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Paulas Kampf gegen den Drachen
Paula, Rike und Katrin spielen im Hof zusammen, nachdem sie ihre Schularbeiten endlich fertig haben. Es ist ein schöner Herbstnachmittag und die Mädchen freuen sich, dass sie noch draußen spielen können. Rike und Katrin lassen das Springseil schwingen, während Paula hüpft. „ Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig......“, zählen die drei Mädchen laut. Paulas braune Zöpfe hüpfen freudig mit, bis Rikes Mama von oben ruft: „Riiiike, komm rauf! Du musst deine Aufgaben noch fertig machen.“ Rike zieht ihr Stupsnäschen kraus. „Och schade, leider muss ich hoch. Ich bin vorhin nicht mit rechnen fertig geworden. Leider hat meine Mutter das jetzt bemerkt.“ Ihre blonden Locken schütteln sich unwillig, als sie Paula das Ende des Springseils zuwirft. „Na denn bis morgen.“, ruft sie den anderen Mädchen zu und verschwindet in der grauen Häuserschlucht.
„Und was machen wir jetzt?“, fragt Katrin, „zu zweit Springseil hüpfen geht nicht.“ „Wir können zu mir nach oben gehen, mit meiner neuen Barbie spielen.“, schlägt Paula vor. Katrins Rotschopf nickt zustimmend: „Oh ja, die kenne ich noch gar nicht.“
„Zuerst muss ich aber zu Tante Lilo. Mama ist da zum Kaffeeklatsch. Ich muss da den Haustürschlüssel holen.“
Katrin und Paula rennen die Treppen hoch. Tante Lilo wohnt im dritten Stock. Atemlos klingelt Paula Sturm.
„Was ist denn hier los?“, schimpft Tante Lilo. „Wo ist Mama? Ich brauche den Haustürschlüssel, schnell!“ bricht es aus Paula heraus. Paulas Mama kommt aus dem Wohnzimmer in den Hausflur. „Paula! Musst du denn immer so mit der Tür ins Haus fallen?“, tadelt sie Ihre Tochter streng. „ Was möchtest du denn?“
Paula erzählt ihrer Mutter, dass sie und Katrin in ihrem Zimmer spielen möchten und sie daher den Haustürschlüssel benötigt. „ Ach Kind wo denkst du hin? Den Haustürschlüssel bekommst du nicht und alleine in unserer Wohnung spielst du auch nicht mit Katrin. Ihr seid erst sieben Jahre alt.“, hält Mama Paula vor.
Wie ein begossener Pudel steht Paula da. Dann stampft sie wütend mit dem Fuß auf. „ Ich bin gar nicht zu klein! Und Svenja hat doch auch schon einen Schlüssel, dabei bin ich ein Jahr älter!“
Svenja ist Paulas Schwester. Als sie ihren Namen hört, kommt sie aus Tante Lilos Wohnzimmer und meint gehässig: „ Ich bin aber nicht so schusselig wie du, ätsch.“
„Du gemeine Ziege.“ Paula ist den Tränen nahe. „Komm Katrin, lass uns runtergehen." Katrin verdreht mitfühlend ihre grünen Augen. Schweigend gehen beide Mädchen die Treppe herunter. „Ich habe schon mal einen Schlüssel verloren.“, erklärt Paula entschuldigend. „Ach so.“, antwortet Katrin. „Wir können ja auch bei mir spielen.“, versucht sie ihre Freundin zu trösten. Paulas Augen blitzen auf ein Mal übermütig. „ Ich weiß was!“, ruft sie aus. „Kennst du den Drachenspielplatz? Der ist so toll. Nicht so langweilig wie unserer.“ „ Nee, den kenne ich nicht. Wo soll der sein?“ Katrin schüttelt ihre rote Löwenmähne. „ Na in der Nähe unserer Schule ist der. Los komm!“, antwortet Paula. Katrin zögert. „Meinst du wirklich? Es ist schon ziemlich spät am Nachmittag.“ Aber Paula lässt Katrins Einwand nicht gelten. Übermütig springt sie von einem Bein auf das andere. „ Ach was Katrin, sei kein Spielverderber! Bis zum Abendbrot sind wir zurück.“ Sie fassen sich an den Händen und wirbeln durch den Park, der eine Abkürzung zu dem offiziellen Schulweg ist. Sie kommen an der Schule vorbei. „ Und jetzt?“, fragt Katrin atemlos. „ Wir müssen über die große Straßenkreuzung beim Hochhaus, dann links abbiegen.“, antwortet Paula bestimmend. Paula ist ganz aufgeregt. Sie wittert ein großes Abenteuer. Unbeirrt führt sie Katrin zum Drachenspielplatz, der versteckt zwischen grauen Mietskasernen liegt.
Katrin ist enttäuscht. „ Was, das soll dieser so tolle Spielplatz sein?“ Vor den Mädchen liegt ein einsamer trostloser Spielplatz, an dessen Spielgeräten die Farbe abblättert „Ein paar Geräte sind anders als bei uns, das stimmt schon, Paula. Aber hitverdächtig finde ich das nicht hier.“, mosert Katrin. „ Guck doch mal richtig hin, Katrin.“, übergeht Paula den Anflug von Katrins schlechter Laune und weist mit dem Finger auf ein Klettergerüst im Sand, das die Form eines Drachens hat. „ Und?“, fragt Katrin „ Klettern kann ich auch bei uns.“ „Wer will denn klettern? Das ist ein Drachen! Siehst du das nicht? Der wohnt in einem Vulkan und hält am liebsten Mädchen gefangen. Und wir werden sie befreien. Pass auf! Er speit Feuer!“
Paulas graue Augen blitzen vor Kampeslust, als sie einen Stock aus dem Gebüsch zerrt. „ Ich erdolche dich mit meinem Schwert Drache, wenn du Prinzessin Agathe nicht freigibst.“
„ Das ist ein Jungenspiel.“, mault Katrin. Doch Paula hört sie nicht mehr. Sie ist in ihrem Element. „ Ich bin der Ritter Paulus aus Hohenburg und werde Agathe retten.“ Paula schwingt sich auf das Klettergerüst. Ihre braunen langen Zöpfe wehen wie Siegesfahnen hinter ihr her. „Auch wenn du jetzt fliegst Drache, du entkommst mir nicht mehr. Du kannst mich nicht abschütteln. Prinzessin Agathe ich komme dir zu Hilfe.“ Dabei fällt ihr Blick auf die in der kühlen Abendluft zitternde Katrin. „ Ihr braucht keine Angst zu haben. Ich beschütze Euch. Ha! Hier der Todesstoß.“ Triumphierend steckt Paula den Ast zwischen die Kletterstangen und springt hinunter zu Katrin. „ Hurra! Ich habe dich befreit.“ Katrin geht auf Paulas Siegestaumel nicht ein.
„Lass uns nach Hause gehen. Es wird schon dunkel.“, mahnt sie beschwörend. Paula sieht sich um. Auf einmal sieht sie auch die Trostlosigkeit auf diesem Spielplatz. Ein paar Jugendliche mit Bier und Zigaretten tauchen auf. „ Was wollt ihr hier? Das ist unser Platz. Haut ab, sonst gibt’s was!“, zischt ihnen einer zu. Verängstigt rücken Paula und Katrin zusammen. „ Wir gg-ge-hen ja schon.“ ,stottert Paula. Die Mädchen nehmen ihre Beine in die Hand und rennen los. Ohne sich umzusehen, laufen sie zur Straße, bis zur großen Kreuzung. Erst als sie bei der Schule sind, verlangsamen sie ihr Tempo. „ Puh!“, stöhnt Paula „ ich hatte richtig Angst vor denen.“ Dann grinst sie schelmisch. „Aber vor dem Drachen hatte ich keine Angst. Komm Prinzessin Agathe, ich bring dich nach Hause.“ Katrin pustet: „ Mann, das war aber knapp. Ob die uns verhauen hätten? Na ja, ist ja gut gegangen. Guck mal, wie dunkel das ist. Da können wir nicht mehr durch den Park gehen.“ „Stimmt.“, antwortet Paula. „ Da müssen wir wohl außen rum gehen.“ Sie laufen gerade am Sportplatz vorbei, als sie Rufe hören. „Pau-la! Ka-trin! Wo seid Ihr?“ „ Au weia.“, sagt Katrin. „Das sind unsere Väter, die suchen uns schon.“ Betreten sehen sich die Mädchen an. „ Hallo! Hier sind wir!“ ruft Katrin zurück. Aus der Dunkelheit tritt zuerst Paulas Vater, der Tränen der Erleichterung in den Augen hat. Er schließt seine Tochter in die Arme. „Gott sei Dank haben wir euch gefunden.“ Auch Katrins Vater erscheint. Er streicht seine Tochter übers rote Haar. „Kind“, sagt er erstickt, „ mache das bitte nie wieder. Du musst doch immer Bescheid sagen, wohin du gehst. So jetzt aber ab nach Hause, eure Mütter warten schon lange genug.“ Mit hängenden Köpfen gehen die Mädchen nach Hause. An der Haustür verabschieden sie sich. „ Gute Nacht Katrin, wenn du wegen mir Hausarrest bekommst, tut es mir leid.“ sagt Paula leise. „ Ist schon gut, Paula. Wir sind doch Freundinnen.“, beschwichtigt Katrin. „Wir haben dafür heute auch ne Menge erlebt, oder nicht?“ Die Mädchen umarmen sich noch mal, wohlwissend, das jetzt noch ein Donnerwetter droht.
Oben in der Wohnung ist Mama ganz traurig. Sie sieht Paula ernst in die Augen. „Paula, warum bist du weggelaufen? Weil du den Schlüssel nicht bekommen hast?“ Paula schmiegt sich in Mamas Arme. „ Ich bin nicht weggelaufen Mama. Ich war auf Drachenjagd.“ Und sie erzählt Mama ihr Abenteuer, was sie heute so alles erlebt hat. Mama hört sich geduldig alles an. „Du bist ja richtig mutig Paula.“, befindet sie, als Paula geendet hat. „Und weil du so mutig bist, bekommst du auch einen neuen Haustürschlüssel. Und den hängen wir mit einem Band um den Hals. Aber du musst mir auch versprechen, immer Bescheid zu sagen, wohin du gehst, mein Schatz.“ Paula antwortet sofort: „ Mama, ganz bestimmt.“ Beide lächeln sich glücklich an.