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Nur Du und Ich
Nur Du und Ich
Verron schluckte schwer und wischte sich die schweißnassen Hände an seinem Lederwams ab. Obwohl die Nacht eiskalt war, hatte er das Gefühl, innerlich zu verbrennen. Die Augen weit aufgerissen, sah er zum Wirtshaus. Mit einem lauten Krachen wurde die Tür aufgestoßen und drei Männer kamen laut singend herausgestolpert. Es waren massige Krieger mit Kettenhemden und Breitschwertern. Ihre langen, ungepflegten Bärte wurden vom Wind zerzaust. Verron glaubte ihre Fahnen sogar bis in sein Versteck hinein riechen zu können. Einen Augenblick lang drohte die Verzweiflung ihn zu übermannen. Drei Krieger? Was sollte er jetzt tun. Er musste Wulfgar töten. Aber dieser miese Bastard ging ohne eine Leibwache nirgendwohin. Er wusste, dass die Stadtherren ihn lieber heute als morgen tot sehen wollten. Aber er lief durch die Stadt als gehöre sie ihm.
Deshalb haben sie dir auch so viel Geld angeboten , dachte er hämisch. Sie wussten, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis Wulfgar sich entschloss sie gänzlich zu entmachten.
Verron drückte sich noch stärker gegen die kalte Steinwand, als er sah, dass die drei Betrunkenen in seine Richtung gingen. Trotz seiner Aufregung musste er lächeln. Er hatte Recht gehabt. Sie nahmen genau diesen Weg. Er hatte Wulfgar tagelang verfolgt, um herauszufinden, was seine Gewohnheiten waren und in drei von vier Fällen entschied sich der Söldnerführer für diesen Weg, wenn er das Wirtshaus verließ. Sie kamen näher. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sollte er sich einfach auf sie stürzen und hoffen, er würde gegen drei erfahrene Krieger gewinnen oder sollte er nichts tun und auf eine bessere Gelegenheit warten? Die Entscheidung wurde ihm abgenommen. Einer der Krieger trennte sich von seinen Kumpanen und stolperte zu der Nische, in der sich Verron versteckt hielt. Er blieb schwankend stehen, nur ein paar handbreit vor Verron. Sein Blick war unstet und glasig, als er nach einem herzhaften Furz begann, sich an seinem Gürtel zu schaffen zu machen.
Bevor Verron noch richtig wusste, was er tat, fuhr seine Linke mit dem Langmesser darin
in den entblößten Hals. Mit dem wuchtigen Schlag durchtrennte er Luftröhre, Halsschlagader und zerfetzte Stimmbänder. Als er die Klinge herauszog, ergoss sich ihm eine blutrote Fontäne ins Gesicht und er spürte den Lebenssaft überall an sich. Der Blutgeruch nach Kupfer war überwältigend. Ohne richtig zu wissen weshalb, trat er einen Schritt vor und packte den sterbenden Mann am blutigen Kragen. Er ächzte unter dem Gewicht und spürte bereits nach einigen Herzschlägen wie seine Muskeln begannen anzuschwellen und zu brennen. Der Brechreiz wurde überwältigend, aber er hielt den Atem an und starrte aus dem Schatten heraus auf Wulfgar, der breitbeinig dastand und auf seinen Kameraden wartete. Er warf den Kopf zurück und lachte schallend. „He, wieste nich mer wie de Pissen solst? Oda was brauchst so lang?“ Als der Tote nicht antwortete, reagierte Wulfgar wie alle brutalen Schläger, zu allen Zeiten. Mit Gewalt. Er stieß den Söldner, der sich auf ihn stützte, weg und ging zur Nische. Als er einen Schritt hinter dem Toten stand holte er aus und grinste verschlagen, wobei er seine fauligen braunen Zahnstümpfe entblößte. „Tu sollst antwo-
Weiter kam er nicht. Mit einem lauten Brüllen stieß Verron den Leichnamen des Söldners gegen Wulfgar. Der Söldnerführer wurde von dem Gewicht seines toten Leibwächters zu Boden geworfen. Der andere Leibwächter zuckte sichtlich zusammen und vergaß vor lauter Überraschung, dass er eine Waffe hatte, die er benutzen könnte. Verron holte aus und warf das blutige Messer. Es war nicht zum Werfen geeignet, aber auf diese kurze Entfernung traf Verron ihn direkt in die Stirn. Mit der Rechten zog Verron sein anderes Messer und drehte sich wieder zu Wulfgar. Dieser hatte die Leiche laut fluchend von sich gestoßen und versuchte sich aufzuraffen. Verron ließ ihm dazu keine Gelegenheit mehr. Er kniete sich hin und rammte die Klinge, mit soviel Kraft wie er aufbringen konnte, abwärts in Wulfgars Brust. Vor diesem tödlichen Stoß konnte den Söldner nicht einmal sein schweres Kettenhemd retten. Die Klinge durchdrang die Eisenringe, als wäre sie gar nicht vorhanden und fuhr ihm direkt ins Herz.
Simull schluckte schwer und sah sich gehetzt um. Wieder konnte er niemanden entdecken. Die Straßen waren leer, die Menschen verkrochen sich zuhause solange die Söldner in der Stadt ihr Unwesen trieben. Und du bist der einzige Schwachkopf, der jetzt herumläuft, dachte er und wischte sich an einem warmen Wollumhang seine grotesk große Nase ab. Überhaupt wirkte Simull grotesk. Sein Kopf war zu groß und sein Gesicht hager, wie das eines Pannkranken. Wenn er Angst hatte, zuckte seine Nase unentwegt, wie bei einer nervösen Ratte, und seine Glubschaugen wirkten noch glasiger als sonst. Genau so sah er aus, als er um die Ecke bog und etwas ihn in der Magengrube traf. Pfeifend entwich die Luft seinen Lungen. Er fiel auf die Knie und starrte fassungslos auf schwer beschlagene Stiefel während er laut nach Luft schnappte.
Jemand verpasste ihm eine Ohrfeige, stark genug um ihn auf den Rücken zu werfen. Als er die Nässe des schlammigen Bodens durch seine Kleiderschichten sickern spürte, kam die Todesangst. Er wollte nicht sterben.
“Steh schon auf, das ist ja erbärmlich!“
Simull blieb erst einige Augenblicke wimmernd am Boden liegen bevor er sich traute die Augen zu öffnen. Als er sah wer vor ihm stand fiel ihm ein Stein vom Herzen.
„Ihr seid es?“ Er lachte auf und versuchte sich aufzurichten, ohne seine Sachen noch dreckiger zu machen. Als er wieder stand, sah er den Mann genauer. Was er sah, erschreckte ihn zutiefst. Unwillkürlich trat er einen Schritt zurück. Das Gesicht des Mannes war blutüberströmt, genau wie sein Wams und seine Stiefel. Das Blut war braun und verkrustet, was ihn nur noch bestialischer erscheinen ließ.
Mit einem Mal schossen Simull die Bilder der schrecklich zugerichteten Leichen durch den Kopf, die er gerade heute Morgen gesehen hatte. Er riss den Mund auf, brachte aber kein Wort heraus. Was sollte er bloß sagen?
„Du hast etwas für mich?“ die Stimme des Mannes klang so kalt, wie ein arktischer Eiswind. Hastig griff Simull unter seinen Wams und holte zwei Beutel hervor. Der eine war zum bersten gefüllt mit Silbermünzen feinster Güte. Ein Vermögen. Mehr als ein Bauer in drei Leben erarbeiten könnte. Der andere Beutel war lediglich mit zehn Silbermünzen gefüllt.
Simull reichte beide Beutel dem Mann und sah mit großen Augen, wie er die Münzen nachzählte. Siedendheiß fiel Simull ein, was sein Onkel ihm eingebläut hatte. Er räusperte sich und drückte seine knochige Brust raus. „Der große Betrag ist für die hervorragende Arbeit an Wulfgar. Der andere Beutel ist die Vorrauszahlung für einen letzten Auftrag. Mein Onkel sagte sie würden wissen wer ihr nächstes Ziel sei, und lässt ihnen schon im voraus danken.“
Simull lächelte stolz. Er hatte kein einziges Mal gestockt oder gezittert. Der Mörder hatte seine Bezahlung inzwischen eingesteckt und nickte kaum merklich.
Simull hörte ein hohes Pfeifen, als etwas Scharfes die Luft durchschnitt. Er war überrascht als sich sein Linker Arm plötzlich taub anfühlte. Er hatte keine Schmerzen, aber das Denken fiel ihm schwer und seine Muskeln wollten ihm einfach nicht gehorchen. Empört über die Schwäche seines Körpers, wollte er etwas sagen, aber es war als hätten seine Lungen keine Kraft mehr um Luft zu holen. Als seine Beine nachgaben und er fiel, sah er für den Bruchteil einer Sekunde das Messer aus seiner Brust ragen. Als er mit dem Gesicht voran im Schlamm lag fiel ihm etwas ein, dass sein Onkel ihm gesagt hatte: Du wirst mein Mittelsmann sein. Nur du und ich werden davon wissen. NUR DU UND ICH!
Mit der Erkenntnis kam die Dunkelheit.