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Prinz Hans
Hans Bramschwiek rieb sich über den Bauch und furzte herrschaftlich.
Er war ein Tier. Er lebte wie eins, aß wie eins und - viel wichtiger für seinen Werdegang - wurde gezeugt wie ein Tier. Sein Vater, ein zumeist herrischer und barbarischer Mensch der jegliches Feingefühl entbehrte, nahm, schwitzend und stöhnend, seine ebenso fettleibige wie schwitzende Frau, herrenmenschlich zur Frau. Riß an ihren Beinen, drückte sie mit seinem massigen Leib immer tiefer ins Laken, genoß ihr ersticktes Keuchen als animalische Bestätigung seiner äußersten Begabung, grabschte nach ihren künftigen Mutterbrüsten , erschauerte im unheiligen Akt, in allzu unwürdiger Stellung und grunzte lang, laut, übelriechend und aus tiefster Seele befriedigt, seinen ewigen Fortbestand herbei. Hans Mutter nahm es wie ein Tier, verwischte sich die Flüssigkeiten und stand, von Hunger getrieben, zur Zubereitung des abendlichen Mahles auf.
Hans Vater war Vorarbeiter in einer kleinen kleinstädtischen Fabrik, welche kleinere und größere Teile einer größeren Sache produzierte. Um was genau es sich dabei handelte, hatte Hans nie interessiert. So wie so, Arbeit war Arbeit, Heim, Heim und Vater wie Mutter verschwendeten kaum ein Wort darauf.
Nach Spielzeug verlangte der kleine Hans niemals. Die von liebenden Tanten geschenkten Soldaten, Panzer, Blechtrommeln, Malbücher, Stofftiere und Puppen - letztere entrissen seine beherzten Eltern allerdings sogleich der liebenden Tante, wodurch ihm dieses püppische Vergnügen für immer verwehrt blieb - also jenes Spielzeug zertrümmerte Hans Mal um Mal nach kurzer und eingehender Betrachtung, in dem er es zerschlug oder gegen heimischen Wände warf.
Es verlangte ihn nach robusterem. So bereiteten ihm wechselnde Spielkameraden größere und nachhaltigere Freude als es jeglichem Bären, Panzer, Malzeug je möglich wäre: Sie wehrten sich, gaben Laut und kamen in vielen Fällen oft zurück. Freunde wollte er keine, duldete jedoch eine kleine elitäre Anhängerschaft, die, nach vollzogener eigener Arbeit, diese lusterfüllt fortsetzen durften.
Jener Spaß endete nicht etwa mit Beginn der Schulzeit, sondern erfuhr, begünstigt durch wenig mögliche Schulwege seiner Schulkameraden, zahlreiche Höhepunkte.
Bei einer solchen Gelegenheit, es war Mai, die Sonne stand hoch und Friedel Putzbach - ein besonders verwegener und zäher Bursche, dessen Standhaftigkeit Hans jedes Mal erneut erfreute - also, die Sonne stand sommerlich hoch und Friedel lag blutig tief, als Betti Laerbusch - zarte Knospe einer großen Familie die schon früh den rohen Trieben ihrer vielen Brüder folgte - also, die Sonne stand hoch und Friedel lag tief, als Betti Laerbusch Hans Werk beiwohnte.
Kurzerhand ließ Hans Friedel los.
Dieser war überrascht, die anderen erstaunt, Hans begierig und Betti wußte es nicht.
Im allgemeinen Einverständnis beschloß er sie zu nehmen und sie, sich nehmen zu lassen.
Hans hatte oft genug verwandtschaftliche Brüste gesehen - sie waren fett, hingen, hatten riesige dunkle Vorhöfe oder waren mit einigen schwarzen Haaren besetzt - hatte sie also oft genug gesehen um zu wissen, daß Brüste nichts für ihn waren. Doch Bettis hatten ein eigenes Leben.
Sie sprangen und hüpften so ganz fidel, so ganz für sich, so ganz anders als es Bettis Bewegungen hätten zulassen dürfen, daß Hans sie für sich einnahm.
Bei allem Auf- und Niedersausen, Stoßen, Stöhnen und Toben, vergaß Hans so zwar Betti, nicht aber Betti Hans. Im Gegensatz zu ihren Brüdern - welchen die elterliche Schmächtigkeit nichts zur Schönheit beitrug - war Hans zu greifen. Brachte ihm doch das tägliche Schlagen einen festen Körper, bescherte ihm doch Gott einen kräftigen Schwanz, zeigte Hans ihr doch, daß "das da unten" mehr gab als Blut und Urin.
Also blieb es nicht bei diesem einmaligen Treiben und Schwitzen. Sie schwitzten und trieben noch so lange, bis Bettis Bauch zu groß für ihren schmalen Leib, die väterliche Hand zu hart für ihr Gesicht und Hans’ Eifer zu gering für eine Hochzeit waren.
Man beschloß es zu verschweigen, und alle verschwiegen es recht gern.
So also, einen Weltkrieg und viele kleine Kriege später, dachte Hans Bramschwiek an seine Kindheit, rieb sich über den Bauch und furzte herrschaftlich.
Er war ein Tier, der König der Welt.
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Leif Markthaler