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Parkbankphilospohie

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24.09.2005
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Parkbankphilospohie

„In meinem ganzen Leben bin ich noch nicht so beleidigt worden!“ Sie fuchtelt wütend in der Luft herum, visiert plötzlich einen Mülleimer an und tritt mit voller Wucht dagegen.
„Na, na, junge Frau, immer mit der Ruhe.“
Der alte Mann auf der Parkbank klopft einladend auf den leeren Platz neben sich. Sieht nicht so aus, als würde er seinen Tag noch irgendwo anders als auf dieser Bank verbringen. Vielleicht wechselt er ja mal zu einer anderen.
„Es geht Sie überhaupt nichts an, wie ich mich aufrege oder nicht!“
Er gibt keinen Kommentar, sondern tätschelt wieder das trockene Holz neben sich. Die junge Frau verzieht den Mund, aber sie setzt sich. Eine Weile sitzen sie nur da und sehen den Vögeln zu, die Gegenüber im Gras herumhüpfen. Geduld ist keine ihrer Tugenden, doch das scheint ihn nicht zu interessieren. „Was denn?“, schnauzt sie schließlich.
Er hebt die runzelige Hand, bedeutet ihr, still zu sein. Genervt lehnt sie sich nach hinten und streckt die Beine aus. Die Schuhe drücken. Einige Vögel zanken sich um alte Brötchenreste. Als ob ihn das bewegen würde, seufzt der alte Mann plötzlich auf.
„Sehen Sie die Vögel?“, fragt er.
„Ich bin ja nicht blind.“
„Es ist unsinnig, finden Sie nicht?“ Ob er verrückt ist?
„Warum sollte das unsinnig sein, sie haben Hunger.“ Noch ein Seufzer.
„Aber es ist doch genug für alle da.“
Sie zieht eine Braue nach oben und sieht weiter die Vögel an.
Der Mann lehnt sich gemächlich zur Seite und hebt eine große, braune Packpapiertüte auf, die neben ihm auf der Erde stand. Holt ein Paket mit eingeschweißten Äpfeln hervor und bietet ihr auch einen an, nachdem er es geöffnet hat.
„Danke, nein!“ Sie lehnt bestimmt ab.
Noch immer ohne jede Eile holt er ein Schälemesser aus den Tiefen der Tüte, schneidet den Stil ab, dann ein Stück aus dem Apfel heraus. Die ganze Zeit beobachtet sie die alten, von Arbeit gezeichneten Hände. Ein erfrischender Wind kommt auf und zerzaust ihr die Haare.
„Sehen Sie den Apfel?“, fragt er.
Sie überlegt, ob sie lieber die Polizei rufen sollte, vielleicht ist er aus einem Altenheim ausgebrochen.
„Beantworten Sie meine Frage!“ Seine Stimme, so heiser sie aufgrund des Alters auch klingen mag, ist eindeutig fordernd. Sie antwortet nicht.
„Nach dem Krieg hatten wir wenig Obst.“
Er stellt diesen Satz in die Luft und lässt ihn da hängen.
„Damals waren wir nicht hektisch.“
„Quatsch!“, wirft sie ein. „Es hatte doch niemand was zu essen, natürlich war man hektisch. Überlebenskampf und so.“
„Haben Sie es erlebt, oder ich?“, entgegnet er schnippisch. „Wir waren nicht hektisch. Wir hatten Zeit für die Sachen, die wir tun mussten.“
Er deutet mit seinem Spazierstock zu den Vögeln. „Und wir haben geteilt.“
„Klar“, sagt sie. „Ich glaube ich seh’s schon.“
„Man muss sich Zeit lassen für die Dinge im Leben.“
Als ob sie das interessieren würde.
„Ich glaube, manche denken, sie würden irgendetwas verpassen, oder so.“
Er schiebt sich noch ein Stück Apfel in den Mund und kaut genüsslich.
„Der Apfel hat sich auch Zeit gelassen mit dem Wachsen.“
Spinner!
„Das kann man doch nicht übertragen.“
Er zuckt nur die Schultern. „Sie können mir glauben, junge Frau, wenn ich mir ab und zu Zeit für das Wesentliche genommen hätte, würde ich jetzt nicht alleine auf dieser Bank sitzen.“
„Sie sind nicht alleine.“
„Sonst bin ich es.“
Die weißen Augenbrauen zucken traurig. „Dinge wie Wut sind Zeitverschwendung.“
Sie muss kurz lachen, aber es klingt eher sarkastisch. „Darauf wollen Sie also hinaus.“
Er nickt. „Darauf will ich hinaus. Sie haben nichts davon, wenn sie wütend sind. Die Vögel haben auch nichts davon, sich zu streiten.“
„Aha“, sagt sie. An ihre eigene Wut denkt sie nicht mehr.
Die beiden sehen den Vögeln zu, als auf einmal ein Kind mit einem Fahrrad die Tiere aufscheucht. „Ich muss jetzt gehen“, meint sie. Und als sie geht, nimmt sie sich einen Apfel von ihm mit.


anmerkung: zu diesem text sei zu sagen, dass das thema war, einen "wahren apfel" darzustellen ;-)

 

Hallo obe,

in deinem Text gibt es einen weisen Alten, der einer jungen Frau was erklärt. Für mich ist der Alte mit seinen runzligen Händen klischeehaft. Das ist mein Haupteinwand, mit Kleinkram halt ich mich zurück. (Nur soviel: "gegenüber" schreibt man klein, wenn's nicht DAS Gegenüber ist, und "Stil" schreibt man mit I-E, wenn man ihn abschneiden kann.)

Grüße,
Stefan

 

Hallo obedience

Mit deiner Beschreibung der Situation ist es dir gelungen, dass ich die beiden vor meinem inneren Auge auf dieser Parkbank sitzen sehe.
Was mir jedoch fehlt, ist der Grund, warum die Frau so wütend ist. Wer oder was hat sie denn beleidigt? Ich hab die ganze Zeit auf eine Erklärung gewartet. ME würde das deinen Text etwas abrunden.

Liebe Grüße,
bribabe

 

hey, danke für euer feedback

ja, klischeehaft ist es schon, aber das basiert mit auf der aufgabenstellung. die geschichte ist im reliunterricht entstanden, wo wir 40min zeit hatten, über einen "wahren apfel" zu schreiben (falls jemand nicht weiß, was ein wahrer apfel ist: es wird ein bezug zur vergangenheit, gegenwart und zukunft hergestellt). von daher habe ich den grund ihrer erregung rausgelassen, weil es nicht ins thema gehörte. wirkt es denn dadurch sehr unvollständig?

 

Hallo obedience,

mir hat deine Geschichte gut gefallen.

Ich finde es ist dir gelungen, dass sich der Leser die Situation recht gut vorstellen kann. Mir ging es wenigstens so. Dass der alte Mann nicht nach dem Grund ihrer Wut fragt, sondern ein Gespräch über die Vögel beginnt, besagt eigentlich auch, dass der Grund für ihr Ausrasten unbedeutend ist.
Wenn sich jemand daran stört, dass der Grund ihrer Wut nicht erläutert wird, würde vielleicht ein ähnlicher Satz wie "Den Grund für ihre Wut hat sie vollkommen vergessen" Abhilfe schaffen.

Viele Grüße
bambu

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo nochmal,

auch wenn ich dir vielleicht auf die Nerven gehe: Ich möchte das mit dem Klischee ungefragt nochmal erläutern.

Klischeehafte Figuren sind für mich Figuren, die man schon aus wahnsinnig vielen Büchern oder Filmen oder Stücken oder Zeitungsreportagen kennt. Da geht es dann wie in der Mode. Eine Zeitlang waren Schlaghosen oder Bundfaltenhosen vielleicht mal ganz interessant. Aber irgendwann hat man sich satt daran gesehen, und dann sind sie plötzlich mega-out. Ich weiß nicht genau warum, aber es ist wohl so.

Beispiele für Klischeefiguren wären:
ein tapferer Ritter, ein weiser Alter, ein kluger Detektiv (Marke Sherlock Holmes), ein süßes kleines Mädchen, ein Schriftsteller mit Rolli und Pfeife, ein gebildeter, durchtrainierter Geheimagent im Sportwagen (Marke James Bond)

Oder auf der Negativseite:
eine doofe blonde Friseuse, ein fauler Student, ein langweiliger Buchhalter, ein polnischer Dieb (alle aus Witzen bekannt, oder?)

Vielleicht sag ich dir damit nichts Neues, vielleicht geh ich dir auf die Nerven, aber ich musste das irgendwie loswerden. Jetzt fühl ich mich besser. Danke.

Grüße,
Stefan

P.S. Eine schöne Liste mit FILMKlischees gibt es bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_typischen_Filmklischees

Eine Diskussion zu Klischees gibt es auch bei kg.de:
http://www.kurzgeschichten.de/vb/showthread.php?t=23593

 

Hallo obedience,

zuerst würde ich mal einen Moderator bitten, den Titel zu verbessern ;).

Sie überlegt, ob sie lieber die Polizei rufen sollte, vielleicht ist er aus einem Altenheim ausgebrochen.
Das finde ich sehr übertrieben. Nichts bisher deutete darauf hin, dass der Alte nicht alleine klarkommt.

„Haben Sie es erlebt, oder ich?“, entgegnet er schnippisch. „Wir waren nicht hektisch. Wir hatten Zeit für die Sachen, die wir tun mussten.“
Der alte Mann ist doch weise und souverän. Das schnippisch passt in meinen Augen hier nicht.

Hier für kg.de würde ich sie noch etwas ausweiten. Ich würde gerne wissen, wieso sie ärgerlich ist und wie der Alte darauf reagiert.

Eine ähnliche Geschichte habe ich mit "Gebrochenes Brot" geschrieben, vielleicht hast du mal Lust, sie zu lesen.

Lieber Gruß
bernadette

 

Hallo,

Ich finde die Geschichte zwar wenig originell, du hättest jedoch mit ein wenig Mühe mehr daraus machen können.
Zum Beispiel hätten die beiden ein langes Gespräch führen können, in dem sie einander von sich erzählen und an dessen Ende das Mädchen entdeckt wie sinnlos ihre Wut ist, denn der Mann ist ja auch auf niemanden wütend, obwohl er einen Krieg erlebt hat.
Zugegeben auch nicht sonderlich originell, eigentlich ziemlich schwach, aber ich finde deine Geschichte zu substanzlos.

Loben muss ich die von dir erzeugte Stimmung.
Ich sah die ganze Zeit einen alten Mann und ein Mädchen nebeneinander auf einer Parkbank sitzen.

Wenn man jedoch bedenkt, dass du die Geschichte in nur vierzig Minuten geschrieben hast, lässt das doch auf ein recht großes Restpotenzial schließen.
Ich werde noch weitere Geschichten von dir lesen, in der Hoffnung, dass du für die mehr Zeit hattest bzw. dir genommen hast.

MfG

Miller

 

hm, ja. ich hatte einfach nicht viel zeit. und so etwas abstraktes wie einen "wahren apfel" darzustellen ist vll auch so nicht ganz einfach. schon gar nicht unter zeitdruck. bei mehr zeit wäre die geschichte länger geworden, es ist die kürzeste, die ich jemals geschrieben habe (mal abgesehen von einem kurzen satirischen text zur bravo, der hier aber nicht steht). für mich war es das einfachste, vergangenheit, gegenwart und zukunft unter einen hut zu bringen, indem ich eine alte und eine junge person als figuren wähle, auch wenn das ein schönes klischee ergibt. die siete auf wikipedia ist übrigens zum brüllen, habe mich gestern abend köstlich amüsiert. dass sie sich überlegt, ob er ausgebrochen ist hängt nicht damit zusammen, ob er alleine klar kommt oder nicht. für sie sind seine fragen verrückt, sie kann sie nicht nachvollziehen, hält ihn für senil. das schnippisch fand ich selbst meist unpassend, aber eher, weil ich das wort mit weiblichen personen verbinde. trotzdem drückt es genau das aus, was er dort sagt, bzw wie er es sagt. es soll zeigen, dass auch er nicht die mensch gewordene geduld ist. na ja.

 

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