmal wurde ihr erst die Tragweite ihres Handelns bewusst, denn gerade war sie einfach von Scham und Verzweiflung getrieben auf ihn losgegangen. Fieberhaft dachte sie nach. Schließlich warf sie die Flasche in den nächsten Bach, alles andere ließ sie, wie es war. Sie blickte auf den reglosen Körper des Mannes hinunter. Nervös kniete sie neben ihm nieder, und versuchte mit fahrigen Händen den Puls unter seinem schwitzigen Hemdkragen zu fühlen, richtete sich jedoch wieder auf, als es ihr nicht gelang. Während sie dort stand, noch zitternd und schnell atmend von dem Schock, durchströmte sie auf einmal ein ungeahntes und fremdes Gefühl:
Wohlige Genugtuung breitete sich langsam in Kea aus. Zum letzten mal musterte sie ihn, bevor sie sich umdrehte und zügig durch den Wald davonging.