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Nightmare

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10.05.2024
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Nightmare

Ich heiße Joe Macleen. Ich wurde mit 15 entführt. Jetzt bin ich 26. Mein Zimmer, welches sich im Keller befindet, ist zwanzig Schritt breit und fünfunddreißig lang. Das Bett steht links von der Tür. Das Bett ist zwar nicht groß, trotzdem blockiert es die Tür etwas. Daneben ist die Toilette. Rechts davon an der Wand, das kleine Waschbecken mit der abgebrochenen Ecke.


Die Ecke ist damals vor knapp 8 Jahren bei einem Kampf mit ihm abgebrochen. Eben jene Ecke hat ihren Weg in meinen Hinterkopf gefunden. Auch damit sind wir nicht zum Arzt. Mit eigentlich nichts, weil wie auch. Die Kopfschmerzen begleiten mich bis heute noch manchmal.


Mehr ist auch tatsächlich nicht in meinem Gefängnis vorhanden.


Wolfgang kommt runter. Ich höre, wie er die große Eisentür öffnet und die kleinen Treppen runterkommt.


Er ist total geizig, wird aber jetzt auch gleich wieder mit schicken Klamotten runter kommen. Ich habe insgesamt nur 3 Kleidungsstücke. Ein riesigen Pulli, ein übergroßes T-Shirt und eine auch zu große Hose. Von Unterwäsche will ich gar nicht reden. Meist lässt er mich sowieso keine tragen.


Die Tür geht auf. Meine Augen, welche eben noch den dreckigen Pulli über dem Stuhl angeschaut haben, schnellen zur Tür. Seine kastanienbraunen Haare hat er wie immer nach hinten gekämmt. Er hat einen elfenbeinfarbenen Anzug an. Die Krawatte ist rot und nicht gebunden. Seine Schuhe glänzen und blitzen was das Zeug hält. Um seinen Hals hängt die kleine, aus echtem Silber angefertigte Kreuzkette. Ja, Wolfgang ist gläubig. Hat sich aber öfter an mir vergangen, als es Seiten in der Bibel gibt.


„Na?“, erwartungsvoll schaut er mich an und dreht sich um seine Achse. Dabei tritt er auf eines meiner Bücher und wäre um ein Haar hingefallen. Doch leider kann er sich noch festhalten. Ich sehe an seinem Blick, dass er wütend wird und schon die Fäuste ballt. „Siehst schick aus. Der Anzug steht dir.“, sage ich hastig. Sein Ärger verfliegt. Komplimente sind alles was er braucht.


Sein Lächeln verstärkt sich.


Doch seine gute Laune hielt nicht lange. „Wie, du kannst keine Krawatte binden?“ Seine flache Hand landet mit Schwung in meinem Gesicht. „Jeder anständige Mann weiß doch, wie man Krawatten bindet.“ Er versucht etwas unbeholfen das rote Stück Stoff zu binden. „Spätestens mit 17 lernt man sowas!“ Jetzt reicht es mir.


„Du hast mich mit 15 entführt! Ich hatte nie die Möglichkeit einen Anzug zu tragen! Ich hatte nie die Chance meinen Schulabschluss zu machen! Ich hatte nie die Chance glücklich zu sein! Ich habe nur das Problem, dass du deinen Schwanz nicht bei dir lassen kannst!“, er starrt mich an. Erst jetzt realisiere ich, was ich gesagt habe. Das Blut gefriert in meinen Adern. Ich sehe, wie er mit seiner Hand ausholt und schaue schnell weg. Sein Gesicht soll nicht das Letzte sein, was ich in meinem Leben sehe.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi @KianaJ.!

Ui, harter Stoff! Ich find es wichtig, auch über solche düsteren Szenarien zu sprechen/schreiben.

Dein Text ist sehr kurz und lässt viel Raum für Interpretation. Das mag ich. Nur ein wenig Orientierung fehlt mir. Als ich fertiggelesen hatte, kam mir der Gedanke, was genau die Geschichte mir eigentlich erzählen will. Was ist die Botschaft? Was die Perspektive? Möchtest Du schockieren oder aufklären? Möchtest Du Empathie wecken oder einfach nur nüchtern Grenzgebiete erforschen? Mir fehlt ein bisschen die Essenz.

Zum Beispiel wird im Kontext irgendwann klar, was da passieren muss. Aber es ist so... Steril. Wenn der Missbrauch im Vordergrund stehen soll, fehlen mir die Gräul, das Leid. Mir fehlt die emotionale Innenwelt des Protagonisten. Er muss schreckliches durchlebt haben. (Du erwähnst das Geschlecht nicht, aber irgendwie gehe ich von einem männlichen Protagonisten aus. Oder ich habe es missgedeutet.) Und selbst nach Jahren - wenn sich eine bizarre Normalität eingespielt hat - erwarte ich ein gewisses Wiederspiegeln der Traumata in der Gedankenwelt des Protagonisten.
Das kann sich auch auf die Umgebung auswirken. Gerade bei einem spatanisch eingerichteten Raum mit nur drei Möbeln + Tür, wird jede einzelne Komponente um so größen Raum in den Gedanken und Gefühlen der Figur einnehmen. Denn das ist seine Welt. 4 Wände, eine Decke, ein Boden, eine Tür, ein Bett, ein Klo und ein Waschbecken. Und natürlich ER. Mehr gibt es nicht. Koste das mehr aus! Mit dem abgebrochenen Stück Waschbecken machst Du hier schon einen guten Anfang.

Gleichzeitig ist es aber natürlich auch wichtig, nicht ins Verherrlichende abzudriften. Gewalt - ob physisch oder psychisch - ist ein starkes Mittel. Aber es sollte nicht um seiner selbst Willen eingesetzt werden. Überlege Dir also, was genau Du eigentlich beim Leser bewirken willst.
Das ist ein schmaler Grad. Ich finde es toll, dass Du ihn gehen willst, denn solche Themen halte ich für sehr wichtig. Nur die Orientierung fehlt, finde ich.

Wenn es dir weniger um die Aufklärung als mehr um den Grusel-Faktor geht, dann fehlt mir hier Atmosphäre. Ich persönlich versuche immer, alle Sinne des Menschen miteinzubeziehen, insoweit es nicht aufgezwungen wirkt.

  • Gehör:
    Z.B. könnte die grelle Neonrühre an der Decke nervenzerreißend summen. Oder der Protagonist könnte bereits vor dem Eintreten des Täters den dumpfen Klang eines laufenden Fernsehers durch die Wände hören - vielleicht eine Nachrichtensendung - der dann hörbar klarer wird, als der Täter die äußere Tür zur Treppe öffnet.
  • Geruch:
    Auch könnte es im Raum nach altem, in der Nase brennenden Schweiß stinken, oder nach viel schlimmeren Dingen.
  • Sehsinn:
    Die Wände könnten ein gewisses Muster haben - kleine Unebenheiten im rauen Putz - in denen der Protagonist nach Zerstreuung sucht, um nicht Wahnsinnig zu werden.
  • Geschmack:
    Er könnte einen bitteren Geschmack auf der Zunge haben, von schlechtem Essen, Galle, Erbrochenem, oder wer weiß was noch.
  • Tastsinn:
    Er könnte den zerschlissenen Stoff des Bettes unter den Fingern spüren, oder die Kruste am Bein abkratzen, an dem der Täter ihn geschlagen hatte.
  • Weitere Sinne
    wie Gleichgewichtssinn, etc.
    Die "5 Sinne" sind nur die offensichtlichsten, aber nicht die einzigen, über die der Mensch verfügt. Die anderen sind nur nicht so gut erforscht.
Du siehst was ich meine. Mir hilft es sehr, mich daran entlang zu hangeln. Dabei muss nicht stets jeder Sinn abgedeckt werden. Wenn's passt, dann passt's. Wenn nicht, dann nicht.


Allgemein musste ich sehr an den Film "The room" (Korrektur: "Raum" aus 2015 von Lenny Abrahamson) denken. Sehr empfehlenswert. Genau wie deine Geschichte, dreht er sich um eine über Jahre entführte Person in einem kleinen Raum. Nur dass der Fokus des Films minimal anders gesetzt ist, da die Protagonisten schwanger wurde und nun zusammen mit ihrem Kind in Gefangenschaft lebt, das ja gar nichts anderes kennt als diesen Raum.

Ich glaube, du kannst eine Menge aus dieser Geschichte herausholen. Feile noch etwas daran und probiere dich mit verschiedenen stilistischen Mitteln aus.

Mit besten Grüßen
Henning

 

Hallo @KianaJ.,

ich habe eben Deine kurze Szene gelesen. Für eine Kurzgeschichte reicht der Inhalt denke ich noch nicht ganz. Ich kann mich Henning anschließen was den Inhalt angeht und sonst sind mir folgende Sachen aufgefallen:


Ich wurde mit 15 entführt. Jetzt bin ich 26. Mein Zimmer, welches sich im Keller befindet, ist zwanzig Schritt breit und fünfunddreißig lang.
Das sind viele Infos, recht unhandlich aneinandergereiht. Man könnte etwas schreiben wie:

Seit elf Jahren bin ich in diesem kleinen Kellerzimmer gefangen. Mit 15 wurde ich entführt und...

Ist auch nicht optimal, aber schau immer ob sich die Infos miteinander ergeben und ob man sich dadurch leichter ausdrücken kann.

Das Bett steht links von der Tür. Das Bett ist zwar nicht groß, trotzdem blockiert es die Tür etwas.
Bett doppelt sich hier. Ich würde den ersten Teil streichen, da sich durch die blockierte Tür ergibt, dass das Bett dort steht. Die Seite ist irrelevant.

Daneben ist die Toilette. Rechts davon an der Wand, das kleine Waschbecken mit der abgebrochenen Ecke.
Unter Toilette stelle ich mir direkt einen Raum vor. Sollte es sich bei der Toilette nur um Waschbecken und Kloschlüssel handeln, dann schreib das lieber. Dann baue ich in Gedanken nicht schon einen Raum an.
Auch damit sind wir nicht zum Arzt. Mit eigentlich nichts, weil wie auch.
Wieso "Auch"? Das klingt, als wäre schon von einer vorherigen Verletzung geredet worden. Der Satz danach liest sich unschön und könnte gestrichen werden.
Mehr ist auch tatsächlich nicht in meinem Gefängnis vorhanden.
Den Eindruck könnte man dem Leser anders mitteilen. Es ist auch relativ klar, dass sich bei der Art der Beschreibung keine weiteren Gegenstände dort befinden.
Er ist total geizig, wird aber jetzt auch gleich wieder mit schicken Klamotten runter kommen. Ich habe insgesamt nur 3 Kleidungsstücke. Ein riesigen Pulli, ein übergroßes T-Shirt und eine auch zu große Hose. Von Unterwäsche will ich gar nicht reden. Meist lässt er mich sowieso keine tragen.
Ich denke ich weiß, was Du hier sagen möchtest oder welches Bild Du von ihm zeichnen möchtest, aber so stelle ich mir nicht die Gedanken eines Entführungsopfers vor. Schicke Kleidung ist da sicher nicht vorrangig.
Den letzten Satz finde ich was plump. Ich denke er soll Atmosphäre schaffen und den Protagonisten abgebrüht rüberkommen lassen, aber richtig passend finde ich ihn nicht.


Hat sich aber öfter an mir vergangen, als es Seiten in der Bibel gibt.
Zu dem Satz denke ich ähnlich wie zu dem vorangegangenen. Sollte der Protagonist wirklich mittlerweile so abgebrüht sein, dann muss da mehr zu kommen.
erwartungsvoll schaut er mich an und dreht sich um seine Achse.
Da bin ich selber fast gestolpert - ist sich schwer vorzustellen, wie er sich bewegt.
„Du hast mich mit 15 entführt! Ich hatte nie die Möglichkeit einen Anzug zu tragen! Ich hatte nie die Chance meinen Schulabschluss zu machen! Ich hatte nie die Chance glücklich zu sein! Ich habe nur das Problem, dass du deinen Schwanz nicht bei dir lassen kannst!“, er starrt mich an
Auch hier nicht Art und Weise wie jemand in seiner Situation sprechen würde.
"...dass Du deinen Schwanz nicht bei dir lassen kannst!" - sowas sagen Partner/innen in einer Trennung o.ä..

Es ist ein sehr großes und schwieriges Thema. Deshalb finde ich, dass man es auf jeden Fall mit Respekt behandeln und nicht des Schocks wegen darüber schreiben sollte.
Überleg Dir am besten was Du mit der Geschichte aussagen möchtest und geh tiefer in die Charaktere.

Bleib dran, der Text hatte auf jeden Fall Spannung!

Herzliche Grüße

BlackFlag

 

Hallo @KianaJ. ,

deine Geschichte hat mir ein beklemmendes Gefühl gegeben. Für mich sollte Literatur genau das auslösen, ein starkes Gefühl. Da ist es erstmal egal, welches das ist.
Aus diesem Grund hat mir deine Kurzgeschichte gefallen.

Die Kommentare vor haben ein paar wichtige Dinge erläutert, doch die stärkste davon ist die Aussagekraft. Die ist mir nicht ganz schlüssig. Ich finde es nicht schlimm, wenn ein Text nicht direkt mit einer Moral o.ä. um die Ecke kommt, und dein Text glänzt eher durch die Szenerie und die Tatsache. Allerdings sind mir diese dafür ein wenig zu schwach. Sie gehen für mich definitiv in eine richtige Richtung, doch sie könnten ausführlicher sein. Da wären wir wieder beim beklemmenden Gefühl, was durch einen starken Ort und durch aussagekräftige Tatsachen, auf jeden Fall verstärkt wird. Das wäre in meiner Sicht ein Upgrade dieser ohnehin schon guten Geschichte.

Ein paar Kleinigkeiten sind mir ebenfalls aufgefallen:

Das Bett steht links von der Tür. Das Bett ist zwar nicht groß, trotzdem blockiert es die Tür etwas.
das kleine Waschbecken mit der abgebrochenen Ecke.
Die Ecke ist damals vor knapp 8 Jahren bei einem Kampf mit ihm abgebrochen.
Generell sind in dem Absatz viele Wiederholungen. Eventuell könntest du überlegen es anders zu umschreiben oder Synonyme zu nutzen. Du gibst den Raum sich die Szenerie vorzustellen weshalb es ein Leichtes ist, sich auch durch Umschreibungen o.ä. zurechtzufinden.

Er ist total geizig, wird aber jetzt auch gleich wieder mit schicken Klamotten runter kommen.
Warum ist er genau geizig? Da würden mir ein paar Details helfen, woran der Protagonist das in den Jahren fest gemacht hat. Es ist eine lange Zeitspanne, für viel Erlebnisse. Ein paar Rückblenden würden mir gefallen.

Ich sehe, wie er mit seiner Hand ausholt und schaue schnell weg. Sein Gesicht soll nicht das Letzte sein, was ich in meinem Leben sehe.
Das Ende hat mich leicht verwirrt. Hat er den Protagonist getötet? Und wenn ja, warum hat er das nach all diesen Jahren genau jetzt getan?
Vielleicht übersehe ich aber auch nur was essentielles!


Wie oben schon erläutert gefällt mir deine Kurzgeschichte. Baue die Stärken aus, dann wirkt sie noch mehr.

Meine Ansicht ist natürlich subjektiv. Nimm nur Anmerkungen, mit den du d'accord gehst.

Bleib dran

Bis dann

 

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