Nightmare
Ich heiße Joe Macleen. Ich wurde mit 15 entführt. Jetzt bin ich 26. Mein Zimmer, welches sich im Keller befindet, ist zwanzig Schritt breit und fünfunddreißig lang. Das Bett steht links von der Tür. Das Bett ist zwar nicht groß, trotzdem blockiert es die Tür etwas. Daneben ist die Toilette. Rechts davon an der Wand, das kleine Waschbecken mit der abgebrochenen Ecke.
Die Ecke ist damals vor knapp 8 Jahren bei einem Kampf mit ihm abgebrochen. Eben jene Ecke hat ihren Weg in meinen Hinterkopf gefunden. Auch damit sind wir nicht zum Arzt. Mit eigentlich nichts, weil wie auch. Die Kopfschmerzen begleiten mich bis heute noch manchmal.
Mehr ist auch tatsächlich nicht in meinem Gefängnis vorhanden.
Wolfgang kommt runter. Ich höre, wie er die große Eisentür öffnet und die kleinen Treppen runterkommt.
Er ist total geizig, wird aber jetzt auch gleich wieder mit schicken Klamotten runter kommen. Ich habe insgesamt nur 3 Kleidungsstücke. Ein riesigen Pulli, ein übergroßes T-Shirt und eine auch zu große Hose. Von Unterwäsche will ich gar nicht reden. Meist lässt er mich sowieso keine tragen.
Die Tür geht auf. Meine Augen, welche eben noch den dreckigen Pulli über dem Stuhl angeschaut haben, schnellen zur Tür. Seine kastanienbraunen Haare hat er wie immer nach hinten gekämmt. Er hat einen elfenbeinfarbenen Anzug an. Die Krawatte ist rot und nicht gebunden. Seine Schuhe glänzen und blitzen was das Zeug hält. Um seinen Hals hängt die kleine, aus echtem Silber angefertigte Kreuzkette. Ja, Wolfgang ist gläubig. Hat sich aber öfter an mir vergangen, als es Seiten in der Bibel gibt.
„Na?“, erwartungsvoll schaut er mich an und dreht sich um seine Achse. Dabei tritt er auf eines meiner Bücher und wäre um ein Haar hingefallen. Doch leider kann er sich noch festhalten. Ich sehe an seinem Blick, dass er wütend wird und schon die Fäuste ballt. „Siehst schick aus. Der Anzug steht dir.“, sage ich hastig. Sein Ärger verfliegt. Komplimente sind alles was er braucht.
Sein Lächeln verstärkt sich.
Doch seine gute Laune hielt nicht lange. „Wie, du kannst keine Krawatte binden?“ Seine flache Hand landet mit Schwung in meinem Gesicht. „Jeder anständige Mann weiß doch, wie man Krawatten bindet.“ Er versucht etwas unbeholfen das rote Stück Stoff zu binden. „Spätestens mit 17 lernt man sowas!“ Jetzt reicht es mir.
„Du hast mich mit 15 entführt! Ich hatte nie die Möglichkeit einen Anzug zu tragen! Ich hatte nie die Chance meinen Schulabschluss zu machen! Ich hatte nie die Chance glücklich zu sein! Ich habe nur das Problem, dass du deinen Schwanz nicht bei dir lassen kannst!“, er starrt mich an. Erst jetzt realisiere ich, was ich gesagt habe. Das Blut gefriert in meinen Adern. Ich sehe, wie er mit seiner Hand ausholt und schaue schnell weg. Sein Gesicht soll nicht das Letzte sein, was ich in meinem Leben sehe.