Reinigungsfachpersonal
Harry steht er in einem kleinen Versorgungstunnel dicht unter der Außenhülle des taktischen Starcruisers „Apoll“ und ist mal wieder bestens gelaunt.
Dieser scheiß Anzug wird auch immer enger! Ich denke, dass ist so ein superintelligentes Material. Warum ist es dann nicht so schlau und merkt, dass es bei mir vorne am Bauch etwas mehr an Platz braucht? Ich kann mich ja überhaupt nicht bewegen, so knapp sitzt das.
Egal jetzt, erst mal einklinken und Checkliste durchgehen:
Handschuh? Aufgestülpt.
Helm? Ist drauf.
Anzug? Okay, können wir abhaken.
Bipolarer, elektro-sonarischer Elementar-Neutralisator – kurz: besEN? Am Mann.
Checkliste abgehakt? Jupp,... uunnd fertig.
Schön, dann kann’s ja jetzt losgehen.
Nur noch schnell das dumme, kleine Türchen aufmachen. Mit diesen blöden Handschuhen kriegt man aber auch nie die winzigen Knöpfchen auf der Konsole hier gedrückt. Wer konstruiert denn so was? Bestimmt irgendjemand, der seinen Lebtag noch keinen besEN in der Hand gehalten hat.
Lautlos gleitet die Luke „Skywalk Zwo“ zur Seite und gibt den Weg nach draußen frei. Fast zumindest, denn auf ungefähr halbem Wege bleibt sie wie immer stecken. Erst als Harry sie mit einem geübten Schlag auf den Konsolendeckel überredet, rutscht sie stockend weiter.
Immer das gleiche mit der blöden Luke. Ich dachte, ich hätte schon jemanden Bescheid gesagt. Die Typen aus dem Maschinenraum wollen doch sonst immer alles reparieren. Aber ich ahne schon, an wem das wieder hängen bleibt.
Ohne mich, meine Freunde! Ohn...? Oh..! Oh man! Die Luke haben sie wohl auch nur für alpha-centaurische Strohhalm-Wesen gebaut. Muss mich ja rausquetschen wie ein Tintefisch durch ein Loch. Na... gut... , ...ge... schafft!
Die ewige Dunkelheit empfängt ihn wenig herzlich.
Beschissen finster ist es hier draußen mal wieder. Aber wenn ich irgendwen von da oben nach einem Extrascheinwerfer frage, heißt es immer gleich:
„Nein. Kein Geld. Wir müssen sparen. Der diesjährige Haushaltsplan lässt eine Ausgabe in solcher Höhe nicht mehr zu. Bla Bla Bla!“
Kosten doch nur Zwei-Fünfzig das Stück. Ich bezahl’s jedenfalls nicht. Das können die feinen Herren vom Offiziersklub sich abschminken. Sollen die doch hier rauskommen und den ganzen Dreck wegputzen. Ich lehne mich derweil in ihre dicken Ledersessel und trink einen heißen Tee.
Harry schaltet seine Magnetschuhe an und macht ein paar vorsichtige Schritte. Plötzlich, wilde Pirouetten durch den Raum schlagend, muss er feststellen, dass einer seiner Schuhe einen Wackelkontakt hat.
Oooohhhho, Ohhhhoooo! Was ist denn nun los? Nicht schon wieder so’n beschissener Wackelkontakt! Na, das kann ja lustig heute werden! Muss ich wieder gaaanz langsam laufen und brauch dann nur den vollen Tag für ein halbes Deck!
Am Sicherungsseil zieht er sich gemächlich zurück Richtung Luke.
Irgendwie werde ich das schon hinkriegen. Muss ja!
...Wo ist denn jetzt die Steckdose für meinen besEN? Dass ich die auch nie finden kann!
Schrecklich! Bin schon wieder total genervt. Man sollte meinen, eine kleine Farbmarkierung auf der Oberfläche wäre nicht zu viel verlangt. Aber nein, „dann ginge ja der schöne, rein weiße Gesamteindruck verloren“. Pah!
Dass ich mir ’nen Wolf nach der Steckdose suche, interessiert anscheinend keinen.
... Ah, da ist sie ja. Hat sich das kleine Teufelchen wieder vor mir verstecken wollen, was?
Der besEN startet überraschender Weise ordnungsgemäß seinen Dienst und überflutet nacheinander die Metallschotts auf der finsteren Oberfläche mit seinen grünlichen Reinigungsstrahlen. Harry spaziert vorsichtig auf jeden Schritt achtend hinterher und sieht bis auf das Grün ansonsten nur noch schwarz.
Eigentlich ist es ganz schön hier draußen: Niemand, der mich stört. Kein Chef, der ständig irgendwas will. Und der prachtvollste Sternenhimmel, den man sich vorstellen kann. Jeden Tag sogar ein komplett neuer. Manchmal ein wunderbar in allen Farben strahlender Nebel. Einfach toll.
Harry blickt verträumt hinaus ins lichtzerpunktete Nichts. Die Schwärze des Alls reflektiert am Visier seines Helms. Eine (meistens Zornes- doch diesmal )Sorgenfalte gräbt sich auffällig tief in seine Stirn.
Wenn es nur nicht diese dummen Gerüchte über die Strahlung der Schutzschilde und möglichen Potenzschäden gäbe, dann wäre das der tollste Job der Welt. Na ja, vielleicht nicht der Welt, aber zumindest...
Eine Supernova, nur ein paar hundert Lichtjahre entfernt, erhellt mit ihrem Tod in diesem gedankenverlorenen Moment die ausgedehnte Oberfläche über Hüllen-Sektor Dreiundzwanzig, dort wo zufälliger Weise Harry gerade den Putzdienst schiebt.
WAS? Das kann doch nicht wahr sein? DEN ganzen Dreck soll ich wegmachen! Da brauch ich ja Monate zu!
Vor ihm erstreckt sich im fahlen Sternenleichenlicht eine Trümmerlandschaft aus zerborstenen Deckplatten, pechschwarzumrundeten Photonentorpedolöchern und scharfkantigen Lasereinschnitten, die nur alpine Geologen als glatt und eben bezeichnen würden.
Von wegen „nur ein paar kleine Einschusslöcher und ein bisschen Ruß auf der Oberfläche“! Hier sieht’s ja aus, als hätte ein ganzes Tulonervolk auf unserem Außendeck einen Abenteuerurlaub gemacht und danach noch mal gleich ihren Hausmüll hier entsorgt.
Ich hab’s doch gewusst: wenn der Chef so scheiß freundlich zu mir ist, dann stinkt irgendwas im Stiefel – ganz gewaltig sogar. Aber nicht mit mir, das sage ich euch! Ich werde mir hier ordentlich ein paar Überstunden anrechnen lassen. Sollen die von der taktischen Konsole doch beim nächsten Gefecht ein bisschen schneller reagieren und sich nicht gleich über den Haufen schießen lassen.
Das kann ich doch gar nicht alles wegmachen. Immerhin bin ich Reinigungsfachpersonal und kein Müllverwerter. Von hieraus gesehen, würde ich sagen: abreißen und neu bauen. Geht jedenfalls schneller, als wenn ich das hier alles wegputze.
Plötzlich enttarnt sich auf Steuerbord ein kurilianischer Schlachtzerstörer und beginnt mit sofortigem Laserbeschuss. Die „Apoll wird reichlich durchgeschüttelt, ehe sie die ersten Treffer erwidern kann.
Oooohhhho, Ohhhhoooo! Nicht schon wieder! Scheiß Magnetstiefelmistverfluchter!
Harry trudelt erneut am Ende seiner Sicherungsleine und beobachtet, wie sich ein feindlicher Treffer nach dem anderen zum bereits bestehenden Chaos aus Schutt und Asche auf der Außenhaut hinzugesellt.
AUFHÖREN! Wer soll denn das sauber machen? Was frage ich nur so blöd? Natürlich ich! Und dafür hat man nun studiert? Das ist doch alles zum Kotzen!
Die scheiß Schutzschilde halten gar nichts aus. Und wenn ich Glück hab, machen die nicht nur impotent sondern auch blöd. Es fängt ja schon an: Ich fliege hier im All am Ende einer fingerdicken Schnur rum und spreche mit mir selbst. Wenn das nicht bescheuert ist!
Die „Apoll“ ist dem feindlichen Schiff deutlich unterlegen, und rauscht ...nach einer kurzen Denkpause... mit Volldampf hinein in die unendlichen Weiten, in der Hoffnung, sich über irgendeinem magnetischen Pol eines Hinterwäldlerplaneten verstecken zu können. Für einen – für Harry sehr – langen Augenblick sieht es so aus, als würde das fingerdicke Sicherungsseil mitfliegen wollen. Doch dann entscheidet es sich anders und reißt einfach ab.
Mit professionell kühlem Blick sieht Harry erst die „Apoll“ und gleich darauf die Kurilianer in einem gleißenden Lichtblitz im Nirgendwo verschwinden. Jetzt hat er seine wundervolle und ungetrübte 360-Grad-Rundumaussicht wieder ganz für sich allein.
Mal sehen, wie lange es diesmal dauert, bis sie mich auffischen. Immer der gleiche Mist! Allzu oft mache ich den Scheiß jedenfalls nicht mehr mit! Am besten ich wechsle zu irgendeiner planetaren Raumstation. Auf Terok Nor soll was frei sein. Werden dort zwar auch alle naselang angegriffen, aber wenigsten hauen die mir nicht einfach so unter den Füßen ab.
Sprach’s und trudelt davon.