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One Night Stand
Nun ist es also passiert. Ich liege unter einer Decke neben dieser hübschen jungen Frau, die nicht die meine ist und von deren Existenz ich bis vor wenigen Stunden noch keine blasse Ahnung hatte, auf der Couch einer Kollegin.
Meine Bettnachbarin ist eingeschlafen, und ich bestaune und belächle die immer wieder wundersamen Fügungen in meinem Leben.
Dies ist mein bisher kuriosester One Night Stand. Obwohl ich mir gar nicht sicher bin, ob dieser Begriff hierfür überhaupt zutreffend ist. "One Night" schon, "Stand" weniger.
Aber was soll es denn sonst sein?
Elly heißt die Schlafende und ist der Typ Frau, bei dem ich mir von Vornherein schon keinerlei Chancen ausrechne. Hübsch, im Sinne von süß, solariumgebräunt, körperbetontes Outfit und eine Art der Kommunikation, die auf ein nicht allzu kleines Selbstbewusstsein schließen lässt. Beruflich hat sie in einer vollkommen anderen Branche zu tun, als ich. So eine legt auf andere Dinge wert, als ich sie zu bieten hätte.
Sie hatte schon bei der obligatorischen Begrüßungsrunde des Später-auf-der-Party-Eintreffenden mein Interesse geweckt, weil sich ihre offenherzige Erscheinung von der der übrigen Gäste abhob. In meiner, vielleicht manchmal etwas zu realistischen Selbsteinschätzung hatte ich dieses kleine Interesse nicht als ausreichenden Grund zur Veranlassung gesehen. Wofür auch.
Zumal ich mich als glücklicher, frisch verheirateter Ehemann nicht annähernd in der Situation des "Suchenden" befand. Wenn sich meine Frau momentan nicht gerade auf einer Dienstreise befunden hätte, wären wir gemeinsam auf der Party aufgekreuzt.
Irgendwann stellte ich fest, dass ich nun schon zum dritten Male allein mit dieser Elly auf dem Balkon stand, um eine Zigarette zu rauchen, nachdem sie mich ausdrücklich gebeten hatte, sie zum Nikotingenuss mitzunehmen. Rauchen verbindet. Zumindest in bestimmten Situationen.
Außerdem wurde mir bewusst, dass die Dame bereits seit einer Weile sehr konzentriert meinen Ausführungen im Gespräch mit anderen Gästen gefolgt war und diese mit beifälligen Ausrufen kommentiert hatte, die das normale Maß der Zustimmung leicht zu übersteigen begannen. Sie lachte herzhaft über meine Witze. Ich fühlte mich zu einem kleinen Flirt ermutigt.
Rede. Gegenrede. Lächeln. Augenzwinkern. Lachen. Erster Körperkontakt mittels Hand auf dem Knie. Separierung von den anderen Gästen und Schaffung zweisamer Privatheit, auf dem Raucherbalkon. Vertrauliches Umschließen meiner Feuer spendenden Hand, mit ihren Fingern.
"Du hast aber schön warme Hände! Sind die immer so warm?"
"Nein, nur bei bestimmten Personen." Ein absoluter Machospruch! Noch platter ging es fast nicht. Das wurde aber jetzt offensichtlich kaum mehr zum Problem. Und es verfehlte die erhoffte Wirkung nicht. Lächeln und Augenzwinkern als Antwort. Wohin würde das noch führen?
Die Annäherung steigerte sich weiter, als wir bei der Rückkehr vom Balkon das nur halb aufgegessene kalte Buffet passierten.
"Schau mal wie voll mein Bauch ist!", sagte sie und lupfte ihr T-Shirt ein wenig. Der Anblick eines schön geformten weiblichen Bauches führt bei mir stets zu schlecht steuerbaren Reaktionen. Mein Herz setzte einen Schlag aus und mir wurde warm.
Ich unterzog die Beschaffenheit ihres Bäuchleins kurzerhand dem haptischen Test. Gegenwehr hatte ich nicht befürchtet, und sie kam auch nicht. Mir wurde noch etwas wärmer.
Ich ließ mich zu der Bemerkung hinreißen, wir müssten, im Falle ich wäre zu betrunken, mein Auto sicher heimzufahren, uns die ihr versprochene Übernachtungscouch teilen.
"Echt, du pennst auch hier?" Damit ignorierte sie grinsend nun vollends die Eventualität meiner forschen Aussage. Zumal ich, als bescheidener Alkoholkonsument, zu diesem Zeitpunkt durchaus noch fahrtüchtig war. Auch im polizeilichen Sinne.
Mein Vorhaben, tatsächlich noch selbst nach Hause zu fahren, stand deshalb fest.
Nach weiteren ausführlichen Gesprächen über Musik, im Allgemeinen und Besonderen, diversen Gläsern Bier und Sekt, und natürlich Zigaretten, verschwand Elly kurzerhand aus der Runde und ich erfuhr von der Gastgeberin, dass sie sich wohl anschickte, das Nachtlager aufzusuchen.
Trotz meiner inzwischen wesentlich bedenklicheren Befindlichkeit, bezüglich meines Blutalkoholspiegels, betrachtete ich dies nun als mein Stichwort und kramte, nach umfänglichem Abschiedshändegeschüttel, meinen Autoschlüssel heraus.
Diesen fest in der Hand, wankte ich der Wohnungstür entgegen. Dabei musste ich an der geöffneten Zimmertür des Raumes vorbei, in welchem Elly gerade dabei war, gemeinsam mit der Gastgeberin die Couch herzurichten. Ich betrat es, um mich auch hier noch artig zu verabschieden.
Mein Ansinnen begreifend, legte sie nur den Kopf schief und befahl mir trocken:
"Jetzt lass den Scheiß, zieh dich aus und komm her! Wir sind schließlich kein fünf mehr, und du willst doch in deinem Zustand nicht ernsthaft noch Auto fahren!"
Die Gastgeberin prustete amüsiert los.
Ich gebe zu, dieser überraschenden Modifikation meines ursprünglichen Planes zur Nachtgestaltung, zumal so nachdrücklich vorgetragen, konnte ich mich nicht verschließen.
Also schlüpfte ich kurze Zeit später folgsam zu meiner selbsterklärten Bettgenossin unter die einzige Bettdecke und registrierte stark klopfenden Herzens, wie sich die Dame sofort zärtlich an mich schmiegte.
"Kuscheln ist doch erlaubt, oder!?", wisperte sie, nachdem sie mir versichert hatte, dass One Night Stands für sie nicht in Frage kämen. Aus diesem Alter wären wir doch ohnehin raus.
Ich grunzte irgendetwas Unbeholfenes und hoffte, sie möge sich das doch nochmal überlegen. Die aufdringliche Erotik der Situation hatte mich voll im Griff.
Eine leichte peinliche Berührtheit, die mich anfänglich beschlichen hatte, war durch Ellys selbstverständlichen Umgang mit den Gegebenheiten mittlerweile gänzlich verflogen.
Wir amüsierten uns bald königlich über die Vermutung, inzwischen bestimmt die Sensation des Abends, unter den verbliebenen Partygästen geworden zu sein. Unsere spontane Zweisamkeit war ja nicht unbemerkt geblieben. Das hier setzte dem Ganzen nun die Krone auf. Ich war mir sicher, der eine oder andere männliche Besucher der Party hätte etwas dafür gegeben, jetzt in meiner Position zu sein.
Ich drückte mich fest an sie, und sie sich an mich.
Momentan gab es nichts Natürlicheres auf der Welt, als zwei Menschen, in der Blüte ihrer Jugend, einander etwas mehr als nur sympathisch, die sich in fremder Umgebung halbnackt unter einer Decke zusammenfanden, um sich für eine Nacht aneinander festzuhalten. Und eben nicht das zu tun, was den meisten Menschen in solch einer Situation plausibel erschienen wäre.
Ja geradezu unausweichlich. Voll logisch! Schön blöd, wenn nicht! Ganz klar! Oder...?
Ja und da liege ich nun. Atme Ellys Duft ein, lausche ihrem Atem und versuche, meinen tauben Arm höchst vorsichtig unter ihrem Kopf hervorzuziehen. Es bleiben noch etwa zwei Stunden, bis zum versprochenen Frühstück der Übernachtungsgäste bei der Gastgeberin. Den Versuch einzuschlafen habe ich aufgegeben. In fremder Umgebung schlafe ich ohnehin nie besonders gut. Ich dämmere ab und zu mal etwas weg, aber irgendwie möchte ich auch keinen Augenblick verpassen. Es fühlt sich gut an. Weil es einfach geschieht, finde ich es schön. Ich kann es noch immer nicht so recht glauben, dass gerade mir das jetzt passiert.
Ellys Neglige ist ein wenig verrutscht. Meine Hand, die sie eng an sich herangezogen hat, liegt auf ihrem entblößten Busen. Im Schutz der Dunkelheit und der gemeinsamen Bettdecke erlaube ich mir gelegentliche Streichelausflüge, gewisse Regionen umgehend und peinlich darauf bedacht, sie nicht zu wecken.
Morgengrauen. Diffuses Licht im Zimmer. Die ersten Vögel singen.
In etwa zwei Tagen werden die Erinnerungen an diese Nacht bereits langsam verblassen. Ich werde allmählich vergessen, wie sie geduftet hat. Wie sie ausgesehen, wie sich ihre Haut angefasst hat, wie ihre Haare meine Nase gekitzelt und schließlich, wie sich diese Nähe angefühlt hat. Vielleicht ist genau diese Vergänglichkeit das Besondere. In meine Müdigkeit mischt sich Melancholie, aber auch Zufriedenheit. Es sollte alles so geschehen.
Irgendetwas wird doch hängen bleiben.
Darauf freue ich mich jetzt schon.