Was ist neu

Regensonntag

Mitglied
Beitritt
07.04.2008
Beiträge
14
Zuletzt bearbeitet:

Regensonntag

Wieso regnet es an einem Sonntag? An einem Sonntag muss doch die Sonne scheinen. Das sagt doch schon der Name, dachte Tommy.

So gerne hätte er mit seinen Freunden weiter Fußball gespielt. Doch das Unwetter machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Er war, ebenso wie die anderen Jungs nach Hause gelaufen, und stand jetzt alleine in der offenen Hoftür des Mietshauses. Gebannt schaute er mit seinen braunen Augen zu der Pfütze links von ihm, in die laut plätschernd das Wasser aus einer löchrigen Regenrinne stürzte.

Die wird von Jahr zu Jahr größer. Wenn das so weiter geht, dann wird dort irgendwann ein kleiner Teich mit Schilf und Enten sein.

Darauf sah er zu dem hohen Kastanienbaum in der Mitte des Hofes. Dort wirbelte gerade ein scharfer Windstoß glänzende Regentropfen um die dunkelgrünen Blätter, die Tommy an einen Schwarm silberner Babyfische erinnerte, die aufgeschreckt eine Wasserpflanze umkreisen.

Er blickte zum Himmel und bemerkte, dass sich die schweren Regenwolken mittlerweile zu einer einheitlichen, fast schwarzer Decke zusammengeschoben hatten, die nur noch sehr spärlich das Licht der Sonne passieren lies. Er streckte seine Hand in den dichter werdenden Regen, die sofort platschnass wurde. Ein Blitz blendete ihn, und krachender Donner lies ihn erschrocken zurückweichen.

Gott hat mich fotografiert, dachte Tommy, riss die Arme nach oben und rief: „Arielle, die Meerjungfrau.“

Seine Mutter hatte ihn gehört und öffnete das Küchenfenster im 1. Stock.

„Das Essen ist gleich fertig. Komm doch nach oben“, sagte sie und hielt sich schützend eine Zeitung über den Kopf.
„Nein Mama, ich muss gleich gegen einen Hai kämpfen. Wenn es noch dichter regnet, dann kommt bestimmt ein Hai. Oder?“
„Es kommt ganz sicher kein Hai“, antwortete seine Mutter.
„Ich bin Arielle Mama. Ich muss gleich gegen einen Hai kämpfen.“
„Arielle ist doch ein Mädchen.“
„Na und!“
„Komm schon hoch. Vielleicht läuft etwas im Fernsehen.“
„Ich bin Arielle“, rief er.
Sie schloss kopfschüttelnd das Fenster.
Ob was mit dem Jungen nicht stimmt, dachte sie und wendete die Schnitzel. Sie dachte an Bree aus der Wisteria Lane, die ihren verquerten Jungen in ein Bootcamp gesteckt hatte.
Gibt es in Deutschland eigentlich Bootcamps? Aber gestern war er ja Harry Potter und nicht Hermine. Und letzte Woche, als er mit den Fingerspitzen die Wand hochklettern wollte, war er Spiderman. Vielleicht mache ich mir zuviel Sorgen.

Gerade will Tommy nach oben gehen, da bemerkte er etwas aus dem Augenwinkel heraus. Etwas Kleines, einen Punkt, der sich über den Boden bewegte. Er schaute genauer hin und erkannte einen Weberknecht, der ahnungslos mit seinen langen Beinchen direkt auf ihn zustakste. Er hob einen Fuß und deutete mit ihm an den Weberknecht zu zertreten.

„Godzilla“, knurrte er böse. „Uaaahhhh! Godzilla.“

Das Spinnentier schien dies nicht zu interessieren, und krabbelte weiter auf ihn zu. Als es seinen Schuh erreicht hatte bückte er sich, und packte mit Daumen und Zeigefinger eines seiner Beinchen.

„Uaaaahhhhh! Godzilla.“

Der Weberknecht zappelte kurz und fiel zurück auf den Boden. Verwundert schaute Tommy ihm dabei zu, wie er auf den schmalen Spalt zwischen Kellertür und Boden zueilte. Dann betrachtete er das zitterndes Beinchen zwischen seinen Fingern, dass den Eindruck erweckte, als wolle es auf eigene Faust fliehen. Erneut packte er zu, aber mit dem gleichen Resultat.

Komisch. Irgendwann wird er zufällig lesen, dass Weberknechte bei Gefahr ein Beinchen abwerfen können. Ein Schutzmechanismus der als Autotomie bezeichnet wird.

Doch jetzt fing er ihn erst einmal wieder ein. Hielt ihn aber diesmal mit der ganzen Hand umschlossen. Als er sie vorsichtig öffnete, sah er ihn dort kauern. Er packte ein weiteres seiner sechs verbliebenen Beinchen, und riss es heraus.

Aber noch immer konnte der Weberknecht laufen. Schaffte es bis zum Rand von Tommys Hand, stürzt sich von dort aus auf den Boden, und als wäre nichts gewesen, krabbelte er auf die Kellertür zu.

Doch er erreichte sein Ziel nicht.

Tommy zog ihm abermals ein Beinchen heraus, dann noch eins und wieder eins, bis der Weberknecht nur noch zwei, und dann nur noch eins hatte.

Jetzt kann er nicht mehr laufen, dachte er und betrachtete eine Weile den Weberknecht, dem sein verbliebenes Beinchen vom Körper abstand. Dann riss er auch dieses heraus.

Er kniete sich auf den Boden, legte behutsam den Torso des Tieres vor sich hin, schob sein Gesicht ganz nah heran, und schaute in die schwarzen staubkorngroßen Augen.. Er wusste, dass der Weberknecht noch lebte. Er sah ihn zwar weder atmen, noch bewegten sich seine winzigen Äuglein. Aber er lebte.

Hhm, am besten ich baue ihm ein Papierschiffchen. Dann kann er auf der Pfütze im Hof eine Seereise antreten, und ein paar Abenteuer erleben.

„Mittagessen“, rief seine Mutter aus dem Fenster.

Endlich! Er lief die Treppe nach oben: „Spiderman! Spiderman! Wo bist du nur? Wir brauchen dich!“, sang er und lies den Weberknecht auf dem kühlen Steinboden zurück.

 

Hallo Benji,
nur ganz kurz:
Du hast den kleinen Jungen sehr gut eingefangen und was hat mir doch der arme Weberknecht Leid getan.
Du beschreibst gut/findest gute Bilder und kannst damit sehr viele Eindrücke an einen Leser vermitteln und dieses Spiel/Ernst-Ding gut rüberbringen.
Bißchen Kleinkram. Vor allem waren die Bezüge der Artikel/Bilder etc. manchmal nicht eindeutig.

Gebannt schaute er mit seinen braunen Augen zu der Pfütze links von ihm, in die laut plätschernd das Wasser aus einer löchrigen Regenrinne stürzte.

Die wird von Jahr zu Jahr größer. Wenn das so weiter geht, dann wird dort irgendwann ein kleiner Teich mit Schilf und Enten sein.

Erster Satz müsste umgestellt werden, da es sich sonst liest, als würde die Regenrinne größer.
Auch folgende Sätze: dunkelgrün-silber macht einen Sprung und "stört das Bild"

Darauf sah er zu dem hohen Kastanienbaum in der Mitte des Hofes. Dort wirbelte gerade ein scharfer Windstoß glänzende Regentropfen um die dunkelgrünen Blätter, die Tommy an einen Schwarm silberner Babyfische erinnerte, die aufgeschreckt eine Wasserpflanze umkreisen.
die nur noch sehr spärlich das Licht der Sonne passieren lies.
ließ
platschnass
patschnass
hielt sich schützend eine Zeitung über den Kopf.
einfacher wäre es, wenn sie einfach den Kopf einzöge..

„Arielle ist doch ein Mädchen.“
„Na und!“
„Komm schon hoch. Vielleicht läuft etwas im Fernsehen.“
„Ich bin Arielle“, rief er.
Sie schloss kopfschüttelnd das Fenster.
Ich mag Deinen Prot :)
aus dem Augenwinkel heraus.
[/QUOTE]
statt bemerkte/ sah er im Augenwinkel
erkannte einen Weberknecht, der ahnungslos mit seinen langen Beinchen direkt auf ihn zustakste. Er hob einen Fuß und deutete mit ihm an den Weberknecht zu zertreten.
Bezüge nicht klar, wer hebt das Bein?
schob sein Gesicht ganz nah heran, und schaute in die schwarzen staubkorngroßen Augen..

Endlich!
Er lief die Treppe nach oben: „Spiderman! Spiderman! Wo bist du nur? Wir brauchen dich!“, sang er und lies den Weberknecht auf dem kühlen Steinboden zurück.
[/QUOTE]
ließ

Hab ich gern gelesen.
Liebe Grüße,
die Bambule

 

Hallo Benji,

auch mir hat die Geschichte im Großen und Ganzen gut gefallen. Eine kleine Sonntagmittag-Geschichte von einem kleinen Jungen mit großer Fantasie. Sie entführt mich zurück in die eigene Kindheit und erinnert mich daran, was für ein Schatz Fantasie ist und wie wenig dagegen ein Fernseher zu bieten hat. Das wird gut deutlich, als die Mutter ihren Sohn mit dem Fernsehen zu locken versucht, was völlig absurd wirkt angesichts der lebhaften Welt, in der er sich gerade befindet.

Andererseits: die Bilder, mit denen er spielt, stammen ja allesamt aus dem Repertoire des Fernsehens bzw. des Kinos. Da ist die Frage, was du mit der Geschichte eigentlich willst. Vielleicht wäre es gut, da tatsächlich einen Schritt weiter zu gehen und ihn "frei" spielen zu lassen, wie es die Kinder in "Momo" tun.

Viel anzumerken habe ich nicht. Gelegentlich sprengst du den Rahmen der Erzählperspektive:

Gebannt schaute er mit seinen braunen Augen zu der Pfütze links von ihm, in die laut plätschernd das Wasser aus einer löchrigen Regenrinne stürzte.
Du erzählst die Geschichte ja aus Tommys Perspektive. Er aber würde beim Anblick der Pfütze mit Sicherheit nicht an seine eigenen braunen Augen denken.

Irgendwann wird er zufällig lesen, dass Weberknechte bei Gefahr ein Beinchen abwerfen können. Ein Schutzmechanismus der als Autotomie bezeichnet wird.
Hier noch auffälliger: du wechselst nicht nur die Perspektive, sondern auch die Zeit. Mit solchen Sprüngen gibst du aber die Nähe zum Protagonisten auf, was nicht nur völlig überflüssig ist, sondern den Erzählfluss stört. Lektoren würden dir das als Perspektivfehler ankreiden.

Ob was mit dem Jungen nicht stimmt, dachte sie und wendete die Schnitzel. Sie dachte an Bree aus der Wisteria Lane, die ihren verquerten Jungen in ein Bootcamp gesteckt hatte.
Gibt es in Deutschland eigentlich Bootcamps?
Auch hier brichst du aus der Perspektive aus. An dieser Stelle finde ich das nicht ganz so gravierend, weil du durch die Perspektive der Mutter wichtige Impulse einbringst. Der Wechsel ist somit ansatzweise legitimiert. Andererseits wird aber auch durch den Spielwechsel von Arielle zu Gozilla deutlich, dass Tommy nicht mit seiner geschlechtlichen Identität kämpft. Insofern ist auch dieser Wechsel überflüssig.
Nebenbei: die Namen sind alle amerikanisch, auch wird die Wisteria Lane genannt. Wie kommst du auf die Frage, ob es in Deutschland Bootcamps gebe? Hat mich irritiert.

Herzliche Grüße,
Ennka

 

Hallo Benji,

überzeugend trotz leichter Schwächen.
Zumindest hast Du es geschafft, dass ich schlimmes Mitleid mit dem armen Weberknecht bekommen habe. Kinder können so grausam sein...
Danke!

lg, catlucy

 

Hallo Benji,

mir hat die Geschichte auch sehr gut gefallen und ich hab Tommy auch spontan gemocht. Was bei mir allerdings nicht ganz so gut funktioniert hat, war das Mitleid-haben-mit-dem-Weberknecht.
War das übrigens die Erzählabsicht? Aus einem harmlosen Kinderspiel wird Tierquälerei, wobei das Kind nicht ganz begreift, was es da tut?
Falls ja, empfehle ich die Verwendung von Wirbeltieren. :baddevil: Als ich selber noch Kind war, hat mich eine Geschichte mal regelrecht traumatisiert, da hat ein Junge "beim Spielen" eine kleine Katze erhängt. Dagegen wirkt dein Weberknecht nicht mehr so richtig.

Jedenfalls hab ich es gerne gelesen.

 

Hallo Benji,

Habe deine geschichte genossen. Die Idee der zweifelhaften Fazination am Fernsehen schoen rausgebracht. Was mcih persoenlich allerdings zum Denken angeregt hat, war die -Skrupellosigkeit- mit der dein prot den -ach so armen- Weberknecht umbringt.
Diese von unserer Gesellschaft gebildeten Normen (die Tierquaelerei verurteilen) scheinen eben noch keinen Effekt auf den kleinen Prot zu haben. Die Freiheit die er damit hat hat mich fasziniert. Also die Idee dahinter, nicht die Quaelerei ;).

Liebe Gruesse,
niko

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom