Was ist neu

Porzellan

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22.11.2005
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Porzellan

Über was soll ein Autor anderes schreiben, wenn seine Gedanken an einer Frau kleben geblieben sind?​

Für Claudia​

Während sie schläft, spuckt die Sonne ihr erstes Licht durch die Lamellen und auf ihre Haut, Wind faucht durch den Keil des gekippten Fensters und die Wolken schubsen sich über die Himmelsleinwand.

Während sie schläft, die Musik so leise und schüchtern; wagt es nicht, das Zimmer zu verlassen. Eine Stimme flüstert in ihr ein Lied, möchte niemanden wecken.

Während sie schläft, klacken die Tasten dieser Tastatur so ekelig mechanisch, das p hakt, und ich versuche, jedes Wort so zärtlich zu tippen, wie ich es flüstern würde.

Orangenkisten gefüllt mit CD´s, Wandschränke mit Büchern, Ordnern, und aus manchen quillt Kleidung, eine Matratze, eine Decke, unter welcher sie sich regt gerade. Ich habe zu unsanft getippt.

Im Chaos ihrer Schönheit liegt mein Pullover noch zu ihren Füßen, mein Saft, griffbereit und abgestanden, und meine Gedanken kuscheln sich wieder zu ihr unter die Decke.

Die Wasseroberfläche in der Sprudelflasche räkelt sich bei jeder Erregung des Bodens, draußen leben Tauben und Staubsauger ihren Tag, und die Stadt wühlt in ihren geschmückten Ruinen.

Ich höre wie sich die Schlange der Großstadt zwischen den Bauten und den Häusern durchquetscht, durch die morgendlichen Straßen schlingert, sich ihren Weg durch die Stadt zwängt und verschlafene Seelen in ihren Bauch lädt um sie von A nach B zu transportieren.

Und in meinem Bauch eine Horde glücklich fickender Schmetterlinge, die ein neues Zeitalter anzukündigen haben. Auch in ihrem Bauch, auf dem meine Lippen des nachts Heimat gefunden haben, rumpeln sie die nutzlosen und kalten Gefühle beiseite.

Die Musik erlischt und die Stadt und ihr Stress klopfen an der Tür und drängen an den Fenstern, dass sie sich unwohl rekelt unter der Decke und im Schutz meiner Liebe. Vorsichtig stehe ich auf und schleiche zur Anlage.

Die Frau flüstert wieder zum Takt eines Kontrabasses aus den Boxen und auf dem Weg habe ich sie geküsst, auf die Wange, und sie hat geschmunzelt kurz, dass die Stadt uns heute verschont und sich zurückziehen solle in den Wirbel ihrer selbst.

Doch dann zucke und erschrecke ich! Das Zimmer tränkt sich in Grau, die flüsternde Frau besorgt und ebenso trist wie die Fassaden draußen und Angst überkommt mich. Angst, denn es ist Wissen, dass es vergänglich sein könnte, sein muss und wird.

Gestern hatte ich mich ihr bekannt und die drei Worte gesagt. Sie waren, überwältigt von brennenden Gefühlen, aus mir explodiert, trafen ohne Vorwarnung in ein sich gerade ordnendes System von verstaubt geglaubten Gefühlen, welche keine Reaktion zu Stande brachten, sie allerdings dazu rüttelten, mich zu umklammern und zu verschmusen.

Mit ihr bin ich albern ohne mich zu schämen, bin versaut ohne mich pervers zu fühlen, lache wirklich und lache, habe kaum Hunger, erforsche ihren Körper und will den Glanz in ihren Augen sehen und ihr meinen zeigen, wenn ich mit ihr schlafe.

In zwei kalten Tagen und Nächten waren wir vor dem Landtag in Düsseldorf zusammen gegen Studiengebühren demonstrieren gewesen. Wären so viele Demonstranten gekommen wie Schmetterlinge in unseren Bäuchen, würde man jetzt Geld fürs Studieren bekommen.

Als ich sie erblickte war ich plötzlich wieder dreizehn, konnte mich nur gequält artikulieren und zaghaft schickte ich Worte zu ihr die schon längst nur noch Untermalung waren im Flirt unserer Augen.

Und als unsere Zungen endlich miteinander spielen durften und vor Verlangen trieften, während wir uns in einer Ecke eines unbedeutenden Clubs aus einer unbedeutenden Gesellschaft vergraben hatten, streichelte ich über Schnittwunden an ihren Armen, Schultern und Beinen und sie trank meinen doppelten Whiskey für mich.

Alkohol tötet langsam, kontinuierlich und angenehm. Rasierklingen schnell, unvorhersehbar und sporadisch.
Liebe trifft ihr Ziel wann sie es für richtig hält und immer dann, wenn es zu spät und hoffnungslos scheint. Doch dass es so war, verrät sie einem erst, wenn sie getroffen hat.

Mit den drei Worten gab ich ihr den zum Dolch geformten Schlüssel zu meinem Herzen und es liegt nur und nun an ihr, wie sie ihn verwendet. Vorsichtig und behutsam will er in das verrostete und verkrüppelte etwas in mir, das sich Herz schimpft, eingeführt werden.

Und da ist sie wieder, diese Angst. Diese Angst eines Kindes zum ersten Mal in die wartenden Arme eines Vaters zu springen. Sprunghaft läuft dieser Film vor meinen Augen; wie auch nur kleinste Ungereimtheiten die Perfektion zersprengen und wie mich mein Stolz verblassen lässt, mein eiteler Schöngeist Ekel bedingt, mein paranoides und neurotisches Wesen eingeklemmt erscheint und das Ende vom Lied wieder nur Elend sein wird.

Panisch stürze ich aus ihrem Zimmer und der Wohnung, versacke zusammen mit dem Fahrstuhl in die Parterre der Existenz, Gleichgültig will ich sein, werden und bleiben, die Einsamkeit hier unten und draußen umschmust mich genüsslich und herzlich und sie ist stetig, bleibt beständig und die Gefahr der Vergänglichkeit dieser Liebeswärme dort oben in diesem Haus, dieser Wohnung, diesem Zimmer, dieser Decke, diesen Augen und dieser Seele vermag im Sumpf der Destillation schnell vergessen sein. Die Gefahr meine Porzellanseele in schwitzige, unerfahrene Hände zu geben, erscheint mir zu groß. Der Schleier dekadenter Depression schützt mich vor Versuchungen und lässt mich aufgeben, ohne es versucht zu haben, erdrückt Gefühlsregungen durch Angst und mögliche Folgen. Der Gedanke an den Freitod lässt mich leben. Wie könnte ich es wagen Verantwortung, Versprechungen und Vertrauen in dieses meine Leben zu lassen? Dafür sacke ich schon unter meiner eigenen Last zu schnell zusammen.

Auf geht’s; zur nächsten Taverne und den verwirrten Geist mit ein par Altbieren freigespült. Geliebt gewohnte Isolation, frei von Gefühlen, nur Schmach und Lust an Sehnsucht und Spaß an der Missatrophie, ergötzt am Stumpfsinn der Welt, Selbsthass so lieblich, vegetieren in der eigenen Gruft, langsame und zärtliche Selbstzerstörung; und zwar wann und wie ich es für angemessen halte.

Dann bleibe ich stehen. Mir ist kalt und der Wind fegt den Morgen in die Straßen.

Ein Blick zurück. In ihrem Zimmer ist Licht. Dann im Flur auch. Und dann im Bad.

Ich denke an die letzten Tage und wie das Trinken und das Nachdenken in den Hintergrund gerückt waren, wie mein Geist in einer Hängematte schaukelte und den süßen Saft der Zweisamkeit schlürfte, wie ich mich mit Sinnlichkeit füttern ließ und fütterte, wie ich in den Nächten glühte, wie ich Ideale in mir erwachen spürte und die Energie sie umzusetzen, wie es ist vermisst zu werden, wie es ist vor sich selbst geschützt zu sein und in der Lage zu sein zu schützen.
Ich habe erfahren wie es ist einen Wert in seiner alltäglichen Existenz zu haben.
Jeder Tag mit ihr war Ziel auf der Suche nach dem Weg.

Zu meiner Linken öffnet eine Bäckerei ihre Pforten.

Schnell kaufe ich eine Vielzahl an Brötchen und zwei oder zehn Croissants, sprinte zu ihrem Haus und das Treppenhaus hoch und auf halben Wege fällt sie die Treppen hinab und in meine Arme. Eine Vielzahl an Brötchen und zwei oder zehn Croissants verteilen sich über die Treppe.
„Ich liebe dich auch!“, schluchzt sie mir über die Schulter, über der Kurve des Geländers liegen wir uns in den Armen und unsere Tränen fallen gemeinsam das Treppenhaus hinab, manche treffen sich unterwegs und regnen zusammen in den offenen Hals einer Vase in der Parterre und zerplatzen auf dem Porzellan des Vasenbodens so dass es durchs Haus hallt.


Fin

 

hi nachtschatten

hintergrundinfos krigst du hier nicht. ich bin halt verliebt. und sicherlich, hab ich im liebesrausch geschrieben. lässt sich nicht vermeiden.

Infos über die Frau? hm. hatte ich auch drangedacht. aber man hat auch welche. sicherlich bleibt sie statisch. aber es geht auch einzig und allein um den Prot und seine Bindungsangst. die ist sicherlich normal. aber auch die muss man erst mal zu Papier bringen. da ist auch überwindung von Nöten.

und am ende stellt sich heraus, das auch sie aus Porzellan ist (metapher für zerbrechlich) und das selbe empfindet wie er.

mal schauen.

besten Gruß

 

hallo aris,

ich wollte dir in der kritik im prinzip genau das schreiben, was du jetzt in deinem kommentar bestätigt hast.
du hast die geschichte schön geschrieben, finde ich. vieles ist nachvollziebar, manches nicht. insgesamt habe ich jedoch beim lesen das gefühl, dass ich hier in etwas hineinschnuppere, das mich nix angeht. ungefähr so, als hätte ich irgendwo dein tagebuch gefunden und würde nun heimlich darin lesen. ich bin mir sicher, dass die geschichte deine gefühle sehr schön ausdrückt, allerdings glaube ich nicht, dass es unbedingt für fremde augen bestimmt ist.

wenn ich es rein als geschichte bewerten soll, kann ich mich eigentlich nur nachtschatten anschliessen. die geschichte bleibt an der oberfläche, die frau ist auf äußerlichkeiten reduziert.

lg
bella

 

dann nimm sie raus! dann schreib ich wieder über vollgekokste Punks und vielleicht mal über Bienchen und Blümchen und ihr könnt euren Kuchen essen dabei.
rein als GEschichte betrachtet, Bella, gehört mein Kommentar nicht dazu.

die Geschichte allein bietet dir den Einblick in die GEfühle einer Person.

und wo bitte beschreibe ich die Frau äußerlich. ich beschreibe sie gar nicht. nur ihre Schnittwunden und einige Gestiken. aber es ist eine Sicht. die Sicht des Prots.

 

sei nicht gleich beleidigt, aris.

mit der äußerlichen beschreibung meinte ich, dass eben ihre gesten etc. beschrieben werden. das gehört auch zu äußerlichkeiten. der charakter spielt für die geschichte keine rolle.

ich finde halt, dass eine geschichte mehr tun muss, als dem leser die gedanken eines prots zu eröffnen. ich schätze, dass die meisten leser schon einmal verliebt waren. welche neuigkeit sollte mir diese geschichte bringen?

edit:
ach ja, ich wollte schon BEVOR ich deinen kommentar gelesen habe schreiben, dass ich die geschichte zu privat oder persönlich finde. und genau das hast du ja in deinem kommentar bestätigt. ich weiß schon, dass ich nicht mit dem die geschichte bewerten soll.

 

Neuigkeiten. was erfährst du hier denn sonst so für Neuigkeiten. ich nicht viele.
hier sind 2 selbstmordgefährdete, die zueinander finden. ich weiß nicht, wie weit du da schon gekommen bist.

aber nun gut. beleidigt bin ich jetzt. überlege, die GEschichte rauszunehmen.


ja, nimm sie raus. schnell!

 

was erfährst du hier denn sonst so für Neuigkeiten.

ich bin mir nicht sicher, ob du mich gerade absichtlich missverstehst.

ich weiß nicht, wie weit du da schon gekommen bist.

wie meinst du das?

ich würde die geschichte nicht rausnehmen lassen. das war schließlich nur meine persönliche meinung. jemand anders, kann das ja total anders sehen.

 

na also. das find ich schön, golio, dass ich dich erreicht habe! Bella fand auch nur, dass es für eine Geschichte nicht ausreichen würde, Verliebtheit zu beschreiben. aber da ist ja auch noch handlung. und wenn du sagst, dass so jeder schon mal gefühlt hat, dann sicherlich ja. aber da fand es Bella wohl auch zu einfach und monierte, dass, da sich ja jeder schon mal so gefühlt haben soll, es nichts neues sei.

und alle waren bisher ja auch erst 2!

danke, du besserst meine Laune!
was andere natürlich nicht davon abhalten sollte, ihre Meinung zu schreiben.

besten GRuß

 

Bella und ich haben den Großteil auch per PN geregelt. das hier ließt sich etwas schroff. da war noch viel mehr. und wir haben es ohne Tote und Verletzte geregelt. könnte man jetzt sogar löschen, sonst entsteht da ein falscher eindruck. angepisst war ich sicherlich. und wir sind halt verschiedener meinungen, beim Geschichtenschreiben generell. aber wir mögen uns immernoch.

und sicherlich ist ihre Kritik viel Wert.

aber auch die Meinung von dem MAnn, der 3 Touchdowns in einer Rubrik schaffte, ist mir was wert.

alle anderen Meinungen auch.

besten Gruß

 

hi lukas

danke für deine Kritik. Eine Gedicht wollte ich nicht, sonst hätte ich ja eins geschrieben. Was hast du gegen poetische Ergüsse? Es ist auch eine Kurzgeschichte und kann daher hier stehen. das es dir nicht gefällt, war doch eh klar. das brauchst du schon fast nicht mehr zu erwähnen.

ansonsten bin ich dir für die Fehler sicherlich dankbar. wenn auch nicht alles richtig ist. die kommas bei den Während sie schläft, hatte ich erst, dann wieder nicht, dann wieder. sie können, müssen nicht aber ich werd sie wieder setzen, denk ich.

Der Boden Erregt sich durch die BAhn, die vorbeifährt und diese ist auch der Aal. weiß nicht, was du da hast. findest du nicht, dass sich die S-Bahn durch die Stadt schlingert wie ein Aal. ich hätte auch SChlange schreiben können.

nichts für ungut.

ist dir zu kitschig wie. nun ja. ist ja geschmackssache.

 

Na, da hast du doch drauf gewartet, oder

So mein Lieber,
ich muss sagen, auch wenn es klar einzig und allein erstmal wundrbare Gefühle gemischt mit der Angst und der persönlichen Verfassung gemischt ist, ist es doch für dich als Autor ein Schritt nach vorne. Denn du kannst über etwas schreiben, meiner Meinung in wunderbare Worte gefasst, dass wir viellicht alle kennen, aber du hast es in Worte gefasst. Klar du bist verliebt, (alter bbist du verliebt) aber das macht nichts, denn ich weiß dass du lange nicht so fühlen konntest und als du es das letzte mal tatest, hättest du es nicht so ausdrücken können.
Außerdem, hey wer liest nicht mal gern in einem Tagebuch, also ich meine damit, dass hier jeder schon mal aus dem Nähkästchen gelesen und geredet hat. Etwas über jemanden andres zu wissen ist menschliche Neugier und Axel Springer hat daraus die auflagenstärkste Zeitung Europas gemacht.
Ich find sie schön und ich würd sie auch schön finden, würde ich dich nicht kennen würde, denn "Liebe" in Worte zu fassen, ein GEfühl das nicht in Worte zu fassen ist, das muss man können, kann man es, kann man etwas.
Allt the best wishes........rain down on me and rise in shame!!!

Wurzelkindchen9

Ich hab das Kommentar nicht nochmal gelesen, wollte frei herausschreiben, sory wegen unmissverständlichekeiten und R-Fehlern.

 

Hi jochen

du sprichst mir ausder seele. man kann dieses kleine essay hier genießen, wenn man das möchte. es ist eine kg, soviel steht fest. und, um nochmal privat zu werden: als ich jetzt, da es mir besser geht, wieder eine kg geschrieben habe, kann ich mich tatsächlich einfach aufs geschichtenschreiben erzählen, und habe nicht mehr diesen drang meinen weltschmerz und di depressionen reinpacken zu müssen und so melankolisch wie eben möglich zu schreiben. der Blutwein des grafen in horror.

und wie privat ein autor wird, bleibt ihm überlassen. ich wollte halt, dass ihr hier auch freude an diesem test haben könnt.

besten ruß

 

Hallo Aris
endlich mal ein Autor, der die Sprache ein wenig verbiegt, Wortlaute in andere Klänge zwängt, so zu sorgfältigem Lesen zwingt und die Sinne fordert. Gefällt mir sehr gut - Dein Malen mit der Schrift. Dass diese beiden Großstadtkinder ihre Gesichter nicht zeigen können beweist, wie beliebig austauschbar sie sind und doch schreit ihre Liebe persönliche Noten.
Glanzvolle Schreibe.
Gruß
Detlev

 

Hallo Detlev

Besten Dank. Freut mich, dass es dir gefallen hat. Diese Sprache ich sehr gefährlich. Weil erstens nicht jeder so was mag, und zweitens man auch ganz derbe danebenlangen kann und mit einem Satz die ganze KG versauen kann.
Als ich es gerade noch einmal gelesen habe, sind mit auch noch ein paar Sachen aufgefallen, die ich ganz dringend ändern muss.

Aber danke für das Lob. Es freut mich sehr.

besten Gruß

 

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