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Puppenaugen

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15.04.2006
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Puppenaugen

****Überarbeitete Version ****

Die Puppe saß auf dem Fensterbrett. Sie trug ein blassrosa Kleid, das ihr weit bis über die Knie ging und nur ihre weißen, etwas angestaubten Schuhe freigab. Ihre blonden Haare waren früher einmal exakt gescheitelt und mit Bändern geflochten gewesen. Jetzt hatten sich schon einige Strähnen aus den Zöpfen gelöst, was ihr einen menschlicheren Ausdruck verlieh. Sie saß da, mit ihrem Porzellanteint und den großen blauen Augen und der Kopf war ihr schwer. Lange war es her, dass sie Menschen gesehen hatte. Seit die kleine Elle weggezogen war, mit Mami, war es sehr still geworden. Manchmal machte es sie traurig, dass sie einfach allein gelassen worden war. Vor allem in der Nacht fühlte sie sich einsam, denn dann hatte Elle sie oft mit ins Bett genommen und es war so schön warm und kuschelig gewesen, so fest in den weichen Kinderarmen zu liegen. Außerdem war es auf die Dauer auch am Tage ganz schön langweilig, weil niemand mehr mit ihr spielte. Zu dumm, dass sie eine so ungünstige Haltung hatte. Den Rücken an den Fensterrahmen gelehnt, mit ausgestreckten Beinen, musste sie parallel zum Fenster sitzen und den gegenüberliegenden Rahmen anstarren. Immerhin konnte sie, wenn sie sich besonders anstrengte, mit dem rechten Auge einen Streifen Grün erkennen. Er gehörte zu einem großen Garten, wie die Puppe wusste.

Im Sommer war sie oft dort gewesen. Obwohl sie diese Jahreszeit nie besonders gemocht hatte, sehnte sie sich nach den Stunden im Garten, schon allein wegen des weißen Sonnenhuts, den L. ihr dann oft angezogen hatte. Er bot ihr zumindest ein wenig mehr Schutz, denn da draußen war ihr doch immer ein bisschen mulmig zu Mute gewesen. Die vielen Geräusche und Farben hatten sie verwirrt, und das große blaue Ding an der Decke, was alle Himmel nannten, war ihr doch ein bisschen zu weit und zu groß. Sogar für Elle musste der Garten sehr groß gewesen sein, denn kein anderes Haus war zu sehen, nur Bäume und Wiesen und ein riesiger brauner Zaun, durch den kein Blick drang. Aber Elle hatte auf sie aufgepasst, mit ihr Schmetterlinge gejagt, barfuss auf der Wiese getanzt und sie vor Käfern und Dreck beschützt- und auch vor Vati, der einmal versucht hatte sie in das rotweißgestreifte Planschbecken zu schmeißen. Vati hatte es sehr lustig gefunden sie an den Haaren herumzuschleudern und sie über das tiefe Wasser zu halten, doch als er Elles Tränen sah, hatte er sie sofort in seine Arme geschlossen und die Puppe dabei in das vom Wasser aufgeweichte Gras fallen gelassen.

„Meine kleine Prinzessin, ich tu deiner Puppe doch nichts!“ hatte Vati gelacht und Elle. ins Haus getragen.

Mami hatte ein Buch gelesen, wie meistens. Die Puppe hatte auf der Wiese zurück bleiben müssen, hilflos auf der Seite liegend, bis Elle sie später geholt hatte. Ganz schmutzig und verstört war sie gewesen. Nein, das war wirklich keine schöne Erinnerung, aber immer noch besser, als allein die ganze Zeit in diesem Zimmer zu sitzen, von dem sie auch nur einen schmalen Streifen erkennen konnte, indem sie sich mehr auf ihr linkes Auge konzentrierte.

In ihrer Erinnerung war L.s Zimmer hell und freundlich gewesen. In einer Ecke hatte eine weiße Kommode gestanden, in der auch viele Kleider für sie selbst verwahrt gewesen waren. Dann hatte es noch den Kleiderschrank, den gemütlichen, rosabezogenen Sessel, einen kleinen Schreibtisch und das weiche Bett direkt unter dem Fenster gegeben. Dort hatte sie am liebsten gesessen. Es wohnten auch noch ein paar Andere im Zimmer, mit denen sich die Puppe den Platz teilen musste, ein Äffchen, ein Hund und ein Pony, aber die waren keine ernstzunehmende Konkurrenz gewesen. Sie war Elles Liebling, das wusste sie. Und gerade auch deshalb fragte sie sich immer wieder, warum sie die Einzige war, die zurückbleiben musste, damals als Mami ins Zimmer gerannt kam, und Elles Sachen in einen großen Koffer gestopft hatte. Nach und nach hatte sie auch die Möbel abholen lassen, fremde, laute Männer waren hereingetrampelt und hatten alles weggeschafft. Da hatte sie noch gemütlich auf dem Bett gesessen und sich gefreut, dass sie den Platz nicht mehr gegen den Affen oder einen der Anderen verteidigen musste. Doch plötzlich hatte einer dieser polternden Hände sie gepackt und rüde auf der Fensterbank abgesetzt. Schon hatten sie sich daran gemacht auch das Bett einzupacken, als einer der Männer die anderen zurückhielt. Das Bett sollte doch bleiben. Dann waren sie verschwunden, so schnell wie sie auch aufgetaucht waren und die Puppe war unbeachtet auf der Fensterbank liegen geblieben. Seitdem saß sie dort und war verdammt auf den Fensterbalken zu starren, zu sehen, wie das Licht am Morgen herein und am Abend hinaus fiel.

Auch jetzt war es bald wieder soweit, die Dunkelheit kam und damit die große Leere. Nichts gab es um sich die Zeit zu vertreiben, kein Hören, kein Sehen und keine Berührung. Die Puppe gab sich gerade wieder ihren Träumen hin- Träumen von Kleidern und Hüten, von Kinderlachen und Teestunden- das Einzige was ihr noch blieb- als sie plötzlich aus dem Augenwinkel heraus bemerkte, wie ein sattgelber Lichtschein auf sie zu gekrochen kam und die Tür leise quietschte.

„Elle kommt zurück um mich zu holen!“ dachte die Puppe aufgeregt.

Zu gerne hätte sie jetzt ihren Kopf gedreht und zum wiederholten Male ärgerte sie sich über ihren schweren, altmodischen Porzellankopf, der jede Bewegung unmöglich machte. Schon hatte sich der gelbe Strahl mit einem Klicken wieder hinter die Tür zurückgezogen und das Zimmer lag erneut im Dunkeln. Wie groß war ihre Enttäuschung, als die Puppe merkte, dass wohl doch niemand kam sie zu retten. Aber was war das- ein leises Rascheln drang an ihr feines Ohr. Etwas war im Zimmer...

„Bitte, bitte lass es keine Maus sein“ dachte die Puppe.

Zu schrecklich war ihr die Vorstellung, etwas könne an ihr herumknabbern, an ihr nagen und schlecken, ohne dass sie auch nur das Geringste dagegen tun konnte. Dann hörte sie die Sprungfedern des Bettes knarren, etwas Schweres kletterte dort hinein. Konnte eine Maus so schwer sein? Kurz darauf hörte sie ein leises, trockenes Schluchzen, wie es nur winzige Puppenohren vernehmen können. Es war ganz sicher keine Maus. Erneut keimte Hoffnung in ihr auf, denn sie kannte dieses Geräusch.

„Ich bin hier Elle!“ rief sie, „weine nicht!“ doch niemand hörte es, denn sie hatte keine Stimme.

Irgendwann versiegte das Schluchzen und ging in unruhige Schlafgeräusche über. Da sie nichts weiter tun konnte, als da zu sitzen, verfiel die Puppe in tiefes Dösen, bis schließlich ein neuer Tag anbrach und sie von leisem Klappern aufgeschreckt wurde. Sofort erinnerte sie sich an die vergangene Nacht. Elle. war bestimmt zu müde um mich zu begrüßen, versuchte die Puppe sich wieder zu beruhigen. Oh wie freute sie sich, wieder in Elles liebe, hellbraune Augen zu schauen, ihre freche Stupsnase mit den Sommersprossen zu sehen und ihre kleinen weichen Kinderhände zu spüren. Umso mehr erschrak sie, als sie plötzlich von ängstlichen, blauen Augen angeguckt wurde. Konnte das L. sein? Größe und Statur stimmten ungefähr überein, auch die braunen Haare waren ähnlich, aber die Augen...nein, das war nicht Elle, das war ein fremdes Mädchen.

Andere Kinder hatte die Puppe nicht viele gesehen, denn sie kam nicht aus einem großen Kaufhaus, wie diese neumodischen Plastikpuppen. Nur einmal, an Elles Geburtstag, da hatten Mutti und Vati viele Kinder eingeladen, aus der weit entfernten Stadt, in der Elle zur Schule gegangen war. Die Puppe hatte alles nur durch den Spalt des Schrankes beobachten können, in dem Elle sie versteckt hatte, damit keines der Kinder sie kaputt machte. Anfangs war sie ein wenig beleidigt gewesen, vor allem, als sie sah, wie das Pony und die Anderen bewundert wurden, aber als sie dann die vielen klebrigen Hände sah, die alles betasteten, war sie doch froh, an einem sicheren Ort zu sein.
Vorsichtig hob nun das Mädchen die Puppe von der Fensterbank. Was für ein Gefühl, am liebsten hätte die Puppe alle Glieder von sich gestreckt. Sie lag nun auf den Knien des Mädchens und konnte zum ersten Mal seit langem wieder das ganze Zimmer überblicken. Neben dem Bett, auf dem nur eine dünne Wolldecke lag, stand ein kleiner Tisch. Darauf stand ein Teller Suppe, darunter ein violetter Eimer, zu einem Viertel mit Wasser gefüllt. Sonst befand sich nichts in dem Zimmer. Interessiert betrachtete sie nun das Mädchen selbst, das geistesabwesend mit dem Finger über die verstaubten Puppenschuhe fuhr. Das Mädchen selbst trug Turnschuhe mit bunten Schnürbändern, eine fleckige Jeans und einen roten Pullover, der an einer Seite zerrissen zu sein schien.

„Na so was“, dachte die Puppe „so sah meine Elle aber nie aus!“

Trotzdem mochte sie das Mädchen, denn es nahm sie in seine Arme, wiegte sie hin und her und drückte sie fest an sich. Wie schön es war, etwas Lebendiges zu spüren, etwas das atmete und sie wärmte. Es spielte sogar ein wenig mit ihr, zaghaft, ruhig, dennoch passierte es. Sie durfte ein paar Mal an der Hand des Mädchens auf dem Bett auf und ab gehen und sich drehen, bis ihre Zöpfe flogen. Dann hörte es plötzlich auf. Die Puppe wünschte sich sehr nun wenigstens seine Stimme zu hören, doch es sprach kein Wort. Sagte nichts, als es Mittag wurde, sagte nichts als es anfing zu regnen, blieb stumm bis es langsam immer dunkler wurde.

Als die Nacht hereinbrach spürte die Puppe wie sich die Muskeln des Kindes verkrampften und sie stärker gedrückt wurde. Gierig bewegte sich plötzlich der gelbe Lichtstrahl auf sie zu, wieder quietschte die Tür leise. Dann war alles schwarz und die Puppe fand sich unter dem Bett wieder. Von oben drangen Geräusche an ihr Ohr, die die Puppe nicht einzuordnen vermochte, merkwürdig gepresste Laute. Ein Grunzen und Reißen. Ein Geruch legte sich um ihre feine Porzellannase, widerlich süß, der das ganze Zimmer erfüllte und sie zu ersticken drohte. Sie wollte laufen, oder zumindest eine Hand über die Nase legen, doch ihre winzigen, starren Puppenhände gehorchten ihr nicht, sie konnte nichts weiter tun, als da zu liegen und zu warten bis es aufhörte. Nach einer Ewigkeit dann ein Knarren, ein Klicken und alles war still. Es hatte aufgehört? Eine Hand griff nach ihr und hielt sie bis zum Morgengrauen.

Langsam drang das weiße Licht durch das Fenster und ließ die Puppe das Mädchen wieder sehen. Seine Augen, noch geschlossen, aber doch wach, zuckten hinter den Lidern. Trockene Tränen hangen in den feinen Wimpern. Die Puppe wartete, bis zum Mittag, dann schlug es endlich die Augen auf. Die Puppe merkte es kaum, denn diesmal spielte es nicht mit ihr, saß einfach nur da, die Puppe im Arm, ohne ein Wort, nur leises Atmen bis zum Abend. Wieder das gefräßige gelbe Licht, das Quietschen, wieder die große Dunkelheit und der Gestank. Im Staub unter dem Bett wartete die Puppe, bis die kleine Hand sie zurück zu sich holte.

Die Puppe wusste nicht wie viele Tage und Nächte so vergingen. Noch immer hatte das Mädchen nicht gesprochen. Mittlerweile wusste sie was sie in den Nächten erwartete, wenn das gelbe Licht kam. Wenn sie auf dem Bauch lag, roch sie es nicht so sehr und alles schien schneller vorbei zu gehen. Doch bei Tag war sie ratlos, zu gerne hätte sie gespielt, getanzt und Teestunde gehalten. Doch ihre neue Elle, wie die Puppe das Mädchen in Gedanken nannte, saß immer nur da und strich wieder und wieder über ihr Kleid. Trotzdem hatte sie es lieb gewonnen, auch wenn es merkwürdig war, vielleicht wäre es anders, wären seine Augen andere gewesen. Etwas pochte gegen die Scheibe, so leicht, so zart, kaum hörbar. Dennoch richtete sich das Mädchen langsam auf. Es stöhnte leise vor Schmerz als es seine Hülle zum Fenster schleppte, die Puppe im Arm. So starrte es aus dem Fenster, auf den Streifen Grün, der zum Garten gehören musste, den das Mädchen nicht kannte. Ein Schmetterling zog am Fenster vorbei, immer wieder an das Glas stoßend, mehr tanzend als fliegend.

„Ich wünschte ich könnte noch einmal einen Sommer erleben“, dachte sie.

Als es Nacht wurde und die Tür quietschte, hielt das Mädchen die Puppe fest umschlungen. Es versteckte sie nicht unter dem Bett wie sonst, und blieb sitzen.

„Hilf mir!“ flüsterte das Mädchen, so leise, wie es nur Puppenohren hören können

Dann fühlte die Puppe eine riesige, grobe Hand, die sie in die Luft zerrte und unsanft auf die Fensterbank schleuderte. Halb von der Kante hängend, sah sie nun zum ersten Mal, was die scheußlichen Geräusche verursachte. Sie sah den zarten Körper des Kindes verschwinden unter brutaler Masse, gierigem Maul. Das Mädchen, nur aus Augen bestehend, blinde Spiegel in der Dunkelheit, so groß vor Schmerz. Sie kannte diese Augen, es waren Elles Augen, damals, als sie ging und nicht wiederkam. Und es waren die Augen des Mädchens, der neuen Elle die sie im Arm gehalten und zu schützen versucht hatte, vor dem, was durch die Tür kam. Doch sich selbst konnte sie nicht beschützen. Millimeter um Millimeter rutschte die Puppe näher an die Kante, merkte, wie das Gewicht ihres eigenen Körpers an ihr zog und zog. Unter ihr das sabbernde Maul, gierig saugend. Mondlicht beschien ihren weißen Kopf, heller Stern am Himmel. Sie schaute ein letztes Mal in das Gesicht des Mädchens. Dann stürzte die Puppe von der verhassten Fensterbank hinunter und ihr Kopf zerbarst in tausend Stücke auf Vatis Schädel. Das Maul röchelte und erstarb.

 

Hallo borboleta,

wie ich finde, erzählst du die Geschichte aus einem sehr interessanten Blickwinkel, der mich anfangs irgendwie an Toy Story erinnerte. ;)
Der Spannungsaufbau und die Erzählweise haben mir größtenteils gut gefallen. Für meinen Geschmack war die Geschichte an einigen Stellen (z.B. zu Beginn) in ihren Beschreibungen etwas zu ausführlich, ich hätte versucht, etwas mehr zu verdichten. Grundsätzlich ist das natürlich kein Fehler. Ein paar kleine Dinge im Text selbst, die mir beim einmaligen Lesen auffielen:

... und nur ihre weißen, etwas angestaubten Schuhe frei gab.
freigeben, freigab

Zu dumm, dass sie eine so ungünstig Haltung hatte.
die ungüstige Haltung

Nur einmal, an L. Geburtstag ...
an L.s Geburtstag

Neben ein paar weiteren Zeichenfehlern eine interessante Geschichte.


Viele Grüße

Roman.Schreiber

 

Hallo,
erstmal danke für deine Kritik :)
Die Zeichenfehler bzw Rechtschreibfehler werd ich sofort beheben.
Wo findest du die Beschreibung denn zu ausführlich?
Gerade in den Rückblicken wollt eich ja noch die "geschichte hinter der Geschichte" erzählen.

 

Hallo borboleta,

nur für meinen Geschmack sind die Beschreibungen etwas zu umfangreich, da sie in ausführlichen Sätzen oftmals langatmig wirken. Das könnte aber auch mit der Nacherzählung des Dagewesenen an sich zusammenhängen. Wie bereits gesagt, hätte ich einfach versucht, etwas weiter zu verdichten, was z.B. durch Ellipsen oder mehrgliedrige Aufzählungen möglich ist.

Ein Beispiel für eine solche Beschreibung wäre die des Gartens:

Im Sommer war sie oft dort gewesen, ach, wie sie sich nach dieser Zeit sehnte. Eigentlich hatte sie den Sommer nie besonders gemocht, auch wenn sie den weißen Sonnenhut liebte, den L. ihr dann oft angezogen hatte. Da draußen war ihr doch immer ein bisschen mulmig zu Mute gewesen. Die vielen Geräusche und Farben hatten sie verwirrt, und das große blaue Ding an der Decke, was alle Himmel nannten, war ihr doch ein bisschen zu weit und zu groß.
Eine mögliche Variante:
Obwohl sie den Sommer nie besonders gemocht hatte, sehnte sie sich doch nach dieser Zeit im Garten mit dem weißen Sonnenhut, den ihr L. oft aufgesetzt hatte, den vielen Geräuschen und Farben da draußen, die sie immer ein wenig verwirrt hatten, und dem großen blauen Ding an der Decke, von allen Himmel genannt, für sie aber doch ein wenig zu weit und zu groß.

Aber wie ich bereits erwähnt habe, stört mich dies nicht generell an der Geschichte, die Beschreibungen machen sie sicherlich auch lebendiger und besser vorstellbar.


Viele Grüße

Roman.Schreiber

 

ok, vielen Dank, ich werd drüber nachdenken, da mir diese Stellen stilistisch auch nicht so 100 prozentig gefallen haben.

 

Hallo borboleta,

die Idee der Perspektive finde ich gut, aber selbst, wenn ich die Geschichte metaphorisch lese, gibt es einige Ungereimtheiten.
L. verschwindet also eines Tages. Die Möbelspediteure können die Puppe vergessen haben. Soweit ist es klar.
Dann aber passiert auf einmal etwas in dem Zimmer, ohne dass das Haus jemals wieder bezogen wurde. Wenn die Puppe so viel mitbekommt, dann hätte sie die Einzugsgeräusche gehört. Das neue Mädchen hätte die Puppe vielleicht bei Tage entdeckt, sie in Beschlag genommen und erst dann dürften langsam die nächtlichen Ereignisse eintreten.
Oder hat da ein Vater seine Tochter einfach in ein leer stehendes Haus entführt, in dem zufällig ein Bett stand, in dem er sie weiter vergewaltigen konnte?
Wenn ich mir eine Porzellanpuppe vorstelle, die einem Mann auf den Kopf fällt, kann ich mir schon Schnittwunden vorstellen, allerdings keine, an denen der Mann sofort verblutet. Auch keine, bei denen sich die Scherben anscheinend durch die Schädeldecke bohren. Die einzige Möglichkeit, dass der Mann so stirbt, wäre, eine Scherbe schneidet sich in die Hauptschlagader.
Aber du hast auch diesen Tod nicht zu Ende gedacht, denn wie ergeht es jetzt der kleinen Tochter unter dem toten Körper ihres Vaters? Wer holt sie darunter hervor? Was im ersten Moment als Rettung erscheint könnte ein grausamer barbarischer Tod für das Mädchen sein, abgesehen von der Traumatisierung, die dieser Tod des Vaters für das Mädchen bedeutet, wenn sie tatsächlich noch gerettet wird. Nicht nur, dass der Vater sie missbraucht, nein, die Puppe tötet ihn, während er gerade in dem Mädchen steckt und sie keine Chance hat, ihn wieder los zu werden.
Bist du sicher, dass du das gewollt hast?
Auch die Sätze sind in sich oft nicht plausibel:

Sie trug ein blassrosa Kleid, das ihr weit bis über die nicht sichtbaren Knie ging und nur ihre weißen, etwas angestaubten Schuhe freigab.
versteht sich doch von selbst, wenn es so lang war, oder?
Ihre blonden Zöpfe waren früher einmal exakt gescheitelt und mit Bändern geflochten gewesen.
Es war das Haar, das exakt gescheitelt und zu Zöpfen geflochten war, die durch Bänder zusammengehalten wurden. Nach deinem Satz wären Bänder in die Zöpfe eingeflochten gewesen und diese dann anschließend gescheitelt worden.
Seit die kleine L.
na, da fällt dir doch sicher ein richtiger Name ein oder hast du einen Zeitungsartikel geschrieben, bei dem du mit einer Unterlassungsklage rechnen musst, wenn du den Namen erwähnst?
Vor allem in der Nacht fühlte sie sich einsam, denn dann hatte L. sie immer mit ins Bett genommen und es war so schön warm und kuschelig gewesen
kennst du den Wert von Porzellanpuppen? Und deren Zerbrechlichkeit? Ich nehme an, fast alle Eltern würden ihrem kleinen Kind sowohl verbieten, die mit ins Bett zu nehmen oder damit zu spielen. Ersteres schon, damit sich die Kinder nicht im Schlaf verletzten.
als allein die ganze Zeit in diesem Zimmer zu sitzen, wovon sie auch nur einen schmalen Streifen erkennen konnte
was meinst du hier? Sie kann von dem Zimmer, in dem sie sitzt nur einen kleinen Streifen erkennen? Dann nicht "wovon" sondern "von dem".
auf den Fensterbalken zu starren, zu sehen, wie das Licht am Morgen herein und am Abend hinaus fiel.
Also irgendjemand macht abends in dem Zimmer noch Licht an?
wie ein sattgelber Lichtschein auf sie zu gekrochen kam und die Tür leise quietschte.
Wegen des kriechenden Tempos spricht man bestimmt auch von Lichtgeschwindigkeit.
Umso mehr erschrak sie, als sie plötzlich von ägnstlichen, blauen Augen angeguckt wurde.
ängstlichen
aus der weit entfernten Stadt, wo L. zur Schule gegangen war.
nicht "wo", sondern "in der"
Vorsichtig hob nun das Mädchen, was nicht L. war, die Puppe von der
Fensterbank.
Ja, Leser sind doof, deshalb muss man es auch immer wiederholen. Was fremde Mädchen war nicht L.
Der Zeilenumbruch ist unsinnig.
betrachtete sie nun das Mädchen selbst, was geistesabwesend mit dem Finger
das oder welches, aber nicht "was"
Von oben drangen Geräusche an ihr Ohr,
Solange sie nur an das Ohr drangen, hörte sie sie nicht.
Ein Geruch legte sich um ihre feine Porzellannase
Und solange der Geruch sich nur um die Nase legt und nicht etwa eingeatmet wird, kann sie ihn auch nicht riechen.
„Ich wünschte ich könnte noch einmal einen Sommer erleben.“ Dachte sie.
erleben", dachte

Die Idee ist gut, in der Ausführung wäre konsequentes zu Ende denken schön gewesen und ein bisschen mehr Bewusstsein für das, was die Sätze aussagen sollten und das, was sie tatsächlich aussagen.

Lieben Gruß, sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Sim,
vielen Dank für deine Kritik (ich habe schon ein paar deiner Geschichten gelesen, weswegen ich mich umso mehr freue, dass du meine gelesen hast :) ).
Also, ich kann ja mal erklären, wie ich die Lebenssituation eigentlich bschreiben wollte. Das Mädchen L. (ich mag es gerade dass sie keinen richtigen Namen hat, außerdem kann man L. auch als "ELLE" lesen, was ja auf franz. "Sie" bedeutet, glaub ich zmindest *g*. Es soll zeigen, dass es jedes Mädchen sein könnte, nicht nur ein bestimmtes.
Also, die Familie ist ausgezogen-ja- aber nur Mutter und Tochter (L). Ich erwähne nur, dass "Mutti" Sachen in einen Koffer stopft-und L nicht mehr da is. Der Vater wohnt ja noch dort, was man aber erst im vorletzten Satz erfährt. Er hat ein anderes Mädchen entführt und im alten Zimmer seiner Tochter gefangen gehalten. Es gibt Hinweise, dass der Vater vorher auch ähmliches mit der Tochter versucht hat oder getan hat-was die Mutter wohl irgendwas bemerkt hat-weswegen sie den Vater verlassen haben.
(Das das Licht heraus fällt, ist ein Zeichen,dass noch jemand im Haus wohnt.)

Ich hab die Geschichte von mehreren Leuten lesen lassen,weil ich mir nicht sicher war ob diese "Wohnverhältnisse" richtig rüberkommen, richtig klar sollens ie ja auch erst am Ende der Geschichte werden, und eigentlich wurden sie von allen verstanden. Mhm, vielleicht mach ich das doch irgendwie deutlicher.

Zu dem "tod" des Vaters- ich habe mir auch schon gedanken gemacht, inwiefern man sich verletzt, und ich habe deshalb extra nicht geschrieben dass er stirbt! Nur das Röcheln erstirbt-er wird also ohnmächtig-ich bin da zwar kein experte, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass man ohnmächtig wird wenn man etwas schweres auf den Hinterkopf bekommt. Das müsste doch reichen, um der Kleinen eine Flucht zu ermöglichen. Naja, oder vielleicht auch nicht, das Ende ist offen, vielleicht schafft sie es,vielleicht auch nicht- in meinen Gedanken ja...

 

Hallo borboleta,

zu dem Namen. Diesem Irrtum erliegen viele. Es ist aber in der Tat so, dass Leser in den meisten Fällen zum einen eher mitfühlen können, wenn sie einen Namen haben und zum anderen darüber auch viel eher auf "jedes Mädchen" abstrahieren können. Was glaubst du, warum Zeitungen bei Unglücken oft wenigstens Vornamen schreiben oder auf die deutschen Opfer hinweisen? Nicht aus Nationalstolz, sondern auch, weil darüber erst die Vorstellung für alle Opfer entsteht. 90 Personen bei einem Zugunglück ums Leben gekommen klingt noch sehr abstrakt, erst wenn Menschen ins Spiel kommen, wird das Grauen für viele fassbar.
Zu dem Vater, der nicht ausgezogen ist. Das hatte ich schon überlegt, denn es hieß ja, dass nur die Mutter die Sachen gepackt hat. Dagegen sprach für mich aber, dass die Puppe bis zum Auftauchen des fremden Mädchens auch vom Vater nichts gehört hat. Dabei hast du ja sogar erwähnt, dass die Puppe Angst vor Vati hatte. Wenn L. also die Puppe mit Vati allein lassen musste, dann müsste diese doch erst Recht Angst haben, anstatt sich nur einsam zu fühlen.
Ich weiß, daran hängt deine Pointe, aber es stellen sich im Anschluss daran ja auch andere Fragen, wie etwa, warum wurde der Vater nicht angezeigt, wenn er schon L. missbraucht hat?
Er kann natürlich auch aus dem Gefängnis kommend gleich das neue Mädchen entführt haben, das würde die Stille in der Wohnung erklären, aber das muss ich mir von zu weit herholen bei der Geschichte.
Zur Entführung: Aus "ein Knarren und Klicken" habe ich nicht das Abschließen der Zimmertür gelesen. Es wäre hier vielleich wirklich gut, einige zusätzliche Informationen zu bieten. Vati wird dem Mädchen vielleicht wenigstens etwas zu essen bringen, zum Beispiel.
Zum Ende: Eine Porzellanpuppe ist nicht so groß und schwer, dass sie ernsthaften Schaden anrichten könnte, selbst, wenn sie von der Fensterbank auf dem Kopf fällt und noch nicht einmal geschmissen wird. Sie fällt dann vielleicht einen halben Meter. Da steckt weder viel Gewicht noch viel Wucht hinter. Ich bin noch nicht mal sicher, ob der Kopf dann kaputt geht (mehr als der Kopf ist fast nie aus Porzellan). Eher würde der noch kaputt gehen, wenn L. sich im Schlaf darüber rollt.
Dadurch, dass du den Mann in der Szene nur auf Masse und Maul reduzierst, habe ich den Satz "das Maul röchelte und erstarb" auch auf den ganzen Mann bezogen, zumal mir das Bild plausibel erschien, denn das Mädchen wird den Mann in diesem Moment auch kaum anders wahrnehmen.
Eine Ohnmacht führte überdies zum gleichen Problem. Wie alt ist das Mädchen, wie groß und schwer ist der Vater? Unter Masse stelle ich mir mindestens 90 Kilo vor, auch, wenn ein kleines Kind das sicherlich schon füher als Masse erlebt. Gehen wir mal von einem 70 Kilo schweren Mann aus und von einem Mädchen von 40 bis 50 Kilo, wenn sie schon im Teenageralter ist. Wenn er Mann auf ihr liegt,erfordert es trotzdem ganz schön Kraft.

Es tut mir Leid, weil es so natürlich so wirkt, als wollte ich dir die ganze Geschichte zerstören. So sehr gehe ich ja in die innere Logik und in die Möglichkeiten. Dabei finde ich die Idee und den Plot wirklich gut, nur denke ich eben, er hat noch ein paar Gedanken nötig.

Lieben Gruß, sim

 

ok,vielleicht hast d recht mit dem Namen, ich mus szugeben,dass ich mich immer sehr schwer tue mit namen, weil ich deutsche Namenzu 99 prozent nicht schön finde und alles andere künstlich wirkt. oder ich asoziiere dann jemanden damit, den ich die ganze zeit dann im Kopf hab, während ich schreibe. So konnte ich mich ganz gut retten. *g* Naja vielleicht nenne ich si e Laura oder so, mal gucken.

Warum Vati nicht verhaftet wurde? Vielleicht weil die mutter ngst hatte, oder erstmal zu geschockt oder um den ruf gefürchtet hat. viele werden nie angezeigt. das soll auch daraufhin weisen..

 

Hi borboleta,

ich muss sagen, deine Geschichte hat mir gut gefallen.:)
Ich finde auch nicht dass du zu viel beschrieben hast. Wenn man das Ende deiner KG aussen vor lässt, könnte es eine Kindergeschichte sein.

Einige Passagen haben mir sehr gut gefallen. Du solltest allerdings auf Wortwiederholungen achten. Ist mir besonders im ersten Teil aufgefallen.
Auch ist es richtig was Sim gesagt hat, manches ist nicht logisch.

Dein Schluß ist zu knapp. Du könntest noch einfügen, dass der Vater sich von der Kleinen wegrollt und die Puppe auf seine Stirn fällt, damit sich nicht die Frage stellt, wie das Mädchen unter seinem schweren Körper hervorkommt, was fast unmöglich ist.
Mir kommt gerade der Gedanke, wenn du die KG unter Seltsam stellen würdest, könntest du der Puppe eine mystische Kraft verleihen. Was du ja auch schon gemacht hast. Nur noch intensiver. Dann darf auch die Logik fehlen.;)
Ganz deutlich wird auch nicht, dass nur die Mutter und Elle ausgezogen sind.
Und zuerst wird das Bett des Mädchens abgeholt, dann steht wieder eins im Zimmer. An solchen Ungereimtheiten, solltest du noch etwas feilen.:)

Ich wünschte ich könnte noch einmal einen Sommer erleben.“ Dachte sie.
Wer? die Puppe oder das Mädchen?

Wie gesagt, der Plot hat mir wirklich gefallen.
Nur das Handwerk ist noch nicht ausgefeilt.
Aber das kommt noch, da bin ich sicher:)

lieben Gruß, coleratio

 

Hallo coleratio,
danke für deine Kritik!

Das Bett wird nie aus dem Zimmer entfernt- bitte genau lesen ;)

Mir liegt nichts daran der Puppe eine mystische Kraft zu verleihen, es soll schon realistisch bleiben. Ok, ich hab noch nie ausprobiert ob ein Mann bewusstlos wird, wenn ihm eine Porzelanpuppe auf den Kopf fällt, abe rihr doch hoffentlich auch nicht oder? *g* Ja, es stimmt schon, sie würde vielleicht nicht zerbrechen, aber ist das wirklich sooo störend?

Dass man manchmal nicht weiß, wer was denkt, die Puppe oder das Mädchen-das ist völlige Absicht, denn die Puppe weißt ja auch viele Eigenschaften eines "Opfers" auf und steht für das Opfer bzw die Opfer. Bei genauem lesen müsste es aber schon klar sein, da DAS Mädchen immer mit ES bezeichnet wir dund DIE Puppe mit SIE ;)

Kannst du mir viell. ein paar Beispiele für Wortwiederholungen geben, das wäre nett :)

 

.

Den Rücken an den Fensterrahmen gelehnt, mit ausgestreckten Beinen, musste sie parallel zum Fenster sitzen und den gegenüberliegenden Fensterrahmen anstarren.
Das z.B.
Es liest sich nicht so schön.
Da du jetzt weisst was ich meine, kannst du deine KG ja noch mal durchlesen.
Bin der Meinung, dass mir noch mehr aufgefallen ist. Ich bin jetzt aber zu müde, um es rauszusuchen:shy:
Mir liegt nichts daran der Puppe eine mystische Kraft zu verleihen, es soll schon realistisch bleiben.
Sind Puppen die denken realistisch?:sad:
stimmt schon, sie würde vielleicht nicht zerbrechen, aber ist das wirklich sooo störend?
Wenn du realistisch bleiben möchtest, ja.
Wenn du deiner KG eine seltsame Note gibst, nein:D

 

Soo,
habe die Geschichte jetzt nochmal überarbeitet und alle von euch vorgeschlagenen Änderungen, die ich mit mir vereinbaren konnte, berücksichtigt :D
Ich würde mich sehr freuen wenn die bisherigen Kritiker (Roman.schreiber, sim und coleratio) noch einmal ihre Meinung zur neuen Version abgeben würden.
Außerdem würd ich mich seeeeehr freuen wenn mal eine KritikerIN auftauchen würde :)

Liebe Grüße,
borboleta

 

Außerdem würd ich mich seeeeehr freuen wenn mal eine KritikerIN auftauchen würde

Hallooooo, du solltest dir vielleicht hin und wieder mal ein Profil ansehen.;)

Werde deine Neufassung in den nächsten Tagen lesen.:)

 

Ups, dickes Sorry! Hab mich von der männlichen Endung O verleiten lassen *schäm*

Danke :)

 

Hallo borboleta,

über deine Geschichte bin ich zufällig gestolpert nachdem ich die Diskussion zum Thema "Logik" in Geschichten durchgearbeitet habe.

Was an allererster Stelle auffällt, ist dass du bei deinem Umbau nicht konsequent L. durch Elle ersetzt hast. An einigen Stellen geistert noch L herum.

Der Puppenblickwinkel hat etwas und vielleicht hast du ja aus dem zeitlichen Abstand noch einmal Lust, die Geschichte zu überarbeiten. Mit einigen wenigen Änderung ließen sich die Kritikpunkte der plötzlichen Wiederbelebung des Hauses entschärfen.

Dass die Puppe, die die ganze Geschichte über zur Passivität verdammt ist, druch ein Herunterfallen im richtigen Moment den Widerling k.o. schlägt, ist konsequent, wenngleich nicht physikalisch nachvollziehbar, mit oder ohne Porzellankopf. Für derartigen Effekt, müsste der Vater die Puppe aus dem Bett schleudern und aus Versehen den Blumentopf herunterreißen ...

Vielleicht hast du noch einmal Lust, Hand anzulegen, im Anfangsteil an den richtigen Stellen zu lürzen und ein 2007er Weihnachtsmärchen draus zu machen ...

Liebe Grüße,

AE

 

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