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Pechvogel
Das ist die traurige Geschichte von Nanga Elboko, der in einem kleinen, geradezu winzigen westafrikanischen Land, sich an einem schönen Samstag Nachmittag die Zeit auf einem Golfplatz vertreibt, unweit der Küste, direkt neben dem Flugplatz. Nicht wissend, dass dieser Tag sein Leben auf eine zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbare Art und Weise beeinflussen würde.
Als Nanga Elboko, der in dieser Sportart als überaus routiniert und erfahren einzuschätzen ist, den Ball, der in einer kleinen Senke im Grün des hiesigen Golfareals liegt, mit einem kräftigen und präzisen Schlag unerwartet weit über den Zaun auf das Gelände des benachbarten Militärflughafens schlägt, nimmt in diesem Moment eine Kette unglücklicher Umstände ihren Lauf. Mit der Wucht eines Geschosses durchschlägt der kleine weiße Golfball das Cockpit eines gerade startenden Jets der heimischen königlichen Luftwaffe, dessen Pilot erst die Kontrolle über das Flugzeug verliert und dann ungebremst in weitere am Rande des Flugfelds geparkte Maschinen kracht und diese nahezu vollständig zerstört.
Auch wenn der mit dem Schleudersitz gerettete Pilot unverletzt geblieben war und auch sonst keine weiteren Menschenleben zu beklagen waren, so dämmert es Nanga Elboko langsam, dass er in Schwierigkeiten steckt. In großen Schwierigkeiten.
Er könnte weglaufen, doch wo sollte er sich verstecken? Man würde sogleich nach ihm suchen. Selbst eine Haftpflichtversicherung würde ihm jetzt nicht helfen können, mal ganz abgesehen von der Tatsache daß er gar keine besaß. Was hätte er auch melden können? Einen Glasschaden? In Höhe mehrerer Millionen Dollar? Wohl kaum.
Er könnte zur Polizei gehen und den Sachverhalt schildern, die würden ihn aber verhaften, schlagen, und vermutlich, wie in solchen Ländern gelegentlich üblich, etwas foltern. Und dann dem Militär übergeben.
Sowie er das von seinem Standpunkt auf dem schmalen Hügel überblicken konnte hatte er, zwar gänzlich unabsichtlich, die gesamte Luftwaffe seines Landes lahmgelegt. Und er begann zu ahnen, daß der Präsident seines geliebten, im Moment allerdings gänzlich schutzlosen Landes, die Lage gewiss nicht so differenziert beurteilen würde. Die Luftwaffe, ausgerechnet die Luftwaffe, der ganze Stolz des Präsidenten, durch eine Unachtsamkeit der Lächerlichkeit preisgegeben. Hatte Nanga Elboko bis eben noch geglaubt er würde als „Pechvogel des Jahres" mit einer Tracht Prügel und lebenslang mit einer Zahnbürste das Rollfeld des Flugplatzes putzend davonkommen, musste er sich eingestehen daß diese unglückliche Geschichte ein weitaus übleres Ende nehmen würde. Und so kam es, daß man Nanga Elboko spät am Abend auf dem Gelände des Golfclubs fand, leblos an einem Baum hängend, direkt neben dem Flugplatz.
