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Rauchi
Eines Nachts, im Tiefschlaf, klopfte es an die Schädeldecke. Das Unterbewusstsein schreckte hoch.
„Hallo? Wer stört so spät?“, wollte es wissen.
„Ich bins. Rauchi, dein Rauchverlangen.“
„Rauchi? Kenn ich nicht. Hatten wir schon mal das Vergnügen?“
„Oh ja! Bis vor zwei Wochen bis zu vierzig Mal täglich.
Ich bin derjenige, der dich jeweils daran erinnern musste, wenn deine nächste Dosis Nikotin fällig war.“
„Aha. Wusste nicht, dass da jemand zuständig ist.“
„Oh doch, ein Knochenjob, sag‘ ich dir. Zeitweise brauchte ich gar einen Assistenten. Es war nicht immer einfach, aber alles in Allem hatte ich Spass an meiner Arbeit. Ich wurde gebraucht. Ein gutes Gefühl.“
„Wie kann ich dir helfen?“, intervenierte das Unterbewusstsein etwas ungeduldig.
„Falls du es nicht mitbekommen hast, meine Unterkunft hat das Rauchen aufgegeben und ich wäre dir dankbar, wenn du mit ihr, na sagen wir, ein Blind Date organisieren könntest. Ich muss dringend über diese betrübliche Angelegenheit sprechen."
„Ich versuche es, versprechen kann ich dir nichts. Und jetzt möchte ich gerne weiterschlafen. Tschüss Rauchi.“
„Dank dir und viel Glück!“
Ein kurzes, bronchiales Husten und Rauchi verstummte.
„Na, was ist? Hast du mit ihm gesprochen?“, wollte Rauchi wissen, kaum war die nächste Nacht angebrochen.
„Nur mit der Ruhe. Du scheinst ja ein echtes Problem zu haben.“
„Habe ich auch, Donnerwetter! Ich bin arbeitslos, unglücklich und absolut überflüssig. Ein miserables Gefühl, sage ich dir. Wenn ich jetzt nur eine rauchen könnte.“
„Rauchen ist ungesund“, intervenierte das Unterbewusstsein.
„Jetzt fang du nicht auch noch an. Dieses Gesundheitsbewusstsein ist ja geradezu manisch. Also, wie stehts mit unserem Treffen?“
„Tut mir leid, ich habe schlechte Nachrichten. Er möchte dich nicht treffen. Er steht nicht so auf Blind Dates. Na ja, er selbst wäre nicht wirklich abgeneigt, aber du hast es mit einem noch viel mächtigeren Gegner zu tun.“
Das Unterbewusstsein erschauderte.
„Seine Frau. Ein harter Brocken, das kann ich dir sagen.“
Es erschauderte erneut.
„Oh Gott, ich bin verloren!“ Rauchi erbleichte.
„Wie lange sind sie verheiratet? Habe ich nicht mitbekommen. Mein Job liess keine Zeit für solche Nebensächlichkeiten.“
„Vier Jahre.“
Rauchis Lungen vibrierten, sein Atem verflachte, der Husten verursachte Brechreiz.
„Scheisse! Da ist die Liebe noch frisch. Was mach ich denn jetzt?“
„Pause, Kurzarbeit, Konkurs anmelden, was weiss ich.
Na ja, alles ist noch nicht verloren. Ein Schicksalsschlag, eine durchzechte Nacht ... und schon wirst du wieder gebraucht. Unser Meister ist labil.“
„Ich weiss. Aber seine Frau ..."
Nochmals erschauderten Rauchi und Unterbewusstsein ...
"Ich denke, hier ist nichts mehr zu machen. Wird Zeit für eine neue Behausung."
„Alles Gute und viel Glück!“
Rauchi hustete ein letztes Mal und verschwand.
Vorläufig.