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Palms Sonntag

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10.10.2006
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Palms Sonntag

Palms Laster mühte sich mit den Straßen ab. Wie Palm selbst war er alt, ein Fremdkörper im Organismus der Stadt; die Straßen wussten das, einfach hatten sie es ihm nie gemacht.
Palm hatte die Augen zusammengekniffen und steuerte den Laster durch den Regen. Er prasselte auf die Fahrerkabine, schlug gegen die Frontscheibe und rann als Erinnerung seine Kehle hinab.
Palm hatte dreißig Jahre lang von einem Wintergarten geträumt, in dem er warm liegen würde, nackt wie er auf die Welt gekommen war, von künstlichen Sonnen gestreichelt, während der Regen auf das Dach trommelte. Palm hatte davon geträumt, seit er wusste, was Hitzestrahler waren und Wintergärten. Früher hatte es in der Stadt einige Wintergärten gegeben. Er hatte auf zahllosen Touren vor ihnen gehalten, sie sich angeschaut und ab und an, wenn es gerade zufällig geregnet hatte, da war Palm aus seinem Laster gestiegen, unter einem Zaun hindurchgeklettert und hatte sich die Nase an der Scheibe plattgedrückt. Aber er war nie hineingegangen, es hätte nichts genutzt, Wintergärten hatten keine Hitzestrahler, nur seiner hätte einen gehabt. Und den hatte sich Palm nie leisten können. Die Lebenshaltungskosten waren zu hoch, Fleisch wurde Jahr um Jahr teurer, und Palm besetzte nur eine winzige Nische. Kaum jemand kannte sie, und wenn er gegangen war, würde auch niemand die Nische vermissen. Und außer ihm und dem Laster wusste keiner von seinem Traum. Mit Palm würde einiges sterben. Der Gedanke gefiel ihm.

Nick fiel die Decke auf den Kopf, besser: Die Wände um Nick kamen immer näher, noch genauer: Seine Freundin hatte die Wohnung derart mit Firlefanz zugestellt, dass ihm jede Luft zum Atmen fehlte. Nick schwamm auf dem Trockenen.
Ungefähr dreißig Zentimeter waren noch Platz zwischen Couch und Couchtisch. Letzte Woche waren es wahrscheinlich noch mehr gewesen, bis sie den Stuhl entdeckt hatte. Ein ockerfarbenes Ding, mit einer rückenschonenden Lehne. Sah aus wie die Phantasie eines kranken Gynäkologen. Hieß wahrscheinlich Olaf.
Nick kratzte sich über den Kinnbart und sah auf die Uhr. Sogar um sie herum hingen Bilder. Kunterbunte Gemälde, irgendwelche Kuben, Zylinder und Obst; man musste Angst haben, dass der Zeiger auf seinem Rundweg irgendwo gegenstoßen könnte.
Und sie beschwerte sich nicht einmal. Statt offen zu sagen: „Du bist ein Versager. Wenn du dich nur ein bisschen anstrengen würdest, könnten wir uns eine größere Wohnung leisten!“, kaufte sie ein und ein und ein.
Er brauchte den neuen Job, sonst würde er in zwei Wochen von einer Tischkante durchbohrt werden, ein splitternder, ockerfarbener Stuhl würde ihm durch die Bauchdecke wachsen, die Wohnung würde ihn auffressen.
„Schatz?“ Ihre Stimme, Nick rollte sich auf der Couch zusammen, doch die acht Kissen, die unter, neben, auf ihm, einfach überall waren, ließen ihn zu hoch liegen und sein Hintern schaute wohl raus wie ein Quietscheentchen in der Badewanne.
„Da steckst du also!“, sagte sie. Sagte es so, dass er sofort ein Bild im Kopf hatte. Sie: Ausbrechender Vulkan, Hände in den Hüften, mit diesem dichten Haar.
„Was machst du denn da auf Otto?“
„Ich hab die Fernsehzeitung gesucht“, murmelte Nick gegen ein oder zwei Kissen in seinem Mund. Er drehte sich unter Ächzen auf den Rücken und grinste sie an.
Sie betrachtete ihn misstrauisch, kniff sogar ein Auge zu, lächelte dann – Nick konnte ihre Zahnlücke sehen – und trommelte ihm mit zwei Fingern einen sanften Rhythmus auf den Bauch. Ihre Haare streichelten die Rückenlehne der Couch.
„Die Couch heißt Otto?“, fragte Nick.
Sie nickte, ihr Haar geriet in Wallung. Nick auch.
„Wie heißt er mit Nachnamen? Polyester?“
„Du! Scheusal!“, keifte sie und zwickte ihn in die Seite.
Nick rollte beim Versuch zu entkommen, nach rechts weg, wo er allerdings mit dem Kopf gegen den Couchtisch stieß.
„Hab ich dich!“, sagte sie und bohrte ihm die Fänge in den Rücken.

Palm hatte es nicht eilig. Man würde auf ihn warten, aber so wie man auf den Tod wartet. Geduldig und bar jeder Freude. Palm und sein Laster sahen sich in der Stadt um, kurvten alte Beuteplätze ab, doch die Wintergärten waren ausgestorben. Ein Relikt aus einer vergangenen Zeit. Das was einem Wintergarten heute noch am ähnlichsten kam, waren Gewächshäuser, doch die hatte Palm nie leiden mögen. Er schätzte Wintergärten und Regen, so etwas gab es heute nicht mehr.

Es war gar nicht so leicht gewesen, ein freies Stück Wand zu finden, gegen das Nick sie pressen konnte. Irgendwo zwischen Ben, dem Sideboard, und Linda, der Minibar, hatte er dann doch Platz gefunden. Sie, mit dem Rücken zu ihm, links auf Ben, rechts auf Linda gestützt, hatte ihren prallen Arsch dargeboten, Nick sich in ihren Haaren verloren.
Es hatte nicht lange gedauert. Sie ließ ihm keine Chance, wenn er „Stopp! Langsam, bitte langsam!“ flehte, presste sie sich noch härter um ihn, bis er sich vergoss.
Sie keuchte schwer unter ihm, Ben wackelte, Linda klirrte. Die Luft war drückend, wie beim Monsun, und als er sich die Unterhose hochzog, fühlte sich sein Schwanz glitschig und schwach an.
„Ich liebe das“, sagte sie. Ihre Wangen waren rot, sie stieg aus ihrer Hose, die er nur nach unten gezerrt hatte. „Puuuh“, machte sie. „Und jetzt koch ich dir was, ja? Meinem starken Torero.“ Sie strich mit ihren Krallen über sein Hemd. Er mochte es nicht, wenn sie ihn Torero nannte.
„Ich muss noch mal weg“, sagte Nick.
„Ach ja? Am Sonntag?“, fragte sie und zog sich ein Stück von ihm zurück, und ein Stück bedeutete, zurück zur Wand.
„Es muss sein“, sagte Nick. „Es kann doch so nicht weiter gehen, es muss sich was ändern.“
„Du machst mir Angst“, sagte sie. „Was hast du denn? Du bist so anders.“
Nick sagte: „Ist schon okay. Mach dir keine Sorge. Ich liebe dich.“
Er sah ihr noch einmal aufs Haar, dieses dichte, wirre Gestrüpp, dann drehte er sich um und ging.
„Es muss sich nichts ändern“, hörte er ihre Stimme. „Wir sind doch glücklich.“
Nick umkurvte zwei Hocker, eine Vase und drei Topfpflanzen auf dem Weg zur Tür, öffnete sie und stieg die Stufen hinab. Er machte das jetzt. Die Entscheidung war gefallen. Kein Zweifel, er war auf dem Weg nach oben.

Palm stieg die Treppen hinauf. Eine Hand am Geländer, Treppensteigen gefiel ihm, immer eine nach der anderen. Mit dem Ende vor Augen. Es war kein endloser Kampf gegen etwas, das man nicht sehen konnte. Man sah die Treppen, das Geländer, den Treppenabsatz. Das Ziel war immer da, man konnte mit Stolz den Kopf wenden, nach unten blicken und sagen: „Das habe ich schon geschafft.“ Ein Ende war abzusehen.

Nick wartete in einem Hausflur auf den Mann. Er tropfte, der Regen hatte ihn erwischt. Nick schob sich einen Kaugummi mit Zimtgeschmack in den Mund, fand dann aber, dass es keinen guten Eindruck machen würde. Vielleicht hätte er doch noch mit dem Rauchen anfangen sollen. Er bewegte seine Zehen in den Stiefeln, das sollte den Kreislauf auf Vordermann bringen. An viel mehr Bewegungsspielraum war er ohnehin nicht mehr gewöhnt.
Die Tür öffnete sich, Nick stockte der Atem, doch es war nur eine junge Frau, die schwer an ihrem Einkauf trug. Nicks Herz raste, als er ihr die Tür aufhielt und einen „Guten Tag noch“ wünschte.
„Hehe“, Nick fuhr herum, es roch nach Pergament. Unter ihm: Ein alter Mann, er ging ihm bis zum Kinn.
„Hehe, Sie sind wohl mein Sonntagstermin, hehe.“
Nick beschloss nichts zu sagen und nickte nur knapp, machte drei Schritte zurück und besah sich den Greis. Der war in einen grauen Mantel gehüllt, die Schultern hingen schlaff herab, das Gesicht war kalkig und zäh, die Augen blau, die Nase spitz.
„Lassen Sie mich ruhig vorgehen, falls ich falle, hehe, dann fall ich wenigstens weich“, sagte er und röchelte an ihm vorbei. Gebrechlich nahm er die Stufen, hielt sich mit einer Hand am Geländer fest, die so viele Adern hatte, dass man meinen konnte, eine Karte des Dreistromslands wäre dort tätowiert. Mit der anderen Hand umklammerte er einen Gehstock, ein pechschwarzes, dünnes Ding, den Knauf konnte Nick nicht sehen, der Alte hielt ihn umklammert. Statt zu atmen, lachte der Alte.
„Hehe“ - Tocktock, „Hehe“ – Tocktock. Damit stieg Nick die Stufen hinauf.

Palm war genug Stufen gelaufen, um sich etwas zu gönnen. Er griff in eine Tasche seines Mantels, nestelte drei Packungen Bifi heraus und strich die Verpackung ab. Das Abstreifen der Hülle war ein viel zu rituell-obszöner Vorgang für das Produkt. Palm saugte die drei Stangen in sich hinein. Das jodierte Salz trocknete seinen Mund aus, aber das Gefühl, wie die Brocken Fleisch seine Speiseröhre hinabglitten, machte das wieder wett.

„Hehe“ – Tocktock. „Hehe, was für Schlüsse haben Sie aus der Observation gezogen, junger, hehe, Freund?“
Nick wäre fast mit der Stirn gegen den Rücken des Alten gestoßen, so hypnotisch war der Rhythmus gewesen. „Nun“, sagte Nick, „er führt ein beschauliches Leben, er besucht niemanden und empfängt auch keinen. Die einzige Auffälligkeit ist sein Fleischkonsum, er isst ausschließlich Fleisch. Ohne Brot, ohne Sauce, ohne Beilage. Und auch kein Obst und Gemüse. Ich wundere mich, wie er so alt geworden ist.“ In seinem Kopf hatte das alles viel professioneller geklungen.
„Hehehehe“, machte der Alte. „Ja, wie er so alt geworden ist, hehe, aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Hehe. Was haben Sie sich dabei gedacht?“
„Am Anfang dachte ich, es wäre Ihr Bruder.“
Der Alte hielt inne, seine Hand verkrampfte sich ums Geländer. „Es ist ein Monster.“

Eine junge Frau öffnete Palm die Tür. Ihre Augen waren riesig, wie die einer saftigen Kuh. Das Salz hatte ihre Wangen aufgeraut.
„Palm, Tierverwertung“, sagte Palm, weil er die Erfahrung hatte, dass so etwas half.
„Oh Gott!“ Die Frau schluchzte und wurde zur Seite geschoben. Ein Mann, etwa in ihrem Alter, tauchte nun vor Palm im Türrahmen auf. Er verdrehte die Augen und flüsterte: „Sie hat ganz schön an dem Viech gehangen.“
„Er wird es doch gut haben?“, schluchzte die Frau.
Palm nickte.
„Wird es verbrannt?“, fragte der Mann.
Palm nickte.
„Ist nicht zu teuer, oder?“
„Oh Gott!“, schrie die Frau.

„Ein Monster?“, fragte Nick.
„Oh, hehe, nicht im übertragenen Sinne. Ein Monster wirklich. Das letzte Monster, möchte ich, hehe, meinen.“
„Was hat er getan?“
„Gegessen, hehe, gegessen vor allem.“ Tocktock. „Sie haben, möchte ich annehmen, hehehe, noch nie etwas von der Thule-Gesellschaft gehört, oder?“
„Nein“, sagte Nick.
„Ein Geheimbund, hehe, im dritten, hehe, ewigen Reich. Jeder kennt die Geschichten von der dicken Berta, hehe, und von Atomraketen, hehe. Aber der Endsieg sollte, hehe, noch durch ganz andere Dinge erreicht werden, hehe.“
„Dann ist er ein Nazi?“
Der Alte drehte sich zu Nick um, seine Augen füllten sich mit Flüssigkeit.
„Hehe“, machte er, drehte sich um und stieg die Stufen hinauf.

Palm folgte dem ungleichen Paar in ein Zimmer. Dort stand gegenüber einer blauen Rechenmaschine ein Terrarium, mit einer kleinen Burg und einem Schatzkistchen. Kies bedeckte den Boden, eine Schildkröte lag dort auf dem Panzer, hatte alle Viere von sich gestreckt und auch den keilförmigen Kopf.
„Ich wollte es abdecken“, sagte der Mann, „aber sie …“
„Du wolltest ihn das Klo runterspülen!“
„Unsinn, viel zu groß dafür. Hätte noch alles verstopft.“
„Wie kannst du nur!“
Palm lächelte matt, als er sich über das Terrarium beugte und mit einem Fingernagel über die Bauchdecke der Schildkröte ritzte. Du hast es überstanden.

„Verstehe“, sagte Nick. „Und sie bringen ihn zur Strecke.“
„Jaja“, antwortete der Alte. „Das ist meine Pflicht.“
„Und man verdient gut.“
„Hehehe“, sagte der Alte. „Man verdient, was einem zusteht.“
Nick hatte die Beträge gesehen, ein Konto war für ihn eingerichtet worden. Zwanzigtausend Euro, für die Arbeit von drei Wochen.
„Wer bezahlt Sie?“
„Hehe, junger Mann.“
Das war absurd, er war alt, uralt. Wie lange konnte er das noch machen?
„Haben Sie schon mal über einen Nachfolger nachgedacht?“
„Noch nie“, sagte der Alte.
„Dann ist es vielleicht an der Zeit, dass Sie sich zur Ruhe setzen.“
Der Alte erklomm die letzten Stufe und zeigte auf Palms Wohnungstür. „Ja, meine Zeit ist bald vorbei, aber seine auch, hehe. Die Zeit für Monster ist vorbei. Hehehehe.“

„Es ist nur eine Schildkröte! Schon das Wort. Kröte!“
Dann die Stimme der Frau: „Da denkt man, so ein Tier überlebt einen und dann.“
Geht man ein, dachte Palm und leckte den Finger ab, mit dem er den Bauch berührte hatte. Er sah aus dem Fenster und danach in das Terrarium. Wahrscheinlich zu wenig Sonne. Oder deine Zeit war einfach gekommen. Das Terrarium zu klein. Vielleicht an Einsamkeit gestorben.
„Sie werden nicht nach Stunden bezahlt, oder?“, fragte der junge Mann.
Palm hob das Tier hoch. „Sie bekommen eine Rechnung.“
„Kann ich mich noch von ihm verabschieden?“, fragte die Frau.
Der Mann schnaufte durch die Nase und ging.
Palm griff dem Tier unter den Kopf und schob ihn etwas nach oben.
Die Frau streichelte den rechten Hinterfuß der Schildkröte.
Einfach weiterexistieren zu müssen, ohne Sinn und Zweck. In einer Welt zu leben, die keine Verwendung mehr für dich hat, außer einer jungen Frau das Herz zu brechen.
„Es gibt eine Geschichte“, sagte Palm. „Ein Adler trug einmal eine Schildkröte in den Fängen und suchte nach einem Stein, so jagen Adler Schildkröten. Sie fangen sie, fliegen mit ihnen hoch und lassen sie dann aus größer Höhe auf einen Stein fallen.“
„Ich weiß“, sagte die Frau und lächelte. „Danke.“
Palm ging.

Nick schob den Nachschlüssel ins Schloss und öffnete die Tür zu Palms Wohnung. „Nach Ihnen“, sagte er.
Sogar die Spartaner hatten mehr Luxus gehabt. Ein Kühlschrank war das einzige elektrische Gerät, ansonsten nur Linoleumboden. Zwei Zimmer – leer, in der Küche der Kühlschrank und im Bad nur Zahnpflegeprodukte. Ein Paradies!
Der Alte legte den Kopf in den Nacken. Es knackte bedrohlich. Dann schnüffelte er und verwelkte friedlich vor sich hin. Seine Nase krächzte, als er die muffige Luft einsaugte.
„So nah war ich ihm noch nie“, sagte der Alte.
„Hören Sie“, sagte Nick. „Ich will das wirklich.“
„Was denn?“, fragte der Alte.
„Na, das was Sie machen. Ich will so werden wie Sie.“
Der Alte lachte, diesmal und zum ersten Mal aus dem Bauch heraus. Ein dürres Lachen, ganz ohne „E“s. „Warum haben Sie das denn nicht gleich gesagt?“
Der Alte nahm den Gehstock hoch und zog mit einem Griff das schwarze Holz ab. Ein Degen bohrte sich in Nicks Brust. Nick taumelte nach vorne, fasste dem Alten an die Schulter. Hart wie Stein.
„Es freut mich immer, wenn ich zu Diensten sein kann.“

Es regnete noch immer, Palm sah an jeder Ampel und bei jedem Stoppschild auf die tote Schildkröte am Beifahrersitz. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Bei einer besonders langen Rotphase, riss er sich das rechte Vorderbein ab und schlang es hinunter. Zwei Kreuzungen später war das linke dran und als er schließlich, drei Zwischenmahlzeiten später, vor seiner Wohnung hielt, schoben sich Palms Kieferknochen auseinander und nadelspitze Zähne kamen zum Vorschein. Palm biss dem Tier den Kopf ab, wetzte die Zähne am Panzer scharf, riss die Bauchdecke auf und saugte die Innereien in sich. Als sich sein Kiefer zurückgebildet hatte, lächelte er dem leeren Panzer zu. Du hattest doch einen Zweck. Du hast ihn nur nicht gekannt.
Müde schlich Palm die Stufen zu seiner Wohnung hoch.

Der Alte schritt unruhig auf und ab, stieg dabei immer wieder über Nicks Leichnam.
„Trottel“, sagte er und stieß der Leiche den Fuß in die Rippen.
„Hehehe“, machte er und strich seinen Stockdegen an Nicks Jacke sauber.
Der Alte sah aus dem Fenster in den Regen. Der Alte stellte sich vor Palms Spiegel und öffnete die Augen weit.
Draußen regnete es. Wie damals, als seine Brut entkam. Es hatte auch geregnet, als er den ersten getötet hatte. Über eine Frauenleiche hatte sich das Monster gebeugt, in die porzellanfarbene Kehle verbissen, war in eine Fressstarre gefallen. Das rote Haar der Frau war nass geworden im Regen. Triefnass. Und es hatte geregnet, als ihm der Lastwagen entgegenkommen war. Damals an dem Tag, als er gestorben war.
„Hehehe“, machte der Alte, als er den Schlüssel im Schloss hörte.

Palm öffnete die Tür und sah die Leiche des Mannes, der ihn die letzten drei Wochen beschattet hatte.
„Vater?“, fragte Palm.
„Nenn mich nicht so!“, hörte er aus dem Badezimmer.
Palm schloss die Tür hinter sich.
Der Alte stand mit einem funkelnden Degen vor ihm. „Verwandel dich, los!“
„Es tut mir leid, ich hab das seit zwanzig Jahren nicht mehr gemacht.“
„Wandel dich, Untier!“
Palm schwieg.
„Kein Feuer wärmt mich“, sagte der Alte. „Keine Speise nährt mich. Ich habe geschworen, euch zu finden und ich habe euch gesucht. Seit 60 Jahren such ich Euch, seit 50 bin ich tot. Autounfall, hehe, ’58 bei Kiel.“
„Ich hab mich nie versteckt“, sagte Palm.
„Ich dachte, es sei vorbei, aber es fing erst an!“
Palm schwieg.
„Ich habe geschworen, euch aufzuspüren und die Schuld zu tilgen, die ich auf mich geladen habe!“
„Ich werde nicht kämpfen“, sagte Palm.
„Wandel dich! Was warst du? Ein Alligator, nicht wahr, hehe?“
Der Alte tänzelte näher, sein Degen bohrte sich in Palms Schulter. Blut sickerte aus der Wunde.
„Ich will endlich meinen Frieden! Wandel dich!“
Der nächste Streich durchtrennte einige Muskeln an Palms Oberschenkel. Der nachfolgende erwischte ihn am Bauch. Palm ging auf die Knie, er spürte den Alten jetzt in seinem Rücken, der Degen drückte in seinen Nacken.
„Wandel dich! Lass es uns beenden!“, schrie der Alte.
Palm sagte: „Ich hab mich seit 20 Jahren nicht mehr gewandelt, nicht mehr seit ich bei den Weibchen lag und meinen Samen verströmte.“
„Was?“, schrie der Alte, doch Palm ruckte den Kopf nach hinten und der Stahl bohrte sich durch seinen Hals.
„Du lügst! Du warst der Letzte!“
Als Palm nach vorne sank, dachte er an Wintergärten und dass man eine Bestimmung haben konnte, ohne von ihr zu wissen.
„Der Allerletzte! Meine Schuld ist getilgt! Es ist vorbei.“
Und als Palms Kiefer auf den Boden schlug und als er die Stimme des Alten hinter ihm hörte, da dachte er noch, wie schlimm es sein musste, in einer Welt zu sein, ganz ohne Sinn und Zweck. Wenn man Monstern nachjagt, die es nicht mehr gibt.

„Du warst der Letzte!“, schrie der Alte Palms kalten Körper an. Lange, sehr lange, bis er sich aufrappelte, seinen Stockdegen nahm und nach draußen ging, in eine fremde Welt.

 

Stand letzte Woche schon mal hier, hab sie dann löschen lassen, überarbeitet, stell sie jetzt wieder ein und hab nur ein minimal schlechtes Gewissen bei, bevor irgendwelche Fragen kommen. ;)

 

Hey Quinn

Das ist also die Uuuuuh Uuuuuh - Geschichte. Fisch hat keine Ahnung, also mir hats nicht gefallen.
Ich kann dir auch nicht genau sagen, wieso. Es ist mir vielleicht einfach zu seltsam. Irgendwie ist alles zu sehr an den Haaren vorbeigezogen.
Erstens gefällt mir diese ganze Thule-Sache nicht.
Zweitens driftet das alles zu sehr ins Fantastische ab.
Drittens gefällt mir diese möchtegern-Philosophie von Palm nicht. Sinn und Zweck im Leben ... Blabla.

Du rückst auch noch viel zu spät mit dem Monster-Ding raus. Die ganze Zeit geht es um normale Menschen, plötzlich sind es Monster. Es ist so als würde ich einen Woody Allen Film gucken und plötzlich wird es zu einem Shyamalan Film.

Ehm, ich hoffe, du verstehst, was ich meine.

JoBlack

 

hi quinn,

meine kritik wird ein wenig wie deine geschichte, fürchte ich, nämlich ... hm ... lose gestrickt? :D Nun denn:

Technisch fand ich spannend, wie die Handlungsstränge abwechselnd verfolgt werden und wie sie dann doch ins Nichts führen. Das kann dem Text allerdings auch zum Nachteil erklärt werden: Offen an allen Seiten - da ziehts ganz schön durch ... :) Aber ich steh auf sowas, also von mir aus ein Segen.

Trotzdem entstehen manchmal inhaltliche Fragen - wiederum seltener als man bei dieser Art von Text erwarten würde - die dann irritieren. Zum Beispiel da, als sich Nick wie der Alte zu sein wünscht - Wieso? Hat der letztere eine größere Wohnung? ;)
(Es wird schon versucht, das mit dem Geld zu erklären - aber dann würde Nick sich ja wünschen, genauso reich zu sein, aber nicht genauso zu sein - klingt nach Pedanterie, ist es aber nicht! *g)

Starke Szenen sind enthalten: die Sexszene, die Begegnung des Alten mit Palm, auch die Wintergarten-Metapher und die vollgestopfte Wohnung als Bilder. Die Charaktere selbst sind mir doch nur angerissen, irgendwie mehr Ideen als Fleisch - vor Allem natürlich, weil die Beweggründe so ominös sind.

Gut ist, dass man 'weiter'spinnen kann, schlecht, dass das nicht nach vorne geht (wie geht es weiter?), sondern nach hinten halt :D, erklärend.

Gruß
Kasimir

 

Hey Quinn!

Fisch hat keine Ahnung ...
Doch, doch - sonst fänd ich die Geschichte doch nicht so gut. :)

Ja, also mir hat sie richtig gut gefallen. Palm, der Alte, Nick - alle sind sie irgendwie fehl am Platz und falsch in dieser Welt. Das Motiv zieht sich schön durch die gesamte Geschichte, und zwischen diesen Figuren hätte es ruhig noch mehr Begegnungen geben können. Ich hätte auch gerne von Palms vorangegangener Woche gelesen, in der er beschattet wurde. Eine Palm-Nick-Konstellation fändwäre doch äußerst reizvoll ...

Die Figuren find ich nämlich richtig gelungen: Palm, das Ubersoldat-Experiment, Relikt aus vergangenen Zeiten, ohne Sinn und Zweck, sehnt sich nach einem Ziel vor Augen, einer Aufgabe - und gleichzeitig nach dem Ende.
Mit dem Ende vor Augen. ... Man sah die Treppen, das Geländer, den Treppenabsatz. Das Ziel war immer da, man konnte mit Stolz den Kopf wenden, nach unten blicken und sagen: „Das habe ich schon geschafft.“ Ein Ende war abzusehen.
Wie er sich als Tierverwerter über Wasser hält - das hatte schon "American Gods"-Charme. Fand ich super. Ebenso die Andeutung mit den Wintergärten: Wo andere sich in den behaglichen Mutterleib zurückwünschen, da sehnt er sich in sein Inkubations ... dings.
Und fies befriedigend ist es ja dann auch, wenn er am Ende seine Aufgabe darin gefunden hat, dem Alten noch eine sinnlose Hatz aufgebürdet zu haben. Ich fand das alles rund und gelungen.

Nick ist auch irgendwie falsch in dieser Welt. Aus seiner eigenen wird er regelrecht herausgedrängt durch den Tinneff seiner Freundin. Allerdings: Der Wunsch, so zu sein wie der Alte, hätte noch etwas mehr motiviert werden können - und auch die Abstech-Szene konnte ich noch nicht in die für mich ansonsten organische Geschichte einordnen. Wenn Du mal eine 100-Seiten-Version der Geschichte schreibst, dann feil noch was an Nick und seiner "fehl am Platz"-heit herum.

Der Alte - der ist hier sowieso ganz falsch. Da muss man nicht mehr groß drauf eingehen. :D

Mir hat die Geschichte also richtig gut gefallen. Gute Figuren, gute Motive, guter Aufbau, guter Ton - einziger Haken für mich: Ich hätte gerne noch viel, viel mehr gelesen. :)

Kleinkram:

Blut floss klebrig heraus.
"klebrig fließen" gefällt mir nicht so. Wie wärs mit "hervor-" oder "heraussickern" oder sowas?

Der Alte sah aus dem Fenster, in den Regen, der Alte stellte sich vor Palms Spiegel und sah sich an. Draußen regnete es.
Hupps ... ist das Absicht, oder ein Folge des Umschreibens? Auf jeden Fall holpert's arg.

„Es gibt eine Geschichte“, sagte Palm. „Ein Adler trug einmal eine Schildkröte in den Fängen und suchte nach einem Stein, so jagen Adler Schildkröten. Sie fangen sie, fliegen mit ihnen hoch und lassen sie dann aus größer Höhe auf einen Stein fallen.“
„Ich weiß“, sagte die Frau und lächelte. „Danke.“
Das hab ich nicht kapiert; inwiefern ist das eine tröstende Geschichte? Warum lächelt die Frau? Möh?

Geht man ein, dachte Palm und leckte den Finger ab, mit dem er den Bauch berührte hatte.
Da werden doch so langsam die Monsterschatten vorausgeworfen! Nur, falls sich nochmal jemand beschwert. :)

„Gegessen, hehe, gegessen vor allem.“.“ Tocktock.
Irgendwas ist da überflüssig.

Jau, das war's auch schon. Hat Spaß gemacht! :)

Bis denne,
Nick, der Fisch

 
Zuletzt bearbeitet:

Das ist wohl eine Sorgenkind-Geschichte.

Hey Jo,

Ich kann dir auch nicht genau sagen, wieso. Es ist mir vielleicht einfach zu seltsam. Irgendwie ist alles zu sehr an den Haaren vorbeigezogen.
Erstens gefällt mir diese ganze Thule-Sache nicht.
Zweitens driftet das alles zu sehr ins Fantastische ab.
Drittens gefällt mir diese möchtegern-Philosophie von Palm nicht. Sinn und Zweck im Leben ... Blabla.
Na ja, die Thule-Sache ist halt nur so Plotschmiermittel, die ist wirklich nicht toll gelöst, oder so Der Rest ist schon wichtig.

Du rückst auch noch viel zu spät mit dem Monster-Ding raus. Die ganze Zeit geht es um normale Menschen, plötzlich sind es Monster. Es ist so als würde ich einen Woody Allen Film gucken und plötzlich wird es zu einem Shyamalan Film.
Die Andeutungen gibt's eigentlich fast in jedem Palm-Absatz, mit der Zeit werden sie deutlicher. Klar, das sollte halt auch den Reiz ausmachen.

Danke dir für die Kritik
Quinn

Hey Kasimir,

Technisch fand ich spannend, wie die Handlungsstränge abwechselnd verfolgt werden und wie sie dann doch ins Nichts führen. Das kann dem Text allerdings auch zum Nachteil erklärt werden: Offen an allen Seiten - da ziehts ganz schön durch ... Aber ich steh auf sowas, also von mir aus ein Segen.
Ich schreib auch gern mal so, obwohl die Geschichte ja schon auf ein Ende zusteuert, vielleicht nicht so präzise wie man es sonst gewöhnt ist, sondern eben in der ständigen Spiegelung.

Trotzdem entstehen manchmal inhaltliche Fragen - wiederum seltener als man bei dieser Art von Text erwarten würde - die dann irritieren. Zum Beispiel da, als sich Nick wie der Alte zu sein wünscht - Wieso? Hat der letztere eine größere Wohnung?
Ja, das ist in der Tat ein Schwachpunkt der Geschichte. Da hab ich auch keine Ausrede parat.

Starke Szenen sind enthalten: die Sexszene, die Begegnung des Alten mit Palm, auch die Wintergarten-Metapher und die vollgestopfte Wohnung als Bilder. Die Charaktere selbst sind mir doch nur angerissen, irgendwie mehr Ideen als Fleisch - vor Allem natürlich, weil die Beweggründe so ominös sind.
Das mit den Szenen freut mich, die Charaktere ... hmja. Vielleicht zu mysteriös, auch für mich.

Gut ist, dass man 'weiter'spinnen kann, schlecht, dass das nicht nach vorne geht (wie geht es weiter?), sondern nach hinten halt , erklärend.
Das würd ich nie als "schlecht" bezeichnen; ich mag Geschichten, die nach hinten gehen. Idealerweise sollten sie nach vorne und hinten gehen, gut, hier eher nach hinten als nach vorne, das stimmt schon. Kluger Gedanke.

Danke dir für deine Kritik
Quinn

Hey Fisch,

ach, dir hat's wenigstens gefallen, da war's nicht gänzlich umsonst (gut, das ist es nie; was dabei gelernt hab ich hoffentlich auch)

Die Figuren find ich nämlich richtig gelungen: Palm, das Ubersoldat-Experiment, Relikt aus vergangenen Zeiten, ohne Sinn und Zweck, sehnt sich nach einem Ziel vor Augen, einer Aufgabe - und gleichzeitig nach dem Ende.
So war er gedacht, ja. Als fleischgewordene Karikatur wie der Vampir in Die Weisheit der Krokodile.

Und fies befriedigend ist es ja dann auch, wenn er am Ende seine Aufgabe darin gefunden hat, dem Alten noch eine sinnlose Hatz aufgebürdet zu haben. Ich fand das alles rund und gelungen.
Das ist für mich der Kernpunkt der Geschichte. Dass er das, was er selbst am meisten verabscheut, dem anderen, der an der ganzen Misere Schuld ist, dann noch mitgeht. Ich fand den Gedanken wirklich gut, dass der Alte bis in alle Ewigkeit weiter der Karotte am Stiel nachjagt, nur dass keine Karotte mehr da ist.

Nick ist auch irgendwie falsch in dieser Welt. Aus seiner eigenen wird er regelrecht herausgedrängt durch den Tinneff seiner Freundin. Allerdings: Der Wunsch, so zu sein wie der Alte, hätte noch etwas mehr motiviert werden können - und auch die Abstech-Szene konnte ich noch nicht in die für mich ansonsten organische Geschichte einordnen. Wenn Du mal eine 100-Seiten-Version der Geschichte schreibst, dann feil noch was an Nick und seiner "fehl am Platz"-heit herum.
Ja, das gefällt mir auch alles nicht so, er wird dann nach den ersten zwei Szenen zum Stichwortgeber, dass der Alte mit Informationen rausrückt. Da lagen die Fehler schon in der gedanklichen Konzeption, bevor ich das erste Wort geschrieben hab.

Danke dir für deinen Kommentar! Die Anmerkungen arbeite ich noch ein!
Quinn

P.S.: Ah! Hier, fisch, genau. Die Adler-Schildkröten-Geschichte. Das ist eine bekannte Anekdote! Der größte Einfluß, den je eine Schildkröte auf die Weltgeschichte nahm. Der Adler hat den Glatzkopf von Aischlyos mit einem Stein verwechselt.
Das Äquivalent in der heutigen Zeit wäre wohl von "blauem" Eis erschlagen zu werden.

 

Hallo Quinn,

Wie verschieden doch die Geschmäcker sind. Mir jedenfalls hat diese vor quinnscher Bizarrerie triefende Geschichte ausnehmend gut gefallen. Die Charakterisierung der Figuren ist dir hier prächtig geglückt, besonders die Sache mit Palm und seinen Wintergärten gefiel mir.
Und Thule-Gesellschaft ist doch irgendwie immer nett... Bei dem Alten musste ich ständig an diesen Attentäter aus dem Film "Hell Boy" denken, wenn dir das was sagt. :D
Man könnte sich natürlich fragen, ob Nick den ganzen Raum verdient, den du ihm einräumst, denn zur eigentlichen Handlun trägt er nicht viel bei - andererseits geht es hier ja wohl nicht hauptsächlich um die Handlung und von daher... passt das wohl schon irgendwie.

Einzelheiten:

Die Lebenserhaltungskosten waren zu hoch
Ich denke, man würde wohl eher von "Lebenshaltungskosten" sprechen.

Du hattest doch noch einen Zweck. Du hast ihn bloß noch nicht gekannt.
Eine wirkliche Begründung dafür zu finden, würde wohl langes Nachdenken erfordern, aber mir gefiele die Stelle besser, wenn du das "noch nicht" durch ihn "nie" ersetzen würdest.

„Kein Feuer wärmt mich“, sagte der Alte. „Keine Speise nährt mich. Ich habe geschworen, euch zu finden und ich habe euch gesucht. Seit 60 Jahren such ich Euch, seit 50 bin ich tot. Autounfall, hehe, ’58 bei Kiel.“
Das die Stelle sehr "für den Leser" ist, will ich gar nicht mal monieren. Aber für mich nimmt der Alte hier einen unpassenden Ton an: Vorher wirkte er, mit seinen kurzen Sätzen und dem ständigen "hehe" so richtig geistig zerrüttet. Die Stelle aber wirkt, mit ihrem zusammenfassenden Charakter, ganz anders - und auch das "Kein Feuer wärmt mich, keine Speise nährt mich" kommt zu poetisch rüber. Vielleicht könntest du ihn hier etwas fragmentarischer formulieren lassen.

Das war's auch schon und wie gesagt: Sehr gute Geschichte.


Gruß,
Abdul

 

Hey Abdul,

Wie verschieden doch die Geschmäcker sind. Mir jedenfalls hat diese vor quinnscher Bizarrerie triefende Geschichte ausnehmend gut gefallen. Die Charakterisierung der Figuren ist dir hier prächtig geglückt, besonders die Sache mit Palm und seinen Wintergärten gefiel mir.
Das freut mich sehr, dass mit der Geschichte noch wer was anfangen kann. Ist für mich schon auch sowas, mit dem ich länger im Kopf rumgerannt bin. So dieser Abgesang auf die ausgemusterten Monster.

Und Thule-Gesellschaft ist doch irgendwie immer nett... Bei dem Alten musste ich ständig an diesen Attentäter aus dem Film "Hell Boy" denken, wenn dir das was sagt. :D
Jap, sagt mir was. Ich hatte so einen "grauen Mann" im Kopf.

Man könnte sich natürlich fragen, ob Nick den ganzen Raum verdient, den du ihm einräumst, denn zur eigentlichen Handlun trägt er nicht viel bei - andererseits geht es hier ja wohl nicht hauptsächlich um die Handlung und von daher... passt das wohl schon irgendwie.
Ja, stimmt schon. Es ist auch keine rein Handlungsgetriebene Geschichte, die geradlienig Spannung erzeugen will, sondern mehr getragen dann, glaub ich auch, mit diesen Motiven. Und Nick ist ja auch jemand, der "keinen Platz" mehr hat.

Das die Stelle sehr "für den Leser" ist, will ich gar nicht mal monieren. Aber für mich nimmt der Alte hier einen unpassenden Ton an: Vorher wirkte er, mit seinen kurzen Sätzen und dem ständigen "hehe" so richtig geistig zerrüttet. Die Stelle aber wirkt, mit ihrem zusammenfassenden Charakter, ganz anders - und auch das "Kein Feuer wärmt mich, keine Speise nährt mich" kommt zu poetisch rüber. Vielleicht könntest du ihn hier etwas fragmentarischer formulieren lassen.
Ja, ich geb dir Recht. Es sollte in der Szene dann eben auch so ein großer Schlußakkord werden, melodramatisch, wie auswendig gelernt. Und das fragmentarisch Wahnsinnige gegenüber Nick sollte dann ein wenig abfallen. Klar, ist das wahnsinnig "Für den Leser"; daran krankt die Geschichte auch, dass weite Teile der Vorgeschichte komplett in meinem Kopf und im Rückblick des Alten sind und nicht erzählt werden; das ist immer sowas, das hab ich schon häufiger überlegt, in die Geschichte hätte das einfach nicht reingepasst, da hätte ich eigentlich eine zweite schreiben müssen; komplett aus der Sicht des Alten, die dann - was weiß ich - 33 bis 55 spielt und die Vorgeschichte zu der dann hier liefert. Nur wären das dann leider Geschichten, die ich kaum schreiben und wahrscheinlich noch weniger lesen wollten. Aber diese Idee mit mehreren Kurz-Texten, die sich dann zusammen ergänzen, reizt mich schon sehr.
Wenn ich irgendwann mal die Werkatzen fertig hab, wird eh alles anders! :D

Danke dir für deine Kritik und auch für die Anmerkungen; freut mich echt, dass du was mit anfangen konntest
Quinn

 

Hallo Quinn!

Ja, sehr seltsame Geschichte, ich weiß nicht, ob es das Fehl-am-Platz-sein der Figuren ganz trifft. Fisch hat schon Recht, die sind alle fehl am Platz, aber es ist noch mehr, sie folgen alle einem starken inneren Willen oder einer bestimmten Moral, die aber durch nichts motiviert erscheint und die vor allem ziellos ist, was sie antreibt, zu Gutem oder zu Bösem, bleibt im Dunkeln. Da ist einmal Palm, das Monster, das überhaupt nicht mehr monstrig ist, das sich total gezügelt hat, nur mehr totes Fleisch frisst, wieso ist der so gut, so einfühlsam (bei der Szene mit der Frau)? Der sich töten lässt, weil er weiß, dass er was Falsches ist, da ist Nick, der gerne wie der Alte wäre, aber wieso eigentlich? Seine Freundin sagt doch, es muss sich nichts ändern und dass sie glücklich wären. Klar, Nick glaubt, dass er dort einen Haufen Geld holen kann, dass er seine Geldsorgen los wäre, aber dieser Alte ist doch derart unsexy und grauslich. Und dann der Alte, er hat die Monster in die Welt gesetzt und er tötet sie auch wieder, wieso eigentlich? Der hat doch keine Skrupel, Nick zu töten, kann ihm doch scheißegal sein, wenn die Monster weiter getötet hätten. Der Alte ist ein schwarzes Loch, das jeden Sinn aufsaugt, das hat nichts mehr mit "Fehl-am-Platz-Sein" zu tun, das geht weit darüber hinaus.
Ja, es scheint alles irgendwie zu zerflattern, kein Sinnzentrum zu bilden. Ich glaube ja, das du da bei den Figuren auch ein bisschen das Monstermotiv variierst. Sogar die Dinge werden zu lebendigen Monstern, die Straßen haben etwas gegen Palm und seinen Laster, die Einrichtungsgegenstände in Nicks Wohnung, die ja auch Namen haben, werden ihn bald auffressen und verdrängen, wie er vermutet. Bis hin zur Freundin Nicks, die ja "ihre Fänge in seinen Rücken" schlägt. Man könnte sagen, selbst wenn der Alte alle Monster getötet hat, das Prinzip des Monstertums bleibt in der Welt.

Etwas, was die Geschichte noch zusammenhält, ist die animalische Kennzeichnung der Figuren, das kommt schon sehr gut, vor allem die Gier nach Fleisch bei Palm, und das Atmen des Alten, das ist sehr sinnfällig.

Man findet als Leser kaum einen Anschluss, also leserfreundlich ist das auch nicht! ;) Ein bisschen gestört hat mich auch in den Szenen zwischen Nick und seiner Freundin, dass du dir gewisse Kalauer nicht verkneifen kannst, z.B. das mit der Quietschente, das muss echt nicht sein. Auch wirkt die Sexszene etwas wie ein Fremdkörper in der Geschichte als Ganzes, aber gut die Freundin als Sexmonster ...

Palms Laster mühte sich mit den Straßen ab. Wie Palm selbst war er alt, ein Fremdkörper im Organismus der Stadt; die Straßen wussten das, einfach hatten sie es ihm nie gemacht
Alles wird als lebendige Wesenheit gesehen, der Laster, die Stadt, die Straßen
Palm hatte die Augen zusammengekniffen und steuerte den Laster durch den Regen
"den Laster" könntest du einfach weglassen
Nick kratzte sich über den Kinnbart und sah auf die Uhr. Sogar um sie herum hingen Bilder. Kunterbunte Gemälde, irgendwelche Kuben, Zylinder und Obst; man musste Angst haben, dass der Zeiger auf seinem Rundweg irgendwo gegenstoßen konnte.
warum "sogar"? Ist doch nicht ungewöhnlich, dass um eine Uhr herum Bilder hängen. Und unbedingt Konjunktiv am Ende: könnte
Er brauche den neuen Job, sonst würde er in zwei Wochen von einer Tischkante durchbohrt werden, ein splitternder, ockerfarbener Stuhl würde ihm durch die Bauchdecke wachsen, die Wohnung würde ihn auffressen.
brauchte; wieder wird etwas Totes als etwas Lebendiges angesehen, die Wohnung, die ihn frisst, auch haben ja die Einrichtungsgegenstände alle Namen
Treppensteigen gefiel ihm, immer eine nach dem anderen
immer eine nach der anderen
Dann ist es vielleicht an der Zeit, dass sie sich zur Ruhe setzen.
groß: Sie
„Na, das was sie machen. Ich will so werden wie Sie.“
groß, das erste Sie
Der Alte stand mit einem funkelnden Degen vor ihm. „Verwandel dich los!“
Komma: ... dich, los!
Ich habe geschworen Euch aufzuspüren
klein: euch

Ja, hat mir gar nicht so schlecht gefallen! :p

Gruß
Andrea

 

Hallo Andrea,

Ja, sehr seltsame Geschichte, ich weiß nicht, ob es das Fehl-am-Platz-sein der Figuren ganz trifft. Fisch hat schon Recht, die sind alle fehl am Platz, aber es ist noch mehr, sie folgen alle einem starken inneren Willen oder einer bestimmten Moral, die aber durch nichts motiviert erscheint und die vor allem ziellos ist, was sie antreibt, zu Gutem oder zu Bösem, bleibt im Dunkeln.
Ich weiß nicht, ob hier eine klare Teilung von Gut und Böse wirklich gefragt ist. Sie sind glaube ich alle 3 nicht komplett so. Nick wirkt ja wie ein netter Kerl, hat aber auch kein Problem damit zum eigenen Vorteil einen völlig Fremden ans Messer zu liefern.
Palm kommt harmlos daher, ist sogar der Frau gegenüber - wenn auch unbeholfen - freundlich, frisst dann aber die tote Schildkröte und tja, verdammt den Alten am Ende zu einem sinnlosen Leben.
Und der Alte ... hm, ja. Ich glaub da hat der Zweck mittlerweile jedes Maß verloren. Die ehemals gefasste Tat wird ihn kaum noch interessieren oder die Motivation dafür, er will es nur endlich fertig kriegen, und seine Ruhe haben. Und auch wenn das Motiv vor 60 Jahren mal gut gewesen sein mag; mittlerweile ist er einfach fertig, glaub ich.

Da ist einmal Palm, das Monster, das überhaupt nicht mehr monstrig ist, das sich total gezügelt hat, nur mehr totes Fleisch frisst, wieso ist der so gut, so einfühlsam (bei der Szene mit der Frau)?
Weil er wohl sowohl die Einsamkeit als auch den Verlust kennt. Er ist der "Letzte seiner Art", wie der Alte sagt. Er wird also schon einiges verloren haben.

Der sich töten lässt, weil er weiß, dass er was Falsches ist, da ist Nick, der gerne wie der Alte wäre, aber wieso eigentlich? Seine Freundin sagt doch, es muss sich nichts ändern und dass sie glücklich wären. Klar, Nick glaubt, dass er dort einen Haufen Geld holen kann, dass er seine Geldsorgen los wäre, aber dieser Alte ist doch derart unsexy und grauslich.
Ja, das mit Nick war ein mißlungener Taschenspielertrick von mir. Dass man so sagt: Ich will sein, was sie sind! (In Bezug auf den Beruf) Dass er sich nur ... unpräzise ausgedrückt hat, und der Alte das dann als Gelegenheit nutzt, um seinen Mord so ein bisschen moralisch zu rechtfertigen. Aber er weiß ja nichts über den Alten, er will bestimmt nicht unsexy und grauslich werden, sondern seine gut dotierte Position erben.

Und dann der Alte, er hat die Monster in die Welt gesetzt und er tötet sie auch wieder, wieso eigentlich? Der hat doch keine Skrupel, Nick zu töten, kann ihm doch scheißegal sein, wenn die Monster weiter getötet hätten. Der Alte ist ein schwarzes Loch, das jeden Sinn aufsaugt, das hat nichts mehr mit "Fehl-am-Platz-Sein" zu tun, das geht weit darüber hinaus.
Ja, der Alte ist fertig. Ich denke fast, es ihm mittlerweile tatsächlich scheißegal, dass sie weitertöten, aber er kommt halt nicht mehr raus. Er muss das zu Ende bringen, bevor er aufhören darf, zu existieren. Und seine Existenz scheint ja, wie aus den Beschreibungen rauszulesen ist, nicht gerade Lustwandeln im Rosengarten zu sein.

Ja, es scheint alles irgendwie zu zerflattern, kein Sinnzentrum zu bilden. Ich glaube ja, das du da bei den Figuren auch ein bisschen das Monstermotiv variierst. Sogar die Dinge werden zu lebendigen Monstern, die Straßen haben etwas gegen Palm und seinen Laster, die Einrichtungsgegenstände in Nicks Wohnung, die ja auch Namen haben, werden ihn bald auffressen und verdrängen, wie er vermutet. Bis hin zur Freundin Nicks, die ja "ihre Fänge in seinen Rücken" schlägt. Man könnte sagen, selbst wenn der Alte alle Monster getötet hat, das Prinzip des Monstertums bleibt in der Welt.

Etwas, was die Geschichte noch zusammenhält, ist die animalische Kennzeichnung der Figuren, das kommt schon sehr gut, vor allem die Gier nach Fleisch bei Palm, und das Atmen des Alten, das ist sehr sinnfällig.

Man findet als Leser kaum einen Anschluss, also leserfreundlich ist das auch nicht! ;) Ein bisschen gestört hat mich auch in den Szenen zwischen Nick und seiner Freundin, dass du dir gewisse Kalauer nicht verkneifen kannst, z.B. das mit der Quietschente, das muss echt nicht sein. Auch wirkt die Sexszene etwas wie ein Fremdkörper in der Geschichte als Ganzes, aber gut die Freundin als Sexmonster ...

Der Freund der Schildkröten-Tante auch, klar. Die Schildkröte sogar, ein Tier, ein wirklich irgendwie echsenhaftes Viech, da ausgestellt und geht drauf. Boah, Kalauer mit der Quietscheentchen. Ich find Nick wirkt dadurch menschlich. ;) Ich find auch die Szene, wenn Palm da die Bifi futtert, irgendwie menschlich. Ich mag das kontrastieren schon gerne; man kann doch sowas auch nicht mit einem Bierernst erzählen. Es ist doch schon melancholisch und ein wenig trashig. Fisch hat das ja gesagt, mit dem Ubersoldat, so ein typisches B-Movie-Motiv. Und der Alte ist praktisch das Zerrbild eines Mad Scientist, einem klassischen Superheldenschurken.

Alles wird als lebendige Wesenheit gesehen, der Laster, die Stadt, die Straßen
Ja, und als fremd! Palm und die anderen sind ständig Fremdkörper in der Welt.

Ja, hat mir gar nicht so schlecht gefallen! :p
Ach ;)

Danke dir für deinen Kommentar und die Anmerkungen, war schön, mal wieder was zu dir hören :) Die Anmerkungen hab ich soweit übernommen
Quinn

 

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