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Opus Magnum

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20.01.2018
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Opus Magnum

In Papas Werkstatt stehen zwei Menschen. Ich spähe durch den Türspalt; eine Frau und ein Mann. Sie trägt eine lange Cordhose und ein himmelblaues Hemd, das ihr mehrere Nummern zu groß ist; die rostroten Haare sind zu einem Dutt gebunden. Sie hat mindestens ein Dutzend Ketten um den Hals und in den Haaren eine Sonnenbrille, so versteckt wie ein Vogelnest. Der Mann ist schlaksig; Lederjacke, die Nase leicht schief, die Haare kurz und stachelig. Wie ein Igel.
„Herr Muriell?“, fragt der Mann und streckt Papa die Hand entgegen.
„Ganz recht." Papa schüttelt die Hand; er muss den Arm über den Kopf heben, um einschlagen zu können. „Und Sie sind?“
„Ruben Lang.“
„Freut mich. Woran sind Sie interessiert? Und bevor Sie fragen, ich verrate nichts über meine anderen Kunden. Das ist unprofessionell.“
„Schon gut, um ehrlich zu sein“, sagt Herr Lang und blickt seine Begleitung an, „wollen wir nichts kaufen.“
Papa sieht aus, als hätte man ihm in die Magengrube geschlagen. „Hmm“, sagt er mit verschränkten Armen. „Dann glaube ich, kann ich Ihnen noch weniger helfen.“
„Wir haben gehört, hier würde ein Junge leben.“
Papa hält inne. „Was hat er jetzt wieder ausgefressen?“
„Es …“
„Ich sag es Ihnen direkt, ich zahle nix. Dafür wird er selbst auskommen müssen. Ich hab kein Geld für so einen Unfug.“
„Nein nein“, mischt sich nun die Frau ins Gespräch ein, „es ist nichts passiert. Wir würden ihn nur gerne … kennenlernen“, sagt sie und schaut erst ihren Mann, dann Papa an; sein Gesicht ist steinern wie eine Statue. „Wir glauben, er könnte unser Sohn sein.“
Ich beiße mir auf die Lippen; ich schiebe mich ein Stück weiter durch den Rahmen, um einen besseren Blick auf das Ehepaar zu erhaschen. Eine gewisse Ähnlichkeit ist schon da, denke ich; die roten Haare, das spitze Kinn. Ich weiß nicht, was ich in Papas Gesicht erwartet habe; Überraschung am ehesten, aber das ist es nicht; es ist ein Gesichtsausdruck, als hätte er voller Freude in einen Apfel beißen wollen und dann festgestellt, dass es eine faule Zitrone sei.
„Wollt ihr mich verscheißern?“ Papas Stimme dröhnt. „Für wen haltet ihr euch?"
„Herr Muriell …“
„Denkt, nem’ Zwerg könnt' ihr den Sohn abschwatzen, was?“
„Aber er ist doch nicht wirklich Ihr Sohn. Er ist ein Mensch und Sie …“
„Ich hab ihn gemacht, mit meinem eigenen Schwanz! Soll ich ihn dir zeigen? Glaubst mir nicht?“
„Ich wollte nicht …“
„Raus aus meiner Werkstatt, raus!“ Papa greift einen Hammer. Instinktiv macht der Mann mit der schönen Nase einen Schritt zurück. „Verpisst euch von meinem Grundstück! Wenn ich dich nochmal hier sehe, schlag ich dir die Kniescheiben aus!“
Eine Sekunde lang starren sie Papa an; dann dreht sich das Ehepaar um und geht.

Die Küche ist eng, zumindest für mich; wir haben Platz für einen Tisch, zwei Barhocker und einen Schrank mit Spüle, alles in Zwergengröße. In Einmachgläsern auf der Fensterbank wachsen Zitronenmelisse und Bogenhanf. An der Wand hängen dutzende Bilder; Papa und ich am Rhein, Papa und ich wandern auf der Halde, Papa und ich am Kemnader See; immer zu zweit. Nie mit Mama. Vielleicht hat Papa die Bilder entsorgt, vielleicht gibt es auch gar keine. Er erzählt nicht viel über die Zeit, als sie noch zusammen waren.
Manchmal kommt es mir vor, als wäre Mama ein Mythos; eine schöne Geschichte, aber wahr ist sie nicht. Alles, was vom Gegenteil zeugt, bin ich.
Manchmal hätte ich schon gerne eine Mutter.

„Du musst dich rasieren“, sagt Papa. Er ist ein prächtiger Zwerg. Muskeln wie ein Ochse, schwielige Hände und einen Schnauzer; sein glatter Schädel glänzt, als hätte man ihn mit Scheuermilch poliert. „Du siehst mies aus.“
„Das ist mein Bart.“
„Nein. Eines Tages, Junge“, sagt Papa, „hast du genug, um es Bart nennen zu können. Aber das, das sind Teppichhaare. Wie von einer Katze.“
Papa mag keine Katzen.
„Da waren vorhin Leute da“, sage ich, um das Thema zu wechseln. „Bei dir in der Werkstatt.“
„Ay.“
„Kunden?“
Er schnaubt. „Blöde Affen. Glauben, Geld kauft alles.“
Eine Weile schweigen wir. „Meinst du nicht“, frage ich langsam, „sie könnten Recht haben?“
„Du hast gelauscht.“
„Es war nicht zu überhören.“
„Nein. Haben sie nicht.“ Er jagt mit dem Löffel nach einem verkochten Stück Zwiebel. „Oder wünschst du dir das?“
„Natürlich nicht.“ Ich schaue ihn an; er ist nicht überzeugt. „Es ist nur so“, sage ich schnell, „dass du … ein Zwerg bist.“
„Hmm.“
„Und ich nicht.“
Ich beiße mir auf die Lippen; zu stark. Es schmeckt nach Eisen; mit der Zunge ertaste ich einen Fetzen Haut. Bevor ich etwas sagen kann, packt Papa den Teller und kippt sich den Rest Suppe in den Rachen; dann legt er den Ton beiseite und wischt sich mit dem Handrücken über den Mund.
„Hältst du mich für einen Lügner?“, fragt er.
„Nein.“
„Dann pass auf; ich hab dich selbst gemacht, hiermit“, sagt er und streckt mir die Innenseite der Hände entgegen. „Siehst du?“
„Ja.“
„Ich hab dich gemacht und aufgezogen. Ich hab wirklich wenig Ahnung von Biologie, mein Junge. Ich weiß, dass Bäume wachsen, wenn man sie gießt, und Vögel fliegen, weil sie Flügel haben, und wenn ein Pferd und ein Esel fick … sich lieben, dann kommt dabei auch was raus. Egal, was man dir sagt; du bist mein Sohn.“ Er schaut mich an; er scheint auf eine Bestätigung zu warten.
„Maultier“, sage ich. „Das kommt dabei raus. Oder Maulesel, je nachdem …“
„Hast du mir zugehört?“
Ich nicke vorsichtig.
„Gut", sagt er und steht auf. „So einfach ist das.“

Altenbochum eine miese Kombination aus der Erkenntnis, man hätte es besser machen können, aber dem Unwissen, wie konkret. Nackter Beton, alle paar Blocks aufgeweicht durch einen Park. Deswegen wohnen hier die Zwerge. Jeder möchte sie als Bergarbeiter oder Türsteher, aber niemand als Nachbar. Ich glaube, Altenbochum und die Zwerge passen gut zueinander; man bedauert sich gegenseitig, von den Menschen verhunzt worden zu sein.
Hinter der Zeche Konrad gibt es einen Kiosk, der die ganze Nacht auf hat. Das Bier ist teuer und der Boden spackig, aber mir gefällt es. Der Geruch nach Pisse ist unumkehrbar in die Ritzen gesickert; neben der Tür steht ein frisierter Zigarettenautomat. Drückt man dreimal die Sechs, verkauft er Kondome. Zwergengröße, versteht sich.
Ich halte vor der Tür, betrachte mich in der verschmierten Scheibe. In der Dunkelheit sehen die Barthaare voller aus, länger, gröber. Ich sehe aus wie Papa.

„Yarre. Glück auf“, sagt Harpen, als ich die Tür aufstoße. Er spricht mit dünner Stimme, das Gesicht blass. Sein rostbrauner Bart hat an Farbe verloren. „Wie geht es dir?“
„Gut.“ Die Kasse reicht mir gerade bis zur Hüfte. Zwischen zwei Kühlschränken ziehe ich einen Kasten Cola hervor und setze mich drauf.
Harpen hustet. „Wunderbar.“
„Alles in Ordnung?“
„Die Lunge. Macht Zicken.“ Er schlägt sich mit der Faust auf die Brust. „Nichts, was nicht wieder verschwindet. Zwei oder drei Tage im Monat ist es übel.“ Er räuspert sich. „Dein Vater war letzte Woche nicht beim Schocken. Sag ihm, er soll kommen. Er hat sich ewig nicht sehen lassen.“
„Ich erinnere ihn.“
„Guter Junge.“ Er greift nach einem Glas Wasser, löst eine Tablette darin auf; weißer Schaum schwimmt an der Oberfläche. Harpen zieht das Glas in einem Zug weg und wischt sich mit dem Handrücken über den Mund. „Heute waren Milchgesichter da. Haben nach dir gefragt. Eine Frau und ein Mann.“
„Bin ihnen schon begegnet.“
Harpen stemmt sich mit den Händen auf die Theke. „Was wollen die von dir?“
„Denken, ich wäre ihr Sohn.“ Ich sehe ihn an; er weicht aus. „Haben versucht, Papa davon überzeugen.“
„Kann mir vorstellen, wie das lief. Also, was kann ich dir Gutes tun?“
„Papa will dreimal Fiege.“
Harpen nickt. „Sonst?“
„Was hast du denn da?“
„Von mir kriegst du nichts.“
„Harpen, bitte …“
„Nein. Wenn dein Vater das spitzkriegt, reißt er mir den Kopf ab und scheißt rein, und das kriegt er spitz, glaub mir. Wenn du dir woanders was besorgst, ist das nicht mein Problem. Aber hier nicht.“
„Also hast du was da“, sage ich lächelnd.
„Hast du Karotten in den Ohren, Junge? Ich hab doch gerade gesagt …“
Es piept; die Tür geht auf. Ich drehe mich um. Es ist das Ehepaar aus der Werkstatt. Harpen wirft ihnen einen kurzen Blick zu, dann senkt er den Kopf.
„Fiege macht drei fünfzig. Wenn du willst, kannst den Rest auch haben, ich krieg nächste Woche mehr. Außer deinem Vater trinkt das eh niemand. Ich bedien’ Sie gleich, einen Moment.“
Die Frau sieht mich an. „Yarre …“
„Wir wollen hier keine Milchgesichter“, sage ich. Harpens Gesichtszüge verhärten sich. Bevor er etwas sagen kann, räuspert sich der Mann.
„Wir warten am besten draußen“, sagt er und hält seiner Frau die Tür auf.
Harpen starrt ihnen nach; die Tür fällt ins Schloss.
„Kann ich durch den Hinterausgang?“, frage ich.
„Lass das Pöbeln, Junge.“ Harpen sieht aus, als wollte er mir ins Gesicht spucken.
„Ich wollte nur …“
„Und red’ du nicht von Milchgesichtern. Ich sage, wen ich in meinem Laden möchte und wen nicht, klar?“ Er verschränkt die Arme. „Ich lass dich schließlich auch rein.“
Ich starre ihn an; Harpen starrt zurück. Ich stehe auf; die Deckenlampe schlägt mir beinahe gegen den Kopf. Ich lege ihm drei fünfzig auf den Tresen, greife die Flaschen; ohne ein Wort zum Abschied stoße ich die Tür auf.

Die Nacht ist schwül. 22 Grad steht auf einer Neontafel; eine tropische Nacht, hab ich im Fernsehen gelernt. Das Shirt klebt mir an Nacken und Armen.
Zwischen einer Bushaltestelle und einer flackernden Straßenlaterne steht eine Silhouette. „Yarre!“, ruft eine Frauenstimme.
Ich ändere die Richtung, laufe im Schatten der Schilder und Überdachungen. Vielleicht stoppt sie, wenn …
„Yarre!"
Ich werde schneller.
„Bleib stehen. Bitte.“
„Was?“, rufe ich und stoppe. „Was wollt ihr von mir?“
„Reden“, sagt die Frau; sie stolpert näher. „Nur reden.“
„Ich will nicht.“
„Bitte. Nur kurz.“
Ich schaue mich um. „Wo ist dein Kerl?“
„Er holt das Auto.“
Ihr habt wirklich keine Ahnung von Altenbochum, denke ich. „Du solltest hier nachts nicht alleine herumstehen.“
„Warum?“, sagt die Frau. „Weil ich eine Frau bin?“
„Weil du keine Zwergin bist.“ Ich werfe einen Blick zum Kiosk. Harpen lehnt in der Tür, raucht Pfeife und tut so, als interessierte er sich brennend für den nackten Pfahl, an dem vor einer Woche noch ein Stoppschild hing.
„Du bist doch auch keiner“, sagt die Frau.
„Was?“
„Na, kein Zwerg.“
Ich schnaube, aber bevor ich eine Antwort von mir geben kann, hält ein alter Opel Astra am Straßenrand. Aus der Fahrertür steigt der Mann. Er schließt die Tür und hakt sich bei seiner Frau unter.
Ich werfe einen Blick über die Schulter. Harpen pafft weiter.
„Hallo, Yarre“, sagt der Mann.
„Wollt ihr mir nicht mal eure Namen sagen?“, frage ich.
„Ich heiße Ruben. Das ist Sophia.“
„Cool. Kann ich jetzt gehen? Mir ist kalt.“
„Wir würden uns gerne mit dir unterhalten.“
„Ich will aber nicht. Die Leute gucken.“
„Welche Leute?“ Ruben dreht den Kopf; er entdeckt Harpen.
„Schau mal“, sagt Sophia. „Wir haben … allen Grund zur Annahme, dass du unser Sohn sein könntest. Ich möchte dir einen Vorschlag machen. Lass uns kennenlernen. Ein Abendessen, irgendwo in der Stadt, wo du möchtest. Wir reden ein bisschen, und wenn wir am Ende des Abends das Gefühl haben, dass du … vielleicht doch unser Sohn sein könntest, dann sehen wir weiter.“
Ich starre auf den Dreck.
Ruben räuspert sich. „Sei doch mal ehrlich, Yarre. Glaubst du, dein Vater sagt die Wahrheit? Ich will ihn nicht schlecht reden, aber Fakt ist: Menschen und Zwerge können keine gemeinsamen Kinder zeugen. Es geht einfach nicht. Es ist biologisch unmöglich.“
„Sind Sie so was wie ein Arzt?“
„Komponist.“
Also hat er keine Ahnung, denke ich. „Wenn ich mitkomme“, sage ich, „und mir anhöre, was ihr zu sagen habt, lasst ihr mich dann in Ruhe?“
Sophia nickt.
„Gut.“ Wir tauschen Nummern. Ruben verspricht, sich zu melden. Das Angebot, mich heimzufahren, schlage ich aus. Das Letzte, was ich brauche, ist, von ganz Altenbochum mit zwei Milchgesichtern gesehen zu werden. Die beiden steigen in den Opel und fahren davon; Sophia winkt mir zum Abschied. Ich hebe kurz die Hand, steckte sie dann schnell wieder in die Tasche und schaue mich um.
Harpen ist verschwunden.

Ich könnte eine Mutter haben.
Der Gedanke schießt mir auf dem Heimweg durch den Kopf wie ein Tennisball, immer und immer wieder. Ich könnte eine Mutter haben; eine richtige. Eine, die mich nach der Schule fragt, wie es mir geht; eine, die ich anrufen kann, wenn es mir nicht gut geht.
Was zum Glück nicht sehr oft passiert, aber es passiert.
Ich könnte eine Mutter haben.
Was mache ich denn hier, denke ich, und bleibe stehen. Ich habe zugesagt, damit die Fragerei ein Ende hat; jetzt ist es keine fünf Minuten her, seit ich Sophia und Ruben das letzte Mal gesehen habe, und mein Kopf versucht bereits, sie in mein Leben einzufügen. Sie sind Fremde.
Aber das müsste nicht so bleiben.
Und zum ersten Mal in meinem ganzen Leben keimt in mir ein Gefühl auf, für das ich noch gar keinen Namen hab; es fühlt sich an, als hätte sich der Boden zu meinen Füßen in Luft aufgelöst, alle Gewissheiten zerstreut. Wer sagt denn, das Harlan wirklich mein Vater ist?
Hör auf, so was zu denken, sage ich mir.
Aber wer verbietet es mir? Wäre ich wirklich überzeugt, warum nehme ich den Gedanken dann so gerne an? Der Zweifel kommt nicht von außen; er war schon immer da.
Mir wird schwindelig. Ich will nicht mehr denken.

Sophia schreibt mir noch am selben Abend; wir machen einen Termin für den nächsten Tag aus. Gegen 6, irgendwo am Rand vom Bermuda-Dreieck, in einer Eckkneipe. Nicht zu förmlich, aber ruhig genug, dass man miteinander plaudern kann.
Am nächsten Tag fahre ich nach der Schule in die Innenstadt; mit der U35 kommt man bis zum Rathaus. Eine Gruppe Zwerge in orangen Jacken steht am Straßenrand und fegt das Laub zusammen. Zwei andere in Blaumännern stehen auf Klappleiter und montieren eine Lichtfassade, während Menschen um sie herumstreifen wie Ameisen in einem Bau.
Ich kaufe einen Nassrasierer, eine Packung Rasierschaum, zwei Waschlappen und eine Flasche Desinfektionsmittel; billiger als Aftershave.

„Du hast dich rasiert“, stellt Papa fest. „Sieht besser aus.“
„Musste mal sein.“
Sein Blick streift meinen halbleeren Teller. „Du isst gar nix.“
„Ich treffe mich gleich noch mit Freunden zum Essen.“
Papa nickt und schweigt; er sagt nichts, als ich mir die Jacke anziehe. Steht nur da, die Arme verschlossen, und sieht mich an. Er weiß es, denke ich. Harpen hat es ihm erzählt.
Ich will gerade nach der Klinke greifen, als sich eine Hand auf meinen Arm legt.
„Yarre“, sagt er und stoppt. Ich sehe ihm in die Augen; in seinem Kopf arbeitet es wie in einem Uhrwerk. Er öffnet den Mund, schließt ihn wieder. Langsam zieht er die Hand zurück.
„Du bist mein Sohn.“ Seine Stimme ist anders; beinahe brüchig. „Versprich mir, dass du das nicht vergisst.“
„Du …“
„Yarre …“
„Ich muss jetzt los“, sage ich und reiße die Tür auf. „Wir sehen uns morgen.“

Die U35 hat Verspätung. Komme bissl später, schreibe ich Sophia, lösche das zweite Wort und tippe stattdessen bisschen ganz aus. Ich will nicht, dass sie mich für ungebildet hält.
Wir treffen uns vor der Kneipe; es ist voll im Bermuda-Dreieck. Der Himmel ist knallig blau, Menschen treiben in alle Richtungen, Schulter an Schulter, ausgelassen. Lachen und Rufe verschlucken jedes andere Geräusch. Hin und wieder sieht man eine Gruppe Zwergenknirpse mit rosigen Backen und beschwipstem Grinsen, aber sie sind so klein, dass sie in der Masse untergehen. Es riecht nach Frittenfett und Currywurst; Menschen mit blau-weißen Schals ziehen durch die Straße. Ich glaube, Bochum spielt heute.
Sophia und Ruben warten vor der Kneipe. Sie sieht gut aus; sie hat die langen Haare gekämmt und zum Zopf gebunden; Zipfel von einem gelben Sommerkleid wehen ihr um die Knie.
„Hey“, sage ich, erstarre, weil ich nicht weiß, wie ich sie begrüßen soll. Ich strecke Sophia die Hand aus, aber anstatt sie zu nehmen, umarmt sie mich; sie riecht nach Lavendel und Süßholz.

Drinnen ist es ruhig; der Straßenlärm perlt an den Glasscheiben ab wie Regentropfen. Es ist eine echte Bochumer Eckkneipe; dunkle Holzmöbel, Biergeruch klebt an der Oberfläche. Im Fernseher läuft das Spiel, Bochum gegen Bayern München.
Wir setzen uns an einen kleinen Tisch am Fenster; Ruben und Sophia auf die eine Seite, ich gegenüber, den Rücken zur Tür. Außer uns ist niemand zu Gast; als die Bedienung kommt, um die Getränke aufzunehmen, bestellen wir das Essen gleich mit. Sophia entscheidet sich für eine Gemüsepfanne, Ruben nimmt ein Schnitzel mit Champignonrahm. Als er mich über der Karte grübeln sieht, lacht er.
„Schwierig zu entscheiden?“, fragt er.
„Es ist nur … etwas teurer, als ich dachte.“ Ich bin nicht oft auswärts essen; ich weiß, dass es nicht viel Geld ist, dass man an anderen Orten ganz andere Summen zahlt, aber bei den Preisen bekomme ich trotzdem Bauchschmerzen.“
„Nimm nur“, sagt Ruben. „Geht auf uns.“
„Wirklich?“
„Natürlich.“ Er lächelt. „Keine Sorge. Wir haben dich schließlich eingeladen.“
Ich werfe einen Blick in die Karte; wenn man sich die Preise wegdenkt, sieht sie auf einmal so viel ansprechender aus. Ich ignoriere, dass der Sesamburger mit Süßkartoffel-Pommes zwölf Euro kostet, bestelle und reiche dem Kellner die Karte.
„Danke, dass du gekommen bist“, sagt Sophia, nachdem der Kellner verschwunden ist. „Tut uns leid wegen gestern Abend. Wir wollten dich nicht bedrängen.“
„Ist schon gut“, sage ich. In meinem Kopf taucht Papa auf, wie er mir die Hand auf den Arm legt; wie er bittet, ihn nicht zu vergessen.
Ich nehme einen Schluck von der Cola. Mein Kopf läuft heiß; mir ist schlecht.
Es piept; Sophia zieht ihr Handy raus. Eine Nachricht. Sie zeigt sie Ruben; er nickt. Auf dem Bildschirmhintergrund ist ein Segelboot abgebildet.
„Schick”, sage ich.
Sophia lächelt. „Danke. Wir haben es selbst gebaut, letztes Jahr. Wenn Ruben mal Urlaub findet, wollen wir nach Dänemark segeln.”
„Du willst nach Dänemark”, sagt Ruben. „Ich will immer noch nach Holland.”
„Wie ist das so?”, frage ich.
„Segeln?”
„Rauszukommen.” Sie sehen mich an. „Ich hab Bochum noch nie verlassen”, sage ich. „Wie ist das so, auf Meer zu sein?”
Ruben und Sophia werfen sich einen Blick zu.
„Es ist windig”, sagt Sophia. „Und kalt. Eine Stunde auf dem Meer ist anstrengender als ein Tag auf Station, aber … wenn man am Ende des Tages schlafen geht, ist man auf eine Art erschöpft, die schön ist.” Und dann legt Sophia los; ich glaube, ich habe einen Nerv getroffen. Sie erzählt lange vom Segeln; die Hände zusammengelegt, den Blick eindringlich. Sie hat eine angenehme Stimme, denke ich. Sie erzählt von Häfen und Schiffen, von guten und schlechten Wetterlagen, wo sie schon mal war und wo sie noch hin möchte, und ich denke mir, dass es vollkommen egal ist, was sie mir da erzählt, solange sie nur nicht stoppt.
„Wenn es sich ergibt”, sagt Ruben, „könnten wir dich mal mitnehmen. Wenn du möchtest.”
„Sehr gerne”, sage ich schnell, stolpere über meine eigene Zunge. Das Meer klingt gut; ich sehe Sophia an. Sie lächelt.
„Darf ich euch was fragen?“, sage ich.
Die beiden nicken.
„Warum glaubt ihr, ich könnte euer Sohn sein?“
Sophia räuspert sich. „Meine Schwangerschaft, damals“, sagt sie, „kam ein wenig … überraschend. Wir waren noch jung; naja, zumindest jünger. Es ist schließlich achtzehn Jahre her. Ruben war auf Tournee und ich im Praktischen Jahr. Das ist eine Art Ganzjahrespraktikum für Mediziner“, sagte sie schnell, als sie meinen Blick sieht.
„Und?“
„Der Zeitpunkt für ein Kind war nicht richtig“, sagt Ruben und legt seine Hand auf Sophias Arm.
„Also was?“
„Wir haben es weggegeben. Es ging nicht anders“, sagt Sophia. „Wir wären einem Kind niemals gerecht geworden. Nicht damals.“
Ein Teil von mir denkt, dass das eine lausige Antwort ist. „Verständlich“, sage ich und nehme einen Schluck. „Und wie kommt ihr darauf, dass ausgerechnet ich euer Sohn sein könnte?“
„Weil ich das Kind hier in Bochum bekommen habe“, sagt Sophia. „Es gibt Programme, dass Kinder nach Geburt an Einrichtungen und Pflegefamilien gegeben werden, wenn die Mutter es möchte. Das nachzuverfolgen ist nur leider recht schwierig, weil darüber nicht Buch geführt wird. Also suchen wir nach einem Jungen, der am 12.9.2002 in Bochum geboren und in einem Heim oder einer Pflegefamilie aufgewachsen ist.
Das ist mein Geburtstag, denke ich. Mein Herz schlägt schneller.
„Die wichtigste Frage ist,“, sagt Ruben, „ob du es überhaupt wissen möchtest. Du musst das nicht heute entscheiden. Heute wollen wir uns nur kennenlernen. Wenn du aber möchtest, können wir einen Vaterschaftstest machen. Wir haben bisher mehrere machen lassen, aber keiner war positiv.“
„Aber wieso ich?“, frage ich. „Wie kommt ihr ausgerechnet auf mich?“
Sophia und Ruben sehen sich an. „Weil …“, sagt Ruben schließlich, „Yarre, du musst dich doch auch schon mal gefragt haben, ob das alles, naja … wahr ist.“
Ich denke an die Zwergeknirpse, die früher Rumpelstilzchen an unsere Hauswand gesprayt haben.
„Yarre“, sagt Sophia mit leiser Stimme, „er ist nicht dein leiblicher Vater. Er kann nicht. Glaub mir, wenn ich es sage. Zwerge und Menschen können keine gemeinsamen Kinder haben.“
Ich senke den Blick.
„So oder so“, sagt Ruben, „bleibt er ja dein Vater. Er hat dich aufgezogen.“
Ich nicke, schaue zum Fernseher; Bochum liegt zurück.
„Außerdem geht es darum heute nicht“, sagt Sophia und streicht sich über das Kleid. „Also, erzähl von dir.“
Das mache ich; achtzehn, fast Abi. Die meisten meiner Freunde sind Zwerge. Was wir machen? Chillen, meistens. Keine Freundin, nein, hat sich bisher nicht ergeben. Papa? Der ist Erfinder. Was er erfindet? Tiere. In seiner Werkstatt baut er kleine Maschinen, die aussehen wie Hunde oder Vögel, und dann verkauft er sie als Alarmanlagen an reiche Menschen, die in ihrem Garten einen falschen Labrador haben wollen. Viel Geld gibt das nicht, ne aber es reicht für Nudeln, und wer sich Nudeln und Fiege leisten kann, ist reich genug. Sagt Papa.
Ich bin so sehr ins Reden gekommen, dass ich gar nicht merke, dass noch jemand eintritt. Rubens Blick schweift ab; Sophia folgt mir noch einen Moment länger, dann löst auch sie sich. Ich drehe mich um.
Ein Junge hat den Laden betreten. Er ist groß; rote Haare, Sportlerstatur, eine Narbe am linken Nasenflügel.
Er ist Sophia wie aus dem Gesicht geschnitten.
Einen Augenblick lang steht er verloren herum; dann sieht er Ruben und Sophia, hebt schwach lächelnd die Hand und kommt näher.
„Hey“, sagt er. „Sorry, ich wollte nicht groß stören, ich, uhm …“, er zieht einen Brief aus der Jackentasche. „Ich hab Post bekommen. Der Test ist da.“

Wir treten zusammen hinaus; es regnet. Ruben bietet an, mich nach Hause zu fahren, aber ich lehne ab. Ich will einfach nur weg. Ich hebe die Hand zum Abschied. Sophia und der Junge umarmen sich; sie sieht nicht einmal auf, als ich gehe.
Der Regen ist stärker geworden; Tropfen bersten gnadenlos auf dem Asphalt. Die Straßen sind leer; aus den vollen Kneipen hört man jubelnde Rufe und Gesänge. Bochum hat gewonnen. Durch die Fenster sehe ich Menschen mit blauen Trikots, die sich in den Armen liegen. Heute ist eine Nacht zum Feiern, scheint mir. Eine Weile lang bleibe ich vor dem Fenster stehen und schaue ihnen zu, während mir der Regen das Gesicht hinabfließt. Meine Jacke ist aufgeweicht, die Jeans kleben an der Haut.
Ich sollte heimgehen.
Eine Straßenkreuzung später bleibe ich stehen; ich trete eine Papiertonne um. Zettel fallen in den Regen, weichen auf, schwimmen davon wie beschissene Segelboote. Ich weiß nicht, wohin ich will. Nur, wohin ich nicht will. Ich weiß nicht, ob ich Harlan jemals wieder unter die Augen treten kann. Ich wünschte, ich könnte einfach darauf warten, dass mich der Regen Schicht für Schicht abträgt; erst die Gedanken, dann den Rest.
Ich bin gekommen, um eine Mutter zu gewinnen, und habe einen Vater verloren.
Ich hätte eine Mutter haben können. Bei dem Gedanken schnürt es mir die Kehle zu; meine Augenlider brennen. Ich war so nah dran, denke ich, so nah.

Harpens Kiosk hat noch auf; der Regen spült den Geruch nach Pisse den Gully hinunter. Unter dem Abdach stehen drei Knirpse und rauchen Pfeife. Sie grüßen nicht, gaffen nur, als wäre ich eine Attraktion.
Drinnen sitzt ein gähnender Harpen, mit Ringen um den Augen, und hat den Kopf auf dem Arm gestützt. „Yarre!“, sagt er, als er mich sieht, und steht auf. „Gott sei Dank. Dein Vater hat überall nach dir gesucht.“
Ich nicke.
„Du siehst scheiße aus.“
Ich werfe einen Blick in die Scheibe vom Getränkeschrank; ein Leichnam starrt zurück. „Kommt hin“, sage ich. „Hast du Bier?“
Wortlos zieht Harpen eine Flasche aus dem Schrank und reicht sie mir. Ich suche in der Hose nach Kleingeld, aber er winkt ab.
„Passt“, sagt er; ich nehme die Flasche und sage leise: „Danke.“
„Dein alter Herr hat was dagelassen“, sagt Harpen. „Meinte, ich sollte es dir geben, falls du aufkreuzt.“ Er bückt sich, holt ein kleines Ding hinter dem Tresen hervor; es ist eine getigerte Katze. Sie ist stocksteif, als hätte man sie ausgestopft. „Was auch immer du damit anfangen sollst.“

Ich setze mich raus in die Bushaltestelle, wo mich Sophia gestern angesprochen hat, die Katze unter der Jacke, damit sie nicht nass wird; die drei Knirpse starren mir hinterher.
Der Metallsitz ist kalt, aber das ist mir egal; über mir schlagen Tropfen auf der Glasplatte auf. Meine Klamotten beginnen zu trocknen; ich merke es daran, dass sie noch stärker kleben als vorher. Vorsichtig ziehe ich die Katze hervor. Eine Zeit lang kraule ich sie im Nacken; dann drücke ich einen kleinen Knopf hinter dem linken Ohr.
Leben kommt in das Tier. Es springt vom Schoss und setzt sich vor mir hin; das Maul öffnet sich.
„Mein Junge“, kommt es aus der Katze; es ist Harlans Stimme. Sie spricht leise und schwer; unter dem Prasseln der Regentropfen kann man sie kaum verstehen. „Ich bin es. Ich wollte dich wissen lassen … naja, eigentlich nicht sehr viel. Also, … eigentlich habe ich mir einen kleinen Zettel geschrieben, einen Brief quasi, damit ich weiß, was ich dir sagen soll, also … ich versuche es mal. Ich bin nicht so gut mit Worten. Ich mache mir Sorgen. Komm nach Hause. Ich weiß nicht, wo du bist oder wie es dir geht, aber ich … ich weiß, dass du Fragen hast. Vielleicht wäre es klug, wenn ich dir alles früher erzählt hätte. Über … deine Mutter. Ich verstehe, dass du sie vermisst. Komm heim, bitte, dann reden wir über alles. Oder auch nicht, also, wie du willst. Das ist auch in Ordnung. Wir setzen uns einfach in die Werkstatt und ich stelle keine Fragen. Versprochen. Wenn du möchtest, bin ich noch dein Papa.“
Die Stimme erlischt; die Katze schließt das Maul. Einen Augenblick lang starrt sie zum Himmel; dann schleicht sie in die Nacht.
Fast hätte ich ihr hinterhergerufen, dass sie nicht gehen soll; ich will nicht alleine sein. Ich ziehe die Knie an, umschlinge sie.
Ich bin so dumm. Auf einmal bricht alles aus mir heraus.
Eine Zeit lang bleibe ich in der Bushaltestelle sitzen und weine still.
Harlan hat einen besseren Sohn verdient, denke ich mir. Wie kann ich noch mit guten Gewissen heimgehen? Wie kann ich Harlan nur unter die Augen treten und sagen, dass ich ihn liebe, wenn ich eine Stunde zuvor bereit war, all das einzutauschen? Für ein Segelboot und eine Mutter.
Eine Weile lang sitze ich da und denke nicht. Meine Beine fühlen sich wie aus Beton gegossen. Ich glaube nicht, dass ich sie heben kann.
Noch nie in meinem ganzen Leben ist mir etwas so schwer gefallen wie in diesem Moment. Einen Augenblick lang starre ich auf die Pfützen; dann kämpfe ich mich auf die Beine. Die Hose ist trocken; das Bier lasse ich an der Haltestelle stehen.
Mein Handy sagt, dass es kurz vor eins ist. Ich stecke die Hände in die Jackentasche und laufe los; bis nach Hause ist es nicht sehr weit.
Die drei Knirpse stehen noch immer unter dem Abdach. Einer zeigt auf einen Punkt in der Dunkelheit, den ich nicht erkennen kann. Sein Kumpel lacht und greift etwas vom Boden auf; einen Stein. Er holt aus und wirft.
Ich kneife die Augen zusammen und versuche zu erkennen, worauf er zielt.
Es ist die Katze; regungslos sitzt sie auf einer Mülltonne. Der Stein trifft sie an der Nase; lautlos fällt sie zu Boden. Einen Augenblick lang dreht sie den Kopf, schüttelt sich, springt dann wieder auf die Mülltonne. Ihr Gesicht ist zerquetscht; das Fell gerissen; etwas silbriges schaut hervor.
Die Knirpse reichen einander die Pfeife; ein anderer bückt sich, sucht nach einem Stein.
Mit schnellen Schritten gehe ich auf den Kiosk zu; Regen peitscht mir entgegen, als wollte er mich zurückhalten. Der Knirps, der den Stein geworfen hat, entdeckt mich, stupst seine Kumpel an; ich spanne den Arm an.
Papa hat immer gesagt, alles, was es braucht, ist einen guten Schlag. Ich treffe den Knirps seitlich am Bauch, zwischen Bauchmuskeln, Rippen und Hüfte. Da, wo die Leber sitzt.
Stumm fällt er hinten über; Überraschung steht in seinem Gesicht. Bevor seine Freunde sich wehren können, trete ich dem vorderen in die Brust. Er stolpert, sucht nach Halt, reißt seinen Freund mit. Ich packe den Steinwerfer am Kragen und schlage aufs Nasenbein, zweimal; Blut spritzt.
„Das ist Papas Katze“, sage ich.
Mein Gesicht explodiert; ich schreie auf, taumle zurück, die Hände verschränkt vor dem Kopf. Meine Nase fühlt sich an, als habe man sie in den Kopf gerammt. Ich beuge mich vorneüber; etwas tropft auf den Boden. Ich will schlucken, aber es geht nicht.
„Blöder Wichser!“ Einer der Zwerge hat ein Holzbrett in der Hand; sein Kumpel packt ein Fassadenrohr und reißt es von der Wand. Der dritte, der den Stein geworfen hat, dreht sich auf dem Boden, schlägt mit der Faust auf den Asphalt und stöhnt.
„Das ist das Milchgesicht“, sagt der Knirps mit dem Rohr. „Harlans Hurensohn.“
Ich bäume mich auf, werfe einen Blick über die Schulter. Die Katze sitzt noch immer auf der Mülltonne und schaut zu.
Die Kiosktür wird aufgerissen; Harpen tritt hinaus. „Was soll der Scheiß?“, ruft er. „Habt ihr den Verstand verloren?“
„Das Milchgesicht hat angefangen“, sagt der Zwerg mit dem Brett. „Hat Mikkel einfach umgeboxt.“
Harpen starrt erst den Zwerg, dann den sich krümmenden Mikkel und schließlich mich an. „Ist das wahr, Yarre?“, fragt er.
„Halt dich da raus.“
„Bist du übergeschnappt?“
„Er hat Recht, Harpen“, sagt der Zwerg mit dem Rohr. „Halt dich da raus.“
Die beiden teilen sich auf, versuchen, mich einzukreisen. Ich hebe die Fäuste; ich kann mich nur auf einen konzentrieren.
Harpen drängt sich dazwischen. „Es reicht!“
„Weg da, alter Mann.“
Der Zwerg mit dem Rohr packt Harpen an der Schulter und versucht, ihn aus dem Kreis zu ziehen; das ist meine Chance. Ich stürze mich auf den mit dem Brett; der hat damit gerechnet und holt aus. Ich ducke mich unter dem Brett hinweg und ramme ihm die Faust in den Kiefer.
Etwas trifft meinen linken Arm; ich schreie, springe einen Schritt zurück. Der Zwerg mit dem Rohr bückt sich, hilft seinem Freund auf. Wieder teilen sie sich auf. Ich winkle den getroffenen Arm an, hebe den rechten. Etwas tropft von meinem Kinn.
Ich wische mir mit dem gesunden Arm übers Gesicht; in der Dunkelheit wirkt das Blut schwarz. Der rechte Zwerg macht einen Schritt auf mich zu, das Brett im Anschlag, zögert, zuckt zurück.
Ein Schlag trifft mich an der linken Schläfe; der Schwung wirft mich um, ich stolpere, stürze mit dem Gesicht voran auf den Asphalt. Der raue Stein reißt die Haut auf; es fühlt sich an, als hätte man mein Gesicht durch eine Käsereibe gedrückt.
„Es reicht! Es reicht, verdammte Scheiße!“ Das ist Harpens Stimme. „Stopp!“
„Harpen, er hat …“
„Ich weiß!“
Irgendetwas klimpert. Ich schmecke Metall; mein Kopf fühlt sich an, als wäre er geplatzt. Mit der Hand greife ich zitternd zur Schläfe; meine Finger berühren eine scharfe Kante. Es ist warm.
„Wo ist das Bein?“
„Keine Ahnung, Harpen. Ich hab nicht drauf geachtet, ich …“
Es klatscht; Harpen hat dem Knirps eine Ohrfeige gegeben. „Du dummer Hurensohn!“
„Du …“
„Zu zweit gegen einen und das mit Waffen! Ihr blöden Wichser! Wenn der Junge stirbt, reiß ich euch den Arsch auf, darauf könnt ihr euch verlassen.“
Es wird still. Tropfen fallen auf meine Haut.
„Perloff, nimm Mikkel und bring ihn zu Magda. Sag ihr, ich schicke euch, dann lässt sie euch rein. Und du suchst gefälligst Yarres Bein!“
Jemand flüstert etwas; Harpen zischt eine Antwort. Schritte entfernen sich.
„Yarre?“ Es ist Harpens Stimme, direkt neben meinem Ohr.
„Hm.“
„Kannst du mich verstehen.“
Ich spucke aus.
„Bleib wach, ok? Ich rufe deinen Vater an.“
„Hm.“
„Nicht nötig, Harpen.“
Ich versuche, mein Gesicht zu drehen; die Stimme kenne ich.
„Harlan! Es tut mir leid, Mann, ich …“
„Alles gut.“
„Gut? Dein Junge stirbt!“
„Ich kümmere mich darum. Hast du eine Sackkarre?“ Seine Stimme klingt angenehm ruhig.
„Sackkarre? Harlan, verscheißerst du mich? Der Junge braucht einen Krankenwagen! Ihm fehlt ein Bein! Und Truhle hat ihm den Schädel eingeschlagen.“
„Wie gesagt, ich kümmere mich darum. Such das Bein, ich brauche es noch.“
Einen Augenblick Stille. Jemand räuspert sich. „Also gut. Truhle, geh hinten rum ins Lager und hol die Karre! Woher weißt du überhaupt, was …“
„Ich habe es durch die Katze gesehen.“
Schritte kommen näher. Eine Hand berührt meinen Nacken. „Oh, Yarre.“

Der Rest der Nacht vergeht wie ein Fiebertraum. Ich bin abwechselnd wach und weg; Harpen sagt, ich soll nicht schlafen, aber es fällt mir immer schwerer, die Augen offen zu halten. Nur einen Augenblick, denke ich. Nur kurz die Augen schließen. Zehn Sekunden auf, fünf geschlossen. Papa redet auf mich ein; ich glaube, er sagt so viel wie noch nie in seinem Leben, aber leider verstehe ich es nicht. Vielleicht verstehe ich es auch, aber vergesse es wieder. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen; als würden sie mir aus dem Kopf fließen, da, wo mich das Rohr getroffen hat.

„Wir sind da.“
Licht geht an; wir sind in Papas Werkstatt. Ich blinzle; das Sehen fällt mir schwer, aber es reicht, um zu erkennen, wie Papa etwas auf die Werkbank legt. Er fasst unter den Tisch; plötzlich surrt es. Ein Gestell fährt von der Decke. Es sieht aus wie ein übergroßer Kleiderbügel, nur aus Stahl und mit zwei langen Drahtseilen. Als das Gestell tief genug hängt, nimmt Papa die beiden Seile in die Hand und kommt auf mich zu.
„Das kriegen wir wieder hin.“ Ein Kribbeln breitet sich im Rücken aus. Wieder surrt das Gestell; ich werde hochgehoben.
„Ach, Junge”, sagt Papa leise. „Es tut mir leid.“ Hinter der Werkbank zieht er eine Trittleiter hervor; er baut sie vor mir auf und stellt sich auf die oberste Stufe, sodass wir auf Augenhöhe sind. Er sieht mich einen Augenblick lang an. „Ich schalte dich jetzt ab.“
Ich schüttle den Kopf. „Ich will nicht.“
„Sicher?“
Ich nicke.
„Ok. Ich hab nicht alles in deiner Größe da. Ein paar Teile habe ich nicht mehr ausbessern müssen, seit du noch ein Kind warst. Kann sein, dass die Gelenke ein wenig eng sitzen werden. Sag Bescheid, falls. Und der Beutel mit Tränenflüssigkeit ist geplatzt. Ich setze dir einen neuen ein.“
Als erstes löst er den Kiefer; mit einem winzigen Schraubschlüssel arbeitet er im Gesicht, löst Stellen, die ich nicht sehen kann, und wirft, was er nicht braucht, in einen kleinen Eimer neben der Trittleiter. Dann verschwindet er im Lager; mit drei kleinen Kisten kommt er zurück. Aus dem alten Kiefer löst er Zähne, Zunge und Gelenke, ersetzt sie durch neue und fixiert den Kiefer. Als er fertig ist, wischt er sich die verschmierten Hände mit einem Lappen ab.
„Sag was.“
„Ich möchte mich sehen.“

Aus dem Schlafzimmer holt Papa einen großen Spiegel und lehnt ihn so an die Trittleiter, dass ich einen guten Blick bekomme.
An zwei Seilen hängt ein junger Mann; die Schultern sind hochgezogen, der Kopf baumelt hinab, wie ein Raubvogel mit ausgebreiteten Schwingen. Die Lederjacke ist dreckig, die Hose aufgerissen. Blut klebt an Gesicht und Knöcheln. Es dauert einen Moment, bis mir auffällt, was mich stört; das linke Bein fehlt.
Vorsichtig neige ich den Kopf; wo mich das Rohr getroffen hat, prangt ein Loch in der Schläfe. Dahinter bewegen sich Zahnräder; milchig-blaue Flüssigkeit schwappt durch Glasröhren.
Mit verschränkten Armen steht Papa neben dem Spiegel. „Als ich sagte", murmelt er, „dass ich dich mit diesen Händen gemacht habe, meinte ich es ernst.“
Ich möchte lachen und weinen gleichermaßen. Auf einmal erscheint mir die Vorstellung, ich könnte der Sohn von Sophia und Ruben Lang sein, so unendlich lächerlich.
„Wie fühlst du dich?“
„Es ist so schön.“ Ich kann nicht aufhören, mich zu betrachten. All das ist nur eine Hülle, denke ich. Was ich jeden Tag im Spiegel sehe, ist nicht mehr als eine Verkleidung; ein Korsett aus Haut.
„Gib mir ein Messer.“

Papa löst die Drähte und setzt mich auf einen Stuhl, direkt vor dem Spiegel. Aus der Küche holt er Obstmesser. Vorsichtig schneide ich den linken Arm an; Papa verzieht das Gesicht.
Ich ziehe das Polymer in Streifen vom Arm, wie die Schale einer Banane; darunter liegt ein Drahtskelett. Kleine Schläuche mit milchblauer Flüssigkeit führen entlang des Arms, parallel zu etwas, dass mich an eine Hydraulikstange erinnert. Winzige Zahnräder greifen ineinander; dazwischen mattschwarze Kolben.
Ich balle die Faust; die Kolben pressen zusammen.
Eine Weile lang sagt niemand ein Wort; es gibt nur mich und meinen Körper. Ich entferne mehr Haut, erst die Arme, dann den Oberkörper, bewundere jedes Ventil, jede Schraube, jeden Bolzen und jedes Gelenk. Ich drehe die Schultern, hebe die Arme an und sehe im Spiegel, wie jeder Teil meines Körpers mitfließt. Ich bin eine Welle, denke ich; ein Meisterwerk. Ich habe Papa oft bei der Arbeit beobachtet, aber keines seiner Werke ist annähernd so genial entworfen wie ich es bin.
In meinem Kopf hat sich eine angenehme Ruhe ausgebreitet. Wenn mich nur Sophia und Ruben jetzt sehen könnten, denke ich. Wie konnte ich das hier nur eintauschen wollen.
Ich halte inne. Papa lehnt an der Werkbank, die Arme verschlossen, die Augen gesenkt.
„Papa?“
„Hm.“
„Warum bin ich kein … Zwerg?“
Er zupft sich am Schnurrbart; dann stützt er sich an der Bank ab und sagt mit leiser Stimme: „Ich wollte, dass du mehr aus dir machst als nur Altenbochum.“
„Aber …“
„In mir hat niemals jemand etwas anderes gesehen als einen Zwerg. Ich wollte, dass du es gut hast.“
„Selbst, wenn dich dafür niemand für meinen Vater hält?“
„Das war der Preis.“
„Aber warum hast du es mir nie gesagt?“
„Du musstest es selbst glauben.“
Ich starre auf meine entblößten Hände.
„Also“, sagt Papa. „Sollen wir dich wieder eintüten?“
„Nein“, sage ich. Die Vorstellung, Haut zu tragen, fühlt sich falsch an. Als würde ich mich unter einer Kapuze verstecken.
„Irgendetwas muss aber drauf. Sonst kommt Dreck ins Getriebe.“
Jemand hämmert gegen die Holztür. Papa hebt den Blick. „Verdammt.“
„Was …“
„Harlan!“, ruft eine Stimme von draußen. „Mach auf!“
„Wir müssen dich verstecken“, sagt Papa und packt den Stuhl. „Schnell. Die wollen Blut …“
Es kracht; ein Fuß bricht durch die Tür, verschwindet. Ein Arm schiebt sich durch das Loch, tastet nach der Klinke und zieht.
Licht fällt in die Werkstatt, blendet mich; ich halte die Hand vor mein Gesicht, aber die Strahlen scheinen hindurch. Vor unserem Haus stehen Zwerge; halb Altenbochum hat sich versammelt. Perloff und Thrule sind da; ich sehe Harpen in der Menge, die Arme verschlossen, die Miene versteinert. Ein dicker, breitschultriger Zwerg quetscht sich durch die Tür. Er trägt eine senfgelbe Hose, dazu ein Knopfweste. Sein Bart ist lang und aschweiß; in seiner Hand hält er einen Stab aus Kohle und Kupfer.
„Harlan!“, brüllt der Große Emiel. „Dein Sohn! Wo …“
Sein Blick fällt auf mich; er verstummt. Es wird still in der Werkstatt; kein Ton dringt von draußen.
Langsam kommt der Große Emiel auf mich zu; Ungläubigkeit liegt in seinem Gesicht. „Bei allen guten Göttern“, flüstert er und betrachtet die Hautstreifen zu meinen Füßen. Sein Blick wandert meine Beine hoch.
„Yarre?”, fragt er.
„Großer Emiel.”
Tuschelnde Zwerge drängen sich in die Werkstatt; als sie mich sehen, verstummen sie. Ich richte mich auf, wanke, greife nach der Stuhllehne. Ich habe das fehlende Bein vergessen.
Jemand schreit; eine Hand zeigt auf mein Bein. Ich erkenne Thrule in der Menge; er ist blass wie Schnee.
Harlan stellt sich vor den Großen Emiel und verschränkt die Arme. „Emiel.”
„Harlan.”
„Ich kann mich nicht erinnern, hereingebeten zu haben.”
„Was … ist das?”
„Mein Sohn. Und jetzt schlage ich vor, du verpisst dich.”
„Nach Zwergenrecht …”
„Nach Zwergenrecht ist das hier mein Grund und Boden.”
Emiel starrt Harlan an. „Du du hast einen Menschen gebaut,”, zischt er, „einen Menschen! Bedeutet es dir gar nichts, Zwerg zu sein?”
Jemand tuschelt; der Große Emiel dreht sich um. „Raus”, schreit er und klopft mit den Stab auf den Boden, „raus mit euch! Wer hat euch denn reingelassen?”
Schweigend verschwinden die Zwerge, werfen letzte Blicke hinein. Als wir alleine sind, drückt Emiel die Tür ins Schloss.
„Oh Harlan, wie konntest du …”
„Halt den Mund. Ich muss nachdenken.”
„Der Junge muss gehen. Sie wollen Blut, Harlan, und deins auch, wenn du dich gegen sie stellst. Einige der Jüngeren wollen deine Werkstatt niederbrennen. Ich hab sie beim Zündeln erwischt.”
„Also Exil?”
Emiel schweigt eine Weile. „Ich werde dich nicht nötigen. Um der alten Zeiten willen. Aber dieses Ding, Harlan, muss weg. Ein Mensch war schon viel. Das da geht nicht.”
Er sieht mich an. Ich erwidere den Blick.
„Na gut”, sagt Papa. Er sieht müde aus; Ringe umschließen seine Augen. „Gib mir Zeit. Ich muss packen und den Jungen reparieren.”
„Du hast bis zum Morgengrauen. Danach kann ich für nichts garantieren. Glück auf, Harlan.” Emiel geht.
Es wird still in der Werkstatt. Von draußen dringen Stimmen, aber sie sind dumpf und weit entfernt. Die Menge zerstreut sich.
„Es tut mir leid”, sage ich. Ich möchte weinen, aber der Beutel mit Tränenflüssigkeit fehlt noch immer. „Ich hab’s verkackt.”
Papa starrt auf den Boden; irgendwann zuckt er mit den Schultern. „Ja, hast du. Hat keinen Sinn, sich zu grämen. Setz dich auf den Stuhl, ich hol das Polymer.”
Schweigend sitze ich da. Papa verlegt Haut, ersetzt das kaputte Bein. Irgendwann steht er auf und dehnt den Oberkörper.
„Pack deine Sachen”, sagt er. „Und hol auch meine. In den Blumentöpfen hab ich Geld vergraben; sechs Beutel. Die brauchen wir auch.”
„Aber deine Werkstatt …”
„Scheiß auf die Werkstatt.”

„Also, wohin geht’s?”, fragt Papa.
„Nach Norden”, sage ich. Ich will das Meer sehen. Papa nickt; am Meer war er auch noch nie. Wir ziehen zwei Bustickets nach Hamm; als wir einsteigen, werfen die Menschen uns Blicke zu. Ein Zwergenvater und ein Menschensohn.
Sollen sie gaffen, denke ich. Sollen sie sich die Augen am Polymer wundstarren. Unter meiner Haut fließt Öl, Kolben schlagen in meiner Brust. Wenn ich die Augen schließe und mich konzentriere, kann ich sie arbeiten spüren. Das kann mir niemand nehmen.

 

Hey @Luzifermortus @Peeperkorn @The Dead Frog @dotslash @Detlev ,

danke euch allen für eure Kommentare. Tut mir leid, dass ich bisher nicht draufeingehen konnte. Aktuell habe ich alle Hände voll. Bin letzte Woche umgezogen, hatte meine mündliche Bachelor-Prüfung und stecke jetzt mittten im Semesteranfang. Ich will nicht lamentieren, nur fix sagen, dass ich euch nicht vergessen habe. Gerade bei so ausführlichen und professionellen Kommentaren wie dem von Peeperkorn will ich mir einfach Zeit nehmen.

Liebe Grüße und danke euch

Meuvind

 

Hallo Meuvind,

hat mir seht gut gefallen, deine Geschichte.
Habe direkt wieder vor Augen, als wir zusammen mit anderen Wortkriegern durch Bochum und am Rand des Bermuda Dreiecks spazieren waren. Die Zwerge müssen sich damals gut vor uns versteckt haben :-)

Ich habe nur eins zu kritisieren: Das mit den ausufernden Semikolons ... muss das sein? Fällt schon arg auf ...

Details:

„Schon gut, um ehrlich zu sein“, sagt Herr Lang und blickt seine Begleitung an, „wollen wir nichts kaufen.“
Das "um ehrlich zu sein" gehört ja zum zweiten Teil der wörtlichen Rede. Ich würde es daher so machen:
„Schon gut. Um ehrlich zu sein“, sagt Herr ...

sagt sie und schaut erst ihren Mann, dann Papa an
um einen besseren Blick auf das Ehepaar zu erhaschen.
Woher weiß er in dem Moment, dass es ihr Mann ist?

Ich beiße mir auf die Lippen; ich schiebe mich ein Stück weiter durch den Rahmen, um einen besseren Blick auf das Ehepaar zu erhaschen. Eine gewisse Ähnlichkeit ist schon da, denke ich; die roten Haare, das spitze Kinn. Ich weiß nicht, was ich in Papas Gesicht erwartet habe; Überraschung am ehesten, aber das ist es nicht; es ist ein Gesichtsausdruck,
Sind die Semikolons eigentlich Duden-geprüft? :-)

„Ich hab ihn gemacht, mit meinem eigenen Schwanz! Soll ich ihn dir zeigen? Glaubst mir nicht?“
Witzig.

„Verpisst euch von meinem Grundstück! Wenn ich dich nochmal hier sehe, schlag ich dir die Kniescheiben aus!“
euch ... dich.
Vorschlag: Wenn ich euch ...

Papa und ich am Kemnader See;
Herrlich, Lokalkolorit.

Altenbochum eine miese Kombination aus der Erkenntnis, man hätte es besser machen können, aber dem Unwissen, wie konkret.
Komma oder Doppelpunkt nach Altenbochum.
Und: Was ist an Altenbochum eigentlich so mies?

Jeder möchte sie als Bergarbeiter oder Türsteher, aber niemand als Nachbar.
Wieso eigentlich Türsteher? Passt doch genau so wenig wie später das Anbringen von Lichterketten. Verstehe denn Sinn/Witz nicht.

„Papa will dreimal Fiege.“
Ein paar Zeilen vorher hatte ich noch gedacht, da muss jetzt aber auch unbedingt Fiege kommen :-)

Das Letzte, was ich brauche, ist, von ganz Altenbochum mit zwei Milchgesichtern gesehen zu werden.
Wieso heißen die Menschen bei den Zwergen eigentlich Milchgesichter? Tragen die/alle Menschen keine Bärte oder sind sie immer sauber gewaschen, die Zwerge aber nicht?

Es riecht nach Frittenfett und Currywurst; Menschen mit blau-weißen Schals ziehen durch die Straße. Ich glaube, Bochum spielt heute.
Da fehlt nun aber der spezielle Verweis auf die Dönninghaus-Currywurst!
Wenn ich in Bochum bin, ist die immer ein Muss!

Ich werfe einen Blick in die Karte; wenn man sich die Preise wegdenkt, sieht sie auf einmal so viel ansprechender aus.
Klasse!

Und dann legt Sophia los; ich glaube, ich habe einen Nerv getroffen. Sie erzählt lange vom Segeln; die Hände zusammengelegt, den Blick eindringlich. Sie hat eine angenehme Stimme, denke ich. Sie erzählt von Häfen und Schiffen, von guten und schlechten Wetterlagen, wo sie schon mal war und wo sie noch hin möchte, und ich denke mir, dass es vollkommen egal ist, was sie mir da erzählt, solange sie nur nicht stoppt.
Schöne Zusammenfassung, ohne alles im Detail wortwörtlich zu bringen.

aus den vollen Kneipen hört man jubelnde Rufe und Gesänge. Bochum hat gewonnen.
Die Story spielt 2020, richtig? (Geboren 2002, 18 Jahre alt.)
Hast du das recherchiert, dass der VfL da gegen Bayern gespielt und gewonnen hat? Die letzten Siege waren 2022 und 2004. 2020 spielten sie in der 2. Liga ...

das Maul öffnet sich.
„Mein Junge“, kommt es aus der Katze; es ist Harlans Stimme.
Schön an die Maschinen-Sache angeknüpft.

Der raue Stein reißt die Haut auf; es fühlt sich an, als hätte man mein Gesicht durch eine Käsereibe gedrückt.
Irgendetwas klimpert. Ich schmecke Metall; mein Kopf fühlt sich an, als wäre er geplatzt. Mit der Hand greife ich zitternd zur Schläfe; meine Finger berühren eine scharfe Kante. Es ist warm.
„Wo ist das Bein?“
„Keine Ahnung, Harpen. Ich hab nicht drauf geachtet, ich …“
Es wird doch gar nicht geschrieben, dass er das Bein verloren hat ...
Spätestens da wird klar, dass er weder Mensch noch Zwerg ist, der Arme.

„Ich schalte dich jetzt ab.“
Ich schüttle den Kopf. „Ich will nicht.“
Scheint so, als er das schon kenne, schon im Unterbewusstsein wusste, dass er eine Maschine ist.

Er trägt eine senfgelbe Hose, dazu ein Knopfweste.
eine Knopfweste

Sehr schön. Hat was von Gepetto und Pinocchio.
Ist alles drin, was ein Fantasydrama braucht.
Ist zudem Stoff für etwas Längeres, eine Serie vielleicht. Würde mich sehr freuen.

Liebe Grüße,
GoMusic

 

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