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Reintour

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19.04.2008
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Reintour

„Du, Sepp“, Wastl stieß seinen Kumpan unsanft in die Seite und erntete damit einen kurzen, Luft schnappenden Schnarchakkord. Schlaftrunkenes, undeutliches Gebrummel folgte: „Jo, mei …“, dann sank Josephs Kinn, der Schwerkraft gehorchend, wieder in Richtung Brustkorb. Und erneut begannen die gleichmäßigen Auf- und Abbewegungen seines recht umfänglichen Bauches, begleitet von gemütlichen Prustern. Dem kunstvoll nach oben gezwirbelten Schnurrbart war, genau wie seinem urigen Träger, jegliche Vorstellung von Standhaftigkeit abhanden gekommen. Und so zitterte er bei jedem neuen, fahnenbehafteten Ausstoß verbrauchter Atemluft schlaff und derangiert vor sich hin.
Die kleine Reintour, hier mal rein und da mal rein, forderte ihren Tribut …
„ Mei, Sepp!“, ungeduldig setzte Sebastian mit dem Ellbogen nach. „Ez mach, dass d´ aufkummst! Dös Filmerl is a so was von depperter Amischeiß, dös lockt ka Katz nich hinterm Haferl vor! Dös is vui zu dep … , zu … , jo, wos glei? - Depressionistisch! Auffi, Sepperl, geh mer hold noch amoal in d´Schwemm nüber, af a Glaserl Glühwein!“
Auf Joseph, der von Wastls Remplern bisher nicht aus seinem Tiefschlaf erweckt werden konnte, wirkte das Zauberwort ´Glühwein`, wie weiland ein prinzlicher Kuss auf die verschlafene Prinzessin mit den zwei linken Händen: Er setzte sich auf, war schlagartig hellwach und aktionsbereit.
Die Beiden schälten sich, umständlich aber einvernehmlich, aus den Sitzen des nur sehr mäßig besuchten Kinos, wo sie ihren pflastermüden Füßen eine kleine Auszeit gegönnt hatten. Sie machten sich auf den Weg zur nächsten Glühweinbude.
„Zwoa“, gab Sepp dem Verkäufer Bescheid und hob zur Unterstützung seiner Bestellung die Hand zum Victory-Zeichen.
Wastl verzog sofort nach Probieren des Gebräus ärgerlich den Mund: „Dös ziecht eim fei samtigliche Löcher szamma! Host dei Plörre fei scho a moal selber g´suffa?“
Der Mann am Tresen brauchte, zusätzlich zum Abkassieren, Ausschenken und zur Bestellaufnahme keine Anmache von der Seite. Mit einer genervten Kopfbewegung wies er zum Ende des Schanktischs, wo in einem kleinen Bastkörbchen das Zuckerdepot für unverbesserliche Süßhähne eingelagert war. Sollten sich die Heinis doch ihren Wein selber versauen ... Sebastian griff sich eine handvoll Tütchen und das Duo setzte sich in Bewegung, wanderte vorbei an unübersichtlichen Verkaufsständen, drückte sich durch lachende Menschentrauben.
„Un ez?“, fragte Joseph, als das letzte Tröpfchen Wein vernichtet war und die Pappbecher verloren einem neuen Morgen und den Rittern von der Müllabfuhr entgegenträumten. „Woas treib mer nacha ez?“ Wastl erinnerte an den goldgelben Cadillac, um den sie, es war gerade mal zwei Mass und geschätzte drei Gühwein her, bewundernd herumgeschlichen waren. Den könne man ja zum Ausklang des gemeinsamen schönen Tages noch ein wenig ausprobieren. Gesagt – getan. Dieses wunderbare Schmuckstück von Automobil hatten die Beiden bald wiedergefunden, und sich ohne große Umstände in den Lederpolstern breitgemacht. Wastl, der noch etwas besser beisammen war, beanspruchte den Fahrersitz und fummelte fluchend „Saglzemend, wuist scho oageh´!“, und nach den richtigen Drähten tastend, unter der Konsole herum. Urplötzlich, kam Bewegung in den Cadillac. Sepp und Wastl genossen das sich stetig erhöhende Tempo, die an ihnen vorbeisausenden Häuser, Menschen und Bäume und den Fahrtwind, der kraftvoll durch die Gamsbärte strich und sie mächtig aufpuschelte.
„Du, Wastl, ziech amoal ebbes links nieber!“ Joseph war der Schreck ins Gesicht geschrieben. „Oa meiner Seitn is doa a vui große Feierwehr, die bumst mer glei oa mei Tür!“ Sebastian konnte Seppels Wunsch nicht nachkommen.
„Jo mei, Seppl, spinnst? Siegst net? Af meiner Seitn is derer a Mordsabhang! Wuist, doas mer da nunter poltern? Un schau a moa arschlings!“ Was dem Bastl Schauer übers Kreuz jagte, war nicht nur der Blick in den Rückspiegel, sondern ein scharfes, eiskaltes Lüftchen, das eindeutig der Schraube des silbernen Hubschraubers zuzuschreiben war, den sie im Schlepptau hatten.
Der Heli würde ihnen womöglich gleich die Hüte, vielleicht auch noch ein Stück von dem, was drunter war, im Tiefflug wegschnitzeln.
„Kruzidiaggn, die wuin uns oa de Kroagn. Mach hi, Wastl, mach fei eweng hurtiger!“ Nicht mehr, als ein frommer Wunsch war das, denn auch für die Flucht nach vorn war der Spielraum ausgereizt: Vor ihnen, direkt auf ihrer Fahrbahn, trabte eine gewaltige Sau um ihr Leben.
„Jessas, dös Viech is sua mächtich wia a Breigaul!“ staunte Sebastian.
“Do kimmer nimmer aus! Mer kumm in Teifeskich!” wimmerte Joseph und überschlug sich förmlich beim Kreuzerlschlagen. „Hoast fei dös falsche Tüterl am Ausschank derwischt? Un die vermaledeitn Mafiosi wuin ihre Pülverchen zruck! Un, sitzn mir ez, kruzifix, ebs in derern Cadillac?“
Verzweifelt und aussichtslos war die Lage: Links der steile Abhang, von rechts bedrängte sie, warum auch immer das große Feuerwehrauto, hinten, bfft, bfft, bfft, spürten sie schon den Luftstrom der Rotoren. Und die monströse Sau, der sie nun wirklich nicht den Hintern touchieren wollten, trabte vorneweg.

„Sehepp! Waastl!“
„Horch, Wastl, i mein, dös wer mei Reserl g´west, die doa g´ruft hoat!“ Joseph wandte sich aufgeregt an seinen Chauffeur.
„Sehepp, Waastl!“
„Wo kimmt ez fei dös Waibsbuid her, dös abgefeimte?“
Die Resi aber konnte sich nur noch schwer unter Kontrolle halten. Ganz kurz hatte sie eine Bekannte begrüßt und schon waren die beiden Schwerenöter im unübersichtlichen Durcheinander verschwunden gewesen. Schon seit Stunden klapperte sie, die ihre Pappenheimer kannte, sämtliche verfügbaren Ausschankbuden ab. Und jetzt das! Wenn sie sich jetzt nicht beherrschte, war der Doppelmord komplett!
„Saubazis, depperte! Eich nehm i noch amoal mit zur Wasn!
Schleichts eich nunter vom Kinderkarussell! Auffi!
A Glühwein gibt’s a nimmer, Baggaludenvolk, dammischtes!
Schluss is mit Glühweinsaufen!“

 

Hallo butterblume01,

vom Hocker gehauen hat mich die Geschichte jetzt ehrlich nicht. Die beiden Urbayern bei ihrer Glühweintour zu beobachten ist zwar recht lustig, die Idee mit dem Karussel ganz nett, aber - und zwar ein großes Aber -, ab der Feuerwehr war ich auf der richtigen Spur. Es gibt da ja diese Scherzfrage, von der du dich ohne Zweifel hast inspirieren lassen.

Wenn die Geschichte funktionieren soll, würde ich zum einen den Cadillac früher in den Gesprächen von Sepp und Wastl auftauchen lassen, zum anderen auch nicht unbedingt mit Schwein, Feuerwehr und Hubschrauber operieren, denn damit erkennt man es einfach zu schnell. Oder die Idee mit den Mafiosi sollte schon früher kommen, damit es innerhalb der Handlung plausibler erscheint, die beiden "Schwerenöter" könnten sich verfolgt glauben. Auch an der Sprache beim Karusselbetrieb solltest du noch feilen, da sind für mein Gefühl schon viel zu viele Spuren, dass es sich nicht um einen richtigen Cadillac handeln kann bzw. die beiden "nicht richtig" fahren. Eventuell auch die Frage berücksichtigen: wie kommt es, dass die beiden den Cadillac ohne Zündschlüssel anbekommen? Hier könnte sich Wastl ja z.B. auch als Autokenner hervortun, der "da aan Trick" kennt. Oder irgendso etwas in der Art.

Auch der "Abhang" (ebenfalls aus der Scherzfrage) war für mich nicht stimmig, einfach von der Wortwahl her ... mir fällt aber gerade nichts besseres ein.

Auch der Auftritt der Sau, wenn es denn bei diesem Tier bleiben soll, könnte noch besser in Szene gesetzt werden. Ich stell mir da vor, dass die beiden erst einmal lauthals fluchen und vielleicht zu hupen versuchen, damit das Viech da weggeht. Auf jeden Fall bräuchte es einfach noch mehr Details, die den Leser in der Illusion wiegen, es handle sich um einen echten Cadillac ... denn so ist man zu schnell auf der Fährte.

Ganz witzige Idee, aus der du aber noch wesentlich mehr machen kannst.
Liebe Grüße,
ciao

Malinche

 

Hallo Malinche,
hab erst mal vielen Dank fürs Lesen und die Mühe, die Du Dir gemacht hast.
Ja, Du warst gleich auf der richtigen Spur;).
Wenn man die Scherzfrage kennt, ist es dann wirklich arg vorhersehbar.
Ich werde in den nächsten Tagen mal sehen, was ich noch verfremden oder rauskicken kann. Das Bügeleisen zum Glätten der holprigen Stellen ist schon am Aufheizen:D.

wie kommt es, dass die beiden den Cadillac ohne Zündschlüssel anbekommen?
Wastl hat doch nach Drähten unter der Konsole (zum Kurzschließen) gesucht. ;)

Ja, aber hülft nix, ich muss überarbeiten.

Vielen Dank Dir!

Das Hahnenfußgewächs

 

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