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Nur eine Autofahrt entfernt

Seniors
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24.08.2003
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Nur eine Autofahrt entfernt

Das Auto fährt durch die Nacht. Sie sitzt auf dem Rücksitz, die Beine an den Leib gezogen. Vorne sitzen die beiden Jungen.
Sie hätte fast gelächelt, über ihre ständige Angewohnheit, ihn als einen Jungen zu bezeichnen. Dabei ist er volljährig, und älter als sie.
Es ist morgens, etwa um zwei Uhr. Ein sanfter Nebelschleier liegt über den verschlafenen Straßen der Stadt. Eigentlich ist es zu früh, um schon aus der Disco nach Hause zu fahren, aber die beiden Jungen wollen noch in einen anderen Club gehen.
Sie lehnt ihren heißen Kopf gegen die eiskalte Fensterscheibe, die beschlägt von ihrer fiebrigen Haut.
Man sollte nicht in die Disco gehen, wenn man krank ist.
Er ist so freundlich, sie auf dem Weg bei ihrem Haus rauszuwerfen. Er ist ein netter Kerl. Sie mag ihn sehr gern, und sie sind schon seit einiger Zeit gute Freunde.
Sein Freund ist mit Sicherheit genauso nett, aber ihn mag sie nicht. Wenn die beiden Jungen zusammen sind, sind sie verändert, sie sind kindisch und lachen. Sie kommt sich ausgeschlossen vor, wie sie dort auf dem Rücksitz sitzt wie das kleine Kind, das sie in ihrer beider Augen in diesem Moment wohl ist, wie sie die Regentropfen beobachtet, die auf die Windschutzscheibe prasseln und den Witzen zuhört, die die Beiden machen.
Der Fahrer schiebt eine Kassette in den Rekorder, und sofort dröhnt In Extremo aus den Boxen.
Sie würde ja darum bitten, das Ganze etwas leiser zu machen, weil ihr Kopf schon von dem Lärm in der Disco dröhnt, aber ihre Stimmbänder fühlen sich an als wären sie aus flüssigem Feuer.
Ihr steigen Tränen des Selbstmitleides in die Augen, als sie die beiden Jungen vorne scherzen und lachen hört. Sie ignorieren sie total.
Sie rutscht in die Mitte und beugt sich zwischen ihnen nach vorne. Als sie ihr Spiegelbild sieht, erschrickt sie. Sie sieht aus wie ein Gespenst.
Der Fahrer dreht den Kopf. Sieht sie an. Er flüstert, ganz leise.
Du siehst nicht gut aus, Kleines.
Sie lächelt, indem sie nur den linken Mundwinkel nach oben zieht. Ihre Lippen formen: geht schon.
Sie hört den beiden zu, lächelt, wenn sie Witze machen, betrachtet das Wasser auf der Scheibe, das von den Scheibenwischern hin und her geschoben wird, hin und her, hin und her...
Sie erinnert sich an die Nacht, in der sie neben ihm geschlafen hat, weil sie beide gefroren haben. Sein Körper war warm, sein ganzes Zimmer getränkt von seinem Geruch.
Als das Auto abrupt bremst, schreckt sie auf. Schläfst du etwa? wendet sein Freund sich an sie.
Sie lächelt matt und schüttelt den Kopf. Geht schon, sagt sie wieder.
Der Fahrer legt die Hand auf ihre Stirn. Du glühst ja, sagt er.
Sie nickt nur. Ich weiss.
Das Auto fährt durch die Nacht. Als es schließlich hält, flüstert sie ein leises Gute Nacht und steigt aus. Ihre Augen brennen und sind voller Tränen.
Sie spürt die Augen des Fahrers auf sich ruhen, als sie zur Haustür geht, als sie einmal strauchelt und sich wieder fängt, meint sie, seinen Schreck fast über die Distanz hin spüren zu können.
Würde er aussteigen und ihr helfen, wenn sie jetzt fallen würde? Oder würden sein Freund und er nur lachen...?
Sie erreicht die Tür und schließt sie auf, leise, um ihre Eltern nicht zu wecken. Kurz nachdem in ihrem Zimmer das Licht an- und wieder ausgegangen ist, fährt das Auto los.
Was war denn mit der los? wendet sich der Beifahrer an den Fahrer. Ist die immer so?
Um die Lippen des Fahrers spielt ein leichtes Lächeln. Sie... sie ist etwas Besonderes, sagt er. Für einen Moment wirken seine Augen weich, und seine Lippen beinahe zärtlich.
Aber das Mädchen, das oben in ihrem Zimmer in ihrem kalten Bett liegt, weiss nicht, dass er das gesagt hat. Sie weint sich in den Schlaf.

 

Bin zu faul, was zu shcreiben, wollt nur sagen, ich habs gelesen. Ein wunderschönes Ende. An Geschichten, muss einem das Ende gefallen, das ist das Zweitwichtigste.

 

Hallo vita,

ganz schön einsam, wie sich deine Protagonistin in ihren Teenagerträumen fühlt.
Krank hofft sie, gesehen und bemerkt zu werden, während sie mit den beiden Jungen im Auto sitzt.
Beide kannst du getrost noch zu den Jungen zählen, denn beide sind noch nicht zu fühlen in in der Lage, oder dazu, zu ihren Gefühlen zu stehen. Erst zum Ende, als sie es nicht mehr hören kann, setzt sich der Fahrer über darüber hinweg und wird ehrlich.
Schön, dass du nicht verrätst, warum sie für ihn etwas besonderes ist.
Schade, dass du die Menschen nicht zu Menschen machst, indem du ihnen Namen gibst.
Ansonsten ist dir eine hübsche kleine Geschichte gelungen.
Nett wären Anführungszeichen für wörtliche Rede, auch wenn dies natürlich ein spießiger und konventioneller Wunsch eines konservativen alten Mannes ist. ;)

Oder würden sein Freund und er nur lachen...?
Warum du hier die drei Punkte setzt, leuchtet mir nicht ganz ein, wenn werden sie aber auf alle Fälle als ein Wort behandelt.
lachen ... ?
Sein Freund ist mit Sicherheit genauso nett, aber ihn mag sie nicht. Wenn die beiden Jungen zusammen sind, sind sie verändert, sie sind kindisch und lachen.
Diese Stelle hat mir besonders gefallen. Sie ist gut beobachtet.

Lieben Gruß, sim

 

hey, schöne geschichte, hat mir gefallen. Das einzige was ich daran auszusetzen habe ist, wie auch sim schon bemerkte, es fehlen Namen für die Personen.. mit namen wirkt es für mich gleich viel persönlicher..und wenn du nur Ihr einen gibst.
liebe grüße, mingnon

 

Ich habe die drei Punkte und das Fragezeichen am Ende eines Satzes für mich als persönliches Mittel für einen Gedankengang entdeckt, der bewusst nicht zuende geführt wird. Beispielsweise "Konnte es wirklich wahr sein, dass...?"
Ansonsten, danke für das Lob. *Freu*
Mit Namen tue ich mich immer ein wenig schwer... und ich dachte in diesem Falle würde es die Unpersönlichkeit der ganzen Situation noch ein wenig unterstreichen.

 

Mit Namen tue ich mich immer ein wenig schwer... und ich dachte in diesem Falle würde es die Unpersönlichkeit der ganzen Situation noch ein wenig unterstreichen

Hallo vita,

das ist ein Irrtum, denn die ganze Situation ist ja nicht unpersönlich. Zwischen den beiden Prots spielen sich ja zarte Gesten ab, etwa wenn er seine Hand auf ihre Stirn legt. ;)

Unpersönlich ist es nur zwischen dem Beifahrer und dem Mädchen. Der Fahrer und sie haben eine Bindung. Die ist zwar vielleicht anders, als das Mädchen sie gern hätte, aber sie ist da.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Vita,

also ich finde Namen in dieser Geschichte überflüssig, weil das Gefühlte hierbei in den Vordergrund tritt.
Ich konnte sehr gut mitempfinden, prima Geschichte.

 

hey vita,

ich will auch keine namen, so wie die geschichte ist, ist sie gut. echt. schönes bild und schön formuliert wie sie den regentropfen zuschaut und den scheibenwischern. hin und her - echt gut. und die hauptperson ist mir beim lesen so nah. irgendwie entsteht für mich auch die stimmung, dass sie eigentlich ganz gerne weint da oben in ihrem bett und dass es in dieser nacht auch irgendwie nicht ein "scheisse, die welt ist schlecht zu mir"-weinen ist, sondern eher ein "weinen-kann-so-gut-tun"-weinen. naja, komische gedankengänge, die bei mir nicht fertig gedacht ...? ;-)

nun denn, ich hab die geschichte echt gerne gelesen!
danke und gruß,

sascha

 

na du
ich bin noch völlig neu hier und muss sagen, daß ich gar nicht weiß was ich sagen soll ... hab einige beiträge gelesen und fand den irgendwie am schönsten !
namen naja , könnte persönlicher wirken aber die geschichte is so wie se is nicht schlecht :)

 

hallo vita,

eine ansprechende, kleine Geschichte. Hat mir gefallen :).

Zum Text:

Sie lehnt ihren heißen Kopf gegen die eiskalte Fensterscheibe, die beschlägt von ihrer fiebrigen Haut.

...die von ihrer fiebrigen Haut beschlägt

Er ist so freundlich, sie auf dem Weg bei ihrem Haus rauszuwerfen.
Ich kenne das rauswerfen zwar auch in dem Zusammenhang, aber an dieser Stelle paßt es für mich nicht in den Text.
Eher vielleicht: ... sie nach Hause zu fahren.

Sie kommt sich ausgeschlossen vor, wie sie dort auf dem Rücksitz sitzt wie das kleine Kind,

vielleicht Rückbank, dann gäbe es keine holprige Wiederholung?


Der Fahrer schiebt eine Kassette in den Rekorder, und sofort dröhnt In Extremo aus den Boxen.

Für den Lesefluss wäre es angenehmer, wenn die Band kursiv oder in Anführungszeichen wäre.

Sie würde ja darum bitten, das Ganze etwas leiser zu machen, weil ihr Kopf schon von dem Lärm in der Disco dröhnt, aber ihre Stimmbänder fühlen sich an als wären sie aus flüssigem Feuer.

fühlen sich an, als wären

Sie lächelt, indem sie nur den linken Mundwinkel nach oben zieht. Ihre Lippen formen: geht schon.
Groß nach Doppelpunkt

Mir wären als Leser Anführungszeichen, wie sim schon bemerkte, auch lieber. Aber durch die kurzen Sätze und die eindeutige Zuordnung war es nicht verwirrend, sondern nur etwas lästig ;).

Lieber Gruß
bernadette

 

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