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Regierungsauftrag
Regierungsauftrag
»Ob es heute wieder passieren wird?«, zitterte es über Lohmeiers Lippen.
Immer wieder blickte er zuckend um sich, während seine Zähne im Stakkato die Fingernägel manikürten.
Er war ein Wrack.
»Mach dir mal keine Sorgen, es wird alles gut gehen. Vertrau mir.«
Die Worte vom alten Bresser, dem Haudegen der Branche, klangen grundsätzlich sehr beruhigend, wirkten jedoch wie intravenös verabreichtes Koffein auf seinen Beifahrer.
»Die haben das bestimmt wieder versaut. Ver- sa- haut! Ich sag´s dir. Ohgottohgottohgottohgott.«
»Nein, Kumpel. Alle Vorbereitungen wurden rechtzeitig getroffen. Du wirst sehen, es wird - wie immer.«
»Genau das befürchte ich.«
Lohmeier konnte nicht verstehen, dass sein Partner so ruhig blieb.
Es war geradezu unheimlich, wie abgebrüht der Bresser in solchen Momenten war.
»DIE SCHILDER!«, eskalierte Lohmeier und klammerte sich Hilfe suchend an seinen Partner, was einen kurzen Totalverlust der Sicherheitsvorkehrungen zur Folge hatte. Panische Furcht spiegelte sich in seinen wirr umherblickenden Augen wider.
Bresser konnte das Fahrzeug soeben noch unter Kontrolle bringen, ehe sie über den Bordstein surften und auf den Gehweg schossen.
Beinahe wäre alles aus gewesen.
Al - les.
Mission gescheitert.
Bresser löste sich aus der Umklammerung und schüttelte sich den Ekel ab.
»Mann! Hast du sie noch alle? Es ist doch alles in Ordnung, alles ist rechtzeitig an seinen Platz gebracht wor…«
»NEIN! Neinneinnein! Die haben sie bestimmt wieder vergessen!«
»Was vergessen?«
»Die Schilder!«
»Ach Quatsch, die sind…«
»…geklaut worden! Ja, genau. Die werden doch immer geklaut. Oder einfach umgeschmissen. Die Leute haben doch keine Chance! Lass es uns diesmal nicht tun!
Wir können doch immer noch umkehren und dann verschwinden wir.
Ich glaub ich steh das nicht mehr durch…«
Lohmeier hockte seine Beine an und zwängte sich in den Sitz. Er begann mit leichten Pendelbewegungen; vor – zurück, vor – zurück. Entzückend, geradezu.
»Hey Kumpel, pass mal auf! Wir können nicht jedes Mal, weil Du die Hosen voll hast, umdrehen. Wir haben einen Auftrag zu erledigen. Du wirst dafür bezahlt, Mann!
Und wenn dein Gewissen bei so was nicht mitspielt, hättest du dir nen ruhigeren Job suchen sollen. Reiß dich gefälligst zusammen, verdammt noch mal!«
Das hatte erstmal gesessen.
Lohmeier begrub sein Gesicht zwischen den Knien, immer noch wippend.
Neu war das zusätzliche Winseln.
Hosenscheißer.
* * *
Im Grunde war es wie sonst auch.
Bresser erhielt den Auftrag von Wegner, einem fetten Handlanger, der die Jobs vermittelte und sich ständig am Arsch kratzte – eine scheußliche Marotte.
Die Anordnungen wurden ihm von einer zentralen Kommandostelle zugeteilt, niemand wusste genau, wer die eigentlichen Hintermänner waren, direkten Kontakt gab es nicht.
Den meisten war es ohnehin egal.
Sie arbeiteten für die Regierung. Und gut is.
Da hält man besser die Klappe.
Während Lohmeier den Wagen klar machte und die Ausrüstung überprüfte, fuhr Bresser die Strecke mit seinem Zeigefinger auf dem Stadtplan ab.
Das war wichtig, um bei Orientierungsproblemen eine Alternativroute parat zu haben.
An jenem Tag jedoch, hatte Bresser bis kurz vor Auftragsbeginn keine Ahnung, welcher Weg für die beiden vorgesehen war.
Das kam vor; allerdings sehr selten.
Bei diesem Gedanken ging Lohmeier der Arsch auf Grundeis. So ein Schisser.
Der Mann war Routine gewohnt, reine Routine, weiter nichts - ein Langweiler eben.
Bresser wurde von Wegner eingewiesen.
Das dicke Schwein war gezwungen, sich dauernd die Hose zu Recht zu zuppeln, da sein fetter Wanst der Gravitation gnadenlos ausgeliefert war. Es hinderte ihn aber keineswegs, sich einen fettigen Krapfen reinzustopfen.
Die Folgen waren: krümeliges Spucken und eine unsaubere Aussprache.
Er kratzte sich am Arsch.
»Also, diesmal sollte euch nichts in die Quere kommen. *spuck* Ihr müsst auf die neue Streckenführung achten, *krümel* dass ist die einzige Änderung am Plan. Der Boss wünscht keine Fehler. Falls euch was im Weg steht, *krümeldispuck* funkt sofort an und ruft die Jungs! Klar?«
Wegner nahm seine Kaffeetasse vom Regal und deutete auf Lohmeier, der gerade dabei war, die Ladung zu checken.
»Hab ein Auge auf ihn, der soll keine Schwierigkeiten machen.«
»Jo, klar.«, erwiderte Bresser sichtlich gelangweilt und popelnd.
»Mann, ich muss mal kacken.«, klärte Wegner auf und verschwand. Flott.
* * *
»So, wir kommen jetzt in die Bahnhofstraße. Halt die Augen offen.«, warnte Bresser, während er den Wagen um die Kurve zirkelte.
»Ich hab kein gutes Gefühl dabei. Ich will das nicht mehr. Die tun mir so leid.«
»Die haben´s vorher gewusst und somit nicht besser verdient, die hatten ihre Chance.«
Lohmeier löste sich aus seiner Embryostellung und fuchtelte wild mit den Händen.
»Aber viel zu wenig Zeit. Fünf Tage, was ist das schon?
Wenn die jetzt in Urlaub sind? Das kann man denen doch nicht antun, die haben vielleicht Familie oder wenigstens nen Hund.«
»HALT AN! VORSICHTVORSICHTVORSICHT! STOP HAB ICH GESAGT!«, entfuhr es Lohmeier.
Bresser stieg in die Eisen, Lohmeier klatschte gegen die Windschutzscheibe.
Er schnallte sich nie an. Idiot.
Der Wagen kam nur wenige Meter vor dem Hindernis zum stehen, ihre Ladung schwappte hin und her.
Bresser schnallte sich ab, nahm das Funkgerät und schnalzte hämisch mit der Zunge.
»Okay. Hier hätten wir also den ersten. Machst du ihn klar oder kannst du das wieder nicht mit deinem Gewissen vereinbaren?«
Lohmeier öffnete die Tür, beugte sich hinaus und sah nach hinten.
»Das Schild steht da Kumpel, die haben´s also gewusst. Keine Angst, trau dich.«
»Jaja, is ja schon gut. Gib her, ich werd´s schon hinkriegen.«
Lohmeier schnappte sich das Funkgerät und ließ sich resigniert in den Sitz zurückfallen.
»Zentrale?
Ja, hier Lohmeier. Stadtwerke...
... ja, äh-hm genau, Straßenreinigung.
Steck grad mit Bresser in der Bahnhofstraße fest. Ein geparkter Fiesta blockiert die rechte Seite.
Was? Jaja, ich weiß. Alles klar, danke.«
Bresser grinste, Lohmeier schwitzte.
»Alles klar, die Jungs kommen gleich…«