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Retuschen an der Schöpfung

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29.01.2010
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Retuschen an der Schöpfung

Erstaunt betrachtete der Arzt das Gesicht des Patienten. In seinem Beruf war ihm manches untergekommen, doch dieses verblüffte ihn. Seine Gedanken von dem Anblick losreissend, begann er, den Bewusstlosen zu untersuchen. Puls und Atmung waren nicht besorgniserregend. Er winkte den Sanitätern, damit diese den Patienten für den Abtransport auf die Bahre hievten.
«Es sind keine äusseren Verletzungen erkennbar», bemerkte er zu der Polizeibeamtin, die danebenstand. «Ob innere Verletzungen vorliegen, wird erst die gründliche Untersuchung im Spital zeigen. Auch für seine Bewusstlosigkeit weiss ich noch keine sichere Ursache. Der flache Puls könnte ein Hinweis auf Drogen sein, wie Sie vermuten, doch möchte ich mich da nicht festlegen.»
Die Parkanlage, in der der Bewusstlose aufgefunden worden war, hatte diesen Gedanken aufkommen lassen. An diesem Ort hatte man öfters Ärger mit Junkies. Dass der Mann gepflegt wirkte und nicht jung war, sprach nicht dagegen.
«Aber … die Lippen!» Die Polizistin wirkte sehr verunsichert.
«Ja», der Arzt sprach das Wort gedehnt aus, als ob er zugleich nach einer plausiblen Erklärung suchte. «Eine Deformation, wobei es hier wirklich eine sonderbare Laune der Natur bildet. So etwas habe ich selbst noch nie gesehen. Verwunderlich ist, dass dies bei ihm nicht bereits im Kleinkindalter operiert wurde.»
Die Polizistin blickte nochmals intensiv auf das Gesicht des Bewusstlosen. «Es sieht ja nicht hässlich aus, aber dennoch erschrak ich, glaubte erst, er sei maskiert.»
Die Lippen standen leicht offen, sie waren unauffällig, doch einen Fingerbreit darunter, ein zweites Lippenpaar. Dieser Mund war kleiner als der darüber liegende, mehr wie ein Frauenmund, sich zu einem Kuss zuspitzend.

Die weiterführenden Untersuchungen erbrachten einige überraschende Befunde. Die Ursache der Bewusstlosigkeit konnte anhand der Laborwerte des Blutes zugeordnet werden. Es war eine starke Dosierung eines Anästhetikums, das bei Operationen zum Einsatz kommt. Als man seinen zweiten Mund untersuchte, zeigte es sich, dass der Kieferknochen und die Zähne darunter völlig intakt waren, er also keine Öffnung und Funktionalität hatte. Dafür waren Nähte erkennbar. Diese zweiten Lippen waren künstlich eingesetzt und seine Zunge im realen Mund reptilienartig ein Stück gespalten worden.

*​

Harmsen legte das Buch auf die Seite. Die Bildnisse antiker Schönheit hatten ihn immer fasziniert, sie waren einer der Impulse, weshalb er sich während des Medizinstudiums entschied, die Richtung plastische Chirurgie einzuschlagen. Später erkannte er, dieses Gebiet war ihm nicht einfach ein Beruf, es war ihm vielmehr Berufung. Noch vor vier Jahren hatte die Zeitschrift Esquire über ihn geschrieben, er sei ein Schönheitschirurg, dem es gelinge, die Schöpfung zu vollenden. Diese Worte hatte er der Journalistin zwar selbst souffliert, aber er lebte sie mit Überzeugung, bis … Seine Gedanken wandten sich von der Faszination seiner Fähigkeiten ab, gaben kontrolliertem Hass wieder Raum, welcher ihn seit dem Verlust der Approbation beherrschte. Der Richter hatte seinen Preis erhalten. Seine Doppelzüngigkeit, welche er im Prozess aufscheinen liess, stand ihm nun ins Gesicht geschrieben. Sie würden alle noch ihre gerechte Strafe erhalten, Frau Dumermuth, welche ihn wegen schwerer Körperverletzung angezeigt, und ihr Anwalt, der ihn vor Gericht als Scharlatan dargestellt hatte. Ihn, den erfolgreichen Schönheitschirurgen, Dr. Mark Harmsen. Seine langjährige und renommierte Praxis war ein Beweis seines Könnens gewesen, die Liste höchst zufriedener Kundinnen lang. Es konnte nicht geklärt werden, warum in der verwendeten Originalpackung ein zellzersetzendes Mittel gewesen sein sollte. Der Hersteller wies die Verantwortung von sich und überzeugte das Gericht von seinen hohen Sicherheitsstandards. Offen blieb, ob das Pharmawerk Opfer eines Sabotageaktes geworden war. Da kein Erpresser sich meldete, stellte man diesbezügliche Abklärungen ein und ging von einem eklatanten Fehler des Arztes aus. Seiner Assistentin musste ein Fehler unterlaufen sein, davon war Harmsen überzeugt. Sie hatte die Medikamente bereitgestellt. Das Gericht lastete ihr trotzdem keinerlei Schuld an. Für sie würde er sich einen extravaganten Eingriff vorbehalten.

*​

Beim Unternehmen, welches die öffentlichen, selbstreinigenden WC-Anlagen landesweit betrieb, ging ein Alarm ein. Dieser löste sich aus, wenn eine Kabine über eine Stunde nicht verlassen wurde.

Als die beiden Angestellten die Tür mit einem Spezialgerät öffneten, sahen sie einen älteren Mann mehr vornüber geneigt hängend, als sitzend, auf der Klobrille. Die heruntergelassene Hose war über den Schuhen gerafft. Sie hatten ihn noch nicht berührt, als er schon abrutschte. Die Beiden verhinderten ein hartes Aufschlagen des Körpers auf dem Metallboden, indem sie instinktiv zupackten und ihn abgleiten liessen.
Vorübergehend waren sie vor Schreck sprachlos, dann begann der eine hysterisch zu lachen, der andere stimmte ein, um alsbald in entsetztes Schreien überzugehen.

Die Ärzte, welche den als Notfall eingelieferten Patienten untersuchten, waren fassungslos. Es musste die Tat eines Wahnsinnigen sein, doch chirurgisch sauber durchgeführt. Anstelle seiner Nase hing schlaff der Penis samt Hodensack und an dessen Stelle war die Nase eingesetzt, permanent Urin tröpfelnd.

Der Bezug zum Fall Richard von Stähl, jenem Richter, der vor acht Monaten körperlich deformiert im Park hinter dem Landesmuseum gefunden worden war, lag auf der Hand. Im Blut war dasselbe Anästhetikum nachgewiesen worden. Bereits damals hatte die Kriminalpolizei unter Leitung von Kommissar Oberhänsli akribisch überprüft, wer für die Tat in Frage kommen könnte. Der einzige Hinweis, dass es jemand sein musste, der über entsprechend fachliche Kompetenz besass, verlief im Sande.
Man stiess zwar auf den Fall Dr. med. Mark Harmsen, welcher zu einer bedingten Gefängnisstrafe und zu einer sehr hohen Schadenersatzleistung verurteilt worden war. Als Täter musste er allerdings ausgeschlossen werden. Harmsen hatte sich nach dem Prozess bald ins Ausland abgesetzt. Ein Jahr später war er bei einem Badeunfall im Indischen Ozean, der gefährliche Strömungen aufweist, ums Leben gekommen.

*​

Es war etwas in der Bewegungsart des Mannes, der vorhin aus einem Hauseingang trat, stehen blieb und sie, wie unabsichtlich, anschaute, das in ihrer Erinnerung einen Auslöser betätigte. Anita Lätsch hatte ihm ins Gesicht gesehen, als sie an ihm vorbeischritt, ein Fremder. Sie musste sich getäuscht haben.
Mitten in der Nacht schreckte sie auf. Die gespeicherte Information war in ihr Bewusstsein vorgestossen und meldete sich wie ein schriller Alarm. Sie sah sein Gesicht vor sich, so wie er damals ausgesehen hatte. Jahrelang hatten sie eng zusammengearbeitet, er war ihr in allen Nuancen vertraut. Sie meinte, sich sogar an seinen Geruch zu erinnern. Es war diese Bewegung gewesen, ein eigenwilliges, kaum merkliches Schlenkern mit dem linken Arm, welches der Mann zeigte. Angstschweiss trat ihr auf die Stirn. Sie erinnerte sich, als sie ihn letztmals vor Gericht sah. Die Schuld hatte er ihr zugewiesen. Direkt miteinander gesprochen hatten sie nicht mehr. Doch seine Augen waren hasserfüllt. Noch nie hatte ein Mensch sie so bösartig angeblickt. In dem Augenblick war ihr jäh eine Angst vor ihm aufgekommen.
Unmöglich, es musste eine Zufälligkeit im Bewegungsablauf sein. Sie hatte damals von seinem Tod gehört. Diese Nacht fand sie keinen Schlaf mehr, dieser Schock und die Unklarheit, ob sie nicht gleichwohl ihm begegnet war, sass zu tief.

In den nächsten Tagen achtete sie unauffällig darauf, ob er wieder in Erscheinung treten würde. Bereits wollte sie es als Hirngespinst abtun, als sie ihn entdeckte. Er sass allein an einem Tisch in jenem Restaurant, in dem sie regelmässig ihr Mittagessen einnahm. Da er nicht merken sollte, dass sie ihn einer Prüfung unterzog, bemühte sie sich, ihn nicht direkt anzublicken. Aus den Augenwinkeln registrierte sie, wenn sie ihn kurz fixieren und die nuancierten Merkmale mit dem Gesicht von Harmsen vergleichen konnte. Dessen Nase war gleichmässiger gewesen, die dieses Mannes hatte einen leichten Knick. Die Ohren waren es, die ihr die Gewissheit brachten, er muss es sein! Sie schienen auch verändert, doch der obere Bogen war eindeutig identisch. Angst beschlich sie. Ihr war der Gedanke gekommen, die Polizei zu verständigen, doch verwarf sie diesen wieder. Sie erinnerte sich, dass die Medien berichteten, die beiden Opfer, der Richter und der Anwalt, hätten keinerlei Angaben über den Täter machen können. Sie wurden unversehens bewusstlos und erwachten erst wieder im Spital. Nicht im Entferntesten, war ihr der Gedanke aufgekommen, diese hätten einen Bezug zu Harmsen. Wie sollte man ihm beweisen, dass er der Täter war? Dafür, dass er anscheinend seinen Tod vorgetäuscht und sich eine neue Identität zulegt hatte, könnte man ihn kaum gross belangen. Aber er stellte eine direkte Gefahr für sie dar. Wenn er sich wirklich an den beiden Prozessbeteiligten gerächt hatte, würde er sie erst recht nicht ausklammern. Sie war sich völlig im Unklaren, wie sie die Gefahr von sich abwenden könnte. Vorerst müsste sie versuchen, mehr über seine heutige Identität in Erfahrung zu bringen.

*​

Harmsen hatte sich über die aktuellen Gewohnheiten und die Lebensumstände der Lätsch ein Bild gemacht. Ihren Wohnort hatte sie nicht gewechselt, verfügte inzwischen allerdings über eine eigene gutgehende Praxis. Letzteres verstärkte seinen Hass nur. Seine Klientinnen dürften der Grundstock gewesen sein, dass sie sich an einer solch renommierten Adresse etablieren konnte.

Er hatte mehrfach ihren Weg gekreuzt, um zu testen, ob sie ihn wiedererkennen könnte. An der perfekten Veränderung seines Aussehens zweifelte er nicht. Dennoch, wenn jemand ein Gespür für seine Gegenwart besass, dann wäre es sie. Ihre Zusammenarbeit hatte es erfordert, den andern präzis einschätzen zu können. Bei den Begegnungen zeigte sie keinerlei Anzeichen von Wiedererkennen, was ihn befriedigte. Sie würde ahnungslos sein, bis sie transformiert wäre. Da sie bestimmt wie alle dachte, er sei tot, würde der Gedanke sie wahnsinnig machen, wer sich für ihn an ihr rächte. Diese Vorstellung befriedigte ihn. Noch konnte er sich nicht entscheiden, welches der ärgste Makel für sie wäre, auch wenn sie ihn später wieder beheben lassen könnte. Der Schwierigkeitsgrad war etwas zu finden, das ihr infames Wesen repräsentierte. Es musste richtiggehend perfid sein, ihr Selbstwertgefühl nachhaltig schädigen. Nun, er hatte Zeit, davonlaufen konnte sie ihm nicht. Oder doch?
Vor einigen Tagen war sie ihm entwischt, er sah sie noch ins Kaufhaus hineingehen, dann war sie weg. Es war bereits einmal passiert, was ihn erst verunsicherte, ob sie ihn erkannte. Die nächsten Begegnungen waren ihm dann letztlich eindeutig, sie hatte keine Ahnung seiner Nähe.

*​

Anita war sich des Risikos bewusst, als sie in das Haus eindrang. Harmsen, oder Helmut Rinderknecht, wie er sich jetzt nannte, war eben weggefahren. Zu diesem Zeitpunkt dürfte er sich in der Nähe ihrer Praxis auf die Lauer legen. Sie hatte also ausreichend Zeit sich umzusehen, - wenn er nicht überraschend zurückkehrte. Falls es nicht anders ging, hatte sie eingeplant, einen Schlüsselservice kommen zu lassen. Beim Rundgang um das Haus fand sie wie erhofft eine Schwachstelle. In einem Lichtschacht, einzig durch ein aufgelegtes Metallgitter gesichert, sah sie ein halb geöffnetes Kellerfenster. Das Gitter war lange nicht bewegt worden, klemmte, mit etwas Mühe konnte sie es dennoch abheben und verschieben.

Er musste das Haus möbliert gemietet haben, denn die Einrichtung entsprach nicht ihm. Auch schien er nur zwei Räume zu benutzen, die andern wirkten unbewohnt. Systematisch hatte sie alles durchgesehen und war enttäuscht, dass das Vorgefundene ihren Verdacht nicht bestärkte. Kein Hinweis auf seine wahre Identität oder seinen Beruf. Blieben nur noch die einzelnen Räume im Untergeschoss, die sie noch nicht inspiziert hatte.
Sie schluckte, als sie die dritte Türe öffnete und das Licht anschaltete. Eine schlichte, aber neuestem Standard entsprechende Praxiseinrichtung kam in ihr Blickfeld. Es war alles vorhanden, das er brauchte, um seine Gräueltaten zu begehen. Wenn sie nur einen Hauch von Zweifel gehabt hätte, dass er Harmsen war, dann wäre er nun endgültig verflogen.
Auf einem Arbeitstisch stand ein PC, den sie einschaltete. Natürlich passwortgeschützt. Nach acht Minuten hatte sie es geknackt. Glücklicherweise war kein Sicherheitssystem aktiviert, das nach drei Fehlversuchen den Zugriff blockierte. Adonis, da hätte sie eher drauf kommen können, da sie seine Vorlieben kannte. Früher verwendete er Venus.
Er hatte ab hier Zugriff auf medizinische Datenbanken, die nur akkreditierten Ärzten zugänglich waren, wie sie verblüfft feststellte. Entweder wurde ihm unter seiner falschen Identität der Zugang ermöglicht, dann müsste diese nahezu perfekt sein, oder er wusste das aktuelle Passwort eines Arztes. Sie klickte den ersten Ordner an, der einzig durch drei Buchstaben gekennzeichnet war. Auf der Seite erschienen fünf Fotos, die je den Richter, den Anwalt, den Vorsitzenden der Ärztekommission, die Patientin Frau Dumermuth und sie selbst zeigten. Die Bilder musste er auf der Strasse geschossen haben, wie ein Tourist, der Erinnerungen festhält, ohne sich um vorbeigehende Passanten zu kümmern. Das war der Beweis, er hatte es auf sie abgesehen. Ein Schauder liess sie leicht zittern.
Erstaunt blickte sie im nächsten Ordner die Bilder an. Er hatte die verschiedenen Phasen der Operationen festgehalten. Am Schluss der Serie war ein Foto, als der Anwalt zusammengesunken im WC-Abteil sass. Unglaublich, sie hatte von der Entstellung des Gesichts bei dieser Tat gelesen, aber ohne nähere Beschreibung. Eine derartige Perversion hatte sie sich nicht vorgestellt. Harmsen war zweifellos nicht mehr normal, dies war die Tat eines leidenschaftlichen Psychopathen.
Da war auch der Richter mit allen bildlichen Details. Die zweiten Lippen waren durchaus ein Kunstwerk, das musste sie Harmsen zugestehen. Er beherrschte noch immer seine Fertigkeiten.
Hinweise konnte sie keine finden, die andeuten könnten, was für Schandtaten er bei den drei noch verbleibenden Opfern im Sinn hat. Anita ahnte, dass sie nicht geringer ausfallen würden. Sein Rachefeldzug musste rasch und nachhaltig gestoppt werden, nur wie? Den Gedanken, die Polizei zu verständigen, verwarf sie. Selbst wenn man ihn fasste, würde er nur wegen Körperverletzung belangt werden und irgendwann seine Taten fortsetzen. Zur Mörderin wollte sie nicht werden, nicht wegen ihm. Es musste einen andern Weg geben.

*​

Im Schlachthof hatte sich Harmsen einen Schweinekopf besorgt. Er war beglückt, als ihm dieser Gedanke aufgekommen war, es drückte sinnbildlich aus, was er von der Lätsch hielt. Ihre Brandmarkung als Sau war die angemessene Strafe für sie.

Am Bildschirm skizzierte er verschiedene Möglichkeiten. Er hatte lange hin und her getüftelt, bis er die ihm am stärksten erscheinende Ausdrucksform gefunden hatte. Ihre Nase würde er abflachen und aufwerfen, sie dem Aussehen eines Schweines anpassen, dies liess sich leicht ohne Transplantation durchführen. Als Glanzstück kämen die Schweineohren dazu, deren Spitzen borstige Haare krönten. Ihr Gesicht erhielt in der Fotomontage ein Aussehen, das ihn zynisch auflachen liess. Perfekt, die Lätsch würde ihren eigenen Anblick nicht verkraften. Wenn ihr dann ein Spiegel vorgehalten würde, musste ihr selbstzerstörerisch die Erkenntnis einsetzen, sie sei eine Sau.

*​

Anita Lätsch wusste, dass die Zeit drängte, in den letzten Wochen war Harmsen wie ein Schatten an ihr geheftet, doch seit vier Tagen blieb er weg. Das Stadium des Beobachtens war für ihn anscheinend abgeschlossen, was bedeuten musste, dass er sich entschieden hatte, wann und wo er ihrer habhaft würde. Die Gefahr kristallisierte sich folglich. Da er seine Opfer stets unbemerkt betäubte, musste sie ihm zuvorkommen und ihn unschädlich machen. Ihre Entscheidung, wie sie es durchführen musste, hatte sie bereits vor einer Woche getroffen. Es war ihr nicht leicht gefallen. Was sie vorhatte, widersprach diametral ärztlicher Ethik, doch war es der einzige Ausweg. Notwehr, die zwar nicht das Recht auf ihrer Seite hat, aber hier ging es um das Gesetz des Stärkeren, das einzige, das sie vor ihm schützen könnte.

Beim dreitägigen Ärztekolloquium, an dem sie teilnahm, fiel es nicht auf, wenn jemand für zwei, drei Stunden abwesend war. Es war da ein Kommen und Gehen, zudem fanden parallel verschiedene Veranstaltungen statt. Anita hatte auf diesen Zeitpunkt gewartet, um ein Alibi, wenn auch nicht lückenlos, vorweisen zu können.

Sie spürte, dass das Beruhigungsmittel wirkte, welches sie geschluckt hatte, um ihre Angst unter Kontrolle zu halten. Ihr Äusseres hatte sie kosmetisch und mit einer Perücke derart verändert, dass er sie nicht ohne Weiteres erkennen konnte. Auch das Grau ihrer Augen hatte sie vorsichtshalber durch Linsen mit dunkelbrauner Iris überdeckt. Dennoch, sie wusste, es blieb ihr nicht viel Zeit. Sein Gespür für sie würde irgendwann Alarm schlagen, auch wenn sie sich ihrer stark täuschenden Verwandlung sicher war. Ihre Anspannung wuchs an, als sein Haus in ihr Blickfeld kam. Mit einer Tasche in der Hand, wie sie bei Handelsreisenden üblich war, trat sie auf die Eingangstür zu und betätigte die Türklingel. Nichts rührte sich im Haus. Noch einmal drückte sie auf den Knopf der Klingel, diesmal anhaltender. Da, sie hörte einen Laut und im nächsten Augenblick öffnete sich die Tür. Rinderknecht stand vor ihr, mit abweisendem Gesichtsausdruck.
«Sie wünschen?»
«Mein Name ist Bringolf. Ich komme von der Gebäudeversicherung. Wir hatten bei der letzten Prämienüberprüfung festgestellt, dass seinerzeit gemeldete Änderungen in unseren Plänen nicht nachgetragen wurden. Ich müsste nur kurz einen Blick in die Räume werfen und die Abmessungen notieren, soweit es die Änderungen betrifft.» Sie war zufrieden mit ihrem Sprachausdruck. Entstellend hatte sie sich auf den spitzen Basler Dialekt kapriziert, der ihr aus Kindheitstagen durch eine Tante sehr vertraut war.
«Da hätten Sie sich wohl anmelden können, einen Termin vereinbaren. Ich habe jetzt überhaupt keine Zeit und muss gleich weg.»
«Es dauert keine fünf Minuten, dann bin ich auch wieder weg. Ich kann auch allein durchs Haus gehen, dann sind sie überhaupt nicht tangiert.»
Harmsen wirkte eine Nuance lang unentschlossen, doch liess er sie dann eintreten. «Ich habe das Haus nur gemietet und weiss nicht, was der Besitzer umbaute. Selbst habe ich keine Änderungen vorgenommen.»
Gezielt warf sie ein: «Es betrifft die Unterkellerung. Der Besitzer vergrösserte nach eigenen Angaben seinen Weinkeller und nahm Änderungen an andern Räumen vor. Wichtig ist dabei, dass die Stützmauern wegen der Statik nicht verändert wurden.»
Einen Moment zuckte ein Muskel in Harmsens Gesicht, als sie die Kellerräume erwähnte. Doch hatte er sich sofort wieder im Griff. Seinerzeit bei der Einrichtung hatte er seinen Praxisraum der Lieferfirma gegenüber ungefragt damit begründet, dass er Forscher sei. Darüber war auch der Hausbesitzer informiert. Hatte dieser vielleicht etwas gegenüber der Versicherung verlauten lassen? Nun, das konnte kein Problem sein.
Er schritt voran, direkt diesen Raum anvisierend. «Hier habe ich einen Praxisraum eingerichtet, für Forschungszwe…». Weiter kam er nicht. Er spürte den Stich der Injektionsnadel im Hals. Den Kopf halb wendend, brachte er noch ein «Du» heraus, alsdann zusammenbrechend.

Es war keine starke Betäubung, da sie ihn nachher wieder in Wachzustand haben wollte. Mit sicherer Hand und mithilfe des vorhandenen Monitors führte sie die Injektion von unten ins Gehirn durch. Zielgerichtet ein Nervengift in jene Mikroregion streuend, in der es begrenzt Zellen zerstören sollte. Anschliessend nahm sie seine Hände vor, in die einzelnen Gelenke ein Mittel spritzend, die sie nur leicht versteifen, dadurch aber unfähig machen würden, je wieder ein Skalpell zu führen.

*​

Bei der Polizei war eine von Harmsens PC abgesandte Mail eingegangen, in der er sich selbst der chirurgisch deformierenden Taten bezichtigte. Unterzeichnet war das Mail mit Dr. Mark Harmsen alias Helmut Rinderknecht. Es war auffallend wirr abgefasst, dennoch sandte man eine Streife vorbei, um nach dem Rechten zu sehen.

Kommissar Oberhänsli betrachtete den Mann, der im Wohnzimmer auf dem Sofa sass. Es war ein völlig anderes Gesicht als jenes von Harmsen, das er aus den Akten kannte. Ein Arzt hatte den Mann bereits untersucht und war zur vorläufigen Diagnose einer schwersten Intelligenzminderung gelangt, wie sie durch Krankheit oder Unfall eintreten kann. Er konnte zwar sprechen, doch nur bruchstückhaft und machte einen desorientierten Eindruck. In der Befragung konnte er weder seinen Namen sagen, noch was für ein Tag heute war.

«Im Keller hat es einen Operationsraum, den Sie sich ansehen sollten», bemerkte einer der beiden Polizisten, welche als Erste vor Ort waren, zu Oberhänsli.

Im Raum roch es stark nach Desinfektionsmittel. Der PC, welcher eingeschaltet auf dem Schreibtisch stand, zeigte ein Bild von dem Mann, welchen sie oben vorfanden, neben dem entstellten Gesicht des Anwalts. Harmsen musste sich neben sein Opfer gelegt haben, um die Aufnahme zu machen, dabei zeigte er einen zynischen Gesichtsausdruck.

*​

Oberhänsli legte die „Akte Harmsen“ definitiv in das Ausgangsfach für das Archiv. Dass er es war, der die beiden Opfer malträtiert hatte, daran bestand kein Zweifel. Der Verdacht, dass Harmsen selbst zum Opfer eines andern Täters wurde, jemand den Ermittlungen der Polizei zuvorgekommen war, liess sich nicht erhärten. Der Kommissar hatte zwar einen vagen Verdacht überprüft, doch das Alibi dieser Person zeigte keine nennenswerte Lücken. Fälle, in denen Fragen offenblieben, mochte er an sich nicht, doch da Harmsen das Handwerk endgültig gelegt war, gab er sich damit zufrieden. Vielleicht gibt es doch eine höhere Gerechtigkeit, welche die Möglichkeiten der Natur nutzt, um in solchen Fällen selektierend einzugreifen, dachte er selbstzufrieden.

*​

«Hässlich seid ihr. Hässlich», diese Worte murmelte Harmsen ab und zu vor sich hin. Die Mitpatienten in der geschlossenen Abteilung der psychiatrischen Klinik blickte er dabei nicht an. Deren Gesichter waren mehr oder weniger ausgeprägt von ihren Krankheiten gezeichnet. Apathisch wirkend sass Harmsen auf einem Stuhl. Die beständige Unruhe im Gemeinschaftsraum, durch Einzelne aufrechterhalten, prallte an ihm ab. Dementgegen rannten in seinem Kopf die Gedanken beständig gegen die schwarze Wand an, als wüssten sie, dahinter war mehr gewesen. Es blieb ein hoffnungsloses Unterfangen, kein Gedankengang, der sich auf Dauer fassen liess. Kein Stück Erinnerung, die sich ihm erschloss. Nur das dumpfe Bewusstsein, er war mit Hässlichkeit umgeben.

 
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Hallo Anakreon,

eine moderne Horrorgeschichte mit klassischen Anleihen! Der durchgedrehte Wissenschaftler/Arzt war schon immer eines der Lieblingsthemen der Horrorliteratur gewesen, wenn es darum ging, gruselige Stoffe zu erzeugen.

Dein typischer Stil, gepaart mit diesem doch irgendwie trashigen Thema, das macht einen besonderen Reiz der Geschichte aus, und nach den notwendigen Einstiegserklärungen entsteht auch unterhaltsame Spannung.

Die Geschichtsstruktur an sich ist nicht unbedingt neu, ein Psychopath rächt sich an Menschen, die ihm vermeintlich Unrecht taten. Es war spannend, zu verfolgen, wie deine Protagonistin den Spieß umdreht. Das Ende war dann für einen hartgesottenen Leser wie mich fast ein wenig zu "brav", da hatte ich - was natürlich nicht in deiner Verantwortung liegt - mit etwas ... Härterem gerechnet. Aber auf der anderen Seite wolle Anita nur die Gefahr abwenden, und sich nicht ihrerseits rächen, insofern passt das schon.

Hat mich gut unterhalten, diese kleine, böse Story :-)

Rick

 

Hallo Rick

Schön, dass du dich auf diese Schöpfung eingelassen hast. Letzthin machtest du mir den Vorschlag, einen Krimi zu verfassen, natürlich mit andern, maskierten Vorzeichen. Da war dieser Stoff bereits in Arbeit und es war noch ungewiss, ob er einen Abschluss findet.

Der durchgedrehte Wissenschaftler/Arzt war schon immer eines der Lieblingsthemen der Horrorliteratur gewesen, wenn es darum ging, gruselige Stoffe zu erzeugen.

Als ich daran zu schreiben begann, waren meine Gedanken eigentlich nur bei einem Chirurgen, der durch unglückliche Umstände seine Contenance und seine Orientierung verliert. Mit der Figurenzeichnung rutschte ich jedoch unwillkürlich in dieses Szenario hinein. Hätte ich mich an einem simplen Kunstfehler aufgehalten, hätte sich der Stoff wohl einzig für die Rubrik Alltag angeboten und wäre mit einem Achselzucken quittiert worden. – Wer hatte nicht schon einen solchen am eigenen Leib erfahren müssen? :D

Dein typischer Stil, gepaart mit diesem doch irgendwie trashigen Thema, das macht einen besonderen Reiz der Geschichte aus, und nach den notwendigen Einstiegserklärungen entsteht auch unterhaltsame Spannung.

Irgendwie fühlte ich mich hier schon wie bei einem Sprung ins kalte Wasser, höchst unsicher, ob dies gut gehen kann. Die positive Aufnahme, die es weitgehend fand, entschädigte mich dann für den selbstverursachten Gefühlsschock mehr als vollumfänglich.

Es war spannend, zu verfolgen, wie deine Protagonistin den Spieß umdreht.

Ein Notfallszenario, der mir einzige Ausweg, den ich fand, um mich aus dem Dilemma zu befreien, dem Unheil wieder Einhalt zu gebieten. Die Geister, die ich rief, verselbständigten sich und mussten gestoppt werden.

Das Ende war dann für einen hartgesottenen Leser wie mich fast ein wenig zu "brav", da hatte ich - was natürlich nicht in deiner Verantwortung liegt - mit etwas ... Härterem gerechnet.

Hui, und mich plagten schon üble Gewissensbisse über dieses Verbrechen, welches ich ihm angedeihen liess. Meine zu dieser Geschichte abgegrenzten Gedanken gingen bereits dazu über, wie die Lätsch ihre nachträglichen Skrupel damit beschwichtigt, dass sie die Beistandschaft für ihn übernimmt und ihm in einer teuren Privatklinik die allerbeste Pflege angedeihen lässt. :shy:

Aber auf der anderen Seite wolle Anita nur die Gefahr abwenden, und sich nicht ihrerseits rächen, insofern passt das schon.

Ich denke, dass sie von ihrem Charakter her ans äusserste Limit ging, und auch nur zum Selbstschutz so handelte.

Hat mich gut unterhalten, diese kleine, böse Story :-)

Das freut mich sehr, damit hat sie ihr Ziel erreicht.

Ich danke dir herzlich für das Lesen, das ausgewogene Kommentieren und natürlich für die gute Bewertung.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Anakreon,
Ich dachte immer, die Schweizer sind gemütlich. Gut dann und wann, wenn die Fasnacht beginnt, wird es gruselig. Daran hat mich die Geschichte erinnert, an die Fasnacht in Luzern. An die Masken. Unheimlich. Und vielleicht fühlte sich Dr. Alias Rinderknecht sogar dadurch animiert.

Liebe Grüße, GD

 

Hallo Goldene Dame

Ich dachte immer, die Schweizer sind gemütlich.

Es war an der Zeit, auch mal die ungemütlichen Seiten einzelner aufzuzeigen. :D

Gut dann und wann, wenn die Fasnacht beginnt, wird es gruselig.

Ja, die Luzerner. Auch anderswo treiben sie es so bunt, da kommen die tief verborgenen Dämonen in ihnen zum Durchbruch. Es ist die Kehrseite der Menschen, dass ihnen auch Fähigkeiten gegeben sind, die unter Umständen ins Verkehrte abdriften können – hier glücklicherweise nur zur Unterhaltung.

Danke, dass du trotz für dich traurigen Tagen, dir die Zeit nahmst, es zu lesen und zu kommentieren. Ich wünsche dir alles Gute.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Anakreon,

so, jetzt wird aber endlich Zeit! Ich habe die Geschichte gleich nach dem posten gelesen und mir so Anmerkungen auf den Zettel gekritzelt und dann war schönes Wetter oder der Garten oder die Lust hat gefehlt ... lauter Ausreden und jetzt finde ich nicht mal mehr meinen Zettel :D. Aber ich denke, dass einiges davon ohnehin bereits durch die bisherigen Kommentatoren behoben worden ist.
Ich fand es spannend zu lesen und ich dachte oft, hier und da wäre ja eine weitere Info auch schön gewesen, z.B. wie er es geschafft hat, eine neue Identität anzunehmen und seinen "Keller" einzurichten und dann dachte ich mir, ja, ist ja ne KG und wenn man all die Fragen beantworten würde, hätte man einen schönen Roman. Also, da muss man sich schon drauf einlassen und dem Autor mal eben die Fakten abkaufen, bei so Kurzkrimis. Und die Fakten reichen ja auch um sich ein schönes Gesamtbild zusammenzulegen und dafür, lieber Anakreon, Respekt!

Was mich doch ab und an aus der Bahn geworfen hat, war Deine Sprache. Hier fand ich es an manchen Stellen wirklich störend, das schnörkelige, extravagante - was ja Dein Ding ist und mit manchen Inhalten auch gut einhergeht, aber hier fand ich es einfach schade ab und an. Aber so ist er nun, der Anakreon, und das kann man ihm ja nun schlecht anzählen und die Geschichte bleibt ja ihres Inhaltes lesenswert ;).

An diesem Ort hatte man öfters Ärger mit Junkies gehabt.

Nur in der Vergangenheit, oder ist der Park nach wie vor dafür bekannt? Dieses hatte gehabt ist jedenfalls eine sehr unschöne Konstruktion ;).

«Ja», der Arzt sprach das Wort gedehnt aus, als ob er zugleich nach einer plausiblen Erklärung suchte. «Eine Deformation, wobei es hier wirklich eine sonderbare Laune der Natur bildet. So etwas habe ich selbst (auch) noch nie gesehen.

Dessen Lippen standen leicht offen, sie waren unauffällig, doch einen Fingerbreit darunter, ein zweites Lippenpaar.

Dessen Lippen standen leicht offen - das sind so Formulierungen, da flieg ich raus. Die Lippen standen leicht offen, da bliebe ich drin ;).

Als man seinen zweiten Mund untersuchte, zeigte es sich, dass der Kieferknochen und die Zähne darunter völlig intakt waren, er also keine Öffnung und Funktionalität hatte.

Verstehe ich nicht. Wenn es keine Öffnung gibt, wie können dann Kiefer und Zähne dahinter untersucht werden? Also, dieses zweite Mundbild hab ich nicht auf den Schirm bekommen, wie das gemeint war.

Dafür waren schwach verwachsene Nähte erkennbar.

Schon bereits so kurz nach der OP?

Wenn er sich wirklich an den beiden Prozessbeteiligten gerächt hatte, würde er sie erst recht nicht ausklammern, da er ihr die Schuld an dem gravierenden Unfall bei der Operation an Frau Dumermuth gab.

Jaja, schon klar. Dieses Anhängsel braucht der Leser nicht.

Sie war sich völlig im Unklaren, wie sie die Gefahr von sich abwenden könnte. Vorerst müsste sie (mal) versuchen, (den Spiess umzudrehen und) mehr über seine heutige Identität in Erfahrung bringen.

Ohne Klammerinhalte gefiele mir besser. Zumal Spieß umdrehen viel vorweg nimmt.

Harmsen hatte die Gewohnheiten und die Lebensumstände der Lätsch ausgeforscht.

ausgeforscht? Was das denn für ein Wort. Selbst für Dich, lieber Anakreon, klingt das wirklich sehr bemüht künstlich.

Ihre Zusammenarbeit hatte es erfordert, den andern präzis einschätzen und dessen Handlungen schon vorab abwägen zu können.

vorab abwägen - hier geht die Melodie aber mal richtig den Bach runter ;)
Und das ist auch so ein Punkt, sie erkennt ihn an Gestik und so, er sie aber nicht. Schwierig ...

Da war auch der Richter mit allen bildlichen Details. Die zweiten Lippen waren durchaus ein Kunstwerk, das musste sie Harmsen zugestehen. Er beherrschte noch immer seine Fähigkeiten.

Fähigkeiten oder Fertigkeiten? Ich denke ja eher an Fertigkeiten. Und überhaupt wäre mir ein schlichtes - Handwerk - ohnehin lieber ;).
Fähigkeiten beherrschen - ich weiß ja nicht ...

Das Handwerk musste ihm möglichst rasch und nachhaltig gelegt werden, (da war sie sich jetzt sicher.)

Okay, dann hättest Du hier ne Wortdopplung, aber mal ehrlich, vielleicht bastelst Du einen ganz neuen Satz, zumal die Hälfte eh nur Zierde ist.

Im Schlachthof hatte sich Harmsen einen Schweinekopf besorgt. Er war sich noch unsicher, welche Teile er davon verwenden würde, doch eines war ihm klar, es musste ein Stück Schwein für die Lätsch sein. Es kam ihm entgegen, dass Organe und Zellgewebe von Schweinen sich für eine Transplantation in den menschlichen Körper eigneten. Er war beglückt, als ihm dieser Gedanke aufgekommen war, es drückte sinnbildlich aus, was er von ihr hielt. Ihre Brandmarkung als Sau war die angemessene Strafe für sie.

Zu viel vorab, denk ich. Hier drosselst Du ein wenig die Spannung, wenn Du das gleich so detailliert preisgibst.

Darüber war auch der Hausbesitzer orientiert.

Ich weiß ja nicht, aber Orientierung hat für mich eine andere Bedeutung.

Lieber Anakreon, feine Geschichte und da es echt schwierig ist, einen Kurzkrimi zu schreiben, gerade wegen der Kürze, finde ich, es ist Dir gut gelungen. Spannend war es und unterhaltsam, habe ich sehr gemocht.

Beste Grüße, Fliege

 

Hallo Fliege

Oh schön, dass du dich auf diese böse Geschichte eingelassen hast. :)

Ich fand es spannend zu lesen und ich dachte oft, hier und da wäre ja eine weitere Info auch schön gewesen, […]Also, da muss man sich schon drauf einlassen und dem Autor mal eben die Fakten abkaufen, bei so Kurzkrimis. Und die Fakten reichen ja auch um sich ein schönes Gesamtbild zusammenzulegen und dafür, lieber Anakreon, Respekt!

Beim Schreiben überlegte ich mir die wesentlichen Schnittpunkte in Harmsens Leben. Hinter der Kulisse bestimmen sie den Verlauf. Sie tiefer einzubeziehen, hätte aber bedingt, auch andere Szenen zu erweitern und in die Tiefe zu gehen, was es vom Umfang her hätte explodieren lassen. So machte ich aus der Not eine Tugend und legte den Fokus in den gesetzten Rahmen.
Dass die Fakten für die Leser dennoch greifen, liess mich aufatmen.

Was mich doch ab und an aus der Bahn geworfen hat, war Deine Sprache. Hier fand ich es an manchen Stellen wirklich störend, das schnörkelige, extravagante - was ja Dein Ding ist und mit manchen Inhalten auch gut einhergeht, aber hier fand ich es einfach schade ab und an. Aber so ist er nun, der Anakreon, und das kann man ihm ja nun schlecht anzählen und die Geschichte bleibt ja ihres Inhaltes lesenswert.

Es tut mir leid, wenn das der modernen Sprache abholde, sich immer wieder störend durchsetzt. Nur, da es in meiner Identität verwurzelt ist, lässt es sich schwer abstreifen und dauerhaft verleugnen. Da bin ich froh, dass die Inhalte dieses Manko zu überbrücken vermögen, zumindest nicht alle Leser abschreckt.

An diesem Ort hatte man öfters Ärger mit Junkies gehabt.

Nur in der Vergangenheit, oder ist der Park nach wie vor dafür bekannt? Dieses hatte gehabt ist jedenfalls eine sehr unschöne Konstruktion .

Ich dachte an einen Park, dessen offenen Drogenszene geräumt wurde. Aber es stimmt schon, in diesem Stück passt es besser, ein wenig Anrüchiges stehen zu lassen, umso mehr, wenn es das sprachliche Niveau hebt.

Dessen Lippen standen leicht offen - das sind so Formulierungen, da flieg ich raus. Die Lippen standen leicht offen, da bliebe ich drin.

An diesem Wörtchen hatte ich mehrfach rumgebastelt, nie mit der Lesart zufrieden und aus einer Laune heraus dann dessen gewählt. Aber vom Kontext her ist ja klar, wessen Lippen gemeint sind, wenn ich sie nun mit einem die erwähne.

Als man seinen zweiten Mund untersuchte, zeigte es sich, dass der Kieferknochen und die Zähne darunter völlig intakt waren, er also keine Öffnung und Funktionalität hatte.

Verstehe ich nicht. Wenn es keine Öffnung gibt, wie können dann Kiefer und Zähne dahinter untersucht werden? Also, dieses zweite Mundbild hab ich nicht auf den Schirm bekommen, wie das gemeint war.

Ein Fingerbreit unter der Unterlippe entspricht im Kiefer der Höhe des Zahnhalses. Durch Umklappen der Unterlippe ist die untere Zahnfront bis zum Zahnhals und noch etwa 1 cm des die Wurzelhaut überdeckenden Zahnfleisches erkennbar. Bei einer Missbildung wäre je nach Fortschritt denkbar, dass auch diese Teile betroffen sind.
Ich habe überlegt, ob es sich in der KG kurz aber präziser formulieren liesse, kam jedoch zu keinem Ergebnis. Es im Rahmen der medizinischen Untersuchung knapp zu erwähnen, scheint mir für die Authentizität der Szene schon angezeigt.

Dafür waren schwach verwachsene Nähte erkennbar.

Schon bereits so kurz nach der OP?

:D Bereits beim Schreiben dachte ich, man wird mir diesen Punkt um die Ohren hauen.
Mein erster Gedanke war, dass der Richter länger in der Hand von Harmsen war. Dies macht aber wenig Sinn, auch wenn Harmsen bei seiner Arbeit auf Ästhetik wert legt. Ich habe das schwach Verwachsene nun rausgekippt.

Und das ist auch so ein Punkt, sie erkennt ihn an Gestik und so, er sie aber nicht. Schwierig ...

Ich halte dies durchaus für plausibel, zumindest für einen kürzeren Zeitraum, wenn jemand nicht auffallende Merkmale hat. Im Stück übernimmt sie den Part einer Femme fatale, was nicht nur verführerisch und/oder grausam sein muss, sondern auch den Gegenüber austricksend.

Fähigkeiten oder Fertigkeiten? Ich denke ja eher an Fertigkeiten.

Du hast vollkommen recht, mit Fertigkeit umschreibt es sein Können treffender.

Ich weiß ja nicht, aber Orientierung hat für mich eine andere Bedeutung.

Na gut, es ist nun das zweite mäkeln über diese Wortwahl, da beuge ich mich der Wortgewalt und lasse den Hausbesitzer informiert sein.

Lieber Anakreon, feine Geschichte und da es echt schwierig ist, einen Kurzkrimi zu schreiben, gerade wegen der Kürze, finde ich, es ist Dir gut gelungen. Spannend war es und unterhaltsam, habe ich sehr gemocht.

Das freut mich sehr, diese Wertung von dir zu hören, liebe Fliege. Es ist ein gutes Gefühl, wenn ein Stück im Wesentlichen sein Publikum findet, umso mehr ich bei diesem sehr selbstkritisch eingestellt war.

Die im Einzelnen nicht erwähnten Stellen habe ich ebenso überarbeitet, nur der intakte Kiefer wollte nicht weichen. Dieser klitzekleine Punkt war aber auch der Einzige, der deiner Argumentation nachhaltig Widerstand leistete. Ist nur zu hoffen, dass nun nicht ein Kieferchirurg auf den Plan tritt, der die Möglichkeit einer solchen genetischen Missbildung in Frage stellt.

Für das Lesen, die intensive Auseinandersetzung und Hinterfragung der Inhalte, die anregenden Vorschläge und das ausgesprochene Lob, danke ich dir herzlich. :)

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Maria

Wäre es nicht verblüffend, ich würde es nicht lesen.

Bei dem Titel setzte ich darauf, dass er eine suggestive Anziehungskraft besitzt. Welche Frau könnte sich da entziehen, wenn ihre Intuition realisiert, es geht um Schönheit? Ein Ignorieren der Geschichte durch dich wäre mir darum mehr als verblüffend, direkt unfassbar gewesen. ;)

Ich hoffe, er ist nicht der Prot, er klingt mir ja voll langweilig.

Da hast du Glück gehabt, doch als Nebenfigur durfte er sich nicht zu sehr abheben.

Holy Shit!

Dabei war es erst ein Zuckerchen, eine sanfte Einleitung in die Kunst des Schneidens und Formens.

Classic. Solche Sätze kenne ich von diversen Reclam-Heften

Da hast du vielleicht an Die Elixiere des Teufels von E. T. A. Hoffmann oder an Trotz allem Mensch sein von Erich Mühsam gedacht, die in der gelben Reihe erschienen sind.

Ach, du Kacke. Anakreon, seit wann schreibst du über solche Grausamkeiten?

Da muss schuld sein, dass mir kürzlich empfohlen wurde, mal einen deftigen Krimi zu verfassen. Daraufhin war plötzlich die böse Idee da, hatte sich meiner bemächtigt.:shy:

Ich glaube, da fehlt so was wie „von seiner Nähe“?

Das von wäre sicher nicht falsch, doch meine ich, es braucht es hier nicht. Aber warten wir mal ab, vielleicht klopft da noch ein angehender Linguist auf den Tisch, der die Syntax als strapaziert empfindet.


Und hier die Kehrseite, welche mit dem von die Frage beantwortet, wessen PC es ist. Aber etwas zum Haare raufen, müssen die Varietätenlinguistiker auch haben, bis sie sich einig sind, dass es stimmt. :)

Am Anfang hatte ich noch Zeit, mich langsam in die Geschichte einzulesen und passende Kommentare zu verfassen, doch danach musste ich es in einem Flutsch lesen. Bravo.

Wow! Zu einfach wollte ich es den Lesern nicht machen, in diese snobistische Welt der Schönheit hineinzuschauen. Schön, dass du dich nicht abschrecken gelassen hast und in den Bann von Harmsen gezogen wurdest.

Also, Action ist nicht dein Ding, das muss ich mal loswerden,

Das stimmt, bei meinem ruhigen Temperament fehlt mir dazu eine nahe Beziehung. So musste ich mich eben auf fieses Geschehen im subtileren Rahmen kaprizieren. Lesern, die anschliessend von Entzugserscheinungen an Action geplagt werden, rate ich zur Kompensation sich zusätzlich einen reisserischen Thriller auf einem der Privatfernsehsender reinzuziehen, der hilft, ihr seelisches Gleichgewicht wiederherzustellen.

Ihn lahm zu legen, ist vielleicht eine Lösung, aber eine, die ich nie und nimmer akzeptiert hätte. Ich hätte so etwas nicht geschrieben. … bei solchen Sachen fällt mir immer dieser Spruch ein: „Auch wenn ich schlimm bin, schlimmer als jeder Hund der Welt, habe ich dennoch nicht das Recht verdient, zu leben?“

Du steckst nicht in meinem Dilemma, ein Jahr lang die Protagonisten nicht sterben zu lassen, wie ich mir vorgenommen hatte. Da seine Taten ihn nicht für sehr lange in den Knast gebracht hätten, musste eben eine andere Massnahme her um seine Opfer nachhaltig vor ihm zu schützen. Natürlich ist diese Injektion noch scheusslicher, als wenn er einfach abgemurkst worden wäre. Aber da musste seiner Widersacherin mir als Autor eben entgegenkommen, mein Vorhaben einzuhalten.

Also, ich bin begeistert, sie ist zu Recht empfehlungswert.

Dass ich dies auf meine alten Tage hin noch erleben darf, hätte ich fürwahr nicht für möglich gehalten. :cool: Es freut mich sehr, dass ein Text von mir dich mal richtig zu packen vermochte.

Danke dir für das Lesen, deine kritischen Worte, die sich in Faszination wandelten, und die gezeigte Freude an diesem bösen Stück.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Anstelle seiner Nase hing schlaff der Penis samt Hodensack und an dessen Stelle war die Nase eingesetzt, permanent Urin tröpfelnd.

… Im Schlachthof hatte sich Harmsen einen Schweinekopf besorgt. Er war beglückt, …

Jessas, Anakreon meets Tarantino!

Ich hab ja schon einige deiner Geschichten gelesen, Anakreon, manche nur angelesen, muss ich gestehen, aber mit dieser Story hast du mich endlich mal so richtig erwischt! Ich empfand sie als Unterhaltungslektüre im besten Sinne!
Dein einigermaßen gewöhnungsbedürftiger Stil konnte mich diesmal nicht abschrecken, im Gegenteil, der gefiel mir sogar als origineller Kontrast zu der teils wirklich bizarren Handlung.
Dass Anitas „Notwehrplan“ dann etwas gar zu glatt und reibungslos über die Bühne geht, haben schon andere Kommies beanstandet, mich allerdings, der ich ohnehin kein Krimi-Leser bin, hat das nicht weiter gestört.

Ein paar Sachen sind mir aufgefallen:

Auch für seine Bewusstlosigkeit gibt es noch keine sicheren Anzeichen.
Die Tatsache, dass er bewusstlos ist, scheint mir eigentlich ein sehr sicheres Anzeichen für seine Bewusstlosigkeit …
Vielleicht: Auch über die Ursache seiner Bewusstlosigkeit kann ich noch nichts sagen.
Oder: Auch für seine Bewusstlosigkeit weiß ich noch keine eindeutige Ursache.

Die Parkanlage, in der der Bewusstlose aufgefunden wurde, hatte diesen Gedanken aufkommen lassen.
Das müsste eigentlich im Plusquamperfekt stehen, oder?

Offen blieb, ob das Pharmawerk Opfer eines Sabotageaktes wurde.
Und das für mein Gefühl auch.

Die Strömungen sind dort besonders tückisch, weshalb es jährlich mehrere solch tödlicher Unfälle gab, da das relativ ruhig wirkende Wasser unterschätzt wurde.
Diese lange Satzkonstruktion gefällt mir gar nicht, den letzten nachgestellten Satzteil halte ich für überflüssig, der wird ja ohnehin durch das tückisch vorweggenommen.

… der vorhin aus einem Hauseingang trat, stehen blieb und sie, wie unabsichtlich anschaute, …
Entweder lässt du das Komma hinter sie weg, oder du setzt ein zusätzliches Komma hinter unabsichtlich

Sie sah sein Gesicht vor sich, so wie er damals aussah.
Ja, die leidige Vorvergangenheit!
Besonders in diesem einen Absatz, in dem Anita des Nachts aufwacht und sich sozusagen doppelt zurückerinnert, an die Begegnung mit dem vermeintlichen Harmsen am Vortag und an den Prozess, scheinen mir die Zeiten nicht recht zu passen, die wirken ein bisschen inkonsequent und durcheinander eingesetzt. Ich kann dir jetzt gar keine konkreten Verbesserungsvorschläge machen, das ist ja wirklich verdammt diffizil. Vielleicht willst du dir diesen Absatz noch einmal in Ruhe anschauen?

Vorerst müsste sie versuchen, mehr über seine heutige Identität in Erfahrung [zu] bringen.

Blieben nur noch die einzelnen Räume im Untergeschoss, die sie noch nicht inspizierte.
Hier allerdings bin ich mir sicher, dass es den Plusquamp braucht.

Den Gedanken, die Polizei zu verständigen, verwarf sie.
Das schien mir natürlich erst mal überhaupt nicht nachvollziehbar, vollkommen plemplem eigentlich, weil, bei der Fülle an Beweisen ginge wohl jeder normale Mensch sofort zur Polizei … Aber ich bin halt wirklich ein sehr unbedarfter Krimi-Leser, hallo, das ist nicht das wirkliche Leben, offshore, musste ich mir einmal mehr sagen und kam dann eh gut über die Stelle hinweg.

Bei der Polizei war ab dem PC von Harmsen eine Mail eingegangen, in der er sich selbst bezichtigte, der Täter jener zwei Opfer zu sein,
So fände ich das eleganter: Bei der Polizei war eine Mail von Harmsens PC eingegangen.
Und ich weiß nicht recht, wie man’s besser sagen könnte, aber „Täter eines Opfers“ geht irgendwie nicht, ein Täter begeht ja nicht ein Opfer, sondern eine Tat, ein Verbrechen …
Vielleicht: … in der er sich selbst bezichtigte, die beiden Opfer auf dem Gewissen zu haben.
Oder so ähnlich, tja, keine Ahnung.

Aber wie auch immer, Anakreon, deine Geschichte war mir ein wirkliches Lesevergnügen. Und in Hinkunft werde ich mich deinen Geschichten wohl um einiges vorurteilsfreier nähern.


offshore

 

Hallo offshore

Jessas, Anakreon meets Tarantino!

Ich muss gestehen, dass ich keinen einzigen Film von Tarantino gesehen hatte. Dennoch war er mir ein Begriff, ohne dass ich ihn präzis zuordnen konnte und mich erst genauer informieren musste.

Ich hab ja schon einige deiner Geschichten gelesen, Anakreon, manche nur angelesen, muss ich gestehen, aber mit dieser Story hast du mich endlich mal so richtig erwischt! Ich empfand sie als Unterhaltungslektüre im besten Sinne!

Langsam werde ich mir selbst unheimlich! Ausgerechnet dieses böse Stück, bei dem ich befürchtete, die Buhrufe würden nicht so schnell verklingen, fand zustimmende Resonanz. Dass es gar dich zu begeistern vermag, weiss ich doch, dass du dem Schaurigen reserviert gegenüberstehst, hätte ich nicht im Traum zu hoffen gewagt. Unterhaltungslektüre im besten Sinne ist mir ein Prädikat, das ich eigentlich nie erwartet hätte, je zu erreichen.

Dein einigermaßen gewöhnungsbedürftiger Stil konnte mich diesmal nicht abschrecken, im Gegenteil, der gefiel mir sogar als origineller Kontrast zu der teils wirklich bizarren Handlung.

Die Literatur- und die Sprachwissenschaftler liegen sich ja permanent in den Haaren, was Literatur ausmacht und wie sie zu interpretieren ist. Würden sie meine Texte kennen, wären sie vielleicht mal einhelliger Meinung. :D Dass mein Stil hier mit dem Bizarren kontrastierend zu harmonieren vermag, freut mich ausserordentlich.

Dass Anitas „Notwehrplan“ dann etwas gar zu glatt und reibungslos über die Bühne geht, haben schon andere Kommies beanstandet, mich allerdings, der ich ohnehin kein Krimi-Leser bin, hat das nicht weiter gestört.

Ich ging von der Erwartung aus, dass die Leser zu einem schnellen Ende kommen möchten, weshalb ich auch diesen Teil raffte. Dass für dich diese knappe Inszenierung kein Handicap beim Lesen bildete, freut mich und bestätigt mir, dass es ohne weitere Dramatisierung tragbar ist.

Vielleicht: Auch über die Ursache seiner Bewusstlosigkeit kann ich noch nichts sagen.
Oder: Auch für seine Bewusstlosigkeit weiß ich noch keine eindeutige Ursache.

Du hast recht, dass das Wort Anzeichen im gegebenen Kontext missverstanden werden kann, auch wenn es synonym zu Anhaltspunkten steht. Ich habe den Satz umformuliert.

Das müsste eigentlich im Plusquamperfekt stehen, oder?

Deine Anmerkungen zum Tempus Vorvergangenheit habe ich durchgesehen und musste wirklich alle korrigieren. Dieses Plusquamperfekt hat es in sich. :(

Diese lange Satzkonstruktion gefällt mir gar nicht, den letzten nachgestellten Satzteil halte ich für überflüssig, der wird ja ohnehin durch das tückisch vorweggenommen.

An dem Passus hatte ich schon Reduktionen vorgenommen, er war noch ausführlicher. Aber es muss für den Leser stimmig wirken, also habe ich es noch herabgebrochen.

Entweder lässt du das Komma hinter sie weg, oder du setzt ein zusätzliches Komma hinter unabsichtlich

Das Komma hat sich nun eingeschoben.

Den Gedanken, die Polizei zu verständigen, verwarf sie.

Das schien mir natürlich erst mal überhaupt nicht nachvollziehbar, vollkommen plemplem eigentlich, weil, bei der Fülle an Beweisen ginge wohl jeder normale Mensch sofort zur Polizei … Aber ich bin halt wirklich ein sehr unbedarfter Krimi-Leser, hallo, das ist nicht das wirkliche Leben, offshore, musste ich mir einmal mehr sagen und kam dann eh gut über die Stelle hinweg.

Natürlich würde ein Durchschnittsbürger in einem solchen Fall sofort die Polizei verständigen. Aber die Protagonistin denkt darin differenziert. Mit der Einschaltung der Polizei wäre die Gefahr vorübergehend gebannt, aber eben nur vorläufig. In ihrem Entscheid sehe ich auch keinen krimispezifischen Rückschluss, sondern mehr eine rationale Folgerung, wenn auch die Lösung eigenwillig ist.

So fände ich das eleganter: Bei der Polizei war eine Mail von Harmsens PC eingegangen.
Und ich weiß nicht recht, wie man’s besser sagen könnte, aber „Täter eines Opfers“ geht irgendwie nicht, ein Täter begeht ja nicht ein Opfer, sondern eine Tat, ein Verbrechen …
Vielleicht: … in der er sich selbst bezichtigte, die beiden Opfer auf dem Gewissen zu haben.
Oder so ähnlich, tja, keine Ahnung.

Du entwickelst ja echt Krimi-Logik. :thumbsup: Den Satz habe ich umformuliert, wobei ich erst nach einigem Suchen eine mir genehme Lösung fand.

Aber wie auch immer, Anakreon, deine Geschichte war mir ein wirkliches Lesevergnügen. Und in Hinkunft werde ich mich deinen Geschichten wohl um einiges vorurteilsfreier nähern.

Das ehrt mich sehr, dass du die Geschichte als Lesevergnügen wahrgenommen hast.
Im Moment bin ich von nicht-literarischen Turbulenzen gebeutelt und komme in absehbarer Zeit nur sporadisch sowie stark reduziert zum Schreiben. Deshalb werde ich den Schwerpunkt vorübergehend auf die Mod.-Aufgaben und allfälliges Kommentieren legen. Eine Geschichte habe ich allerdings noch in der Pipeline. Ob dieses Stück jedoch Anklang findet, da bin ich etwas skeptisch. Ich habe es in Gedanken als Hommage an einen Autor des 19. Jahrhunderts verfasst, seinen Geist einbindend. Inhaltlich ist das Geschehen zwar erheblich harmloser, aber für eine noch gruseligere Rubrik bestimmt.
Und apropos Vorurteile. Solche hat jeder Mensch Hunderte wenn nicht gar Tausende, ohne sich deren weitgehend bewusst zu werden. Aber es freut mich natürlich sehr, wenn du unbelastet an meine Texte herangehen kannst, sie vorab erst mal einwirken lässt. Dies ist etwas, dass sich jeder Autor von den Lesern wünscht, aus verständlichen Gründen aber nicht immer so funktioniert.

Ich danke dir herzlich für das Lesen, die kritisch korrigierenden Hinweise sowie für die sehr gute Bewertung. Daran kann ich mich jetzt nachhaltig laben.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Ja, da hab ich doch noch'n paar Flusen vom Teppich gehoben,

lieber Anakreon,

und so nochmals hier vorbeigeschaut:

Seine Gedanken von dem Anblick losreissend, begann er[,] den Bewusstlosen zu untersuchen.

Sie würden alle noch ihre gerechte Strafe erhalten, Frau Dumermuth, welche ihn wegen schwerer Körperverletzung angezeigt[,] und ihr Anwalt, der ihn vor Gericht als Scharlatan dargestellt hatte.

Sie würde ahnungslos sein, bis sie transformiert war.
Vllt. besser Konjunktiv "wäre" statt "war"?

Gruß

Friedel

 

Danke,

lieber Friedel

Was meine Flüchtigkeit unter den Teppich kehren wollte, konnte deinem Scharfblick mal wieder nicht entgehen. Es war wohl Vorsehung, dass ich Retuschen der Geschichte vorabsetzte. Mit der Entfernung dieser Flusen sind auch mir jetzt die Flausen ausgetrieben.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Anakreon,

tolle Geschichte!

Nur eine Anmerkung:
"...für den Abtransport auf die Bahre hievten."
Du meinst hoffentlich "eine Trage", denn tot ist er ja nicht...

 

Hallo vacat

tolle Geschichte!

Deine Einschätzung freut mich sehr.

Du meinst hoffentlich "eine Trage", denn tot ist er ja nicht...

Nein, tot ist er nicht. Du hast recht!, wenn man Wikipedia vertraut. :D
Ich habe nun bei Wahrig nachgeschlagen, um eine verbindliche Aussage zu erhalten. Dort führt man zu Bahre an: „Traggestell für Kranke, Verletzte od. Tote“.
In der Schweiz sagt man im medizinischen Bereich zu diesen Transportgeräten generell Bahre, in Deutschland hingegen ist Trage anscheinend verbreiteter. Da es über Grenzen hinweg dennoch verständlich ist, belasse ich es mal so. Aber danke für den Hinweis, da habe ich was dazu gelernt. :)

Schöne Grüsse

Anakreon

 

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