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Patrick
Patrick kam in die kleine Küche. Alex und Martin waren schon da. Auf dem Tisch standen drei große Gläser. Zwei davon waren etwa zur Hälfte mit Bier gefüllt, das dritte war noch trocken. Für Patrick blieb nur der Stuhl mit der losen Lehne. Er legte seine Jacke auf die kalte Fensterbank und setzte sich an den Tisch.
„Wir haben schonmal eins aufgemacht. Wollten testen, ob es denn auch deinen hohen Ansprüchen genügen würde“, sagte Alex.
„Und?“
„Ist trinkbar. Deins ist im Eisfach, müsste irgendwo hinter der Lasagne liegen.“
Alex nahm einen kräftigen Zug aus seinem Glas.
„Heute trink ich kein Bier.“
Martin und Alex schauten ihn verwirrt an.
„Was soll das denn heißen, Patrick?“
„Heute trinken wir Tequila, Jungs. Heute ist der richtige Tag für Tequila!“
Er zog eine große Flasche goldenen Jose Cuervos aus seinem Rucksack.
Martin leerte sein Bier in einem Zug, setzte das Glas ab und sagte mit pflichtbewusstem Gesichsausdruck: „Was sein muss, muss sein.“
Alex stand auf, ging zum Schrank über der Spüle, und kam mit drei Shotgläsern wieder zurück an seinen Platz.
Patrick fand es bewundernswert mit welcher Geschmeidigkeit und Eleganz sich Alex trotz seiner enormen Leibesfülle in der engen Küche bewegte.
Alex und Martin beobachteten die Bewegungen der glänzenden Flasche, die von einem Glas zum nächsten wanderte.
„Auf Melissa!“
Die erste Runde auf Melissa anzustoßen war obligatorisch. Martin und Alex waren sich einig, dass sie von einem anderen Planeten geschickt worden sein musste. Sie studierte mit ihnen im vierten Semester. Patrick fand sie gar nicht so sexy. Aber den anderen beiden zuliebe gab er vor, ihren Enthusiasmus zu teilen.
Sie leerten die Gläser in einem Zug. Sie tranken ihren Tequila ohne Salz oder Zitrone.
Martin und Alex begannen eine ausgedehnte Diskussion darüber, ob der hautenge, graue Strickpullover, den Melissa heute in der Vorlesung getragen hatte, nun der weißen Bluse vom Vortag vorzuziehen sei.
Patrick sagte nichts.
Er ergriff die Flasche und schenkte die nächste Runde aus. Martin und Alex unterbrachen ihre Diskussion nur für einen Moment, um ihre Gläser zu leeren.
Von Melissas Pullover über die Projektarbeit für den nächsten Freitag schwenkte die Unterhaltung schließlich zum geplanten Wochenendausflug ans Meer.
„Ich weiß noch nicht, ob ich mitkommen kann.“ Sagte Patrick. „Jenny hat mir eine e-mail geschrieben.“
„Oha!“ Martin zog seine buschigen Augenbrauen, die so gar nicht zu seinen schwarzen nach hinten gegeelten Haaren passen wollten, hoch. „Da schreibt die Herzdame eine kleine e-mail und du willst schon wieder alle Pläne über den Haufen werfen.“
„Naja, ich bin noch nicht sicher. Sie meinte, sie würde vielleicht mit ihrer Mutter eine Deutschlandreise machen und könnte dann auch hier vorbeischneien, um mich zu besuchen. Aber es hängt ein bisschen davon ab, ob sie eine ganze Woche in der Uni fehlen kann.“
„Das sind wieder Gründe...“ Martin schüttelte den Kopf. „Wenn du genug Geld für einen Flug nach Madrid hättest, würdest du doch keine Sekunde drüber nachdenken, ob du mal nen Tag oder zwei nicht zur Uni kommst. Und sie hat Geld wie Heu und findet trotzdem noch Gründe, warum sie dich nicht besuchen kommt.“ Martin fand es reichlich sinnlos, dass Patrick sich immernoch so viele Gedanken über seine Spanierin machte. Seiner Meinung nach sollte er sich lieber an der Uni nach einer neuen Freundin umschauen. Schließlich hatte er von allen dreien bei den Mädels noch die besten Chancen.
„Nun sie studiert ja auch an einer Privatuni.“ Entgegnete Patrick. „Und Ihre Eltern bezahlen nen Haufen Geld dafür. Da werden sie bestimmt nicht begeistert sein, wenn sie für Vorlesungen bezahlen, zu denen sie nicht einmal hingeht.“
Martin schwieg.
„Und wie soll das laufen? Kommt sie dann mit ihrer Mutter und du darfst mit den zwei Damen einkaufen gehen?“ Alex und Martin lachten.
„Nein, sie kommt allein zu mir. Sie sagte, die Stadt interessiere sie nicht besonders. Ich solle mich darauf einstellen, das ganze Wochenende über das Schlafzimmer nicht zu verlassen.“ Alex und Martin lachten nicht mehr. „Von daher Jungs, verzeiht mir wenn ich ein Saufwochenende an irgendeinem holländischen Strand verschiebe, um mich von meiner Traumfrau verwöhnen zu lassen.“
„Findest du echt, sie ist eine Traumfrau?“ fragte Alex mit kritischem Gesichtsausdruck. „Wenn sie so toll ist, warum hast du uns dann noch immer kein Foto gezeigt?“
„Ihr werdet sie schon noch kennen lernen und dann werdet ihr verstehen, warum ich keine andere will.“
Was Alex und Martin nicht wussten, war, dass Jenny nur in Patricks Phantasie existierte. Er hatte sie nach seinem Auslandssemester in Madrid erfunden.