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Paula

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31.05.2006
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Paula

„Musst du wirklich dahin?“, fragte Sonja und umfasste mich von hinten mit den Armen. Es klang vorwurfsvoll.
Ich zog die Krawatte zu, rückte sie zurecht und sagte: „Ich muss da nicht hin, ich will dahin. Er ist mein bester Freund und ich bin der Trauzeuge. Verstehst du das nicht? Außerdem kannst du mitkommen. Tom und Sabine haben dich auch eingeladen.“
Sie ließ mich los: „Aber ich will nicht auf so eine Fuck-Hochzeit. Spießerkram.“ Sie war bockig.
„Aber ich will. Und ich fahre jetzt“, sagte ich, nahm das Sakko von der Stuhllehne und zog es an. Sie sah mich an und zog einen Schmollmund. Ich nahm ihre Hand, seufzte und fragte sie dann: „Was soll das denn? Gönnst du es mir nicht? Gönnst du es Tom und Sabine nicht?“
„Ach, leck mich doch“, sagte sie, riß sich los und verschwand in ihrem Zimmer, die Tür hinter sich zuknallend. Der Zorn in mir stieg hoch, ich wollte ihr hinterher, ihr die Meinung sagen, sie anschreien. Aber ich tat es nicht. Ich wusste, wie es enden würde. Wir würden uns in Rage reden, uns anschreien und schließlich dann doch im Bett landen. Ich ging. Aber ich knallte die Tür. Wenigstens das.

In der letzten Stunde stieß mich Tom mit dem Ellenbogen an. „Sollen wir heute Nachmittag schwimmen gehen?“ - „Logo“, flüsterte ich zurück. „Leopold! Thomas! Ruhe jetzt!“, kreischte die Neuburger. - Zwei Stunden später warfen wir unsere Räder ins Moos beim Waldsee und rannten, die T-Shirts herunterreißend auf den See zu. Wir sprangen von dem großen Stein am Ufer aus hinein und jauchzten. Einige Sprünge und eine Wasserschlacht später lagen wir nebeneinander im Moos und rauchten jeder eine Zigarette, die Tom seinem Onkel geklaut hatte. Sie schmeckte uns gar nicht, aber wir fühlten uns wie Männer. „Sag mal“, sagte Tom. „Wie findest du eigentlich Andrea?“ - „Na ja, bisschen zickig vielleicht“, sagte ich. - „Echt?“, sagte er. „Find ich gar nicht. Aber ich weiß schon, du stehst ja auf die Paula.“ - „Mm“, sagte ich.

Die Zeremonie war rasch vorbei. Ich musste die Ringe der Assistentin des Standesbeamten aushändigen, meine Unterschrift unter die Urkunde setzen und das war es auch schon. Als es vorbei war und alle klatschten, umarmte ich Tom und flüsterte ihm zu: „Werd glücklich, Tommi, du hast es verdient.“ - „Bin ich schon. Werd du auch glücklich, Leo.“
Ich umarmte Sabine, gratulierte ihr, sie strahlte, als hätte sie im Lotto gewonnen. „Bist ein Glücksfall für den Tommi, Bine. Alles Gute für Euch“, sagte ich. Eigentlich, dachte ich, ist es ja umgekehrt. Er ist ein Glücksfall für sie. Sie sagte nichts, aber ich spürte, dass sie sich freute über meine Glückwünsche.

Feuerwehrfest. Unser Clique saß an einem Tisch zusammen und die meisten hatten schon einiges getrunken. Obwohl wir alle erst sechzehn waren, scherte das niemanden. Feuerwehrfest war Feuerwehrfest. Tom hatte seinen Arm um Andrea gelegt. Sie war jetzt seine Freundin, eine von vielen, die er im Laufe der Jahre haben würde. Auch die meisten anderen hatten ihre Mädchen dabei. „Warum hast du eigentlich keine Freundin?“, fragte mich plötzlich Andrea. „Weil ihn die Paula nicht ran lässt“, sagte Alfred, der größte Schwätzer in unserer Clique. „Halt's Maul, Fred“, sagte ich.
„Halt's selber, du Arsch.“ -
„Wichser.“ -
„Du bist der Wichser. Oder lässt du dir von Paula den Schwanz blasen?“ -
Ich sprang auf und packte Fred an seinem T-Shirt. Doch er schüttelte mich ab und schlug zu. Mir wurde schwarz vor Augen und ich taumelte. Bevor ich umkippte hörte ich noch, wie Andrea und die anderen Mädchen aufschrien, als sich Tom auf Fred stürzte.

Auf der Feier redete ich nicht viel. Die meisten von Tom und Sabines anderen Freunden kannte ich nicht und diejenigen, die ich kannte, mochte ich nicht besonders. Ich unterhielt mich ein bisschen mit Toms Vater, der mir, bereits ziemlich betrunken, das Du anbot. Das hatte er schon bei Toms Diplomfeier getan, vor zwei Jahren. Wir siezten uns immer noch. Er hatte es am nächsten Tag längst vergessen gehabt. Toms Vater redete davon, wie schlecht es doch ginge, dass alles teurer würde, dass man ihn ja geradezu zwinge, die Arbeiten, die an Toms und Sabines Haus auf seinem Grundstück erledigt werden mussten, von seinen Handwerkerkumpels unter der Hand erledigen zu lassen. Ich tat so, als würde ich ihm aufmerksam zuhören und nickte ab und zu. Irgendwann schien es ihm dann doch aufzufallen, dass ich gar nicht registrierte, was er sagte, und er stand auf und setzte sich zu seiner Frau.

Als ich wach wurde, blickte ich in Paulas Augen.
„Was ...“, sagte ich und wollte mich aufrichten. - “Bleib liegen“, sagte sie. Stimmt ja, fiel mir ein, Paula war beim Roten Kreuz und half den Sanitätern bei der Versorgung der Bierleichen und Verletzten bei den Dorffesten.
„Wer hat dir den Schlag verpasst?“, fragte sie.
„Fred“, sagte ich.
„Und warum?“ -
„Wegen dir“, hörte ich Tom sagen. Ich drehte den Kopf. Er lag auf der Bahre neben mir und grinste: „Aber Fred geht’s gar nicht gut.“
Paula schien angewidert. „Ihr seid solche Idioten.“

Im Saal war es unerträglich heiß. Ich ging nach draußen, nahm mein Bier mit. Es gab keine Bänke oder so was, also setzte ich mich auf den Gatterzaun der Koppel neben dem Landgasthof. Wahrscheinlich hatten sie für die Feriengäste dort Pferde. Ich steckte mir eine Zigarette an, dachte an den Streit mit Sonja am Morgen. Dass es eine Spießerveranstaltung war, so eine Hochzeit, stimmte ja. Aber es waren Tom und Sabine, die hier heirateten. Tom, mein bester Freund heiratete. Würde Sonja es je verstehen, was mir diese wenigen Menschen aus meiner Vergangenheit bedeuteten? Dass Tom der einzige war, der das Band an schöne Zeiten vor diesem Tag vor fünfzehn Jahren herstellte. Ein Band, an das ich mich klammern konnte, das mir das Gefühl gab, einem Menschen etwas zu bedeuten, dem es nicht nur darum ging, zu nehmen, der mir auch etwas gab? Auch wenn er sich jetzt angepasst hatte?

Eine halbe Stunde hatte ich vor der Tür gestanden und das Klingelschild angeglotzt. Dann hatte ich mich umgedreht und wollte langsam davon schleichen, als sich die Tür öffnete. Ich hörte Paula fragen:
„Leo, bist du das?“
Ich drehte mich wieder um. „Ja. Sorry, ich geh schon wieder.“ -
„Nein, warte mal.“ Sie ging kurz hinein und kam mit ihrer Jacke wieder heraus.
„Magst spazieren gehen?“, fragte sie.
„Klar.“
Wir gingen nebeneinander her, schweigend. Den ganzen Weg durchs Dorf, den kleinen Waldweg entlang, bis zum Waldsee.
„Wie geht’s deinem Kopf?“, fragte sie schließlich, als wir am See im Moos saßen.
„Spür nichts mehr. Ist ein harter Schädel“, sagte ich.
„Ich weiß.“ -
„Paula?“ -
„Ja?“ -
„Magst du mich ein bisschen?“ -
Sie sah mich an, ein wenig traurig, ihre Augen schimmerten und sie griff nach meiner Hand. Da küsste ich sie.

„Was macht eigentlich Sonja?“, sagte plötzlich eine Stimme neben mir. Erschrocken sah ich auf.
„Paula!“, sagte ich.
„Hi!“, sagte Paula und sah mich so seltsam an, wie sie mich immer schon angesehen hatte. Das letzte Mal hatte ich sie vor fünf Jahren gesehen, beim letzten Klassentreffen. Sie war noch schöner geworden.
„Hi. Ich wusste nicht, dass du auch hier bist. Hab dich bis jetzt gar nicht gesehen“, sagte ich.
Sie legte den Kopf schief und grinste: „Eigentlich bin ich gar nicht da. Du weißt doch, Sabine und ich haben gewisse Differenzen. Ich bin nicht eingeladen. Aber ich wusste, dass du hier bist.“ -
„Jetzt sag bloß, du bist wegen mir hier“, sagte ich.
„Ich wohn ja gleich dahinten. Weißt du doch“, sagte sie und lachte.
„Und? Wie geht’s Sonja?", fragte sie wieder. „So hieß sie doch, oder?“ -
„Ja, Sonja. Na ja, wie solls ihr gehen. Gut, denke ich“, sagte ich.
„Seid ihr nicht mehr zusammen? Weil du das nicht weißt?“ -
„Doch schon. Aber bei Sonja weiß ich nie so recht, wies ihr geht“, sagte ich.
„Wollen wir spazieren gehen? Rüber zum Waldsee?“, fragte Paula.
„Stimmt nicht mehr so zwischen euch, oder?“, fragte Paula nach einer Weile auf dem dunklen Waldweg Richtung See. „Zwischen dir und Sonja, meine ich.“
„Hat es eigentlich nie“, sagte ich. Paula schwieg.
Wir schwiegen eine ganze Weile. Am Waldsee setzten wir uns auf einen gefällten Baumstamm.
„Und wie geht es dir, Paula?“ -
„Ich lebe. Mir geht’s gut, eigentlich. Von Gerhard hab ich mich getrennt. War eine gute Entscheidung. Er hat letztes Jahr Elke geheiratet.“ -
„Elke? Die vom Metzger? Die keiner mochte?“, fragte ich ungläubig.
„Ja, genau die. Aber die zwei passen schon zusammen. Sie lieben beide die Kohle.“ -
„Und was machst du?“ -
„Weißt du doch. Immer noch Krankenschwester, drüben in der Stadt.“ -
„Entschuldige, klar. Bin irgendwie durcheinander heute.“ -
„Wegen Sonja? Oder wegen dem Unfall? Kommt alles wieder hoch, wenn du hier bist, oder?“, fragte sie.
„Eigentlich nicht. Es hat lang gedauert, aber über den Tod meiner Eltern bin ich weg.“ -
„Aber?“, fragte Paula.
„Sonja – sie versteht es nicht, dass ich so an Tom hänge. Dass ich hierher fahre, wegen ihm. Zu so einem 'Spießerkram', wie sie es nennt.“ -
„Ist es doch auch.“ -
„Ja. Aber Tom ist mein bester Freund. Da muss ich doch zu seiner Hochzeit.“
Als ich das sagte, wusste ich auf einmal, dass das nicht stimmte. Dass es nicht Toms Freundschaft war, warum ich hier war. Dass es der verzweifelte Versuch war, das Band weiter verknüpft zu halten mit dem Ort, an dem ich ein Kind gewesen war. Und mit dem Gefühl, ein Kind zu sein. Aber ich war kein Kind mehr.

Ein ganzes Jahr hielt es. Ein ganzes Jahr lang war ich der glücklichste Junge des Dorfes, der glücklichste Junge der Schule, der glücklichste Junge der Welt. Dann passierte der Unfall. Und alles Gefühl erstarb in mir. Auch das für Paula. Sie brachten mich ins Heim und ich sah nur noch Tom ab und zu, der bald darauf eine Lehre begann in der Kreisstadt, in der auch das Heim war.

„Warum bist du eigentlich nicht zu meiner Hochzeit gekommen, Leo?“, fragte Paula auf einmal.
„Ich weiß es nicht“, sagte ich.
„Leo, küss mich noch ein Mal so wie vor sechzehn Jahren.“
Und ich tat es. Sie sah mich an danach, genauso wie damals. Und dann stand sie auf und ging. Noch einmal drehte sie sich um und sagte: „Leb wohl, Leo.“
Dann rannte sie den Weg zurück, den wir gekommen waren.

 

Nachdem ich jetzt schon ein paar Tage hier herumlese, hat mich die Lust gepackt, auch mal wieder was zu schreiben. Bin gespannt, was ihr dazu sagt.

Viel Spaß beim Lesen,
Oli

 

Hallo. Also mir hat deine Geschichte echt gut gefallen.
Besonders dieser Wechsel von Gegenwart zur Vergangenheit.
Aber die Geschichte könnte noch länger sein, vielleicht bissel mehr von der Zeit in der er mit Paula zusammen war oder warum die Eltern gestorben sind.

liebe grüße LostAngel

 

danke LostAngel,

schön, dass sie Dir gefallen hat. Ich wollte die Rückblenden als Erinnerungsfetzen möglichst kurz halten, als Andeutungen nur.
Aber vielleicht mach ich noch mehr draus. Mal sehen.

lieben Gruß

Platoniker

 

Hallo Platoniker,

Bis zu dem Teil mit dem Unfall habe ich gedacht:
"Ja, an der Story habe ich mal nichts auszusetzen!"
Ist zwar wieder dieses "Er-trifft-nach-langer-Zeit-auf-Ex-Thema",
aber du hast es durch den Zeitwechsel sehr interessant dargestellt.
Doch dann kam mir etwas zu wenig.
Kaum habe ich registriert, dass der Unfall mit der Trennung zu tun hatte, war auch schon Schluss. Selbst wenn die Rückblenden nur Andeutungen sein sollen, ist die letzte im Vergleich zu den anderen sehr kurz.
Das Ende ist süß gemacht, hätte nach meinem Geschmack aber etwas länger sein können.

Trotz meinem ganzen Gemecker hat mir deine Geschichte sehr gefallen :D

Endlich Urlaub, Jussy :p

P.S.: Habe irgendwo Paul statt Paula gelesen. Außerdem lässt sich einzig nicht steigern. Also einzige, nicht einzigste.

 

hi Jussy,

als Gemecker habe ich das nicht empfunden.

Ich weiß selbst nicht ganz genau, was damals wirklich passiert ist. Vielleicht kann sich Leo auch nicht so gut daran erinnern, vielleicht verdrängt er diesen Teil seiner Vergangenheit auch, mal sehen, was daraus noch wird. Ich begreife eigentlich alles, was ich schreibe als "work in progress".

Danke für die Fehlerhinweise. Das mir ausgerechnet dieser klassische einzig-Fehler passiert! ;) Wird sofort korrigiert.

Peinlich (Fehler finden ist nämlich mein Beruf, sozusagen)

lieben Gruß, Platoniker

 

Hi Platoniker!
Auch ich denke, der letzte Erinnerungsfetzen ist zu kurz.
Ansonsten: Dein Stil gefällt mir. Liest sich leicht und flüssig.
Aber schau mal, da ganzt am Schluss stimmt was nicht:

Platoniker1972 schrieb:
Sie mich an danach, genauso wie damals.

 

Hi Schusterjunge,

danke für deine Meinung und den Hinweis.

Da fehlte ein "sah". Jetzt stimmt es.

lieben Gruße
Platoniker

 

Hallo Platoniker,

mir gefällt Deine Geschichte, die melancholische Grundstimmung die sie verbreitet, die leise und ruhige Erzählweise.
Nur zwei Dinge finde ich noch zu optimieren :

Obwohl wir alle erst sechzehn waren, scherte das niemanden. Feuerwehrfest war Feuerwehrfest. Tom hatte seinen Arm um Andrea gelegt, seine Freundin. Die erste in einer langen Reihe. Auch die meisten anderen hatten ihre Mädchen dabei. „Warum hast du eigentlich keine Freundin?“, fragte mich auf einmal Andrea.

Der Absatz ist mir zu kurz angebunden formuliert, zu sehr im Telegrammstil. Mit einem oder zwei Punkten (Satzzeichen) weniger fände ich diesen Rückblick eleganter.

Und am Ende wird es auch für mich zu diffus, der Unfall und die Auswirkungen auf den Prot bleiben weitestgehend im Dunklen, und auch das Wiedersehen mit Paula ist mir ein wenig zu kurz geraten. Du erzählst vorher ruhig, fliessend, am Ende wirkt es ein wenig übereilt, so als ob Du das Ende selber nicht erwarten konntest. Da hätte sie ein wenig mehr Ausdauer, ein wenig nur verdient.

Insgesamt eine schöne Kurzgeschichte, wenn Dich das lesen hier zum schreiben motiviert, dann solltest Du noch deutlich mehr lesen und Dich inspirieren lassen. Mir gefällt Dein Stil.

Grüße,
C. Seltsem

 

Hi C. Seltsem,

schön, dass es Dir insgesamt gefallen hat. Danke für Deinen Hinweis, den Schluß finden ja auch andere etwas schnell und die Rückblenden zu kurzatmig. Da werde ich noch etwas ändern.

Ich schreibe schon sehr lange, vor allem Prosa, ganz am Anfang auch Lyrik und Drama, habe aber seit Jahren nichts richtiges mehr hingebracht immer nur Entwürfe und Szenen, aber jetzt, nach dem Entdecken von kg.de hat mich die Schreiblust wieder gepackt. "Paula" ist geradezu aus meiner Feder herausgeflossen, wenn man dieses Bild heute im IT-Zeitalter noch gebrauchen darf.

Aber mein Stil ist wohl etwas eingerostet. ;)

Na jedenfalls freu ich mich, dass "Paula" ein paar Leuten gefallen hat und die nächste Fassung wird dann besser.

Es war mir aber auch wichtig, hier selbst etwas reinzustellen, vorher wollte ich auch nicht anfangen, meinen Kommentar zu anderen Geschichten abzugeben.

liebe Grüße,
Platoniker

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Platoniker,

auch auf die Gefahr hin, dass es nach Gefälligkeitskritik aussehen könnte (in diese Gefahr begibt man sich in einem solchen Forum sowieso) möchte ich dir mitteilen, dass mir deine Geschichte sehr gut gefallen hat.

Ich steh auf solche Stories, die mit Rückblenden in Richtung Kindheit und Jugend arbeiten, die Zusammenhänge schaffen und dadurch komplex werden, ein wenig melancholisch und sehr stimmungsvoll. Es ist so verdammt nachvollziehbar, weil man oft vergleichbare Momente des eigenen Lebens hat, und es Spass machte, Ähnlichkeiten und Parallelen dazu in einer Geschichte und damit auch im Leben anderer zu erkennen.

Was meinen Lesefluss ein wenig beeinträchtigt hat: Du arbeitest bei deinen (sehr guten, weil realistisch klingenden!) Dialogen mit Zuordnung. Sagt er, sagte sie etc. Das kann man natürlich so machen, aber ich empfinde das immer als störend. Schon im ersten Abstz fiel mir das auf. Der würde sich bei mir z. B. so lesen:

„Musst Du wirklich dahin?“ Sonja und umfasste mich von hinten mit den Armen. Es klang vorwurfsvoll.
Ich zog die Krawatte zu, rückte sie zurecht. „Ich muss da nicht hin, ich will dahin. Er ist mein bester Freund und ich bin der Trauzeuge. Verstehst du das nicht. außerdem kannst du mitkommen. Tom und Sabine haben dich auch eingeladen.“
Sie ließ mich los. „Aber ich will nicht auf so eine Fuck-Hochzeit. Spießerkram.“ Sie war bockig. (würde ich streichen, das wird ja aus dem klar, was sie sagt!
„Aber ich will. Und ich fahre jetzt!" Entschlossen nahm ich das Sakko von der Stuhllehne und zog es über. Sie sah mich an und machte einen Schmollmund. Ich nahm ihre Hand und seufzte. „Was soll das denn? Gönnst Du es mir nicht? Gönnst du es Tom und Sabine nicht?“
„Ach, leck mich doch!" Sie riß sich los und verschwand in ihrem Zimmer, die Tür hinter sich zuknallend. Der Zorn in mir stieg hoch, ich wollte ihr hinterher, ihr die Meinung sagen, sie anschreien. Aber ich tat es nicht. Ich wusste, wie es enden würde. Wir würden uns in Rage reden, uns anschreien und schließlich dann doch im Bett landen. Ich ging. Aber ich knallte die Tür. Wenigstens das.

Aber das ist natürlich auch Geschmacksache.

Da die Geschichte ansonsten sehr gut geschrieben ist, muss ich meinen VorkritikerInnen Recht geben, du hättest uns etwas mehr davon bieten sollen. Auf der anderen Seite, und das wird hier auch oft und gern angemahnt: Eine Geschichte muss auch nicht immer alles haarklein ausbreiten, es soll genügend Platz für die Fantasie der Leser bleiben. Man kann sich anhand deiner Informationen in der eigenen Fantasie eine Menge vorstellen. Das, was zwischen den Zeilen steht.

Grüße von Rick

 

Hej Platoniker,

ich hab dem "Gemecker" gar nicht viel hinzuzufügen.

Die Geshcichte gefällt mir gut, ist schön und flüssig geschrieben, gern gelesen.

Allerdings tauchen mir zu Beginn zu viele verschiedene Namen auf, das macht es schwer, den Überblick über die Figuren zu behalten.

Und der Unfall ist mir auch zu kurz und knapp, da kannst Du noch etwas ausbauen. :)

Liebe Grüße
chaosqueen

 

Hi Platoniker,

ein paar Anmerkungen zum Text:

Verstehst du das nicht. außerdem kannst du mitkommen. Tom und Sabine haben dich auch eingeladen.“
nicht? / Außerdem... [], Tom und Sabine [].
ich würde aus den zwei hinteren Sätzen einen machen.

Aber ich knallte die Tür.
Wirkt auf mich nicht rund. Muss da nicht noch ein zu an das Ende es Satzes?

In der letzten Stunde stieß mich Tom an mit dem Ellenbogen.
Lies das mal laut vor :D. An wäre hinten besser aufgehoben, oder?

Zwei Stunden später warfen wir unsere Räder ins Moos beim Waldsee und rannten, die T-Shirts herunterreißend auf den See zu.
Mir persönlich gefällt das herunterreißend überhaupt nicht. Nur um einen Nebensatz zu sparen, wirkt es dann distanzierter. Aber das ist Geschmackssache.

Wir sprangen vom großen Stein aus hinein und jauchzten.
Als Leser kenne ich den Stein noch nicht.

Sie schmeckte uns nicht wirklich, aber wir fühlten uns wie Männer.
Bei diesem nicht wirklich schaudert es mich immer. Grade noch, dass ich es im Alltag ertragen muss, aber in Kurzgeschichten, von wörtlicher Rede abgesehen, finde ich es unpassend.
Als es vorbei war und alle klatschten umarmte ich Tom und flüsterte ihm zu:
... klatschten, umarmte ...

Tom hatte seinen Arm um Andrea gelegt, seine Freundin.
Für mich etwas ungeschickt formuliert. Wie wäre schlicht mit: Tom hatte den Arm um seine Freundin Andrea gelegt ?

Die erste in einer langen Reihe. Auch die meisten anderen hatten ihre Mädchen dabei.
Da dachte ich erst, Andrea wäre das erste Mädchen von vielen in seinem Leben ... ;D
„Warum hast du eigentlich keine Freundin?“, fragte mich auf einmal Andrea.
auf einmal... umgangssprachlich. Vielleicht eher: für mich überraschend ... oder unvermittelt

Ich unterhielt mich ein bisschen mit Toms Vater, der mir, bereits ziemlich betrunken, das Du anbot. Das hatte er schon bei Toms Diplomfeier getan, vor zwei Jahren. Wir siezten uns immer noch. Er hatte es am nächsten Tag längst vergessen gehabt.
Schöne Szene.


Es gab keine Bänke oder so was, also setzte ich mich auf den Gatterzaun, neben dem Landgasthof.
Komma weg

Wahrscheinlich hatten sie Pferde dort, für die Feriengäste.
Warum nicht: Wahrscheinlich hatten sie für die Feriengäste Pferde dort / besser: in der Koppel. (sonst wären die Pferde ja auf dem Zaun ;) )

Dass Tom und Sabine die einzigen waren, die das Band an schöne Zeiten vor diesem Tag vor fünfzehn Jahren herstellten. Ein Band, an das ich mich klammern konnte, das mir das Gefühl gab, Menschen etwas zu bedeuten, denen es nicht nur darum ging, zu nehmen, die mir auch etwas gaben?
Dieses Band, dass dem Prot so wichtig ist, auch um die Beziehungsprobleme mit Sonja ins rechte Licht zu rücken, werden mir auch etwas zu dürftig aufgezeigt.

Eigentlich betraf ja auch das nur Tom, aber ich hatte mir angewöhnt, ihn und Sabine als Einheit zu sehen. Er liebte sie schließlich.
DAS ist Spießertum pur.

Paula stand in der Tür.
„Leo, bist du das?“ -
Ist es so dunkel im Flur, dass Paula nicht genau sieht, wer ihr gegenübersteht? Die Frage finde ich etwas irritierend.


„Und? Wie geht’s Sonja?," fragte sie wieder. „So hieß sie doch, oder?“ -
Puhh... die ist ja ganz schön penetrant, was die Frage nach Sonja betrifft. Da sieht sie ihn nach fünf Jahren zum ersten Mal und löchert ihn mit Fragen nach seiner Freundin... ohne zu fragen, wie es ihm geht. Tssss ...

„Weißt du doch. Bin immer noch Schwester im Krankenhaus, drüben in der Stadt.“ -
Das sagt keine Krankenschwester über ihre Arbeit. Das wäre: Ich arbeite immer noch drüben im Krankenhaus... oder wollte sie eigentlich noch studieren und Ärztin werden?


Ein ganzes Jahr hielt es. Ein ganzes Jahr lang war ich der glücklichste Junge des Dorfes, der glücklichste Junge der Schule, der glücklichste Junge der Welt. Dann passierte der Unfall. Und alles Gefühl erstarb in mir. Auch das für Paula. Sie brachten mich ins Heim und ich sah nur noch Tom ab und zu, der bald darauf eine Lehre begann in der Kreisstadt, in der auch das Heim war.
Das ist der schwächste Absatz im ganzen Text. Huschhusch, alle Infos zusammengedrängt auf wenige Sätze. Normalerweise müsste er dann doch noch mehr an Paula hängen, weil er nur noch sie hat, auch wenn sie nicht im gleichen Ort wohnen. Da müssen noch ein paar Sätze rein. Oben bist du so ausführlich und hier, wo es draufankommt, schlierst du so schnell drüber.

Auch wenn ich einiges kritisiert habe, gefällt mir deine Geschichte gut. Da aber seine Sehnsucht, seine Melancholie doch auf diesem Unfall und auf das Heimdasein aufbauen, bräuchte es für meinen Geschmack da noch etwas mehr Hintergrund.

Lieber Gruß
bernadette

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Bernadette,

vielen herzlichen Dank für Deinen umfangreichen Kommentar. Genauso hab ich es mir erwartet, nachdem ich eine Zeitlang hier schon rumgelesen habe. Präzise, genaue Kommenatre, schonungslos, aber wohlwollend. So soll es sein. Danke.

Dass Dir meine Geschichte trotz der Kritikpunkte gefallen hat, freut mich. Dass der Schluss zu kurz ist, haben jetzt schon viele gesagt. das wird wohl geändert, nur sitze ich im Moment an etwas anderem, was meine kreative Aufmerksamkeit fordert, deshalb muss ich umfangreiche inhaltliche Änderungen erstmal verschieben.

Andere Sachen werde ich zum Teil ändern, zum Teil belassen, die realen Fehler werden naturgemäß korrigiert.

Nur ein paar Anmerkungen zu einigen Deiner Anmerkungen:

Zitat:
Aber ich knallte die Tür.
Wirkt auf mich nicht rund. Muss da nicht noch ein zu an das Ende es Satzes?

Ich kenne die Redewendung auch ohne "zu". Möglicherweise ist das ugs. Das werde ich überprüfen.

Zitat:
Sie schmeckte uns nicht wirklich, aber wir fühlten uns wie Männer.
Bei diesem nicht wirklich schaudert es mich immer. Grade noch, dass ich es im Alltag ertragen muss, aber in Kurzgeschichten, von wörtlicher Rede abgesehen, finde ich es unpassend.

Du hast natürlich völlig recht. Aber scheinbar verinnerlicht man diese Sprache (vor allem wenn man TV-Junkie ist wie ich) derart, dass man sie dann doch unbewusst verwendet.

Zitat:
Die erste in einer langen Reihe. Auch die meisten anderen hatten ihre Mädchen dabei.
Da dachte ich erst, Andrea wäre das erste Mädchen von vielen in seinem Leben ... ;D

Peinlich für mich. So war es eigentlich tatsächlich gemeint. Da muss ich wohl die Formulierung ändern. Es sollte ja rüberkommen, dass Tom Beziehungen nicht ganz so ernst nimmt.

Zitat:
Eigentlich betraf ja auch das nur Tom, aber ich hatte mir angewöhnt, ihn und Sabine als Einheit zu sehen. Er liebte sie schließlich.
DAS ist Spießertum pur.

Sicherlich richtig. Das werde ich tilgen oder besser umschreiben. Denn Leo steht irgendwo zwischen bürgerlicher Existenz, die sich in seiner Beziehung zu Tom manfestiert, und einem anderen Leben, das er in seinen Beziehungen zu Frauen sucht.

Du hast Recht, wie gesagt, was das Ende betrifft. Da muss mehr ran. Nur eines sehe ich anders:

Normalerweise müsste er dann doch noch mehr an Paula hängen, weil er nur noch sie hat, auch wenn sie nicht im gleichen Ort wohnen.

Nein, eben nicht. Nach dem Tod der Eltern empfindet er zunächst gar nichts mehr, auch nicht für Paula. Aber das muss noch deutlicher werden. Es hängt an diesem "zunächst".

liebe Grüße
Platoniker

 

Hallo zusammen,

habe jetzt noch ein paar kleine Änderungen eingefügt. Den Schluß werde ich demnächst überarbeiten und verlängern, also vor allem die letzte Rückblende, auch den Motivationen werde ich noch feilen.

Aber zunächst spukt mir eine andere Geschichte im Kopf rum, zur Zeit ist es noch eine Liebesgeschichte, aber diesmal mit Happy End, aber das ist noch nicht entschieden. Man weiß immer so wenig, was die Figuren machen.

Danke allen für die bisherigen hilfreichen Kommentare.

 

Platoniker1972 schrieb:
Man weiß immer so wenig, was die Figuren machen.
QUOTE]

Mann, was bin ich froh, dass du das sagst. Ich hatte schon befürchtet, ich wär die Einzige, der die Prots auf der Nase rumtanzen. ;)

Die kleineren Änderungen übergehe ich, nicht genug Zeit. Aber auf deine neue Geschichte bin ich gespannt.

Kann ich irgendwie sehen, wenn du den Text editierst? Wenn nicht, dann musst du ein Posting schreiben, damit der Text bei den "neuen Beiträgen" auftaucht. Ich will die Änderung lesen.

 

Hi Platoniker,

schön, dass du mit meiner Kritik etwas anfangen konntest. Was mir nun noch auf die Schnelle auffiel:

„Warum hast du eigentlich keine Freundin?“, fragte mich plötzlich Andrea.

... fragte mich Andrea plötzlich.

Sag Bescheid, wenn du die Geschichte dann nochmal bzgl. des Schlusses überarbeitet hast.

Lieber Gruß
bernadette

 

und umfasste mich von hinten mit den Armen.
mit was sonst? Mit Fahrrädern? Würde ich streichen.
"Aber ich will nicht auf so eine Fuck-Hochzeit. Spießerkram." Sie war bockig.
ach was. Würde ich streichen.
Ich ging. Aber ich knallte die Tür. Wenigstens das.
fand ich gut :thumbsup:
In der letzten Stunde stieß mich Tom an mit dem Ellenbogen.
fände hier: In der letzten Stunde stieß Tom mich mit seinem Ellenbogen an. besser.
"Gerd glücklich, Kommiss, hast es verdient." - "Bin ich schon. Gerd du auch glücklich, Eo."
beim ersten Mal dachte ich "Tippfehler", aber es is ja dann noch mal. "Gerd" Absicht statt "Werd"? Und "Eo" statt "Leo", auch Absicht?
"Weil ihn die Paul nicht ran lässt", sagte Alfred, der größte Schwätzer in unserer Clique.
die Paul? :lol: Paula
"Wegen dir", sagte Toms Stimme.
Absicht? Richtig wäre "Deinetwegen", aber falls es Umgangssprache gewesen sein sollte, ist es ok.
Dass Tom und Sabine die einzigsten waren
böööööser Fehler. Für die Ewigkeit: einzig hat keine Steigerung
"Hi. Ich wusste nicht, dass Du auch hier bist. Hab Dich bis jetzt gar nicht gesehen", sagte ich.
Die Anrede du/dich etc. wird kleingeschrieben; die Höflichkeitsanrede Sie/Ihre etc. groß
"Jetzt sag bloß, du bist wegen mir hier", sagte ich.
meinetwegen (es sei denn, wieder Absicht)
"Wollen wir spazieren gehen? Rüber zum Waldsee?", fragte Paula.
"Stimmt nicht mehr so zwischen euch, oder?", fragte Paula nach einer Wei
Ich würde hier einen Absatz hinmachen, um die Weile zu verdeutlichen
Ein ganzes Jahr lang war ich der glücklichste Junge des Dorfes, der glücklichste Junge der Schule, der glücklichste Junge der Welt.
würde hier nach Größe aufsteigend sortieren: Schule, Dorf, Welt

Hi Platoniker1972,
deine Geschichte hat mir im Grunde gefallen, nur am Ende wird mir zuwenig aufgelöst.

Also, "nur" weil seine Eltern sterben (ok, das ist sehr hart formuliert), und das Gefühl für Paula erlischt (was ich übrigens zu bezweifeln wage), sie wird doch alles versuchen, um ihn zu behalten, wird für ihn da sein usw. und um ihn kämpfen.

Das Ende finde ich auch wegen dem Dialog komisch "Warum warst du nicht bei meiner Hochzeit?" - "Keine Ahnung." - "Küss mich." das geht erstens find ich zu schnell und zweitens halte ich es nicht für realistisch.

Sonjas Part ist mir auch nicht so klar. Soll sie dafür stehen, dass er nun eben immer noch gefühlslos ist, und mit so einer zusammen ist, die wenig von sich preisgibt ("bei Sonja weiß ich nie so recht, wies ihr geht") und auch sonst "bockig" ist?

Nichtsdestotrotz eine schöne Geschichte, deren größtes Manko jedoch die enthaltenen Fehler sind.

Bruder Tserk

P.S: Fehlerliste kommt per PN.

 

Hi Tserk,

danke für deine ausführliche Kritik samt Fehlerliste, die ich mir nachher noch anschauen werde. Etliche Fehler (werd/gerd, Eo, Paul ohne a) sind schon ausgebessert, scheinbar hast du Dir den Text rauskopiert, bevor ich diese Fehler ausgemerzt habe, die auch andere bemerkt haben.

Die Sachen, die du am Anfang streichen würdest, möchte ich vorerst noch drin lassen. Wegen des zu schnellen Endes steht ohnehin eine Revision an, da werde ich dann diese und andere Vorschläge genauer prüfen.

"Wegen dir" - ja, das soll Umgangssprache sein. In Bayern allgemein üblich. Im Dialekt ist "wegen" mit Dativ noch nicht mal falsch, im Schriftdeutschen natürlich schon, da ich aber in den Dialogen eine leichte ugs. Färbung haben möchte, habe ich das so verwendet.

würde hier nach Größe aufsteigend sortieren: Schule, Dorf, Welt

So wie ich es sortiert habe: Dorf, Schule, Welt, ist es aufsteigend sortiert. Die Schule (in meiner Vorstellung nicht auf dem Dorf, sondern in der Kreisstadt) besuchen mehr Jungen, als im Dorf leben. Aber vielleicht muss das noch deutlicher werden, danke für den Hinweis.

Was du zum Schluß sagst, stimmt mit dem überein, was die anderen bereits geschrieben haben. Revision folgt, wenn ich die andere Geschichte, die in meinem Kopf rumspukt, niedergeschrieben habe.

lieben Gruß,
Platoniker

 

Hallo Platoniker,

und von mir noch mal ein herzliches Wilkommen hier.
Ich muss vorausschicken, dass mir deine Geschichte längst nicht so schlecht gefallen hat, wie die Kritik es vermuten lässt. Eher ist es so, dass ich im Ansatz viel erkenne, an dem es sich zu arbeiten lohnt.
Am meisten solltest du am Aufbau arbeiten. Die zweigleisige Erzählstruktur bietet sich dazu an, die Gegenwart und die Vergangenheit miteinander zu verknüpfen.
Gerade in den Konflikten mit Sonja wird die Verbindung beider Zeiten nicht immer klar. Dabei hast du es dir etwas schwer gemacht, weil Sonja und Leo eben im Grunde beide nicht direkt kommunizieren. Sie scheinen beide nicht den wahren Grund für den Streit zu benennen. "Spießigkeit" klingt jedenfalls nach Scheinausrede. Deine Proatagonisten sind ja auch in jungen Jahren nicht als Revoluzzer beschrieben und was könnte spießige sein als ein Feuerwehrfest? Für diese Begründung fehlt also in der Vergangenheit die Herleitung aus dem Leben und den Idealen der Jugend.
Zweitens fehlt, wie es zu der Verbindung zwischen Sonja und Leo kam. Hat Sonja die gleiche Herkunft? Oder haben die ehemaligen Freunde sie erst später kennengelernt? Erst mit dem Wissen darüber lässt sich für Sonja im Kopf eine Eifersucht konstruieren, die einem Lebensabschnitt ihres Partners gilt, an dem sie nie teilhaben kann. Das würde ihre Weigerung, zu der Hochzeit zu gehen auch erklären, selbst, wenn es zwischen Sonja und Leo kein Gesprächsgegenstand wird. Als Fragen, die Leo sich selbst stellt, hast du diesen Aspekt ja auch durchaus aufgegriffen. Im Übrigen komme ich auch an dem Punkt noch mal zur "Spießigkeit" Sprachlich führst du Sonja so ein, dass in ihr durchaus andere Ideale waren als in Leo. Man könnte sich vorstellen, dass sie ein ehemaliger Punk ist, gleichzeitig aber vor Besitzdenken dem Partner gegenüber strotzt. Vielleicht wären einfach ein paar Sätze zur Vertiefung nicht schlecht.


„Wegen dir“, sagte Toms Stimme.
eine sicherlich verzeihliche Ungenauigkeit im Bezug. Ausdrücken möchtest du sicherlich, dass Leo es Tom sagen hört, ohne ihn zu sehen. Dann sagte es aber eben nicht die Stimme selbstständig, sondern entweder hörter Leo die Stimme oder Tom sagte es.
Dass Tom der einzige war, der das Band an schöne Zeiten vor diesem Tag vor fünfzehn Jahren herstellten.
"herstellten" bezieht sich auf "der Einzige", kann also nicht im Plural stehen.
MMn muss "der Einzige" auch groß geschrieben werden, da es kein Nomen gibt, auf das es sich bezieht.
Als ich das sagte, wusste ich auf einmal, dass das nicht stimmte. Dass es nicht Toms Freundschaft war, warum ich hier war. Dass es der verzweifelte Versuch war, das Band weiter verknüpft zu halten mit dem Ort, an dem ich ein Kind gewesen war. Und mit dem Gefühl, ein Kind zu sein. Aber ich war kein Kind mehr
Hier wüsste ich gern, woran er es gemerkt hat. Es erscheint mir zwar durchaus plausibel, dass er in Paulas Gegenwart ehrlich mit sich selbst sein kann (das Argmuent zuvor hat er ja schon ein paar Mal verwendet), aber mir scheint dieser Bruch recht wenig vorbereitet.

So, das war jetzt eine ganze Menge, also betone ich noch einmal, vom Plot her gefällt mir die Geschichte gut, sie scheint mir nur noch nicht vollständig ausgearbeitet zu sein.

Lieben Gruß, sim

 

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